Die Sitze werden voraussichtlich folgendermatzen verteilt sein: Nation. Einheitsliste 21, Soz. 13, Dem. Arbeiterpartei 5, Komm. 5, Nationalsoz. 3, Großd. 3, Dem. 2, Mittelstand 1, Mieter 1.
Wie die Münch. Neuesten Nachrichten melden, ist gegen den soz. Bürgermeister Schmid Strafanzeige erstattet, weil er einem sozialdemokratischen Vertrauensmann den Auftrag gegeben hatte, ein Plakat der Heimattreuen zu entfernen.
Die Landiagswahlen in Hessen
Darmsiadk, 8. Dez. Die gestrigen Landtagswahlen hatten folgendes Ergebnis: Soz. 25 (21), Deutschnationale 5 (3), Zentrum 11 (13), Kommunisten 1 (2), Deutsche Bolkspartei 9 (10), Nationalsoz. 1 (0), Demokraten 6 (5), Hess. Bauernbund 9 (11).
15W Visitationen
Berlin, 8. Dez. Die von der Ueberwachunaskommission aus Anlaß der sogenannten „Generalinspektion" ausgeführten Visitationen haben nunmehr die Zahl 1500 erreicht. Davon entfallen auf die Reichswehr 739 Besuche, Polizeistellen und Zivilbehörden 315 Besuche, Industrie 116 Besuche. Das sind zusammen 1500.
Besuch Ninkschitschs in Paris
Paris, 8. Dez. Der südslavischs Außenminister Nink- schitsch wird nach der Tagung des Völkerbundsraks und Beratungen mit Mussolini nach Paris kommen um sich mit Herriok zu besprechen.
Kundgebungen gegen Herriok Paris, 8. Dez. Bei einer Rede Heriots in Roubaix veranstalteten die Rechtsparteien und dis Kommunisten so scharfe Kundgebungen gegen Herriok, daß die Polizei blank ziehen mußte. 10 Personen wurden verhaftet.
In Paris utkd Umgebung wurden zahlreiche Haussuchungen bei Kommunisten vorgenommen. 70 Personen sollen verhaftet worden sein.
Die Regierung gelangte in den Besitz einer geheimen Anweisung an die kommunistischen Betriebsräte. Die kommunistische Parteileitung erklärt das Schriftstück, das aus Moskau gekommen zu sein scheint, für eine Fälschung.
Die Eröffnung des englischen Parlaments '' London, 8. Dez. Das Parlament wird morgen mittag 12 Uhr vom König mit der Thronrede, die heute noch vom Ministerrat fertiggestellt wird, eröffnet. Die Aussprache darüber wird erst in nächster Woche nach der Rückkehr Chamberlains aus Rom geschlossen werden. Die Arbeiterpartei wird einen Zusatz zur Thronrede beantragen, in dem die Regierungspolitik gegenüber Aegypten getadelt wird. — Chamberlain wird am Freitag von Rom abreisen.
Ulster lehnt die Grenzregelung ab London, 8. Dez. Die Regierung von Ulster (Nordirland) veröffentlichte eine Erklärung, daß sie der eingesetzten Kommission jedes Recht abspreche, die bereits festgelegte Grenze zwischen Nord- und Südirland abzuändern. Me werde an der Kommission sich nicht beteiligen.
Chamberlain in Rom
Rom. 8. Dez. Ueber die Besprechungen Chamberlains mit Mussolini am Freitag wird amtlich die nichtssagende Erklärung veröffentlicht, die Lage sei im Geist herzlicher Freundschaft geprüft worden. Es habe sich die Möglichkeit ergeben, gemeinsame Richtlinien bezüglich der Fragen aufzustellen, deren Lösung n o tw en d tatst.
In der heutigen ersten Sitzung des Völkerbund s- rats begründete Mussolini die italienische Ablehnung des Genfer Protokolls. — Unter den 40 Punkten der Tagesordnung befindet sich der Uebergana der militärischen Ueber- wachung Deutschlands an den Völkerbund und der private Waffenhandel.
Die Londoner «Westminster Gazette' schreibt, die Reise Chamberlains nach Rom gelte nicht Mussolini, sondern dem Völkerbund. Andere Blätter behaupteten das Gegenteil.
Englische Kundgebungen in Kairo Kairo, 8. Dez. Um die Eingeborenen einzuschüchtern, veranstaltet der Oberkommissar wiederholte militärische Kundgebungen in Kairo. Die ganze Garnison zieht mit aufgepflanztem Seitengewehr durch die Hauptstraßen und
druch die E ngeborenenviertel. In der letzten Zeit waren beunru! oe Gerüchte über die Haltung der Bevölkerung im Umlauf.
Die Zaglulpartei hat Ziwar Pascha erneut aufgefordert, das Parlament einzuberufen. Der englische Oberkommissar wird indessen das Parlament auflösen. lassen.
Württemberg
Stuttgart, 8. Dez. Die Gewählten. Auf Gründer bereits mitgeteilten Zahlen sind in Württemberg in den Reichstag gewählt worden: Zentrum 1 (1), nämlich Bolz, Andre, Feilmayer, Groß; Sozialdemokraten 1 (3): Keil, Roßmann, Hildenbrand, Schlicke; Bauern- u. Weingärtnerbund 3 (1): Vogt, Körner, Haag; Deutschnationale 2 (2): Ba. Me, Silier; Demokraten 2 (2): Wieland, Heuß; Deutsch« Volspartei 1 (1): Bickes; Kommunisten 1 (2): Remmele.
Stuttgart, 8. Dez. Evang. Kirchenausschuß. "Kirchenpräsident v. Dr. von Merz und Prälat T). Dr. Schoell haben sich zu den Verhandlungen des Mutschen Evangelischen Kirchenausschusses nach Berlin begeben. Die Verhandlungen betreffen insbesondere den Aufbau des Deutschen Evangelischen Kirchenbunds und den Anschluß deutscher evangelischer Auslandsgemeinden an den Kirchenbund.
Lhampignyfeier. Der Offizierverein des ehemaligen Inf.- Rgts. 125 veranstaltete am Samstag in den Räumen des früheren Offizierkasinos der Olgagrenadiere unter zahlreicher Beteiligung eine Erinnerungsfeier der württ. Ehrentage von Champigny und Villiers. An der Feier nahmen Generalfeldmarschall Herzog Albrecht von Württemberg und die Herzoge Robert und Ulrich von Württemberg teil.
Der „Bevollmächtigte" des Reichspräsidenten. Vor dem
Augsburger Schöffengericht stand ein am 23. Juli festgenommener Hochstapler, der sich als Leutnant von Bellenberg und Bevollmächtigter des Reichspräsidenten ausgegeben und zahlreiche Betrügereien verübt hat. Der Angeklagte heißt mit seinem richtigen Namen Ernst Mirdel und ist 1901 in Bellenberg zahlreiche Betrügereien und Diebstähle, wofür er eine Armee und ins Feld gekommen und dort verschüttet worden sein. Tatsache aber ist, daß er 1916 in einem Reserveregiment stand und durchgebrannt ist. Er verübte in Württemberg zahlreiche Betrügereien und Dibstähle, wofür er eine mehrjährige Freiheitsstrafe erhielt. Nach seiner Entlassung von dort verlegte er sich auf Betrügereien größeren Stils. Das Gericht verurteilte den Angeklagten, der geständig ist, trotz der vielen Betrügereien und Urkundenfälschungen zu
1 Jahr 7 Monaten Gefängnis. Der Staatsanwalt hatte
2 Jahre Zuchthaus und Ehrverlust beantragt.
Vom Tage. Am Sonntag nachmittag stießen in der Hauptstätterstraße ein Krankenkraftwagen der Feuerwehr und ein Personenkraftwagen zusammen. Elfterer wurde schwer beschädigt, Personen wurden'nicht verletzt.
Aus dem Lande
Ludwigsburg, 8. Dez. Unverbesserlicher Zuchthäusler. Am 27. Oktober wurde der wegen Diebstahls mit 28 Jahren Zuchthaus vorbestrafte, 67 Jahre alte Kellner Friedrich Bezold aus Neunkirchen aus dem hiesigen Zuchthaus entlassen. Sofort setzte er seine Verbrechertätigkeit fort, und zwar iu München, Nürnberg, Regensburg, Landshut, Augsburg und Würzburg. Bei seiner Festnahme in Augsburg fand man bei ihm Uhren, Uhrketten, Ringe, Koffer, Münzen usw., lauter Gegenstände, die nach seinem Geständnis von Wohnungseinbrüchen herrühren. Nun sitzt er wieder hinter Schloß und Riegel.
Lauffen a. N., 8. Dez. Vom Zabergäuverein. Der Zabergäuverein, dessen Zweck die Pflege d. Heimatkunde ist, hat sich vor dem Krieg in glänzender Weise entwickelt. Der Krieg und seine Nachzeit legten seine Betätigung still. Die Markbefestigung hat nun auch diesen Verein wieder neu aufleben lassen. Der Vorstand des Vereins hat beschlossen, in nächster Zeit die gesamte Vereinstatigkeit wieder voll aufzunehmen und eine Mitgliederversammlung abzuhalten. Der Verein besitzt eine glänzend ausgestattete heimatkundliche Bibliothek und hat in seinen vor dem Krieg herausgegebenen Vierteljahresheften so viel Erfolgreiches und Schönes auf dem Gebiet der Heimatkunde geleistet, daß zuversichtlich gehofft werden darf, daß sein Wiederaufleben in allen ihm nahestehenden Kreisen mit warmer Freude begrüßt werden wird.
Heilbronn, 8. Dez. Selbstmord. — Ueberfah- ren. Ein 61 Jahre alter Fabrikschmied hat sich durch Erhängen das Leben genommen. Der Beweggrund zur Tat dürfte ein durch einen Unfall zugezogenes Kopfleiden sein. — Am Gaswerkübergang wurde der städtische Weichenwärter Karl Kieber vom Zug überfahren.
Reckarsulm, 8. Dez. Unfall beim Spiel. Einem Schulknaben wurde beim Spiel mit sog. „Fledermäusen" d. h. kleinen Blechstreifen, die in die Luft geschossen werden, ein Auge schwer verletzt, daß es sehr fraglich ist, ob die Sehkraft erhalten bleibt. ,
Schwab, hall. 8. Dez. Aus dem Bezirksrat. Der Bezirksrat beschloß die Errichtung von Woyn- und Kanzlei- I gebäuden für Amtskörperschaftsbeamte an der durch die I Stadt Hall neu offen zu legenden Klingenbergstraße. Die Landesversicherungsanstalt Württemberg hat dafür ein Dar- l lehen von 50 000 oK zu mäßigem Zinsfuß zur Verfügung gestellt. — Der Vertrag mit der Oberpostdirektion Stuttgart bezüglich der Autolinien Mainhardt—Hall und Hall— Braunsbach soll auf 1. Februar 1925 gekündigt werden, wenn die an diesen Linien gelegenen Gemeinden sich nicht bereit erklären, fernerhin an dem für die beiden Linien entstehenden Betriebsabmangel sich zu beteiligen. §
künzelsau, 8. Dez. ÄufgeklärteEinbrüche. — .
Pferdedieb. Diesen Herbst wurden bei Hauptlehrer Braun in Gaisbach und im Pfarrhaus in Kupferzell Einbrüche verübt. Nunmehr ist es gelungen, den Täter in der ! Person des Eberhard Haas von Hall festzustellen. Die ge- ? stohlenen Gegenstände konnten zum großen Teil wieder beigebracht »-werden. — Dem Landwirt Färber wurde ein Pferd im Wert von 1500 in der Nacht aus dem Stall gestohlen. In Neunkirchen stahl der gleiche Täter einen Leiterwagen dazu und fuhr damit davon. Pferd und Wagen konnten in Ebersberg OA. Gaildorf wieder beigebracht werden. Der Täter, ein gewisser Gottlob Kurz, Taglöhner von Kupferzeit, ist flächt''-'.
Lorch, 8. Dez. Einbruch. Samstag nacht wurde wiederholt im Stationsgebäude eingebrochen. Die Täter erbrachen Kisten und Kasten. Ferner wurde die Stationskasse erbrochen und das wenige darin befindliche Geld geraubt. Auch hier wurden die Aktenbündel durchwühlt. Die Landjägermannschaft ist den Tätern auf der Spur.
Wasseralfingen. 8. Dez. Vermißt. Der 62 I. a. verheiratete Vorwalzer Karl Ebert entfernte sich nachts heimlich aus seiner Wohnung. Seither fehlt jede Spur von ihm. Man nimmt an, daß er Selbstmord begangen hat.
Göppingen. 8. Dez. Schwindler. Am 4. Dezember wurde in Augsburg ein angeblicher Franz Dangelmayer aus Salach festgenommen, der sich in der Regel als Stellenloser Kaufmann, Offiziersstellvertreter und Reserveoffizier ausgab. Unter dem Vorbringen, in Göppingen eine Stelle antreten zu können, erbat er sich bei verschiedenen Personen Unterstützungen. Dangelmayer ist selbstredend weder Reserveoffizier noch Offizierstellvertreter, noch hat er die erhaltenen Gelder zu dem angegebenen Zweck verwendet.
Reutlingen, 8. Dez. Frecher Dieb st ah l. Metzgermeister Bader zur Rose in Betzingen wurden aus dem Laden Wurstwaren und der Inhalt der Ladenkasse mit 58 gestohlen. Vom Täter fehlt jede Spur.
Balingen, 8. Dez. Autoverbindung. Zur Beförderung einer größeren Anzahl Arbeiter und Arbeiterinnen aus den Gemeinden Rosenfeld, Binsdorf, Erlaheim und Geislingen nach Balingen und zurück soll eine besondere Arbeiterkraftwagenfahrt eingerichtet werden. Der Gemeinderat ist bereit, sie städtischerfeits zu unterstützen. Die Stadt wird voraussichtlich für diese Fahrt und für die neugeplante Linie Balingen—Obernheim bezw. Balingen— Nusplingen eine Autohalle auf ihre Kosten erstellen müssen.
Tuttlingen, 8. Dez. Seltenes Jagdglück. Martin Henke und Anton Wilhelm hatten das Glück, zwei Damhirsche auf Markung Möhringen (Eisenhardt) zu erlegen.
Friedrichshafen. 8. Dez. Empfang Eckeners. Am Samstag abend veranstaltete der Luftschiffbau Zeppelin G- m. b. H. im Kurgartenhotel ein Festmahl zu Ehren des am Donnerstag hierher zurückgekehrten Dr. Eckener. Generaldirektor Kommerzienrat Colsmann hielt eine Ansprache.
Vom Allgäu, 8. Dez. Vorbildlich. Ein vorbildliches Beispiel von Wahleifer hat ein Sohn der Stadt Kempten, Konsul Kluftinger aus Bologna gegeben, der trotz seiner 81 Jahre die verhältnismäßig weite Reise von Bologna nach
- Der Karmckelbaron
12j Humoristischer Roman von Fritz Gantzer ...
Georg Eberty sah einen breitschulterigen Hünen mit frischem Gesicht vor sich stehen. Er hatte nicht geglaubt, daß es folch große Menschen geben könne. Und dieser Hüne schrie ihn an: „Wolf von Lessenthin-Krachtwitz! ... Der neue Herr Amtsrichter?"
„ „Zu dienen! — Eberty."
' Der Hüne funkelte den sich leicht Verbeugenden an und strich sich den von vielem Tabaksrauch angegelbten Wischer zurecht.
„So! Vielleicht kommt nun endlich einmal ein bißchen Leben in diesen stagnierenden Sumpf hier hinein. Bei dem alten Briesewetter war's zum Heulen. Und die ganze Bande hier ist verbummelt, verlottert — von dem Assessor an bis runter zu dem Jammerbesen Kublicke. Das ist der Gsneral- saulsack, der höchstens mal die Sperlinge rausstäkert oder die Akten verlegt, im übrigen aber zu nichts zu gebrauchen ist. Und der Adomeit ist ein . . ."
„Gestatten Sie, daß ich mich nach Ihren Wünschen erkundige, Herr von Lessenthin?" unterbrach der Amtsrichter in dem Bestreben, die ihn peinlich berührende Charakterisierung seiner neuen Untergebenen zu beenden.
Aber der Krachtwitzer fuhr unbeirrt fort: „Und der Adomeit ist ein Waschlappen, der Wendel ein Lügenbeutel und Windhund, Manzke ein Idiot. Und der Herr Assessor von Gronau ... ja, mein lieber Herr Amtsrichter, wenn Sie mich auch noch so wütend ansehen, ich sag's Ihnen doch, daß dieser Herr Assessor von Gronau ein ... ein ... ich weiß nicht, was ist."
Er war,' während er die Worte erregt hervorgestoßen hatte, in dem engen Zimmer auf und ab gestürmt, hatte mit den Händen gesuchtest und die Augen gerollt. Nun schwieg er erschöpft und nahm stöhnend auf einem der beiden Holzstühle Platz.
Eberty stand in halber Verlegenheit und ziemlicher Verblüffung vor dem merkwürdigen alten Herrn und wußte nicht, ob er lachen oder verwundert den Kopf schütteln sollte. Ohne eins von beiden zu tun, konnte er endlich fragen: »Und was führt Sie nun zu mir, Herr von Lessenthin?"
„I, ich wollte gar nicht zu Ihnen," fuhr der Krachtwitzer auf. „Ich hatte eine Aussprache unter vier Augen mit dem Assessor vor, um dem mal wegen eines Vorkommnisses von gestern gründlich meine Meinung zu sagen. Aber der Herr hat sich gedrückt und mit seinem schlechten Gewissen eingeriegelt. Und diese vier Kerle, dieser Adomeit, dieser Wendel, dieser Manzke und dieser Kublicke, verleugnen diesen Herrn einfach. Sagen, sie wüßten nicht, wo er sei. Endlich hat mich Kubbcke in dies Zimmer bugsiert und gemeint, der Herr Amtsrichter würde wohl bald jommen, dem uh ja dann alles erzählen könnte."
Er schien aber zu weiteren Mitteilungen keine Neigung zu haben. Wenigstens sprang er wieder aus, trat dicht vor Eberty und sagte: „Ich wollte nachher zu dem Notar Troll am Markt. Er sollte morgen zu mir nach Krachtwitz rauskommen, weil ich mein Testament machen will. Aber nun fällt mir eben ein, daß es am besten sei, wenn das Gericht gleich selber kommt. Darf ich also für morgen um ihren Vefuch bitten?"
Ehe Eberty überrascht bejahend zu erwidern vermocht«, griff Herr von Lessenthin schon nach seinem Hut, verbeugte sich kurz und sagte: „Also Sie kommen! Und ich muß fort. Mein Wagen ist zum „Goldenen Engel" voraufgefahren. In der Budike möchte ich sein, ehe der Kutscher ausgespannt hat. Was nun nicht mehr nötig ist. Ich will sofort wieder nach Hause."
Im nächsten Augenblick stand der Amtsrichter allein in dem engen Zimmerchen und sah sich ganz verwundert um. Als der harte Schritt des Krachtwitzers auf den Steinfliesen des Flurs verhallt war, schüttelte er den Kopf und lächelte eigen, halb spöttisch, halb belustigt. Wie hatte doch Kublicke gestern gesagt? Richtig: Dieser Freiherr ist eine ganz wunderliche Kruke. Ja, das stimmte. Wunderlich war der auf jeden Fall. Am wunderlichsten erschien Eberty die Sache mit dem Testament.
Dann trat Kublicke nach einem vorsichtigen Anpochen in das Gemach. „Is er nu glücklich fort?" Er tippte sich gegen die Stirn und grinst«. „Nich wahr? . . .Und wenn ich den Herrn Amtsrichter nun herumführen dürfte?"
Eberty nickte. „Ja, ich möchte mich mal umsehen. Aber ich werde mich schon allein zurechtfinden. Zeigen Sie nur nur das Bureau des Herrn Assessors."
„Zu befehlen, Herr Amtsrichter! Sehr wohl."
Sie traten auf den Flur. Schräg gegenüber wurde in demselben Augenblick hinter einer Tür der Riegel zurückgeschoben. Dann knarrte das gelbgestrichene, breitgesügt« Ungeheuer auf. Ein elegant gekleideter Herr, der die Dreißiger knapp erreicht haben mochte und über dessen offenes Gesicht ein verbindliches Lächeln flog, stand auf der Schwelle, verbeugte sich, den Amtsrichter begrüßend, und nannte feinen Namen.
„Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, Herr Assessor. Guten Morgen!"
Die Tür schloß sich hinter ihnen. Und Kublicke ging nach der Registratur hinüber, um dort zu melden, daß di« Inspizierung durch den „neuen Alten" nahe bevorstünd« und «« nötig sei, das „Dienstreff" aufzusetzen.
Im Arbeitszimmer Gronaus flog unterdessen Red« «nsi Gegenrede schon angeregt hin und her. Eberty war von dem frischen, heiteren Wesen des Assessors sofort gefangen genommen. Das war doch endlich ein Mann, mit dem man seit Berlin das erste vernünftige Wort reden konnte! Auch der moderne, weltstädtische Schnitt seines hellgrauen Frühjahrsanzugs imponierte ihm. Cr schätzte den Ort seiner Herkunft sofort aus ein fashionables Schneideratelier des Berliner Westens ein und empfand etwas wie innerste Befriedigung. Seit Stettin hatte er außer seinem eigenen Anzug« kaum einen gesehen, der in Bezug auf Sitz und Schnitt allen Ansprüchen genügt. Ueberall hatten Produkte aus kleinstädtischen Schneiderstuben dominiert und waren ihm direkt auf die Nerven gefallen. Denn Georg Eberty war zwar nicht eitel und maß den Wert eines Menschen nicht nach seinen modernen oder unmodernen Westen und Beinkleidern, liebte aber Eleganz und Schick und war daher äußerst angenehm überrascht, endlich einen Menschen gefunden zu haben, d«r offenbar seinen diesbezüglichen Anschauungen huldigt« um sich gleich darauf die Frag« vorzulegen: Wie kommt es, daß dieser elegante, weltmännisch gekleidete Assessor hier tn di«- sem verlorenen hinterpommerischen Neste klebt... Leidet er etwa auch an . . .
Cr kam nicht zu Ende. Wollte nicht. Und lächelte verbissen In sich hinein. Als wenn all« Menschen, die eleg-mt gekleidet waren und in hinterpommerschen Kleinstädten wohnten, an gebrochenem Herzen leiden müßten, um sich hi»r auszukurieren und den Knacks zu verwinden!
(Fortsetzung folgt.) ^