Die deutsche Präsidentenwahl
Paris, 12. Febr. Der Berliner Berichterstatter des „Petit Journal" glaubt von Verhandlungen berichten zu können, die seit einiger Zeit in größter Stille zwischen Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrum über die Präsidentenwahl geführt werden. Ebert werde keinen Widerstand gegen seine Wiederwahl mehr erheben, die damit gesichert sei. Weder Dr. Marx noch Dr. Jarres würden gegen Ebert kandidieren.
Der Sicherheitsvertrag
London, 12. Febr. Der „Daily Telegraph" tadelt es, daß die britische Regierung anscheinend nicht abgeneigt sei, mit Frankreich einen Sicherheitsvertrag gegen Deutschland abzuschließen. Die öffentliche Meinung Englands und die 4,o- minions würden eine solche Bindung entschieden verurteilen.
„Morningpost" schreibt, die Worte des Reichskanzlers in Köln über die Bereittvilligkeit Deutschlands, bei der Sicher heitsfrage mitzuwirken, seien als ein Fortschritt zu begrüßen und sie seien willkommen gegenüber den englandfeinduchen Bestrebungen des Berliner Zenkrumsblattes .Germania'.
Die „Daily News" verurteilen die Absicht der britischen Regierung, den Schlußbericht der Ueberwachungskommission nicht zu veröffentlichen, aufs schärfste. Es sei nun genug Mißstimmung in Deutschland erregt worden. Chamberlain sei zu halsstarrig, als daß er die Gefährlichkeit und die Unmöglichkeit seiner Haltung begriffe. Die Opposition solle gegen eine solch verkehrte Politik scharfe Stellung einnehmen. Der Sicherheitsvertrag sei zu verwerfen, wenn er den Hintergedanken habe, mit Deutschland über das besetzte Gebiet zu feilschen.
Politik und Skandal
London, 12. Febr. Die „Times" besprechen dis Lage in Deutschland und Preußen mit Beziehung auf den Barmat- Skandal und finden es sonderbar, daß die Beschuldigten noch nicht vor Gericht gestellt seien. Der Ton des öffentlichen Lebens in Deutschland sei in bedauerlicher Weise sehr heruntergekommen, und davon seien auch einige hochgestellte Persönlichkeiten nicht auszunehmen.
Die Londoner Konferenz
Rom, 12. Febr. Das halbamtliche Nachrichtenbüro „Volta" bestätigt, daß Ende Februar in London eine Konferenz der Vertreter Englands, Frankreichs, Italiens und Belgiens stattfinden werde, die besonders zur Frage der Räumung Kölns und der Sicherheiten Stellung nehmen werde. Der Standpunkt Italiens ist der, da sowohl hinsichtlich der Entwaffnung als auch der Räumung die Bestimmungen des Vertrags von Versailles genauer eingehalten werden.
Rücktritt des portugiesischen Kabinetts
Lissabon, 12. Februar.
Die Kammer nahm einen Mißtrauensantrag des Mg. Agatao mit 65 gegen 45 Stimmen an mit der Beschuldigung, der Ministerpräsident habe das Ansehen der Polizei vermindert sowie die militärische und die soziale Ordnung gestört. Das Kabinett wird heute zurücktreten.
Amerika lehnt die Einmischung in den kürkisch-griechischen Streit ab
Washington, 12. Febr. Auf das Ersuchen der griechischen Regierung hat Staatssekretär Hughes geantwortet, die Angelegenheit des Patriarchenstreits gehe die Vereinigten Staaten nichts an, außerdem beschäftige sich der Völkerbund mit dieser Angelegenheit, und so könne Amerika schon aus diesem Grund in der Sache nichts unternehmen.
Der Mörder des Sirdar
Kairo, 12. Febr. Einer der beiden ägyptischen Studenten, die in Beduinentracht am 31. Januar über die tripolitamsche Grenze zu entkommen suchten und dabei verhaftet wurden, hat die Täterschaft eingestanden und als Mittäter seinen Bruder und einige andere Studenten genannt.
Deutscher Reichstag
Berlin, 12. Februar.
22. Sitzung. Präsident Löbe gedenkt des schweren Grubenunglücks auf der Zeche Minister Stein bei Dortnnind, bei dem 126 Bergleute verschüttet seien. Wir können der Trauer und dem Mitgefühl mit den Angehörigen nur dadurch Ausdruck »eben, wenn wir uns bemühen, soweit
Der Karnickelbaron
65! Humoristisch» Roman von Fritz Gantzer
„Verehrte Tischgenofsen, meine werten Damen und Herren! Jeder ereignisreiche Tag im Leben verlangt zum Ende noch einen krönenden Abschluß. Es muß ihm schließlich ein ganz besonderes Etwas, eine Begebenheit, die sich selten ereignet, an sein buntes Kleid geheftet werden, damit er un- vergessen in der Erinnerung aller derer bleibe, die ihn miterlebten. Wir haben einen solchen ereignisreichen Tag hinter uns. Und es gereicht mir zu ganz besonderer Freude, ihn NUN krönen M dürfen nnk dem, Was längst meines Wunsch und Wille ist. Es handelt sich dabei um das Gluck meines einzigen Kindes, das sich heute einem Manne verloben wird, den ich achte und schätze, der mir lieb und wert ist. Ich rufe Sie alle zu Zeugen dieses feierlichen Moments an und schwöre es Ihnen, daß ich, Freiherr Wolf von Lessenthin auf Krachtwitz, mein Kind dem Manne, der es nun sogleich in dies Zimmer führen wird, in der Ueberzeugung, sein Bestes im Auge zu haben, zum Weibe geben will, und daß mich mein Handeln nie gereuen soll."
Der Sprecher verbeugte sich leicht gegen die tiefaufhor- chende, schweigende Tafelrunde und schlug dann mit seinem Messer dreimal laut und energisch gegen das vor ihm stehende, mit Portwein gefüllte Glas.
Ein kurzes, sekundenlanges Warten. Eine atembeklemmende Stille. Aller Augen waren auf die Tür gerichtet, die sich nun öffnete und über deren Schwelle — Kurt von Gronau Komteß Lore von Lessenthin führte.
-Wenn Wolf von Lessenthin später einmal darüber
nachdachte, was es gewesen, das in diesem Augenblick sein Fühlen beherscht, so mußte er sich stets eingestehen, daß er sich vorgekommen wie ein kleines Kind, dem etwas ganz Natürliches und doch nicht Angenehmes passiert. Etwas, das unaussprechlich!
Jetzt konnte er nur eins: wortlos starren.
Starren wie einer, der nach seinem plötzlich entflohenen Verstände Ausschau hält. Sekundenlang. Bis ihm das stürmische Erheben der sich zur Gratulation des Brautpaares bereitmachenden beiden Damen und vier Herren sein Handeln wiedergab.
menschliche Vorkehrungen dazu imstande sind, solche Furchtbarkeiten zu verhindern, wenn wir den Angehörigen die großen äußeren Lasten zu erleichtern suchen, indem wir alles tun, denen, die unter furchtbaren Gefahren ihrem Beruf nachgehen müssen, Erleichterung und Besserung ihrer Verhältnisse zu gewähren. (Das Haus hat sich von den Plätzen erhoben).
Abg. Iadasch (Komm.) zieht einen Antrag, einen Ausschuß zur Untersuchung des Dortmunder Unglücks einzusetzen, auf Zureden des Präsidenten bis Freitag zurück.
Abg. Hoch (Soz.) bedauert, daß die Regierung es nickt für zweckmäßig halte, auf die vielen Anfragen zur Fürsorgepflicht zu antworten.
Ministerialrat Ritter bedauert, daß infolge des Verhaltens der Länder in der Unterstützungsfrage einheitliche Grundsätze noch nicht erzielt seien.
Ein Antrag Hoch (Soz-), die Unterstützungen' ehemaliger Angestellten und Arbeiter früherer Heeresbetriebe um 2,5 Millionen Mark zu erhöhen, wird angenommen.
Abg. Dr. Moses (Soz.) erklärt, Gesundheitspolitik sei die Grundlage einer gesunden Wirtschaftspolitik.
Abg. Haedenkampf (Deutschnat.) nimmt die Ärzteschaft gegen Vorwürfe in Schutz. Die freie Arztwahl sei gerade im Interesse der Versicherten notwendig.
Abg: Frau Arendsee (Komm.) fordert Ausdehnung der Wochenhilfe.
Außerhalb der T.O- gibt Abg. Sollmann (Soz.) eine Erklärung ab gegen die Angriffe, die von Zeitungen der Rechtsparteien und der Kommunisten gegen die sozialdemokratischen Mitglieder des zweiten Kabinetts. Stresemann aus Anlaß der Ruhrentschädigungen gerichtet worden sind. Die Reichsregierung und die Ruhrindustrie hätten bis vor kurzem den Eindruck gehabt, als würden die Micumlasten nicht vom Reich, sondern von den beteiligten Industriellen getragen.
Präsident Löbe stellt fest, daß diese „Erklärungen" allmählich ins Uferlose gingen und daß daher der Aeltestenrat am Freitag sich mit dieser Frage beschäftigen werde. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Stöcker (Komm.) erbebt Einsnruck aeaen diesen Monolog Sollmanns. Es handle sich hier um Behauptungen, denen andere gegenüberstehen.
Nächste Sitzung Freitag 2 Uhr nachmittags.
Der Varmatftandal
Berlin, 12. Febr. Wie die Blätter melden, hat 8a» Reichspostministerium auf die Villa des früheren Reichspostministers Dr. Höfte in Lichterfelde eine Sicherungshypothek von mehreren hunderttausend Mark eintragen lassen. Höste kann also über seine Villa nicht mehr frei verfügen.
Reichskanzler a. D. Bauer wurde gestern in Moabit vier Stunden lang als Angeschuldigter verhört. Bauer bleibt auf sein inständiges Bitten auf freiem Fuß. Fluchtverdacht soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht vorlie- gen. Die weiteren Maßnahmen werden von dem Ergebnis der weiteren Zeugenvernehmungen abhängen. Bisher bildet bei Bauer lediglich Vergehen, aber kein Verbrechen Gegenstand der Untersuchung. Der Landtagsausschuß wird noch etwa 14 Tage versammelt sein. Vorläufig sind noch 45 Zeugenvernehmungen vorgesehen.
Die Staatsanwaltschaft hat durch Vermittlung des Auswärtigen Amts einen Auslieferungsantrag gegen den Direktor Wolpe bei der französischen Regierung gestellt, Wolpe, einer der Direktoren der Depositen- und Handelsbank, ist mit 5 Millionen Goldmark Reichsgeldern nach Paris geflüchtet.
Der weitere Direktor der Depositen- und Handelsbank, Klrkottka, ist nach Lettland geflüchtet. Gegen dis übrigen Leiter der Bank ist ein Verfahren eingeleitet.
Vertreter der Staatsanwaltschaft sind nachAmfterdam abgereist, um im Einvernehmen mit den holländischen Behörden den früheren Straftaten der Barmats nachzuspüren und die Angelegenheit derLiebesgabenpakete zu untersuchen, die Barmat durch die Firma Schippmüller in Amsterdam an hochstehende deutsche Beamte und einflußreiche Abgeordnete hat verteilen lassen und die als Amtsbestechung betrachtet werden. i
Der dritte im Bunde der Groß-Schieber, I. Michael, hält sich in der Schweiz auf, die schweizerischen Ueber- wachungsbehörden scheinen ihn aber aus den Augen verloren zu haben. Die Auslieferung stößt soinit auf Schwierigkeiten.
„Halt!" schrie er zornrot im ganzen Gesicht. „Das ist ein
ganz gemeines Intrigenspiel, ein abgefeimter Betrug-
Donnerwetter, Krusewitz, hörst du nicht! Zurück! Hinsetzen, Struwe, Lettow, Kattenbusch! Zum Donnerwetter, seid ihr denn alle verrückt geworden?"
„Du scheinst es zu sein, Lessenthin," verschaffte sich der Bardekower Geltung. „Hast du vergessen, was du eben gesagt? Sind wir deine Marionetten und du ein Theaterdirektor, daß du uns tanzen lassen willst, wie es dich gut dünkt? Du hast uns ein Brautpaar avisiert, und nun, da es leibhaftig vor uns steht und wir ihm unsere Glückwünsche darbringen wollen, brüllst du uns an, als wenn wir eine Rotte Irrsinniger wären! Na, das ist ein überstarker Tabak, gesalzenes und gepfeffertes Ragout, daß einem-"
Er kam nicht zu Ende.
Gronau trat, Lore an der Hand führend, mit einem raschen und entschlossenen Schritt vor, und es wurde still.
„Herr von Lessenthin, verzeihen Sie —"
„Nein!" keuchte der Krachtwitzer unterbrechend heraus. „Schweigen Sie, Herr, entfernen Sie sich, gehen Sie sofort! Sofort, sofort!"
„Aber Komteß Lore wird mich nicht allein gehen lassen!"
„Ha! Das wäre!"
„Nein, Vater!"
„Seid ihr denn alle verrückt geworden? Wo ist mein Neffe, der wirkliche Verlobte?"
„Er hat sich einschließen lassen," erklärte Lore, sich gewaltsam Mühe gebend, die gewaltige Erregung, die sie übermannen wollte, zurückzudämmen.
„Ist er nicht bei Verstand?"
„Er ist unentschlossen, halt- und kraftlos wie ein Kind. Ehe ich mir ihn aufdringen lasse, will ich lieber sterben."
„Das werden Sie gar nicht nötig haben, Komteß," bemerkte der vor Vergnügen über den Reinfall des Kracht- witzers laut auflachende Zinnowitzer trocken- „Wir sind alle Zeugen dessen, was Ihr Vater vorhin gesprochen. Er hat's geschworen, daß ihn sein Handeln nie gereuen wird. — Machen Sie Schluß, Lessenthin," wandte er sich dann an diesen, sein Glas gegen Lore und Gronau erhebend, „und bringen Sie das Hoch auf das Brautpaar aus.
Alle griffen zu ihren Gläsern, nur der Krachtwitzer stand regungslos wie ein Standbild aus Erz. In seinen Augen
Auf Grund des Geständnisses Kutiskers soll die Un-'' tersuchung gegen weitere Persönlichkeiten eingeleitet werden.
Das niederländische Konsulat in Berlin teilte mit, daß Barmats um Aufnahme in den niederländischen Staatsverband zurückgewiesen habe.
Bei der Preußischen Staatsbank sind weitere Unregelmäßigkeiten entdeckt worden, die zur Außerdienst, stellung des Kassendirektors Triebe! führten. Triebe! hat nach der. „Voss. Ztg." aus dem Kundenkreis der Staatsbank eine große Zahl von Industrieobligationen und Staatsanleihen, die durch die Inflation entwertet schienen, zu geringen Preisen zurückgekauft, sie aber nicht der Staats- bank eingeliefert, sondern für sich selbst verwendet. Da der heutige Wert der Papiere hoch ist, hat Triebe! riesige Summen verdient. Es scheint, daß in dieses Geschäft noch mehr Beamte der Bank verwickelt sind.
Durch die Luisenstädtische Genossenschaftsbank in Berlin ist auch die Stadt Bonn schwer geschädigt worden. Für ein Darlehen von 750 000 <^l mutzte die Stadtverwaltung der Bank Akzepte in doppelter Höhe ausstellen. Für 750 000 sollten von der Bank gute Gemeindewechsel für Bonn beschafft werden, die Bank gab jedoch ihre eigenen Wechsel als „Sicherheit", die nun von der Stadt im vollen Betrag eingelöst werden müssen, da die Bank zahlungsunfähig ist.
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Infolge des Barmatskandals ist der Abgeordnete Dr. August Müller-Hamburg, früherer Reichsminister, au» der Sozialdemokratischen Partei ausgetreten.
Der Bezirksvorstand der Berliner Sozialdemokratischen Partei beschloß, dem Hauptvorstand -den Ausschluß des frü- Heren Reichskanzlers Bauer aus der Partei zu empfehlen.
Schweres Grubenunglück in Dortmund
Am Mittwoch abend nach 8 Uhr erfolgte auf der Kohlenzeche .Minister Stein" in Dortmund eine furchtbare Explosion schlagender Wetter. Strenen-Signale kündeten ein schweres Unglück an und riefen die Rettungsmannschaften her Nachbarschaft zu Hilfe. Tausende strömten zur Grube, Krankenautos und Lastwagen rasten zur Unglücksstelle. Die Explosion hatte das Südostfeld der Zeche, den Schacht 3 betroffen. Die Rettungsmannschaften suchten unter Leitung des Oberberghauptmanns von Dortmund in den Schacht vorzudringen, allein der Eingang und drei Sohlen waren zum Teil verschüttet und giftige Gase entströmten den Gängen. Trotzdem gelang es, zunächst 8 Bergleute lebend zu bergen. Mit Todesverachtung arbeiteten die Rettungsmannschaften weiter, 180 Mann waren angetreten, die nach mühevoller Arbeit immer wieder abgelöst wurden. Die ganze Nacht und am Donnerstag wurden die Bergungsarbeiten fortgesetzt, es besteht aber leider kaum eine Hoffnung, daß weitere Bergleute gerettet werden können. Bis mittags waren 84 Tote, zum Teil verkohlt, ans Tageslicht befördert, die ganze Belegschaft betrug zur Zeit des Unglücks 139 Mann
Die Polizei hält die Zeche streng abgesperrt, damit die RettungSarbeilen ungestört vor sich gehen können. Im Umkreis spielen sich herzzerreißende Borgänge ab. Die verunglückten Bergleute sind zum größeren Teil Familienväter. Der Iammer und die Aufregung sind unbeschreiblich. — Die Ursache des Unglücks ist noch nicht festgestellt. Ein Geretteter erzählte, eine Maschine habe Funken gegeben, un- davon haben sich die Gase entzündet. Sicheres wird sich erst feststellen lassen, wenn die Brüche aufgeräumt sein werdAr. Die Zeche war seit 1901 von größeren Unglücksfällen verschont geblieben.
Wilrttembergischer Landtag
Stuttgart, 12. Febr. In der heutigen Sitzung des Landtags wurde die Frage der Lehrerbildung durch Annahme des bereits mitgeteilten Zentrumsantrags entschieden. Auch bezüglich der Maßnahmen, die zur Behebung der Junglehrernot getroffen werden sollen, wurde ein Zentrumsantrag angenommen.
Die Anträge der Abgg. Hey mann (Soz.) und Dr. Hie der (Dem.) wurden in namentlichen Abstimmungen abgelehnt.
Eine größere Aussvrache gab es über die Fragen der Schullastenverteilung. Hier gelangte ein Ausschußantrag zur Annahme, die Gewährung von Staatsbeiträgen zu den Schullasten an ketstungsschwache Gemeinden zu erwägen. Endlich gab es noch eine Erörterung über das
funkelte und glühte es, als wolle er Gronau im nächsten Augenblick an die Kehle.
„Na, Lessenthin, nun los!" mahnte der Zinnowitzer. „Oder soll ein anderer?"
„Struwe!" preßte Lessenthin drohend hervor.
„Schön, also ich!" entgegnete der Zinnowitzer kaltblütig. Er hob sein Glas und rief laut:
„Unser Brautvaar, es lebe hoch, hoch, hoch!"
Alle stimmten ein, das Paar umringend. Laut jubelnd und lachend die vier Herren. Und mit Tränen in den Allgen, die Angst und Freude zu ihren Erzeugern hatten, Fräülein von Restowo und Renate Brandt. Niemand achtet? des Krachtwitzers mehr. Er war stöhnend und ächzend auf seinen Stuhl gesunken und hielt sich versucht, das Speisezimmer für eine Zauberwerkstatt und alle Menschen in ihm für Verzauberte zu halten.
Und dann fühlte er plötzlich zwei weiche Mädchenarme an seinem Halse und einen warmen Mädchenmund auf seinen bärtigen Lippen. Und danach stammelnde, flehende Laute:
„Vater... lieber Vater... sei gut... sei... du hast mein Glück und... mein Herzbrechen in deiner Hand..."
Er wollte sich mit letzter Kraft auflehnen, Lore von sich drängen und ein energisches Nein! rufen. Aber die Stärke des Lebens an seinem Halse, das sein Leben, sein Fleisch und Blut war, drängte ihn, sich zu seinem Fleisch und Blut zu bekennen. Das starke Zusammengehörigkeitsgefühl mußte am Ende sieghaft triumphieren.
Mit einem Ruck erhob sich der Krachtwitzer, ergriff sein Glas und sagte:
„Es sei! Man hat mich übertölpelt, und ich stehe als der Reingefallene vor versammeltem Kriegsvolk. Das greift mir hart an die Nieren. Aber" — und nun entfaltete sich seine bisher etwas geduckte und von leiser Wut übersponnene Stimme zu Hellem Freudenlaut und trompetender Wucht — „ich darf mich rühmen, vier handfeste Männer überlistet zu haben: den Bardekower und den Zinnowitzer und den Dramburger und den Bütenhagener Hauptmann. Und der Sieger bin am Ende doch ich, Wolf Freiherr von Lessenthin- Krachtwitz! Möge den Besiegten, wenn sie zu gelegener Zeit von ihrer schmählichen Niederlage erfahren, vor Entrüstung Wut und Schmerz nicht das Herze zwiefach in Stücke gehen Das Brautpaar: Es lebe hoch!"
(Schluß folgt.)