König den Erstminister Baldwin, die Regierung wenig­stens bis zum Zusammentreten des Unterhauses am 8. Jan. beizubehalten. Gelinge es ihm nicht, bis dahin eine Re­gierungsmehrheit zu billden, so werde der König dem Arbeiter­führer Ramsey Macdonald mit der Kabinettsbildung be­auftragen.

Die liberalen Blätter tadeln, daß Baldwin seinen Rück­tritt verzögere.

Lnglisch-franz. Abkommen über die Enkschädigungsregelung

London, 11. Dez. Bon amerikanischer Seite wird be­hauptet, kurz vor den englischen Wahlen sei folgendes vor­läufig unverbindliche Abkommen getroffen worden:

1. Die Ruhrbesetzung muß in ein einfaches Sy­stem finanzieller und wirtschaftlicher Ueberwachung unter Teilnahme Englands umgeändsrt werden. 2. Diese Ueber­wachung muß mit dem Einoerständnis der deutschen Re­gierung als das geeignetste Mittel zur Wiederherstellung der deutschen Finanzen und der deutschen Währung schrittweise auch auf andere Gebiete Deutschlands ausge­dehnt werden. 3. Frankreich muß jede Unterstützung der rheinischen Sonderbündler fallen lassen, aber mit Belgien und England gemeinsam die Selbständigkeit der Rheinland« im Rahmen des Reichs verbürgen- 4. Die mi­litärische Besetzung des Rheinlands soll aufrecht­erhalten bleiben. Den Hauptteil der Besatzungstruppen soll Frankreich unter Verantwortlichkeit gegen den Völker­bund stellen. 5. Die Verbündeten werden gegen jeden deutschenAngriffsversuch sofort gemeinschaft­lich einschreiten- 6. Frankreich verzichtet förmlich auf jede Absicht, das Rheinland zuannektiere n". 7. Frank­reich und England werden ein militärisches Flot­ten- und Luftbündnis eingehen. 8. Im Fall einer Weiterregierung Baldwins wird zwischen England und Frankreich ein Sonder-Handelsoertrag mit be­sonderer Berücksichtigung der Zölle abgeschlossen. 9. Die gesamte Entschädig ungsverpflichtung Deutsch­lands wird auf 20 Milliarden Goldmark zurückge­setzt, woraus die Entscbädigungen für Frankreich, Belgien, Serbien und Italien, sowie ein genügender Teil der bri­tischen Schulden an Amerika gedeckt werden sollen. 10- Beide Mächte verpflichten sich zu einer gemeinsamen Politik der Verständigung mit Bezug auf alle europäischen Fragen, insbesondere auch im Bereich des Mittelmeers.

Württemberg

Aus der Landeshauptstadt

Stuttgart, 11. Dez. Freisprechung. Zu der Zeit der schlimmsten Markentwertung, als die Mark von Halbtag zu Halbtag sprunghaft in die unergründliche Tiefe stürzte, war ein Teil der Stuttgarter Metzgerläden zeitweise geschlossen. Die Wuchergerichte erblickten darin die sträfliche Zurückhal­tung von Waren und verhängten beträchtliche Strafen unter Beschlagnahme ihrer in der Kühlhalle des Schlachthofs Vor­gefundenen Fleischvorräte. Die betreffenden sieben Metzger­meister erhoben Einspruch beim Wuchergericht, vor dem gestern die Verhandlung stattfand. Die als Sachverständigen vernommenen Obermeister Häußermann und Frank bekun­deten, für den geregelten Betrieb einer Metzgerei feien Fleischvorräte mindestens in der Höhe eines halben bis gan­zen Wochenbedyrfs erforderlich; vor dem Krieg haben die Vorräte durchschnittlich einem Zweiwochenbedarf entsprochen. Davon könnte wegen der sprunghaft steigenden Viehpreise am Schlachtviehmarkt keine Rede mehr sein. Die Wucherstraf- kammer sprach sämtliche Metzgermeister von der Beschuldi­gung gewinnsüchtiger Fleischzurückhaltung frei, zwei wurden zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt, weil bei ihnen auch Wurst­waren gefunden morden waren, als sie die Läden geschlossen hatten. Das Gericht erkannte an, daß den Metzgern nicht zugemutet werden könne, alle Vorräte restlos äbzugeben. Die in der KüNhalle Vorgefundenen Vorräte seien so gering gewesen, daß darin keine sträfliche Zurückhaltung erblickt werden könne.

Erwerbslosenfürsorge. Die Zahl der Unterstützung be­ziehenden Erwerbslosen im Stadtgemeindebezirk Stuttgart betrug am 16. Nov. 4600 männliche und 586 weibliche, zu­sammen 5186 Personen und am 4. Dex. 5530 männliche und

Nach Waterloo

Lin« Dauerngeschichte aus dem Taunus

von Frih Ritzel. s27

Der Brief von Heinrich, den dieser vor fünf Jahren nach Reu-Dresden im Staate Ohio abgesandt hatte, war ihm be­greiflicherweise nicht zugekommen, wie er überhaupt von der Heimat, in welcher alle seine näheren Verwandten gestorben waren, seit langen Jahren nichts vernommen hatte. Er war in der Tat damals der Zeuge bei der Abfassung des Testa­ments gewesen und erklärte sich sofort bereit, zu beschwören, daß Heinrich von seinem Vater als erbberechtigter ältester Sohn in jenem Testamente anerkannt worden sei Dabei machte er noch eine für den jungen Landsmann sehr wertvolle Mitteilung. Christian Euler wußte bestimmt, daß jener Akt auf dem Amt in Katzenelnbogen dreifach ausgefertigt worden war. Heinrichs Vater hatte ein Exemplar erhalten, das zweite Exemplar war verbrannt, während das dritte dem Re­gierungsarchiv in Wiesbaden eingereicht wurde. Es war also begründete Hoffnung vorhanden, daß dieses dritte Exemplar sich noch auftreiben ließ.

Vor allem ließ Christian Euler von dem Sheriff seines jetzigen Wohnortes ein Schriftstück aufsehen, in welchem seine vor dem amerikanischen Beamten eidlich abgegebenen Erklärungen niedergelegt waren. Der alte Mann war Feuer nnd Flamme für die Sache un- erklärte, daß er persönlich nach Deutschland reisen würde, um seinem Schützling zu seinem Recht zu verhelfen, falls seine schriftliche Erklärung nicht ausreichen sollte.

Heinrich blieb mehrere Wochen lang als Gast bei dem Freunde seines Vaters, der den jungen Landsmann herzlich liebgewonnen hatte und ihm die Mittel zur Reise nach der Heimat zur Verfügung stellte.

Ungern nur trennte sich der alte Mann, der als kinderloser Witwer einsam auf einer Farm hauste, von dem Sohn seines Jugendfreundes und bat ihn beim Abschied dringend, nach Amerika zurückzukehren, wenn in der Heimat nicht alles so Mire. wie es Heinrich vorzufinden hoffte. Ihm, Christian

689 weibliche, zusammen 6219 Personen. Bet den Männern ergibt sich somit eine Zunahme von 930 Personen, bei den Frauen um 103 Personen.

Der Preis für Schweinefleisch wurde in Stuttgart von 1.80 auf 1.50, der für Hammelfleisch auf 7080 (7585) Pfg. herabgesetzt.

Gefrierfleisch. Den Bemühungen des Wehrkreiskom­mandos im Einvernehmen mit dem Stuttgarter Lebens­mittelamt ist es gelungen, größere Mengen argentinisches Gefrierfleisch durch eine Großfirma auf den Markt zu bringen. Das Gefrierfleisch wird in den Stuttgarter Metzge­reien um 60 Pfennig das Pfund an die Verbraucher ab­gegeben.

Die Stuttgarter Weihnachtsmeffe beginnt Heuer am Mon­tag, den 17. Dez., und endigt am Montag, den 24. Dez., nach­mittags 2 Uhr. Die Möbelmefse findet vom Mittwoch, 19., bis Freitag, 21. Dez., in der Gewerbehalle statt.

Dom Tage. Auf seinem Grundstück im Gewand Hatten- loh in Untertürkheim wurde der 27jährige Wilhelm Haug bei der Arbeit von einem tödlichen Schlaganfall betroffen.

Beim Aufspringen auf einen Straßenbahnwagen bei der Eisenbahnbrücke in Cannstatt geriet der Oberpostsekretär E. Sailer unter den Anhängewägen, der ihm Len ganzen Unterkörper abtrennte.

Aus dem Lande

Bonnigheim. 11. Dez. Todesfall. Oberlehrer Mayer hier ist unerwartet rasch vom Tod ereilt worden. Die Trauer um den beliebten, charaktervollen Mann ist all­gemein.

Hall, 11. Dez. Lebensmüde. Am Freitag hat sich ein Lehrling von der Eisenbahnbrücke unterhalb der Tul- lauer Höhe herabgestürzt. Er hatte sich zuvor schon selbst einige Verwundungen beigebracht, die im Verein mit den bei dem Sturz erlittenen Verletzungen den Tod des etwa 16- jährigen jungen Mannes herbeiführte. Die Beweggründe zu der Tat sind noch nicht aufgeklärt.

Wasseralfingen, 11. Dez. Schafdiebe. Die letzthin gemeldeten Schafdiebstähle in Wasseralfingen, Attenhofen und Oberalfingen haben ihre Aufklärung gefunden. Fünf Per­sonen wurden als Täter ermittelt, wovon zwei dem Amts­gericht eingeliefert wurden. Der Haupttäter Alois Fischer von Unterkochen, ist flüchtig. Das noch nicht verzehrte Fleisch, das teils im Kamin hing, teils im Stroh versteckt war, konnte den Bestohlenen zurückgegeben werden.

Wildbad, 11. Dez. In den Ruhestand. Vadekom- missar Freiherr von Eemmingen ist am 1. Dezember in den Ruhestand getreten. Er wird auch fernerhin seinen Wohn­sitz in Wildbad nehmen.

Waldsee, 11. Dez. Ueberfahren. Beim Bahnübergang Grafenweiler wurde die 3jährige ledige Maria Müller von Wattenweiler vom Zug überfahren.

Vom Bodensee, 11. Dez. Schieber. Der ledige Dreher Hermann Heilmann von Nordheim OA. Brackenheim hält sich schon seit September arbeitslos in Lindau auf; er lebte aber trotz seiner Arbeitslosigkeit sehr flott. Nun konnte er nach der Richtung überführt werden, daß er Käse in der Umgebung von Lindau und in Wangen i. A. aufgekaust und nach Oester­reich verschoben hat. Ebenso hat er einen schwunghaften De- oisenhandel betrieben. Er wurde in Haft genommen.

Baden

Karlsruhe, 11. Dez. Der Evangelische Ober­kirche n r a t hat an die Pfarrämter und Kirchengemeinde­räte eine Darlegung der finanziellen Lage der Landeskirche versandt, aus der hervorgeht, daß der Reichsfinanzministsr für die erste Dezemverhälste nur 30 Prozent des Besoldungsbedarfs als Zuschuß überwies. Die Kirche ist daher gezwungen, die Besoldungsbeträge für die 4. Novembcrwoche und die 1. Dezemberhälfte schuldig zu bleiben. Vorn badischen Staat ist keine Hilfe zu er­warten. Die Kirche wird zunächst ein Darlehen aufnehmen, inzwischen sollen aus ortskirchlichen Mitteln Vorschüsse ge­währt werden. Die Quelle der L a n d e s k i r ch e n lt e u e r muß wieder zum Fließen gebracht werden. Die Zustim­mung des Kultministeriums vorausgesetzt, ist für iede Gold­

mark Steuer pro 1922 ein Goldvfenn'g als Kirchenstniei il, Aussicht genommen. Auch an Abbau muß ernstlich g«. dacht werden, Vorarbeiten dazu sind im Gange.

Heidelberg. 11. Dez. Die Arbeiterschaft der Waggonfabri! Fuchs wurde entlassen, weil sie durch Gewalttätigkeiten den Betrieb unmöglich machten.

Heddesheim (Amt Weinheim), 11. Dez. Auf dem benach. barten Straßenheimerhof wurde beim Ausdreschen des Ge. treides die Leiche eines 16jährigen Mädchens aufgefunden, das sich wahrscheinlich zum Schutze gegen Nässe und. Kälte unter das Getreide in der Feldschcuer versteckt hatte. Di« Feststellungen haben ergeben, daß das Mädchen von Wall- ftadt gebürtig und seinen Eltern fchon vor Wochen entlausen sei. Wie der Tod eintrat, wird die Untersuchung ergeben. Ein Verbrechen liegt jedenfalls nicht vor.

Freiburg. 11. Dez. Die badischen Pferdezuchtgenossen- schasten haben sich zu einem Landesverband für Zucht und Prüfung des badischen Schlags zusammengeschlossen. Der Sitz des Verbands ist in Freiburg.

Offenburg, 10. Dez. Der verheiratete Landwirt Joses -Müller in Durbach, BaM von ackt Kindern, nmrde beim Holzfällen von einer umstürzenden Buche toigeshlagen.

Der neue Milchpreis. Die Abmachung zwischen dem Von band badischer Milchbedarfsgemeinden und den landwm- schaftlichen Organisationen über den Milcherzeugerpreis vor 16 Pfennig als Uebergangsprels war mit dem l. Dezem­ber abgelaufen. Der Verband der Badischen Milchbedarst- gemeinden hat sich nun geweigert, mit den landwirtschaft­lichen Organisationen einen neuen Landesmilchpreis zu ver­einbaren. Die Neuregelung des Milchpreises muß daher den einzelnen Erzeugern im Einvernehmen mit ihren Ab­nehmern überlassen werden-

Die Verkehrssperre bei Offenburg wird in der Nacht vom 12./13. Dezember aufgehoben. Es werden daher die Um- lsitungszüge 386/387 BaselVillingenPforzheimMann­heim letztmals am 12. Dezember, die Schnellzüge v 281/282 BaselVillingenPforzheimFrankfurt letztmals in der Nacht vom 12 /13. Dez. ausgeführt. Bom 13. Dez. an fallen weiter die in der roten Fahrplan-Uebersicht aufgeführten, nur über die Dauer der Verkehrsumleitung bei Offenburg vor­gesehenen Züge aus mit Ausnahme der Züge I) 277, Stutt­gart ab 3.33 nachm, und I) 278, Stuttgart an 2.38 nachm., die noch bis einschl. 15. Dez. verkehren. Dem Vernehmen nach soll der Verkehr über Langen (Strecke Darmstadt Frankfurt a. M.) am 12. Dez. wieder ausgenommen werden. Hierdurch fallen die Schnellzüge O 136/59 Stuttgart an 11.41 vorm, zwischen Stuttgart und Frankfurt a. M. und v 4/135 Stuttgart ab 4.40 nachm, zwischen Mühlocker und Frank­furt a. M. aus. Zug I) 4 wird erstmals am 12. Dez. von Stuttgart nach Karlsruhe zum Anschluß an v 75 nach Frank­furtAltona geführt. Reisende nach Frankfurt und nörd­lich liegenden Stationen können den Weg über Karlsruhe ohne Lösung von Umwegskarten benützen.

Der Schnellzug l) 48 iiühlacker ab 10.15 Uhr, Karlsruhe an 11.10 Uhr vorm.) verkehrt letztmals am Mittwoch, 12. De­zember. Reisende noch Pforzheim haben in Mühlacker An­schluß an P.Z. 2318 «Pforzheim an 11.03 Uhr), und Reisend« nach Karlsruhe in Bruchsal an P.Z. 912 (Karlsruhe 11.38 Uhr vorm.).

Allerlei

Beginn des Beamkenabbaus. Die preußische Regierung hat die Weiterverleihung des Eisernen Kreuzes und die Wei­terbearbeitung der bereits vorliegenden Eingaben und An­fragen eingestellt. Die zahlreichen zu diesem Zweck vor vier Jahren eingesetzten Behörden werden abgebaut.

Der Deutsche Turnerbund in Oesterreich, der seither schon Turnsrkinder aus dem Reich je 34 Monate bei sich auf­nahm, wird seine Hilfstätigkeit nunmehr dahin erweitern, daß zunächst 1000 der bedürftigsten Kinder aus reichsdeut- schen Brudervereinen im Alter von 6 bis 17 Jahren in Fa­milien österreichikcker Turnbrüder ausgenommen werden.

Euler, wäre der junge Mann jederzeit wie ein lieber Sohn willkommen.

Die Worte hakten dem Heimkehrenden während der Ueberfahrt ein eignes Unbehagen verursacht. Was verstand der alte Euler darunter? Glaubte er, daß seine Anne Margret gestorben, oder daß sie gar ihm, dem Gatten, im Laufe der Jahre untreu geworden sei? Nie und nimmer? Ein Weib wie Anne Margret hielt die Treue bis über das Grab hinaus!

Heinrich hatte gleich nach seiner Ankunft in Philadelphia nach Hause geschrieben. Der Brief muh also nach seiner Be­rechnung längst im Besitz der Seimgen sein. Er war nach Ankunft in Europa mit einem Schiff den Rhein hinauf­gefahren, hatte in Lahnstein die Post genommen und war von Laurenburg aus den Weg zu Fuß nach Dornschied ge­eilt, wo seine frohen Erwartungen so grausam enttäuscht wurden.

Der einsame Träumer, dort oben am Berge, achtete nicht auf die Windstöße, die pfeifend durch die Buchenwipfel fuhren und einen Regen von fahlbraunen Blättern herab­schüttelten; er wurde die grellen Blitzschläge nicht gewahr und überhörte den grollenden Donner des immer heftiger ausbrechenden Gewitters. Das Toben der Elemente stimmte zu seiner furchtbar erregten Gemütsverfassung, bei dem un­aufhörlichen Poltern und Krachen des Donners, dem Pras­seln der niederskürzenden Wafsermassen fand er eine gewisse schaurige Befriedigung für sein zerrillenes Innere. Dicht in seinen Mantel gehüllt, unter ein vorspringendes Felsstück gedrückt, lauschte er den gewaltigen Stimmen der Natur und empfand es fast wie ein Unbehagen, als der Kampf der Elemente allmählich schwächer wurde, die Blitzschläge nur seltener die Nacht erhellten und das Grollen des Donners sich immer mehr in der Ferne verlor. Und seltsam wie in dem majestätischen Walde die Ruhe der Nacht wieder ein­kehrte, so wurde auch sein Denken klarer; das Quälen der widerstreitenden, tobenden Empfindungen wich einer unend­lichen Trauer, in welcher die Bitterkeit gegen das waltende Geschick allmählich erlosch. Mit schmerzvoller Ergebung be­dachte er, was nun werden sollte. Vor allem wollte er mit

dem alten Herrn Pfarrer Lindner sprechen und diesem seine eigentümliche Lage vorstellen. Was dieser würdige Geistliche, der ihn von Kind auf kannfe, ihm raten würde, das wollte er tun. Wenn der alte Herr, der ihm immer so große Zu­neigung bekundet hatte, nur noch lebte!

Den nassen Mantel auseinanderschlagend und begierig die nach dem Gewitter eingetretene Kühle einatmend, schritt Heinrich langsam bergabwärts wieder dem Dörfchen zu. Vom Kirchlein schlug die neunte Stunde. Nur wenige Fen­ster waren noch beleuchtet, denn die Bewohner dieses Berg­landes pflegten frühzeitig zur Ruhe zu gehen. Mechanisch richtete der nächtliche Wanderer seine Schritte nach dem Wirtshause zum .Grauen Kopf' und warf einen scheuen Blick durch eines der Fenster in die Wirtsstube. Dieselbe war noch mit Gästen 'angefüllt, deren summende Unterhal­tung weit in die stille Dorfgaffe tönte. Aus einzelnen Wor­ten hörte der Lauscher, daß ausschließlich von dem nieder­gegangenen späten Gewitter die Rede war; die Kunde von seiner Rückkehr schien somit noch nicht bei den Leuten ver­breitet zu sein, denn sonst wäre zweifellos dieses viel Merk­würdigere Thema behandelt worden. So sehr aber Hein­rich auch lugte Anne Margret konnte er nicht erblicken. Eine noch ziemlich junge, ihm unbekannle Frau bediente die Gäste und wurde dabei von einem Manne unterstützt, der offenbar ihr Gatte war, denn Heinrich hörte die Frau rufen: .Mann, bring' amol dem Balzer en' Schoppe!' Wie ver­hielt sich das? War Anne Margret vielleicht infolge der Aufregung krank geworden und hatten diese beiden Leute ihre Stellvertretung übernommen? Kopfschüttelnd setzte Heinrich seinen Weg fort. Doch, wo wollte er hin? Wo sollte er für die Nacht ein Unterkommen suchen? Bei Konrad Werner, dem guten Kameraden, der ihm damals vor der Schlacht bei Waterloo so innigen Trost zugesprochen hatte! An dessen treue Brust wollte er flüchten, wollte sich ausweinen bei ihm! Bei Konrad, das wußte er. fand « Teilnahme!

Mit raschen Schritten schlug er den Weg nach dem Elternhaus des Freundes ein und pochte, vor demselben an- i gekommen, an das Haustor.