Für die Landtagswahlen in Braunschwelg, die gleichzeitig mit den Reichstagswahlen vor sich gehen, haben die Deutschnationale Volkspartei, die Deutsche Volkspartei, das Zentrum und die Braunschweigische Niedersächsische Partei Listenverbindung beschlossen.
Die Vergeltung der Franzosen Berlin, 19. Nov. In Gelsenkirchen sind, die die „D. Ztg." meldet, vor einiger Zeit zwei Beamte der Schutzpolizei, die zu einem Besuch von Verwandten ins besetzte Gebiet gekommen waren, von den Franzosen verhaftet worden. Vor diesem Vorfall waren französische Spione im unbesetzten Gebiet verhaftet worden, woraus die Franzosen eine verschärfte lleberwachung als Vergeltung einführten. Obwohl nun inzwischen die Spione von der Reichsregierung auf freien Fuß gesetzt wurden, sei bisher noch nicht bekannt geworden, daß die beiden Polzeibeamten auch freigelassen seien.
De Metz abberufen
Koblenz, 19. Nov. Der französische Kreisvertreter für die Pfalz, General deMetz, und der Vertreter für Rheinhessen. General D e v i g n e, sind nach Frankreich abberufen und durch französische Zivilbeamte ersetzt worden. — Diesen beiden werden höchstens die Sonderbündler Tränen nachweinen, die von den Generalen so viel Liebes und Gutes erfahren durften oder denen sie eigentlich ihr schändliches Dasein in der Pfalz und in Hessen verdanken.
Die „kriegsverbrechen"
Leipzig, 19. Nov. Die Franzosen hatten unter Nr. 165 ihrer „Auslieferungsliste der Kriegsverbrecher" gegen dcn Kommandierenden General v o n L o ch o w (3. Armeekorps, die Anschuldigung erhoben, er habe am 10. September 1914 das Schloß Verdelot (Dep. Seine und Marne) vollkommen ausgeplündert und verwüstet und dann in ekelhaftester Weise verunreinigt. Das Reichsgericht hat nun festgeste'lt, daß General von Lochow mit seinem Stab nur in der Nacht vom 4. auf 5. September im Schloß gelegen hat und daß es in tadellosem Zustand verlassen worden ist. Dagegen haben am 10. September die Franzosen das Schloß bezogen. Wenn es geplündert und verunreinigt worden ist, dann kann dies nur von den Franzosen geschehen sein. — Daß diese Art der Einquartierung bei den Franzosen gang und gäbe ist, dafür haben sie bei der Besetzung des Rhein- und Ruhrgebiets tausendfältige Beweise gegeben.
Das französische Begnadigungsgeseh vom Senat angenommen
Paris. 19. Nov. Der Senat hat das Begnadigungsgesetz mit einigen Abänderungen angenommen. Unter die Begnadigung fallen auch die früheren Minister Caillaux und Malvy. Caillaur war durch Senatsbeschluß im Jahrs 1920 der Aufenthalt in Paris und einigen anderen großen Städten Frankreichs auf 10 Jahre verboten und Malvy das aktive und passive Wahlrecht auf 10 Jahre entzogen worden, in beiden Fällen wegen angeblicher Verbindung mit dem (deutschen) Feind. Da Caillaux zu den befähigtsten Finanzköpfen Frankreichs zählt, so ist zu erwarten, daß er nun nicht nur alsbald in die Kammer gewählt, sondern auch als Finanzminister wieder ausgenommen werden wird, da vielfach geglaubt wird, daß nur er die völlig in Unordnung gekommenen französischen Finanzen werde einrenken können: Caillaux wie Malvy waren s. Zt. hauptsächlich auf das Betreiben Poincares verurteilt worden.
Die Verteilung der deutschen Vorkriegsfchulden Paris, 19. Nov. Die Cntschädigungskommission hat die deutschen Vorkriegsschulden auf die von Deutschland losgerissenen Länder folgendermaßen verteilt: Polen 18 871 459 Goldmark (für Oberschlesien, Posen und die oft- und westpreußischen Gebiete), Danzig 3 763 729, Belgien 640 609, Tschechoslowakei 242 897 Goldmark. Dänemark, dem Nordschleswig gegeben w">->-- wurde mit k-inem Schuldenbetrag belastet.
Quertreibereien gegen die Räumung von Köln London, 19. Nov. Die „Times" bestätigt, daß die deutsche Reichsregierung in London wegen der Absicht, die Besetzung des Kölner Gebiets über den 10. Januar 1925 hinaus sortzusetzen, Vorstellungen erhoben habe. Bis vor kurz Zeit, schreibt die „Times", habe die französische Regierung behauptet, daß Deutschland seine Abrüstungsverpflichtungen nicht erfüllt habe. Statt der Räumung wolle Frankreich die Besetzungskosten einschränken und Herriot arbeite mit dem
Kriegsminister einen Plan aus, die an Rhein und Ruhr liegenden Divisionen von der Kriegs- auf die Friedensstärke herabzusetzen.
Vertagung des Genfer Protokolls London, 19. Nov. Die Blätter melden, die Beratung des Genfer Protokolls sei auf dringende Forderung Englands, das in Uebereinstimmung mit seinen Dominions bleiben wolle, von der Tagung des Völkerbundsrats in Rom ausgeschlossen werden. Auch Italien sei gegen das Protokoll. Damit werde aber der ganze Plan der mit den Sanktionen usw. zusammenhängenden Fragen fallen und die Arbeiten zur Vorbereitung der Abrüstungskonferenz unnötig werden. Damit sei, wie der „Daily Telegraph" meint, der Weg für den Präsidenten Coolidge offen, eine Abrüstungskonferenz einzuladen, die mehr Wert habe als diejenige, die man in Genf beschlossen habe; an dieser hätte' Coolidge infolge der Taktlosigkeit Mac Donalds doch nicht teilnehmen können,
Englische Maßnahmen gegen die Kommunisten London» 19. Nov. Der Innenminister Hicks wird nach den „Evening News" gegen die ausländischen Kommunisten scharf vorgehen und sie nach Ablauf der zweimonatigen Aufenthaltserlaubnis, die Mac Donald ihnen unverständlicherweise gewährt habe, samt und sonders ausweisen. Diese Fremden haben ihren Aufenthalt nur zur kommunistischen Aufreizung benützt und unhaltbare Zustände verursacht.. Dies betreffe namentlich eine Reihe von Kommunisten aus Rußland und die sogenannte Frau Ruth Fischer aus Berlin. Mehrere Hundert solcher Ausländer sollen ausgewiesen und auf die scharze Liste gesetzt werden, nach der sie dauernd vom englischen Boden ausgeschlossen werden. Besondere Maßnahmen seien gegen die Abordnung aus Moskau vorgesehen.
Der Kleine Verband und Rußland London, 19. Nov. Der „Daily Telegraph" erfährt aus Belgrad, der Kleine Verband werde demnächst Polen ein- laden, dem Verband beizutreten, weil die Staaten des Verbands die Anerkennung der Sowjetrepublik beschlossen haben, gegen die Polen eine feindliche Stellung einnimmt.
Das serbische Königspaar wird im Januar nach Rom reisen, wobei ein Verteidigungsbündnis mit Italien abgeschlossen werden soll.
Diktatur für die wirtschaftliche Entwicklung Australiens Sidney, 19. Nov. Der australische Erstminister Brecke «klärte in einer Rede, es müssen tatkräftige Maßnahmen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ergriffen werden, damit es eine starke Bevölkerung aufnehmen könne. Man habe schon den Gedanken ausgesprochen, eine Diktatur der sechs besten Gehirne einzuführen.
Wupeifu in Hangkau
Schanghai, 19. Nov. General Wupeifu ist in Hangkau eingetroffen und hat dort eine von der jetzigen Regierung in Peking unabhängige Regierung eingesetzt.
Vereitelte Senatswahl
Bremen, 19. Nov. Die für die gestrige Bürgerausschußsitzung erneut angesetzte Wahl des Senats (die letzte Wahl vor 10 Tagen war gescheitert) ist im letzten Augenblick unmöglich geworden, da die Demokraten unerwartet von der mit den Deutfchnationalen und der Deutschen Volkspartei gemeinsam aufgestellten Vorschlagsliste zurücktraten und sür einen Auflösungsantrag der Sozialdemokraten stimmten, der mit 74 (Sozialdemokraten, Demokraten und Kommunisten) gegen 43 Stimmen (Deutschnationale, Volkspartei und Völkische) angenommen wurde.
Die bayerischen Monarchisten München, 19. Nov. Die bayerischen Monarchisten, die bisher in dem Heimat- und Königbund und der bayerischen Königspartei organisiert waren, haben sich, wie der „Tag" meldet, auf einer Tagung in München zu einer Organisation zusammengeschlossen, deren Namen allerdings noch nicht feststeht.
Württemberg
Stuttgart, 19. Nov. Verworfene Revision. Gegen die Aufführung des Revolutionsstücks „D' üon" am Landestheater hatte bekanntlich der Schriftsteller Dr. Georg Schmückle in Cannstatt ein scharfes Urteil in einem Brief
an den Intendanten Kehm ausgedrückt. Von dem Inten- danten und Ministerialrat Frey vom Kultministerium war Beleidigungsklage angestrengt worden, das Landgericht sprach aber Dr. Schmückte frei. Die gegen das freisprechende Urteil von dem Intendanten und Ministerialrat Frey eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen.
Zugsunfall. Gestern vormittag riß der Personenzug 859 (Weilderstadt-Stuttgart) beim Anhalten auf dem Nordbahnhof an zwei Stellen auseinander und mußte in zwei Abteilungen nach Stuttgart-Hauptbahnhof geführt werden. Hierdurch war das Gleis Feuerbach-Stuttgart 40 Minuten lang gesperrt.
Vom Tage. An einem Neubau auf der Uhlandshöhe wurde ein 26 Jahre alter Schmied, ix einen elektrischen Aufzug bediente, von dem Aufzug ersaßt. Er erlitt anscheinend innere Verletzungen. — Bei der Fahrt die Schmidenerstraße in Cannstatt aufwärts stieß em 24 Jahre alter Motorrad- fahrer, dessen Fahrzeug nicht beleuchtet war, auf ein ebenfalls unbeleuchtetes Einspännerfuhrwerk. Er wurde bei dem Zusammenprall vom Rad geschleudert und zog sich mehrere Rippenbrüche und eine Verletzung der Lunge zu. — Abends 11 Uhr sprang ein 17 Jahre altes Mädchen bei der Berginsel in den Neckar. Die Lebensmüde konnte jedoch von zwei Vorübergehenden gerettet werden. ^ ^
Aus dem Lande
specknrsulm, 19. Nov. Unfall bei der Arbeit. Ein Arbeiter eines hiesigen Betriebs wurde vom Räderwerk erfaßt. Die Kleider wurden ihm vom Leib gerissen, so daß er schwer verletzt mit einer Rückenmarkguetschung ins Krankenhaus verbracht werden mußte.
Befenfeld, OA. Freudenstadt, 19 Nov Ueberfahren. Der 60 Jahre alte Taglöhner Johann Georg Klumpp geriet innerhalb des Orts beim Sperren unter den Langholzwagen; der Tod trat, sofort ein.
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hiesige Niederlassung der Rheinischen Kreditbank hat mit dem 15 November ihre Tätigkeit eingestellt, da ihre Inanspruchnahme mehr und mehr zurückging. Die Gemeinde wird die Raume zur Errichtung eines Verkehrsbüros benutzen
Sulz a. R., 19. Nov. Wohnungsbau. Um der großen Wohnungsnot abzuhelfen, beschloß der Eemeinderat, den Baulustigen mit einem nieder verzinslichen Baudarlehen unter die Arme zu greifen und zu diesem Zweck 100 000 zu genehmigen. Zur Herstellung von Eigenwohnhäusern steht ein Gelände von etwa 200 Bauplätzen zur Verfügung.
Reutlingen, 19. Nov. Wahlrede des Staatspräsidenten. In der überfüllten Bundeshalle hielt Staatspräsident Bazille eine Wahlrede unter dem Leit- wort „Volk in Not". Er kam zu dem Schluß: Was in den letzten 5 Jahren zerstört wurde, ist nicht so leicht wiedxr aufzurichten. Es handelt sich um die Frage, ob das deutsche Volk eine starke nationale Regierung oder eine schwächliche internationale Regierung will: es handelt sich bei den kommenden Wahlen um den Bestand des deutschen Volks.
Wankheim OA. Tübingen, 19. Nov. Brand Die in Ortsnähe befindliche Feldscheuer des Adam Dürr ist aus un- bekannter Ursache mit sämtlichen Futtervorräten verbrannt.
Schrvnmingen. 19. Nov. Ueberfahren. In der Engelstraße wurde Schreiner Thomas Haller von einem -.MhrwS'-k überfahren. Cr trug innere Verletzungen davon und mußte bewußtlos vom Platz getragen werden.
Schon seit 14 Tagen ist die gesamte schwäbische Landespolizei und Gendarmerie auf der fieberhaften Suche nach den beiden gefürchteten Verbrechern und Raubmördern Kostler und Wiedemann, die in den letzten Wochen zahlreiche Untaten in ganz Schwaben verübt haben. Be- ihren Streifen durch die ganze Provinz ermordeten sie bei Krumbach an der wurttembergischen Grenze den Sta- tionokommandanten Junker von Niederraunau, welcher sie verhaften wollte. Es gelang den sehr ortskundigen S^r- breo,ern zu entkommen. Kürzlich wurden sie wieder bei -rindau gesehen. Nunmehr ist es endsich gelungen, sie nach Berubung zweier Einbrüche in den Allgäuer Bergen durch Gendarmerietruppen von Sonthofen und Umgegend in einer Alphütte in 1500 Meter Höhe bei Irnberg zu ermtttAn. Auf Anruf erklärten die beiden „Herrn", daß sie jeden, der sich ihnen nähere, erschießen würden! Als sie jedoch sahen, daß der Hof umstellt war, ergaben sie sich. Sie wurden in das Gefängnis nach Sonthofen gebracht.
Wenn du noch eine Heimat hast,
So nimm den Rangen und den Stecken,
Und wandre, wandre ohne Rast,
Bis du erreicht den teuren Flecken.
Traeger.
Des Hauses Sonnenschein.
Roman von Irene v. Hellmuth.
44- (Nachdruck verboten.)
Mitte Januar erhielt die junge Frau einen Brief ihrer Mutter.
i „Denke dir nur," schrieb diese, „bei uns wird es eine richtige Umwälzung geben. — Hans-Heinz ist wieder da! Mitten in einem richtigen Schneegestöber kam er an! Ganz unangemeldet! Wie ein Schneemann sah er aus; er schüttelte sich, daß die Weißen Flocken nur so herumflogen. Und ordentlich lebhaft ist er geworden. Er begann sogleich nach allem zu fragen, ob wir gewillt wären, ihm Tanneck zu verkaufen und ob wir es für ihn einstweilen verwalten würden, bis er etwas Richtiges gelernt hätte; ob Vater ihm versprechen wollte, später als eine Art Inspektor bei ihm zu bleiben und ihn nie zu verlassen, und ich solle ihn ein wenig bemuttern und verwöhnen, wie ich es schon früher getan, wo er sich so wohl gefühlt hätte. Er bot eine so große Summe, daß wir uns weigerten, Dieselbe anzunehmen; denn so viel ist Tanneck nicht wert. Vater bestimmte deshalb, daß das Gut von »L ^^"^d^Endigen geschätzt würde, und so geschah
die Sache perfekt. Wir waren b?im Notar und Hans-Heinz ruhte nicht Einem Glase Sekt den Tag feierten, vergnügt. Und nun sind wir recht glücklich, daß altes so kam, denn die Sorgen wurden immer drückender. Ich habe dir aus Vaters bestimmt ausgesprochenen Wunsch nie etwas von unserem Anliegen sagen dürfen, damit du deinen jugendlichen Frohsinn bewahrtest; aber jetzt, wo alle Sorgen hinter ums liegen, kann ich es dir gestehen, daß wir oft nahe
daran waren, unsere geliebte Heimat zu verlieren. Nun ist, Gott sei Tank, diese Last von uns genommen, denn der Kauf wurde so abgeschlossen, daß Tanneck immer unsere Heimat bleiben wird, so lange wir leben; Hans-Heinz behauptet, uns nicht entbehren zu können. Nach Abzug aller auf dem Anwesen ruhenden Lasten bleibt uns sogar noch ein Sümmchen zu unserer Verfügung übrig, so gut wurde es abgeschätzt. Mir kam es ja so vor, als ob Hans-Heinz den von ihm selbst mitgebrachten Sachverständigen beeinflußt hätte, aber der Mann erklärte, so viel sei das Gut unter Brüdern wert — nun — und da brauchten wir uns dann nicht weiter zu besinnen.
Hans-Heinz beabsichtigt, sich eine Villa zu bauen, ganz hinten im Garten, weißt du, unter den Linden, wo man die hübsche Aussicht auf die blauen Berge hat. Und zwar soll, sobald die Witterung es einigermaßen erlaubt, mit dem Bau begonnen werden. Er entwickelt einen Eifer, der beinahe komisch wirkt. Wozu braucht er denn ein solches Haus, nachdem er erklärt, nie heiraten zu wollen? Vorläufig bewohnt er sein altes Zimmer wieder, er wollte kein anderes haben, trotzdem ich ihm ein größeres einräumen wollte. Wir haben ja Platz genug.
Vater taut ordentlich wieder auf, seit er weiß, daß er aus seinem Paradiese nicht mehr vertrieben werden kann: obwohl er mir immer versicherte, daß er sich überall wohl fühlen werde, — es müsse nicht gerade Tanneck sein, — so merkte ich doch sehr gut, daß er sein Geschick nur meinetwegen scheinbar so leicht trug, um mich nicht noch trauriger zu machen. —
Wir hofften im Stillen immer, du würdest zu Weihnachten kommen, aber umsonst. Vielleicht besuchst du uns doch, wenn die Tage wieder länger werden. Kurt freute sich sehr über die schönen Bücher, die Ihr schicktet, — er soll nun auch wieder einen Lehrer bekommen.-
Vater läßt dich besonders herzlich grüßen.
Ich glaube, er vermißt dich noch immer sehr; besonders an diesen langen Winterabenden fühlen wir
uns manchmal recht einsam. Doch unser einziger Trost ist, daß du glücklich geworden bist." —
Anneliese faltete die Blätter zusammen und ein träumerischer Ausdruck lag in ihren schönen Augen. „Glücklich?" murmelte sie, und ein Paar schwere Tränen rannen langsam über ihre schmäler gewordenen Wangen. Doch hastig fuhr sie mit dem Taschentuch über die Augen. Sie hörte den Gatten kommen und er durfte sie nicht weinen sehen. Heiter trat sie ihm entgegen und erzählte von dem Brief der Mutter. Er las ihn aufmerksam bis zu Ende, dann betrachtete er forschend die junge Frau, ihr sanft über das glänzende Haar streichend.
„Hast du wirklich geschrieben, daß dü — glücklich bist?" fragte er, ihren Kopf zurttckbiegend, um ihr in die Augen sehen zu können. Sie wurdr rot, denn sie fühlte, daß der Gatte sie durchschaute, daß sie den, Eltern nichts schrieb von ihrer namenlosen Sehnsucht, nur um sie nicht zu betrüben. !
„Ich weiß, ich bin manchmal anders, als ich sein sollte," begann er in einem Ton, den die junge Frau nur selten zu hören bekam, — „aber du mußt Nachsicht haben, Anneliese. Manchmal habe ich solchen Aerger im Beruf, meine Nerven machen mir viel zü schaffen, und wenn ich dir zuweilen schroff erscheine, so denke, daß ich wirklich nichts dafür kann, ich meine es nicht so schlimm! Aber du mit deinem traurigen Gesicht trägst auch mit schuld an meinem Zustand. Als ich dich zum ersten Male sah in deinem kindlich heiteren Wesen, mit deinem schelmischen Lächeln und dem reizend ungezwungenen Gebaren, da — kam die Liebe mit Macht über mich. Und ich dachte eine lustige, stets vergnügte Frau zu bekommen, denn ich wollte etwas Sonnenschein um mich haben, — ich brauche jemand, der mich ein wenig aufheitert, wenn ich verärgert und abgespannt heimkomme. Statt dessen sehe ich immer nur verweinte Augen, blasse Wangen, — und das ärgert mich unbeschreiblich; es ist mir wie ein Vorwurf, denn ich merke, daß du dich unglücklich fühlst an meiner Seite."
(Fortsetzung folgt.)