Der dritte Minister der Partei, Franke, befindet sich verzerr in Urlaub, und es ist noch nicht bekannt, ob er sich Stribny gegen Benesch anschließen wird.

Sicherheiksverkrsk, gegen Industrieanleihe ^ London. 16- Juli. Der sozialistischeDaily Herold' läßt sich aus Berlin melden, Reichsbankprästdent Dr. Schacht habe kürzlich mit dem Verwalter der Bank von England, Nor­man, eine Besprechung gehabt über eine von England zu ge­währende A nleihevon 800 M illionen G old m a r k für die deutsche Industrie. Die Anleihe sei zu haben, wenn Deutschland die Briandschen Slcherheitsbedmgun- gen annehme und die englische Politik gegen Sowjetrußland

^Ler^.Daily Telegraph" glaubt bestätigen zu können, daß von deutscher Seite der sofortige Eintritt in den Völkerbund zugesagt worden sei, wenn es die An­leihe erhalte. Das sei der Erfolg der Reise Normans nach Berlin, der die Anleihe unter politischen Bedingungen ver- sprachen habe, da Deutschland die Anleihe notwendig brauche.

DerDaily Telegraph" schreibt, die Bestätigung des deutsch-englischen Handelsvertrags durch den Reichstag scheine durch den Widerstand einer Opposition und gewisser Industrien insofern gefährdet, als die Reichsregierung ver- anlaßt werden könnte, die Cinfuhrerlaubnis englischer Kohle und einiger anderer englischen Waren in Deutschland einer erneuten'Prüfung zu unterziehen. England müsse einen Druck ausüben und solange Anleihen für Deutschland verweigern, bis die Frage zur Zufriedenheit der englischen Ausfuhrfirmen gelöst sei.

Die Lohnbewegung der englischen Bergarbeiter London, 16. Juli. Die Vertreter der Bergarbeiter haben beschlossen, sich an den vom Erstminister Valdwin angekün­digten Untersuchungsausschuß nicht zu beteiligen und mit den Grubenbesitzern nicht eher zu verhandeln, bis diese ihre neuen Vorschläge zurückgenommen haben.

Kuhhandel im Osten?

Paris, 16. Juli. Nach einer Havasmeldung aus Riga soll erwogen werden, den sogenannten Danziger Korridor d. h. den breiten Gebietsstreifen, der aus dem deutschen Ost- und Westpreußen gerissen wurde, uni den Polen eine unmittel­bare Verbindung mit der Ostsee zu geben, in der Weise aus­zutauschen, daß Polen das Memelland erhalte, wogegen Po­len die seinerzeit durch Ueberrumpelung genommene Stadt Wilna an Litauen zurückgebe.

Die französische Flotte veraltet Paris, 16. Juli. DerPetit Parisien" berichtet, Staats­präsident Doumergue werde auf Einladung des Marine­ministers den Flottenmanövern bei Cherbourg anwohnen. Der Minister wolle ihn überzeugen, daß die französische Flotte ziemlich veraltet sei. Seit Kriegsbeginn sei außer drei Tauchbooten kein neues Kriegsschiff mehr gebaut worden; nur ein im vorigen Jahr vom Stapel gelaufener Kreuzer stehe vor der Vollendung. Erst in drei Jahren werde Frank­reich neue Kreuzer bekommen und nach dem Washingtoner Abkommen können in zwei Jahren neue Großkampfschiffe auf Kiel gelegt werden. Vorläufig begnüge man sich damit, die Artillerie zu verstärken und zu verbessern.

Verschlimmerung der Lage in Marokko Paris, 16. Juli. Der Berichterstatter desJournal" in Fez meldet, an der Front in Marokko erwarte man minde­stens die Verstärkung um ein volles Armeekorps. Abd el Krim habe den angebotenen Waffenstillstand abge­lehnt. Er verlange, daß Frankreich seine volle Selbständig­keit anerkenne, er habe es aber abgelehnt, anzugeben, wie weit er seinen Machtbereich ausgedehnt wissen wolle. In der mittleren Front dauern die Einbrüche der Kabylen in die französischen Stellungen fort. Der Angriff auf Taza, namentlich im Gebiet der abgefallenen Stämme der Branes und der Thul, nehme an Stärke zu.

Painleve, Marschall Petain und Generalstabschef Debe- ! ey hatten gestern eine Besprechung über die nach Marokko m entsendenden Verstärkungen. Amtlich wird die Ausräu­mung Tazas von der Zivilbevölkerung jetzt zugegeben.

DieEre Nouvelle" und die radikalsozialistischen Blätter greisen Herriot heftig an, daß er acht Monate lang ru« auf den Marschall Liautey gehört, sich nicht um Spanien ge­kümmert und der Kammer und dem Land die Wahrheit über Marokko verheimlicht habe. Er habe die Lage in Marokko verschuldet.

Die LondonerTimes" meldet, 1200 Dhjeballas und Rif- kabylen haben sich an der Grenze des Tangergebiets bei dem spanischen Lager Regaia angesammelt. Man vermute einen Angriff auf das neutrale Gebiet. (?)

Belgien will die Amerikafchulden nicht bezahlen Brüssel, 16. Juli. Der Vorsitzende der belgischen Schul­

denkommission, Hymans, sagte in der Kammer, Amerika habe Belgien gegenüber moralische Verpflichtungen über­nommen. Er hoffe, daß die amerikanische Regierung, ob­wohl sie den Versailler Vertrag nicht unterzeichnet habe, die gerechten Ansprüche Belgiens anerkennen werde.

Die Kabinettsbildung in Holland Haag, 16. Juli. Die Königin Wilhelmine hat den Führer der Gegenrevolutionären Partei, Finanzminister Colye, mit der Bildung des Kabinetts beauftragt.

Württemberg

Stuttgart, 16. Juli. Die Rückkehr des Nordpol­fliegers Karl Feucht in die schwäbische Hei - m a t. Der Monteur Karl Feucht aus Heimerdingen OA. Leonberg, der als einziger Deutscher an der Nordpolfahrt Amundsens teilgenommen hat, ist gestern abend hier einge­troffen und wurde heute Vormittag mit dem Vertreter der Dornierwerke Diplomingenieur Tiedge von Staatspräsi­dent Bazille und anschließend von der Presse begrüßt. Es handelte sich bei den kühnen Forschern um eine glänzende Tat der Pflichterfüllung und des Mannesmuts. Feucht hat das Werk seiner Firma , den Dornier-Wal. an den Pol be­gleitet, der das beste Wasserflugzeug der Welt ist. Das Flug­zeug wurde, da es laut Versaill. Vertrag in Deutschland nicht hergestellt werden darf, in Pisa erbaut, ist aber das geistige Erzeugnis der Darnier-Wsrks. Jknn verdanken die Nordpol­fahrer ihre glückliche Heimkehr- Feucht gab eine eingehende interessante Schilderung der Fahrt mit all ihren Schwierig­keiten, die den Nordpolfahrern hauptsächlich aus den schlech­ten Landungsmöglichkeiten erwuchsen. Wenn auch nicht tat­sächlich, so sei doch fliegerisch der Nordpol erreicht morden, denn man habe bei starkem Gegenwind eine Strecke von 10 008 Kilometer zurückgelegt. Feucht schilderte dann noch die begeisterte Aufnahme bei der Rückkehr. Er war bereits mit Dr. Cckener zusammen, der ibn auf dem Zevvelinflug zum Nordpol mitnehmen will. Feucht erbielt vom König von Nor­wegen den St. Olaforden, ihm zu Ehren wurde in Oslo das Deutschlandlied gespielt Um die Mittagsstunde leistete Feucht einer Einladung der Stadt Stuttgart Folge, bei der Ober­bürgermeister Dr. Lautenschlaaer eine Ansprache hielt.

Erwähnenswert ist noch eine Erklärung Amundsens vor dem König von Norwegen:Diese beiden (Larsen und Feucht) haben mich gerettet."

Vom Landtag. Der Finanzausschuß genehmigte gestern zunächst die staatlichen Vorau szahlun gen für dieKirchen. Sodann behandelte man die Frage der wei­teren staatlichen Zuschüsse zum Wohnungsbau. Der Finanzminister teilte mit, daß die Oberpostdirektion sich bereit erklärte, zunächst 2 Millionen Mark und in etwa vier Wochen 116 Millionen kurzfristigen Kredit für die Wohnungs­kreditanstalt zu gewähren. Damit haben wir neben den zwei Millionen aus Mitteln der Erwerbslosenfürsorge eine Summe von 516 Millionen zur Verfügung. Es ist nicht mög­lich, aus Anleihen oder laufenden Mitteln weitere Gelder für diesen Haushalt zu Wohnungszwecken zur Verfimung zu stellen. Am 1. Juli waren Anträge für etwa 1500 Woh­nungen unbeschieden. Die jetzt vorhandenen von dem Aus­schuß gestellten Mittel werden wohl hinreichen. Für 1926 werden durch Reichsgesetz neue Verhältnisse geschaffen. Im Jahr 1925 wurden rund 8,9 Millionen Mark für 2715 Woh­nungsneubauten zur Verfügung gestellt. Ein Antrag Wider (Bürgerp.) auf Kleinwohnungen Zinsbeihilfen als Staats- und Gemeindezuschüsse zu geben, wurde einstimmig, ein Antrag Dingler (BB.), bei der Reichsregierung auf Abbau der Wohnungszwangswirtschaft zu wirken, wurde mit 11 ja, 4 Enthaltungen angenommen. Ebenso ein weiterer Antrag Dingler, die Wohnungszwangswirtschaft in Gemein­den zweiter und dritter Klasse aufzuheben und eine Zählung der Wohnungsbrauchenden durchzuführen, während sein An­trag, die Friedensmiete sofort zu gewähren, abgelehnt wurde.

Vorsiandssihunq der Württ. Landwirkschafkskammer. Die Sitzung des Vorstands der Württ. Landwirtschaftskammer am 14. Juni behandelte u. a. die M i l ch p r e i s f r a g e. Es wurde festgestellt, daß die Stadt Stuttgart bis 1. Juni noch Milch aus der Schweiz eingeführt hat. Trotz dieser Milcheinfuhr haben aber die Verbrauchergemeinden seiner­zeit den Milchpreis, mit der Begründung zu starker Anliefe­rung, auf 18 Pfg. herabgesetzt. Von der Württ. Landwirt­schaftskammer wurde sofort gegen dieses Vorgehen, das als glatter Vertragsbruch angesehen wurde, Einspruch er­hoben. Von der Regierung muß die Aufhebung der Ver­fügung, wonach den Städten die Konzessionierung des Milch­handels gestattet ist, verlangt werden. Heute ist der Land­wirt noch gezwungen, seine Milch an die ihm zugewiesene Stelle zu liefern. Bei den jetzigen Vorschriften, besonders bei den hohen Verkaufspreisen in den Städten, ist es nicht mög­lich, den Milchverbrauch, wie es im volkswirtschaftlichen In­

teresse gelegen wäre, zu steigern. Es wurde beschlossen, er- neut bei der Regierung vorstellig zu werden, daß die in Frage stehende Verfügung aufgehoben wird. Der von den Städten angestrebten Monopolisierung der Milchversorguna soll entgegengetreten werden. Von dem Antrag des Land­arbeiterverbands an den Landtag aus'Abänderung des Land­wirtschaftskammergesetzes wurde Kenntnis genommen. Das zurzeit dem Landtag vorliegende Oberamtstierarzt­gesetz wurde eingehend beraten. Es kam zum Ausdruck, daß das Gesetz den Interessen der Landwirtschaft nicht entspricht, und daß wesentliche Aenderungen angelüebt werden müssen. Zum Schluß wurde noch eine Reihe lau­fender Angelegenheiten erledigt.

' Gefährliche Einbrecher. Am 9. Juli 1925 wurden in Statt- gart der 19 Jahre alte Richard Umbach aus Kassel und der 20 Jahre alte Maler Franz Mihal aus Altenstadt wegen schweren Diebstahls zur Haft gebracht. Beide sind wegen Eigentunisvergehens mehrfach vorbestraft und betätigten sich nach ihrer erst im Juni 1925 erfolgten Strafentlassung als reisende Einsteigdiebe. Während ihres dreitägigen Aufent­halts in Stuttgart hatten sie bereits in vier Fällen durch Einsteigen in offene Fenster in Villengegenden Schmuck­sachen, Uhren und Kleidungsstücke im Wert von 1300 Mark erbeutet: 12 auswärts verübte Cinbruchdiebstähle konnten durch ihre Festnahme ebenfalls aufgeklärt werden. Der größte Teil der hiesigen und auswärtigen Beute wurde bei- gebracht.

Vom Tage. In der Tübingerstraße wurde eine 50 I. a. Frau von einem Kraftwagen überfahren. Sie erlitt einen Unterschenkelbruch und Quetschungen, die ihre Verbringung nach dem Katharinenhospital nötig machte.

Aus dem Lande

Vaihingen a. E., 16. Juli. Neue Fabrik. Das An­wesen Auricher Straße 3 wurde an Bürstenfabrikant K. Gin­ger von Maulbronn verkauft. Ginger beabsichtigt, 1520 Leute zu beschäftigen.

Heilbronn, 16. Juli. Streik-Ende. Durch städtische Vermittlung fanden zur Beilegung des Streiks bei C. H. Knorr A.-G. Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Ar­beitnehmer statt, die auf der Grundlage der städtischen Vor­schläge zu einem Vergleich führten, so daß heute die Arbeit wieder ausgenommen werden konnte.

kirchberg a. d. Jagst, 16. Juli. Ueberfahren. Auf der Staatsstraße von Kirchberg nach Gaggstatt wollten zwei Knaben einen Lastkraftwagen auf ihren Rädern überholen, indem sie der Vorschrift entgegen rechts vorfuhren. Wäh­rend dies dem älteren Knaben gelang, verlor der jüngere. 10jährige Sohn des Schreiners Junker von Niederwinden die Herrschaft über sein Rad, kam zu Fall und geriet unter den Anhängewagen, dessen Räder über ihn weggingen und ihn vollständig zerquetschten. '

Manolzweiler, OA. Schorndorf, 16. Juli. Erhängt. Der verh. Gottlieb A. hat sich in seiner Wohnung erhängt. Der Grund zur Tat ist unbekannt.

Gmünd, 16. Juli. Beamten-Bedrohung. Bei Auszahlung der Zusatzrenten an die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen wu-de der Beamte der Bezirksfür­sorgestelle am 15. Juli tätlich bedroht. Nur der Besonnen­heit des Beamten war es zu verdanken, daß der Angriff nicht weitere Formen annahm.

Heidenheim, 16. Juli. ZurletztenRuhe Ueber­fahren. Der im Alter von 71 Jahren verstorbene Medi­zinalrat Dr. Paulus, Oberamtsarzt a. D. hier, ist am Diens­tag hier unter zahlreicher Beteiligung der Einwohnerschaft beerdigt worden. Der verh. Taglöhner Christian Steg­maier fiel unter die angefahrene Holzsägemaschine, so daß ein Rad über ihn fuhr. Er ist an den erlittenen Verletzun­gen nach einigen Stunden gestorben.

Honau, OA. Reutlingen, 16. Juli. Auszeichnung. Den Ehrenbrief der Deutschen Turnerschaft erhielt der frühere Messerschmiedmeister Gottlob Votteler, der auf eine 55jährige Mitgliedschaft innerhalb der Deutschen Turner­schaft zurückblicken kann. Seine Laufbahn als Turner be­gann er im Jahr 1870 als Zögling in der Turngemeinde Reutlingen. Noch heute ist er als Kampfrichter im Achalm- gau tätig.

Laichingen, 16. Juli. Alte Ruhestätte. In der hiesigen Kirche wurde unter dem Bretterboden ein 2 Meter langes und 1 Meter breites steinernes Grabdenkmal gefun­den. Nach Entfernung des Schutts fand man sämtliche Knochenüberreste, die von einer von Jahrhunderten hier be­statteten, jedenfalls angesehenen Persönlichkeit herrühren dürften.

Die MeferenÄarin.

Roman von Carl Busse.

22 (Nachdruck verboten.)

Ich wollt'ja von der Jule reden", sagte Hermann Fischer,und ich red' von der Unruhe. Es ist wohl auch Dasselbe. Sie ist ein junges Valg. Deshalb hofft sie. Aber sie ist nicht mehr jung genug, um nicht schon ein biß­chen Angst und Lieber in der Hoffnung zu haben. WaS sie will? Frag sie, mein Jung': sie weiß es nicht. Viel­leicht 'raus hier ... 'raus aus dem Zigarrenladen, 'raus aus der Enge, 'raus aus der Familie. In die Welt, in große Kreise. Das ist wie 'n gespannter Bogen, das Mä­del. Das bleibt so nicht lange mehr."

Und was soll kommen? Wie wird sich das ändern?"

Der Uhrmacher zuckte die Achseln.

Abfchnellen, oder in zu langer Spannung schlaff werden."

Gustav Zühlke suchte sich das klar zu machen.

Abschnellen", nickte er,das heißt: einen jähen Aus­weg für die Unruhe finden, sich emem an den Hals wer­fen, kopfüber sich in irgend was Hineinstürzen. Sagtest hu nicht so? Und ich steh' dabei und seh' zu, ob sie noch mal heil nach oben kommt."

Alles ist besser als der jetzige Zustand. Für dich besser, für sie besser. Schnell 'ne Sehne ab . . . sie wird sich später wieder spannen. Laß sie erschlaffen sie spannt sich me mehr."

'Und ich?" fragte der Stadtsekretär. Er hatte jetzt die russischen Augen gestillt mit endloser Trauer, als ob sie alles Leid der Erde sähen.Warum wird über mich so gewürfelt?"

Er stand auf.

Ich dank' dir, Onkel. Ich Hab' doch wieder mal hören und reden dürfen. Und ich will mir immer vorsagen;

Warten, warten, warten! Es muß mal 'ne Entscheidung kommen. Es kann nicht mehr so lange dauern. Und Geduld, die Hab' ich. Viel zu viel."

Auch der Meister erhob sich.

Sie hilft hier am meisten. Die Jule ist ein Frauen­zimmer. Latz ihr Zeit. Sie findet schon."

Sie findet schon", sprach Gustav Zühlke nach. An dem Ton seiner Stimme hörte man, daß er's noch nicht ganz glaubte.

Fünftes Kapitel.

Buttche hatte den Blutdurst. Er war pünktlich wie immer ausgewacht, hatte sich ein paarmal im Bett gedehnt und gereckt und war dann in die dicken, grauen Unterhosen gefahren.

Aber er mußte Wohl mit dem falschen Beine aufge­standen sein. Er murmelte schon immer vor sich hin, als er die derben, braunen Socken anzog. Dann marschierte er ein paarmal durch die Stube und schielte unters Bett. Aber er raffte sich noch einmal zusammen und stieg in die Beinkleider.

Jetzt waren die Schlafschuhe an der Reihe. Sie stan­den unterm Bett, neben der Kiste. Buttche mußte sich bücken.

Das war zu viel. Er zog die Schuhe hervor, aber er rückte auch an der Kiste. Die Bücher darin waren so ge­packt, daß in der Mitte ein Spalt frei geblieben war, so daß man mit Geduld und Mühe rechts u. links auch einen der tief liegenden Bände zum Vorschein bringen konnte, ohne die ganze Kiste auszuräumen.

, Der Herr Assessor hatte dadurch die weitere Möglich­keit, dasOrakel" zu befragen. Er steckte einfach die Hand in den Spalt und griff blindlings ein Buch heraus. Das war dann Schicksalsbestimmung.

Heute erwischte er ein dünnes Bändchen. Er schlug es auf, während er noch vor der Kiste und dem Bett knietx.

Nu 'ne Nase voll", dachte er.Eine kleine HerA stärkung."

Er blätterte hie und da und wollt das Büchlein schoH zurückschieben, als er plötzlich wonnig aufgrunzte. Halb« laut, noch immer knieend, begann er zu lesen. Aber darrst packte ihn die Begeisterung ... die Begeisterung an 'best tönenden Worten, dann berauschte er sich an krassen Vor­stellungen, an der Kraft.

Er sprang auf. Er rannte zum Fenster. Sein dün­nes Sümmchen schwoll. Es schien zu grollen, es schien ganz Großkirchen den Vernichtungskampf zu verkünden, das Jüngste Gericht:

O laß sie träumen noch eine Nacht!

Dann wetzen wir aus die Scharte,

Dann werden Fidibusse gemacht Aus der europäischen Karte.

Die Völker kommen und läuten Sturm Erwache, mein Blum, erwache!

Vom Kölner Dome zun: Stephansturm Wird brausen die Rache, die Rache."

Die Stimme stieg in wildem Entzücken. Die matten Aeuglein blitzten. Er schien zu wachsen. Als wäre er der Glöckne., der die Völker wachläutete. Er dachte-.I nicht an die Völker, er dachte nur an Großkirchen. Uno nicht mal direkt an dies die bloßen Worte berauschen ihn.

Wird brausen die Rache ... die Rachel"

Im Sturmmarsch maß er das Zimmer. Die Hosen rutschten ihm. Mit der rechten Hand hielt er sie fest, in der linken zitterte das Buch. Es zitterte, weil die Finger vor Begeisterung zitterten. Ungewaschen und ungekämmt tobte er hin ein Gott der Rache, frei, selig, nicht mehr geknickt, nicht mehr arm.