adresse auf die Thronrede abgelehnt. In diesem Zusatzantrag wurde die Politik der Regierung gegenüber Rußland und Aegypten getadelt. Bezüglich des ägyptischen Konfliktes erklärte Chcnnderlain, er habe zahlreiche Beglückwünschungen für die Art und Weise erhalten, wie die konservative Regierung die ägyptische Frage behandelt habe. Es besteh« kein Zweifel darüber, daß die Ermordung des Sirdars eine Folge der Politik des Fanatismus gewesen sei, die durch Zaglul Pascha und dessen Mitarbeiter ermutigt worden wäre. Das Genfer Protokoll sei in Rom nicht behandelt worden, weil die Haltung der Regierung in dieser Frage, als er London verlassen habe, noch nicht bestimmt gewesen märe. Das Gleiche könne von den Kriegsschulden gesagt werden. In der Hauptsache habe man in Rom Fragen zweiten Ranges verhandelt, die aber zu Reibungen geführt haben würden, Hütte man sie in der Schwebe gelassen. Es sei jedoch wichtig, daß auch die dringenden Meinungsverschiedenheiten beigelegt würden, wolle man nicht die internationale Zusammenarbeit in den großen europäischen Fragen gefährden. Auf eine Anfrage erwiderte Chamberlain, daß die Regierung fortfahren werde, das englisch-französische Abkommen vom Jahre 1921 durchzuführen.
Vor einer Afrikakonferenz^
Parks, 16. Dez. Nach Schluß der Völkerbundstagung verbrachte Briand noch zwei Tage in Rom, um mit Mussolini eine Besprechung über die etwaige Abhaltung einer englisch-französisch-italienischen Konferenz zu führen, die im Frühling aus neutralem Boden stattfinden und bei der das afrikanische Thema erörtert werden soll.
Württemberg
Stuttgart, 16. Dez. Lohnbewegung im Gastwirt s g e w e r b e. Da zwischen den Arbeitgeber- und Ar- beitnehnierverbäiiden in den Lohnfragen keine Einigung erzielt werden konnte, wird der Schlichtungsausschuß am 18. dieses Monats über die künftige Entlohnung des Personals entscheiden.
Vom Tage. In einem Haus der Steinstraße verübte eine 40 I. a. Frau durch Einatmen von Gas Selbstmord. — In Cannstatt wurde ein 19 I. a. Hausbursche von einem Personenkraftwagen von hinten angefahren. Er trug bedeutende Kopfverletzungen davon.
Aus dem Lande
Möhringen a. F., 16. Dez. GegendleEingemein- dung. In einer sehr gut besuchten Haus- und Grundbesitzer- Versammlung sprach sich deren Vorsitzender W. Hutzel sr. gegen die Eingemeindung nach Skukkgart aus. Er befürwortete vielmehr ein Zusammengehen mit der Gemeinde Vaihingen, denn nur durch eine Blockbildung könne den Eingemein- dungsbesirebungen entgangen werden.
Winnenden, 16. Dez. Tödlicher Unfall. Der 19 Jahre alte Sohn des Anwalts Jung von Lehnenberg stürzte, als er in Cannstatt in den schon im Gang befindlichen Zug einsteigen wollte, seitwärts ab, wodurch ihm beide Füße durch die Trittbretter abgerissen wurden. Bei vollem Bewußtsein ist er abends im Cannstatter Krankenhaus verschiede«.
Graßsachsenheim, 16. Dez. Einbrüche. An verschiedenen Geschäftshäusern wurden hier Einbruchsversuche gemacht. Die Äerkaussstelle an der Bahnstation wurde ausgeraubt. Bei Geisingen wurde der Schäferkarren erbrochen und völlig ausgeplündert. Als der Schäfer empört schimpfte, wurde er von drei Burschen im Alter von 20—25 Jahren mit Erschießen bedroht. Man vermutet, daß die Bande in einer Feldscheuer ihr Lager hat. Mehrere Arbeiter sind dort in der letzten Zeit von jüngeren Burschen angehalten worden.
Deinsberg, 16. Dez. Erfolgreiche Streife. Der Landjägermannschaft gelang es mit Unterstützung des Personals der Weinbauschule, aus deren Feldscheuer im sog. „Mönchsgut" nicht weniger als 17 Männer und zwei Weiber, alle noch in jugendlichem Alter, auszuheben und dem Gericht zu übergeben. Zehn Personen waren vorher ausgeflogen. Wie man hört, sollen sich darunter „schwere Iungens" befinden.
künzelsau, 16. Dez. Der Kocher- und Iagstbote wandert. Zn der Nähe der Kocherbrücke ist im Lauf des Sommers ein stattliches Haus errichtet worden, ln das
Der Karnickelbaron
Idj Humoristischer Roman von Fritz Gantzer
Der Krachtwitzer, der, die lange Pfeife rauchend, in seiner kaninchenfellgefütterten Hausjoppe lächelnd vor seinem Besucher stand, beobachtete dessen hilflosen Blick. Er schob eine Kiste Zigarren hin, goß zwei Gläser — Teufel eins! auch sie zeigten als Verzierung Karnickel, diesmal einen Ringelreihen tanzende — Burgunder ein und sagte: „Bitte bedienen Sie sich! Und dann hören Sie mir mal zu!"
Als der feurige Trunk über die Lippen Ebertys geflossen war und nun schon die graublauen Rauchwölkchen der würzigen Havanna aufkräuselten, suhlte er sich von der drückenden Furcht und Beklemmung erlöst. Er vermochte es, sich aufatmend zurückzulehnen und mit ruhiger Erwartung dem Beginn des Erzählens entgegensehen.
Das begann nun und war in seinem Verlauf wunderlich kraus und eigenartig. Während seines Sprechens schritt der Krachtwitzer immer auf und ab und entlockte seiner langen Pfeife gewaltige Rauchwolken, die in Kürze die feinen duftigen Wölkchen der von Eberty gerauchten Havanna elend vernichteten.
„Natürlich halten Sie mich auch für verrückt," behauptete er vorweg, „wie es die meisten Menschen tun, die mich kennen... Nee, reden Sie mir mal jetzt nicht dazwischen, mein lieber Amtsrichter! Und streiten dürfen Sie auch gar nicht. Porhin, als Sie reinkamen, habe ich's Ihnen angesehen, was Sie dachten. Einfach: der Kerl ist verrückt, komplett verrückt. Tja! Aber hören Sie mal-zu. Bor zehn Jahren gab's aus meinen Feldern und in meinen Schonungen auch nicht mehr Karnickel, wie wo anders. Ganz normale Ver- hältiüsje. Ich schoß und fing die Biester, wie mir's paßte. In einem naßkalten Herbst erkrankte meine Frau am Nervenfieber. Es war schlimm, und die superklugen Alleswisser von Doktoren rieben sich biatz-tüe Stirn und zuckten die Schultern. Und mir sagten sie an einem Morgen heimlich: „Nichts mehr zu hoffen. Es ist nutzlos."
Das Wort riß mir ans Herz und machte es wund. Denn ich hing an meiner Frau wie einer, der seine erste Liebe hat. Und nun sollte sie mir sterben? Ich rannte wie ein Wahnsinniger hinaus in den nebelkalten Park, wo's von allen gelben Blättern tropfte, und wo's überall wie ein Kirch-
der im 95. Jahrgang stehende „Kocher- und Iagstbote" letzt seinen Einzug gehalten hat. Die Näume des alten Hauses dienen jetzt der Elektrizitäts-Industrie.
Oberlalheim OA. Nagold, 16. Dez. Nette Früchtchen. In Untertalheim drohte ein 15 jähriger Bursche nachts nach der Fortbildungsschule im unteren Teil des Schulhauses dem Unterlehrer mit den Worten: „Licht aus, Messer raus!"
Oberkülheim, OA. Nagold, 16. Dez. Ueberfall. Ein 38'ähriger Gipser wurde am Samstag abend auf dem Weg von Eutingen nach Obertalheim von einen: ihn begleitenden. 14^jährigen Burschen meuchlings mit einem Dolchmesser in den Hals gestochen. Der Ueberfallene befindet sich in hoffnungslosem Zustand.
Kirchheim a. N., 16. Dez. Wildenten. Auf dem Wasen konnte man einen Wildentenschwarm, der einige hundert Tiere zählte, beobachten. Der Aufflug des Schwarms verursachte ein Geräusch, wie wenn ein Eisenbahnzug daherkäme. ^
Laichingen, 16. Dez. IäherTod. Bei einer Versammlung der Mühlengenossenschafk fiel das Mitglied Sal. Schlenk plötzlich vom Schlaganfall gekroffen um und war sofort tot.
Niederbiegen OA. Ravensburg, 16. Dez. Brand. Im Stadel der Kanzachmühle brach Feuer aus. Der Dachgiebel und der obere Stock des Stadels, der mit Heu und Stroh gefüllt war, ist den Flammen zum Opfer gefallen. Die Brandursache ist unbekannt.
Gattnau. OA. Tettnang, 16. Dez. Unfall. Der Schmied Alfons Föhre verunglückte beim Verladen eines etwa 35 Ztr. schweren Schleifsteins. Der Stein kam ins Rutschen und schlug dem Genannten den linken Oberschenkel ab.
Antendorf, 16. Dez. Z u g s u n f a l l. In der Frühe fuhr eine Lokomotive auf eine Zugsausrüstung, so daß der Gepäck- und Personenwagen schwer beschädigt wurden. Personen kamen nicht zu Schaden.
Friedrichshafen, 16. Dez. Luftverbindung. Die Dornier-Gesellsckatt in Friiedrichshafen teilt mit: Die kürzlich gegründete Württ. Luftverkehrs-A.-G. wird im nächsten Jahr einen regelmäßigen Luftverkehr auf der Strecke Frank- furt-Stuttgart-Zürich einrichten, der bereits seit einigen Jahren ein dringendes Verkehrsbedürfnis darstellt.
Das endgültige Reichstagsrvahlergebms in Württemberg und Hohenzollern
In einer Sitzung des Kreiswahlausschusses wurde das endgültige Abstimmungsergebnis festgestellt. Es beträgt die ahl der Stimmberechtigten 1 605 369, der abgegebenen timmscheine 10 397, der ungültigen Stimmen 7 308, der gültigen Stimmen 1 188 028. Die Wahlbeteiligung betrug also rund 74 v. H. Auf die einzelnen Parteien entfielen endgültig: 1. Sozialdemokratie 240 819; 2. Deutschnationale 129 488; 3. Zentrum 278 365; 4. Kommunisten 96169; 5. Deutsche Volkspartei 67 645; 6. National-Sozialisten 25 277; 7. Demokraten 128 769; 8. Wirischaftspartei 6046; 9. Bauern- und Weingärtnerbund 211 267; 10. Hüußerbund 671; 11. Freiwirtschaftsbund 3 517. Bei diesen geringen Abweichungen verbleibt es bei den bisherigen Mitteilungen über die auf dis einzelnen Parteien entfallenden Mandate. Am Mittwoch wird auch der Verbandswahlausschuß noch eine Sitzung abhalten zur Feststellung, des endgültigen Ergebnisses der eingegangenen Verbindungen, die auch nur geringe Abweichungen ergeben wird.
Baden
Karlsruhe, 16. Dez. Die Gesamtlage des badischen Arbeitsmarkts hat sich in der Woche vom 4. bis 10. Dezember nicht wesentlich verändert. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen ging auch diesmal etwas zurück und zwar um rund 160; sie beträgt jetzt noch 14 520.
Pforzheim. 16. Dez. Am Freitag sollte von einem Landauer Lastauto, welches mit Anhänger in der östl. Karl- Friedrichstraße fuhr, am Marktplatz der mit drei großen Fässern und Weinkisten beladene Anhänger abgehängt werden. Plötzlich setzte sich der Anhänger rückwärts in Bewegung und fuhr gegen das Rathaus, wo er an einem der großen eisernen Kandelaber anrannte, diesen völlig samt dem Fundament aus dem Boden riß und dann abbrach. Der Wagen kam durch den Anprall zum Stehen. Durch den Zufall, daß der Kandelaber, der mehrere Zentner schwer ist, im
Hof aussah. Ich kam aufs Feld und stolperte wie ein Irrer, Kranker über die Furchen der kahlen Aecker. Plötzlich mußte ich mich bücken, da mir mein Stock entfallen war. Und als ich ihn aufheben wollte, sah ich neben einem Grasbüschel ein kleines, von einem späten Wurf stammendes Kaninchen liegen, das ich zuerst für tot hielt. Ich wollte mich schon hochrichten, da bewegte sich das kleine Biest. Ich weiß nicht, wie es kam, aber ich hob das Tier auf und nahm es mit nach Hause.
Meine Frau wartete sehnsüchtig auf mich. Sie merkte wohl auch, daß es mit ihr zu Ende gehe. So wie ich kam, mit dem Kaninchen unter dem Arm, trat ich zu ihr ans Bett. Sie bemerkte das Tier und fragte. Ich erzählte.
Da sah sie das Ding mitleidig an und streckte ihre mageren Arme nach ihm aus. „Gib es mir," bat sie. Ich wollte nicht, meinte, es sei naß und kalt. „Gerade deshalb, ich will es wieder gesund machen." Sie sprach wohl im Fieber. Ich gab es ihr schließlich. Sie legte es neben sich, hüllte es in die Decke und hatte ihre letzte Helle Freude daran, daß der kleine Kerl wieder munter und fidel wurde. Zwei Tage taug sorgte sie noch für das Tier, rührend, fast beängstigend rührend... Na, und dann..."
Der Krachtwitzer brach im wehmütigen Erinnern jäh ab und fuhr mit der Hund über die Augen. Er stellte die Pfeife hart hin, sie an einen Stuhl kehnend, und sprach weiter: „Dann kam eben das Ende. Ehe sie von uns ging, nahm sie meine Hände in die ihren und sah mich bitten- an. „Wolf," sagte sie, „lieber Wolf, lache nicht über das, was ich dir jetzt sagen will. Sieh', das kleine Tier hat mir meine letzte Freude bereitet. Ich hatte immer Freude an den Tieren, an allen, und ich pslegte sie, wo ich nur konnte. Diesen, meinen letzten Pflegling, habe ich besonders lieb gewonnen. Und nun kommt meine Bitte. Laß' die Tiere leben, wenn ich erst tot bin. Und wenn du es mir versprechen würdest, nie wieder ein Kaninchen zu töten, sondern sie alle leben zu lassen, so würde ich dir dankbar sein..."
Ich habe damals trotz all meines Jammers über den merkwürdigen Wunsch meiner Frau heimlich gekachelt. Aber ich dachte: Sie ist eine Sterbende, sie redet schon wie einer, der nicht mehr weiß, was er spricht. Und es ist ihr letzter Wunsch. Da Hab' ich's ihr in die Hand gelobt, nie wieder ein Kaninchen zu töten. Sie hat glücklich gelächelt und ist bald darauf friedvoll eingeschlafen."
Weg stand, wurde ein großes Unglück verhütet, da der rollende Wagen sonst sicher in ein Schaufenster gerannt wäre.
Bruchsal, 16. Dez. Welche Folgen scheinbar nur kleinere Verletzungen nach sich ziehen können, zeigt der Tod des 25- jührigen Arbeiters Karl Eckert, der gestern vormittag im hiesigen Krankenhaus verstorben ist. Derselbe fiel von einem Lastwagen und zog sich eine Gelenkverletzung am Daumen zu, in welche Schmutz kam. Er beachtete dieselbe nicht und nach acht Tagen trat Wundstarrkrampf ein, der seinen Tod im Gefolge hatte. — Aus dem Männerzuchthaus sind am Samstag abend zwei Schwerverbrecher ausgebrochen.
Mannheim, 16. Dez. Ein älterer Melker, der von der Pfalz zugereist war, wurde von einem jungen Burschen nach der Stzellweide gelockt und dort seiner Brieftasche mit 197 Mark beraubt. Der Täter ist noch nicht ermittelt.
Weisenbach i. Murgtal» 16. Dez. Einen Erdrutsch gab es am Sonntag mittag wieder in dem Steinbruch, der sich kurz vor dem Eingang des Orts befindet. Nur wenige Minuten nach dem Passieren des Mittagszugs talabwärts lösten sich überhängende Erdmassen los und stürzten mit großem Getöse hernieder. Der Bruch ist so weit von der Bahnstation entfernt, daß die Gesteinsmasien nicht ans die Schienen herabgefallen sind und eine Verkehrsstörung dadurch nicht veranlaßt wurde.
Bad Dücrheim, 16. Dez. Wie „Der Schwarzwülder" meldet, ist das Kurhaus von der Firma Körber an die Württem- berger Vereinigten Ortskrankenkassen um die Summe von 360 000 Mark verkauft worden.
Donaueschingen, 16. Dez. In der Schwarzwülder Uhren- inustrie hat sich in der jüngsten Zeit eine weitere Neigung zur Besserung der Geschäftslage bemerkbar gemacht. Die letzten Betriebe, die, wie z. B. in Schwenningen noch bisher die verkürzte Arbeitszeit hatten, sind zur Vollarbeitszeit zu- rückgekehrt, so daß nunmehr überall wieder normal gearbeitet wird. In einzelnen Betrieben ist die Beschüftigungs- lage so gut, daß man zu Ueberstuuden geschritten ist.
Konstanz, 16. Dez. Infolge der um etwa 50 o. H. billigeren Fleischpreise in Deutschland kaufen seit Monaten die Schweizer Grenzbewohner ihr Fleisch in deutschen Grenzorten. Die Schweizer Grenzmetzger sehen sich dadurch schwer geschädigt und Hatzen den Bundesrat in einer Eingabe um ein sofortiges Verbot der Fleischeinfuhr aus deutschen Grenzgebieten ersucht.
Aus der Heimat
Wildbad, 17. Dez. 1934.
Weihnachtsfeier. Am Sonntag hatte die Frauengruppe des Evangel. Volksbundes die Alten und Einsamen unsrer l Stadt zu einer Weihnachtsfeier in die „Herrnhilfe" einge- ! laden. Wohl an die 80 mögen's gewesen sein, die erschienen waren und denen Frl. Münch ein „Herzlich willkommen zum Freudenfest" trotz schwerer Zeit" zurief. Im Glanz des Lichterbaüms, bei Kaffee und Weihnachtsgebäck freuten sich die alten Leutlein über die Liebe, die ihnen einen Weihnachtsabend bereitete. Alte, liebe Weihnachtslieder erklangen, teils von einem Frauenchor, teils von l
einem Einzelnen vorgetragen. Auch der Liederkranz trug ^
durch einige Lieder zur Bereicherung der Feier bei. Rasch s
verstrichen die Stunden; und in manchem der Geladenen mögen alte Erinnerungen aus der Kindheit Tagen wach s geworden sein, als sie froh miteinander ein Weihnachts- i lied ums andere anstimmten und die Weihnachtskörbchen betrachteten, die christliche Nächstenliebe ihnen bereitgestellt hatte — zu den Gebrechlichen war das Christkind am Samstag zuvor ins Haus gekommen. Man spürte es auch den Worten der Beschenkten an: ihr Dank, welchem in poetischer und prosaischer Form Ausdruck gegeben wurde, kam von Herzen. „Im nächsten Jahr wieder." Schwer '
ist's zu sagen, bei wem dieser Wunsch größer war, bei I
Gebern oder bei Empfängern. Auch hier sei all denens ^
die durch ihre Gaben diese Bescherung ermöglichten, Ge- j
schäfls- und Privatleuten, herzlicher Dank gesagt. Der - ^ Herr, der allem Volk zur Weihnacht die große Freude bereitet, segne beide: die, die Weihnachtsfreude empfangen, und die, die Weihnachtsfreude geben durften. O.
Das zweite Konzert des Orchestervereins Wildbad fand am Sonytag.im Hotel Kühler Brunnen statt. Es
Herr von Lessenthin goß den Rest des Burgunders mit einer hastigen, unwirschen Bewegung hinab, fuhr sich abermals verstohlen über die Augen und zündete dann feine lange Pfeife wieder an.
Damit schien seine Rührung endgültig verflogen. Er stapfte ein paarmal auf und ab, blies mächtige Wolken durch den über die Lippen hängenden angegelbten Schnurrbart und wartete, daß der Amtsrichter nun rede.
Dem war die lange Erzählung in ihrer Bedeutung nW ganz klar geworden. Hatte das Ganze nicht einen Stich ins übertrieben Rührsame, daß man eher spöttisch lächeln ok» anerkennend zustimmen mußte? Und war dieser Hüne, der vorhin über ein kleines Versehen Jakob Priems einen Höllenspektakel erhoben hatte, mit seiner schier sentimentalen Erzählweise und der mädchenhaften Weichheit des Empfindens nicht unnatürlich geworden? Der Krachtwitzer hals dem Nachdenklichen zurecht.
„Nun werden Sie erst recht sagen, daß ich verrückt, ein ganz verlogenes Subjekt sei, das sich und anderen Gefühle vorschwindelt, die bei ihm gar nicht möglich sind. Was? Na, aber so reden Sie doch!"
„Ich bin überrascht, Herr von Lessenthin, und muß gestehen, daß ich mich bisher in Ihnen täuschte," entgegnet« Eberty endlich im halben Ausweichen.
„Wie geschickt Sie sich herauszuwinden wissen! Sie verleugnen Ihren Beruf nicht," erklärte der Krachtwitzer ziemlich grob. „Und jetzt weiß ich, daß Sie mich bis zur Stunde wirklich für verrückt gehalten haben... Nee, nee, still! Ich weiß Bescheid. Schadet auch nichts. Ich selbst habe ja damals, als meine Frau beigesetzt war, nicht gewußt, was ich nun eigentlich machen sollte. Alle Karnickel am Leben zu, lassen, ging ja beinahe nicht. Es mußten ja dann ihrer mehr werden als Sand am Meer. Und was würden die Nachbarn tun, dachte ich: der Dramburger und der Zinno» nutzer und der Bardekoweri
Schließlich überlegte ich: du hast dein Wort gegeben. Wolf von Lessenthin. Noch dazu einer Sterbenden. Das entschied. Und als dann erst die Prozesse kamen, als der Bardekower mir hundsgemeine Briefe schrieb und der Zinnowitzer meine Ueberführung in ein« Irrenanstalt beantragte, beschloß ich: Nun gerade, nun erst rechtl Ich will euch zeigen, daß ich machen kann, was ich will. (Fortsetzung folgt.)