Die Reparattonsfrage. s

Die Besprechungen in Berlin.

Berlin, 16. Mai. Wie aus parlamentarischen Kreisen verlautet, wird der Reichskanzler morgen Vormittag um 9 Uhr Vertreter der sozialdemokratischen Partei gegen 16 Uhr die Vertreter der bürgerlichen Parteien zu einer Besprechung über die politische Lage empfangen. Der Aeltestenrat des Reichstags wird unmittelbar vor der Plenarsitzung, die um )411 Uhr beginnt, zusammentreten. Es wird sich dann entscheiden, ob es noch vor dem Pfingst- efst zu einer großen politischen Aussprache kommen wird.

Berlin, 16. Mai. Der Reichskanzler empfing gestern die Abgeordneten aus den besetzten Gebieten und besprach mit ihnen Fragen, die den Rhein und die Ruhr betreffen. Be­sonders wurden die durch die Maßnahmen der Franzosen hervorgerufenen Berkehrserschwerungen erörtert. An der Unterhaltung nahmen auch die Minister von Rasen­der g und Brauns teil.

Das Zentrum zur Neparationsfrage.

Berlin, 16. Mai. Die Zentrumsfraktionen des Reichs­tags und des preußischen Landtags brachten in einer ge­meinsamen Sitzung die Ansicht zum Ausdruck, daß der Faden der Verhandlungen mit der Entente nicht abreisen dürfe und deshalb ein neues präzisiertes Angebot besonders in der Frage der Garantien gemacht werden müsse. Auch in der Auffassung, daß keine andere als die gegenwärtige Regierung für diese Aufgabe berufen sei, herrschte völlige Einmütigkeit.

Die japanische Antwort aus das deutsche Angebot.

Berlin, IS. Mai. Die japanische Botschaft hat heute Nach­mittag dem Auswärtigen Amt folgende Antwortnote ihrer Re­gierung auf die Note der Reichsregierung vom 2. Mai über­mittelt: Die japanische Regierung unterzog das neue Angebot, das die deutsche Regierung in ihrem Memorandum vom 2. Mai Japan, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich. Italien und Belgien vorlegte und das die gesamte Reparations­frage umfaßt, einer sorgfältigen Prüfung. Die japanische Re­gierung ist nicht in der Lage» sowohl i» Rücksicht auf den Ee. samtbetrag der Reparatioussumme wie auf die Modalitäten der Zahlungen, den Garantien im Reparationsplan, der den Hauptleil des obenerwähnten Angebots ausmacht, ihre Zustim­mung zu geben. Angesichts der Tatsache, daß Japans gegen­wärtiges Interesse an der vorliegenden Frage nicht so groß und nicht so vital ist wie das der anderen Alliierten, an die die Note gerichtet ist, nimmt die japanische Regierung Abstand, sich über Einzelheiten des neuen deutschen Vorschlags zu äußern. Sie möchte indessen den lebhaften Wunsch ausdriicken, die deutsche Regierung möge weitere geeignete Schritte in der Richtung un­ternehmen, di« eine baldige freundschaftlich« Regelung der gan­zen Reparationsfrage aus einer billige« Grundlage erleichtern.

Aus der Note geht hervor, daß Japan desintresfiert ist an der Regelung des Reparationsproblems, daß es jedoch an derSo­lidarität" mit den Alliierten festhält, gleichzeitig aber den Wunsch hat, den Konflikt beigelegt zu sehen.

Zur auswärtigen Lage.

Protestkundgebung der politischen Parteien des Saargebiels

gegen dieGewattpolitikderRegiernnaskommisfion

Saarbrücken, 14. Mai. In der heutigen Sitzung des Land­rats gaben sämtliche Parteien eine gemeinsam« Erklärung ab, in der gegen die sogenannte Notverordnung der Regierungskom­mission und gegen die am 2. Mai erlassene Verordnung betref­fend Einschränkung des Streikpostenstchens in der entschiedensten Weise protestiert wird. In der Erklärung wird die Regierungs­kommission vor aller Welt angeklagt, daß sie ihre vornehmste, durch den Versailler Vertrag gestellte Aufgabe, für die Wohl­fahrt der Saarbevölkerung zu sorgen, wiederum in der unerhör­testen Weise verletzt habe. Sie mache die Bevölkerung zum Ob­jekt ihrer einseitigen politischen Bestrebungen und das Saar­gebiet, das einzige, der Obhut des Völkerbunds anvertraute Land, zu einer Einöde, einer Sklaverei. Zum Protest gegen dle:e Verordnungen der Regierungskommissio» lehnte der Landesrat es ab, heute eine Sitzung abzuhalten.

Debatte im englischen Unterhaus über die Beziehungen zu Nutzrand.

London, 16. Mai. Gestern Nachmittag begann im Un­terhaus die mit großer Spannung erwartete Debatte über die englisch-russischen Beziehungen. Das Haus und die Galerien waren dicht besetzt. Besondere Aufmerksamkeit erregte der erst vorgestern aus Moskau eingetroffene rus­sische Vertreter Krassin, der auf der Galerie erschienen war. Die Debatte wurde eingeleitet von dem Führer der Oppo­sition, Ramsey Macdonald. Dieser forderte, daß die Be­ziehungen mit Rußland nicht nur fortgesetzt, sondern noch wirksamer als bisher gestaltet werden. Die russische Re­gierung müsse als Tatsache angenommen und in derselben Weise behandelt werden, wie seinerzeit die zaristische Re­gierung. Darauf sprach Mac Neill, der den unbefriedigen­den Charakter der russischen Antwort betonte und weiter sagte, wenn Krassin eine Besprechung mit Curzon wünsche und wenn er nach dieser Besprechung Moskau um Instruk­tionen zu ersuchen beabsichtige, dann werde die Zeitgrenze der britischen Note in angemessener Weise verlängert wer- d> 7. Aber man dürfe dies nicht so aufsassen, als ob Groß­britannien sich mit weniger begnüge als mit der Befrie­digung seiner Forderungen.

London, 14. Mai. In den gestrigen Kundgebungen der unabhängigen Arbeiterpartei auf dem Trafalgar Square, in Hetzen gegen die britische Note an Sowjetrutzland pro-

Amtliche Bekanntmachung.

Bekanntmachung betr. Pokizeistrafen.

Durch das neue Reichsgesetz vom 23. April 1923 ist fest­gesetzt, daß für alle Uebertretungen Geldstrafe biszu300000^ zulässig ist,' Mindeststrafe ist 300 -4l. Dies wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht.

Calw, den 12. Mai 1923.

Oberamt: Vögel, Amtmann.

testiert wurde, kam eine Entschließung zur Annahme, in der die Zurückziehung des Ultimatums gefordert und für eine Konferenz zwischen der britischen und der russischen Regierung eingetreten und volle Anerkennung der Sowjet­regierung gefordert wird.

Die russische Antwort an England.

London, 15 . Mai. Die Antwort der russischen Regierung ist gestern Lei Lord Curzon eingegangen. Cs ist ei« über- raschend höfliches Dokument und wird augenblicklich in der Dovning Street mit Rücksicht auf die nahe Unterhaus­debatte sorgfältig geprüft. Alle Minister erhielten heute eine Abschrift der ruffischen Note. Heute findet unter dem Vorsitz Lord Curzons eine Sitzung zur Erwägung der russi­schen Note statt. DerEvening Standard" berichtet noch über den Inhalt der ruffischen Note, sie zeige keinerlei Wunsch von seiten der Sowjetregierung, das Handels­abkommen aufzuheben oder die englisch-russischen Beziehun­gen abzubrechen. Sie schlage eine Konferenz zur Erörte­rung der gesamten Frage der englisch-russischen Beziehun­gen vor. Dem Blatt zufolge kann nicht klar genug hervor­gehoben werden, daß obwohl die britische Note eine Zeit­grenze von 10 Tagen für die Antwort von Moskau setzt, dies keineswegs bedeute, daß am nächsten Freitag die Be­ziehungen gelöst werden oder das Handelsabkommen abge­brochen werde. Die Sowjetregierung habe Kraffin voll­kommenste Befugnisse zum Verhandeln erteilt. In einfluß­reichen Kreisen herrsche die Ansicht, daß es Kraffin, dessen Geschicklichkeit außer Frage stehe, vielleicht gelingen werde, die augenblicklichen Schwierigkeiten zu überwinden und möglicherweise noch weiter zu gehen.

Wieder,rftmhme der griechischen Aktivität!

Lausanne, ,, Mai. Der griechische Bevollmächtigte Veni- zelos, der griechische Außenminister Alexandris und der seit gestern eingetroffene griechische Gesandte in Paris hatten gestern untereinander eine längere Besprechung, worauf Venizelos so­wohl bei General Pellö als auch bei Jsmed Pascha eine De­marche unternahm. Später fand eine Unterredung zwischen Js­med Pascha und Rumbotd statt. Diese Besprechung galt der Frage der griechischen Entschädigung an die Türkei, in der die griechische Abordnung seit einigen Tagen ein« unnachgiebige Haltung einnimmt. Man will in Kreisen der Konferenz diese Versteifung in Zusammenhang bringen mit aus Athen einge­troffenen Meldungen über stärkere Einflüsse der militärischen Kreise, die eine aktivere Politik forderten. Man sprach sogar, ohne daß sich diese Meldungen nachprüfen lassen, von einer Note, die die alliierten Delegationen in dieser Angelegenheit an die griechische Abordnung zu richten gedächten. Es ist eher an­zunehmen, daß die Griechen wieder einmal von der Entente geschoben werden.

Reichstag.

Die Interpellation über die Auflösung der Deutschvölkischen Freiheitspartei.

Berlin, 14. Mai. Der Reichstag setzt heute die dritte Lesung des Haushalts des Innenministeriums in Verbindung mit den deutschnattonalen Interpellationen fort. Abg. GuLrard (Z.) bedauert, daß es in Anbetracht der Zeitumstände nicht möglich gewesen sei, die Interpellationen zu verhindern. Seine Partei habe übrigens lebhafte Bedenken, ob das Vorgehen des preußi­schen Innenministers formell ganz korrekt gewesen sei. Mit der Zustimmung zum Schutzgesetz habe sie nicht an das Verbot einer politischen Partei gedacht. Selbstschutzorganisationen von rechts und links könnten nicht geduldet werden. Abg. Koch (Dem.) erklärt, in der jetzigen kritischen.Zeit könne nichts mehr Deutsch­land schaden als die Propaganda, der äußersten Rechten. Die jetzige bayerische Ausnahmeverordnung sei viel diktatorischer als all« Beiordnungen im besetzten Gebiet. Seine Partei ver­lange ein Einschreiten gegen Selbstschutzorganisationen von rechts und von links. Der Feind stehe nicht rechts und nicht links, sondern innerhalb Deutschland. Abg. Remmele (Komm.) protestiert gegen das mehr oder weniger deutlich All­tage tretende Verlangen der bürgerlichen Parteien nach einem Verbot der kommunistischen Partei und gegen die Behaup­tung, daß die Kommunisten im Ruhrgebiet sich als Helfer Poin- cares zeigten. Er begründet schließlich eine Entschließung, die die Aufhebung der bayerischen Ausnahmeverordnung verlangt. Abg. von Graefe (Deutschvölk.) fragt die Regierung, wie sie schweigend der Verfolgung der deutschvölkischen Organisatio­nen zusehen könne, da ihr schon vor dem Severingschen Erlaß die Loyalität dieser Organisationen versichert und von ihr an­erkannt worden sei, daß diese als loyal« Organisationen im Interesse der Reichsregierung lägen. Reichsminister des Innern Dr. Oeser legt entschieden Verwahrung ein gegen die Angriffe des Vorredners auf die Reichsregierung und er­klärt, daß ihm von allem, was dieser vorgebracht habe, nichts bekannt sei und wie er glaube, auch an übrigen Reichsstellen nicht. Bezüglich der Selbstschutzorganisationen erklärt der Mini­ster, daß die Regierungen von Sachsen und Thüringen zugesagt hätten, daß auch sie ihren Selbstschutz auflösen wollten in dem Moment, wo die n<-ch ihrer Meinung von Bayern drohende Ge­fahr beseitigt sei. Hierauf findet ein Antrag Ledebour An­nahme. die Reihe der Redner zu unterbrechen und den Abg. v. Eraese zu bestimmen, feine Beschuldigungen gegen die Re­

gierung genauer zu erläutern. Abg. v. Eraefe (Deutsch.! völk.) betont, daß er in der nichtöffentlichen Sitzung in Leipzig der Regierung vollkommen reinen Wein eingeschenkt habe über die Tatsache, daß seine Partei absolut loyal sei und keine ge- heimbündlorischen Zwecke verfolge. Bei den Gerichtsverhand­lungen werde man restlos auf die Dinge zurückkommen. Abg. Henke (Soz.) sagt, daß seine Partei mit der Antwort der Re­gierung nicht zufrieden sei. Entweder hätten Beziehungen zwi- schon dieser und den Deutschvölkischen bestanden oder v. Graefe habe gelogen. Seine Partei habe ohnehin kein großes Vertrauen zu Reichskanzler Cuno wegen seiner letzten Rede, aber wenn derartige Dinge sich abgespielt hätten, dann würde das den letzten Rest von Vertrauen zu diesem Kabinett beseitigen. Er habe die Empfindung, daß die Regierung kein reines Gewissen habe und daß man heute nicht alles erfahren habe. Die Repu­blik sei in Gefahr. Reichsminister des Innern Dr. Oeser er­klärt, daß die großen innen- und außenpolitischen Folgen, die sich aus den halben Andeutungen des Abg. v. Graefe ergeben könnten, ihn veranlaßt hätten, mit dem Reichskanzler Rücksprache zu nehmen. Dieser habe ihn ermächtigt, ausdrücklich festzustelle«, daß er über die Organisation der Deutschvölkischen Freiheitspartei erst anläßlich der Verhandlung vor dem Staats, gerichtshof Näheres erfahren habe. Damit schließt die allgemeine Aussprache und das Gehalt des Ministers wird bewilligt. In einem Schlußwort zur Jnterpellationsdebatte stellt Abg. La- verrenz (Deutschnat.) fest, daß die Antwort des Ministers, der es sich mit seiner Berufung auf den Staatsgerichtshof zu leicht gemacht habe, nicht befriedigt habe. Nach weiteren Be­merkungen des Abg. v. Graefe (Deutschvölk.) wird eine Ent­schließung He rgt (Deutschnat.) abgelehnt, die die Aufhebung des Staatsgerichtshofes und des republikanischen Schutzgesetzes verlangt, ebenso im Hammelsprung mit 124 Stimmen der So­zialdemokraten, Kommunisten und Demokraten gegen 112 Stim­men (27 Zentrumsabgeordnete enthielten sich der Abstimmung) eine Entschließung Euerard (Zen.) und Leutberger (Deutsche Volksp.) die eine Nachprüfung verlangt, ob das republikanische Schutzgesetz nicht abgeändert werden soll zum Schutze der poli­tischen Parteien und der Vereinigungsfteiheit. Auch die kom­munistische Entschließung betreffend die Aufhebung der bayeri­schen Ausnahmeverordnung wird gegen die Sozialdemokraten und die Kommunisten abgelehnt Morgen vormittag 11 Uhr Weiterberatung.

Deutschland.

Die neuen Teuerungszulagen der Beamten.

Berlin, 16. Mai. Die gestrigen Verhandlungen der Be­amtenorganisationen mit dem Reichssinanzministerium! über die Erhöhung der Veamtengehälter brachten als Er­gebnis eine Erhöhung des bisherigen Teuerungszuschlages von 942 auf 1219 Prozent für die erste Maihälste. Wr die zweite Maihälste soll der Zuschlag auf 1872 Prozent erhöht werden. Das ausgezahlte vierte Monatsgehalt wird nicht angerechnet.

Auflösung der proletarischen Hundertschaften in Preußen.

Berlin. 15. Mai. Der preußische Minister des Innern hat auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik dis sogenannten proletarischen Hundertschaften für das preu­ßische Staatsgebiet aufgelöst und verboten. In der Be­gründung heißt es, daß die proletarischen Hundertschaften nach den öffentlichen Werbungen, ihrer militärischen Or­ganisation und Bewaffnung tatsächlich auch dazu aus­ersehen seien, einen offenen Kampf vorzubereiten und zn führen. Nach den verschiedensten Veröffentlichungen der kommunistischen Presse solle sich dieser Kampf gegen alle nichtkommunistischen Teile des Volkes und letzten Endes gegen die verfassungsmäßig festgestellte Regierung selbst richten. De proletarischen Hundertschaften seien somit staatsfeindliche Verbindungen.

Eine ständige Landtagswache fiir den preußischen Landtag.

Berlin, 14. Mai. In der heutigen Sitzung des preu­ßischen Landtags wurde ein demokratischer Antrag, eine ständige Landlagswache zu halten, mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien angenommen.

Wiederholung der Zuchthausrevolte in Brandenburg.

Berlin, 14. Mai. Wie die Blätter aus Brandenburg melden, brachen gestern Nachmittag gegen 2 Uhr im Zucht­haus erneut Unruhen aus. Einige Sträflinge versuchten, sich von den Fenstern aus mit der Außenwelt zu verständi­gen. Durch Schüsse wurden sie von den Fenstern vertrie­ben. Dabei wurde ein Sträfling durch einen Schuß ver­letzt. 200 Sträflinge sollen aus der Anstalt herausgenom­men werden.

schmachten an Ruhr und Rhein Tausende der Besten für Euch. Lindert ihre Marter durchGaben

zum Deutschen Bolksopfer.

Sauimelstellen tu Calw: Calwer Tagblatt. Lederstratze; Kaufmann Dreist und Kaufmann Räuchle, Marktplatz; Kaufmann Serva, Lederstrahe; Oberamtspflege Calw;

1 ^ sowie Kassenstelle der Bereinigten Deckeuiabrile«.