-E Untergang dieses'großartigen OpfergÄxmkens führen müßte. Mit der deutschen Sozialversicherung würde ein Hauptstück deutscher Sittlichkeit verschwinden, dessen Wiederdeschaffung schwerfallen würde. Die Hilfe, die hier vom Reich erwartet werden muß, kann nicht etwa eine „Verreichlichung" der Betriebe sein, um mit der Notenpresse der Sozialversicherung noch ein kurzes Scheindasein zu sichern; selbst die den Gemeinden nach dem Landessteuergesetz zuteil werdende Gehaltsentlastung erscheint hier nicht erforderlich. Wohb aber kann wirksame Hilfe dadurch werden, daß das Reich den sozialen Versicherungsträgern wertbeständige Konten für ihre kurzfristigen Anlagebedürfnisse eröffnet und sie für ihre langfristigen Vermögensanlagen vorzugsweise mit den vom Reich oder von Ländern herausgegebenen wertbeständigen Anleihen unmittelbar bedenkt. Nachdem die privaten Großbanken in den letzten Wochen sich ihrer volkswirtschaftlichen Ausgabe in bedeutendem Umfang entzogen und damit auch den meisten sozialen Versicherungsträgern einen weiteren ständigen Verkehr mit ihnen unmög- lich gemacht haben, liegt kein Grund vor, den Banken das tatsächliche Zeichnungsmonopol zu belassen. Reich und Länder sollten dazu übergehen, ihre wertbeständigen Anleihen in erster Linie den sozialen Ver- s i ch e r u n g s t r ä g e rn unmittelbar anzubie- te',:: sie würden im größten Umfang nicht nur willige Abnehmer finden, sondern damit auch die Not der Sozialversicherung beseitigen. Diese ist eine solche der Vermögens; anlage.
Der Kreise, die den Opfern und Hilfsgedanken pflegen und fördern, sind noch viele. Eins sei nur noch erwähnt, das Wichtigste. Seit den Jahren des Kriegs liegt über aller deutschen Opferwilligkeit der frostige Schatten ihres Mißbrauchs. Der alte deutsche Mittelstand, der jetzt vor unseren Augen zerrieben wird, geht an dem Mißbrauch seiner Opferwilligkeit zugrunde. Er gab Gold für Kriegsanleihe und das Reich gab ihm schlechtes Papiergeld bei tiefem Kursstand zurück. Er gab Metalle und andere Gegenstände aller Art, hoch gehaltene Erinnerungen alter Familiengeschichte, und sie wunderten nicht auf das Schlachtfeld. Wer kennt nicht das Schicksal Hunderter abgelieferter Kirchenglocken! Unendliches Mißtrauen ist über solches und anderes in weiten opferwilligen Volkskreisen entstanden. Solange nicht jeder Mißbrauch der Opferwilligkeit und Hilfsbereitschaft in deutschen Landen öffentlich, weithin sichtbar angeprangert wird, solange nicht solcher Mißbrauch den schwersten Strafen unterliegt, soll man die Hoffnung auf den Aufstieg aus dem Sittlichen begraben. Ein Staat, der die Opferwilligkeit nicht schützt, darf nicht erwarten, daß diese edelste sittliche Regung eine» Volkes in seinen Grenzen hochkommt.
Der Militarbefehlshaber an die Bevölkerung in Stadt und Land
Die Not in unserem Volk hat sich durch feindseligen Druck von außen, durch inneren Zwist und durch Mangel an Roh- stosfen und lebenswichtigen Nahrungsmitteln aufs traurigste vermehrt. Das Geld des Reichs hat kaum mehr Kaufkraft. Das neue goldwerte Geld ist noch nicht verfügbar. Wir stehen mitten in Tagen ernstester Sorge.
Demgegenüber muß sich das ganze Volk, müssen sich alle Berussstände und Klassen, als Notgemeinschaft noch fester zusammenschließen. Nur in gegenseitiger Hilfe können wir über die schlimmen Zeiten hinweg zu besseren gelangen. Mit dem größten Nachdruck muß überall denen entgegengetreten werden, dse jetzt noch die Volkskreise gegeneinander verhetzen, Ich werde Auswüchsen dieser Art ohne Ansehen der Person und Richtung, von der sie kommen, mit der Schärfe unterdrücken, die unserer äußersten Notlage zukommt.
Im Augenblick ist die Not in den Städten am größten. Hunger ist der Keimboden der Verhetzung und der Gewalt- taken. Die Landwirtschaft darf sich der Gefahren, die auch ihr aus der Nahrungsmittelnot der städtischen Bevölkerung erwachsen, nicht verschließen. Der Fleiß des Bauern verliert feinen hohen, sittlichen Lohn, wenn nicht auch den Armen in der Stadt daraus das tägliche Brot erwächst.
Die diesjährige Ernte muß schneller als bisher in die Hände der hungernden Stadtbevölkerung kommen, und der Geldnot muß Rechnung getragen werden, ohne dem Land- ^irt den berechtigten Entaelt für seine Erzeugnisse SU ver-
Aus Münchens guter alter Zeit
(I-SX mifti 3V8 — Die Kunst mein Gesetz)
Musikcoman von l)r. Hans Fischer-Hohenhausen, r») Nachdruck verboten.
„Aber ich hab's doch no' zu 'was 'bracht und lach all' die G'studierten mit ihrer sogenannten Akademischen Bildung aus," vollendete der Weinhändler.
„Ja, wenn Du bloß ans Geld denkst!" warf Strauß ein.
„An was denn sonst!" Für den Idealismus gibt Euch keiner an Groschen. Allen Respekt vor der akademischen Bildung, vor der Musik, vor der Malerei, aber zuletzt heißt's doch: Erfolg muß der Mensch haben, ob er nun Weinhändler ist oder Arzt oder Künstler, ist ganz gleich."
„Aber der Erfolg, den Richard gestern abend hatte!"
„So", lächelte gutmütig der Onkel. „Wie viel Honorar hat er denn kriegt?!"
„Honorar hat cr natürlich noch keines bekommen I" »ntgegnete verlegen die Mutter, „aber bedenke doch die Ehre, daß das Waltherquartett seine Kompositionen ins Programm aufnimmt!"
„Damit kommt er nicht weit!"
„Höre, Vetter," begann jetzt in gereiztem Ton der Kammermusiker, „es ist nicht höflich von Dir, Dich an meinen Tisch zu setzen, um meinen Buben nach dem gestrigen Abenderfolg klein machen zu wollen. Das ist bloß Neid von Dir, weil . . ."
„. .. weil meine Buben dümmer sind, als der Deiuige! Das weiß ich schon. Dafür kriegen's einmal mein Geld und so weit langt die G'scheitheit schon, daß sie damit umgehen können," entgegnete ohne jede Gemütsbewegung der Onkel. „Ihr merkt ja gar net, wo ich 'naus will I Ich mein' es gut mit Euch und will Euch helfen, daß Enerm Sohn sein Talent auch Zinsen trägt. Sonst bleibt er sein'Lebtag an arm's Luder, und soweit ich ihn kenn', ist er zum Hungerleiden nicht g'schaffen. Wie weit reichtest denn Du mit Deinem Gehalt als kgl. Kammermusiker, wenn Dir Dei' Frau net a paar tausend Gulden in die Eh' gebracht hätt'!"
sagen. Ich fordere alle Erzeugerkreise aufs dringlichste auf, dem Gebot dieser Stunde gerecht zu werden.
Ich verbiete jede Propaganda in Wort und Schrift, die die Zurückhaltung von Lebensmitteln zum Ziele hat. Zuwiderhandlungen werden nach Z 4 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. 9. 23 bestraft.
Ich bevollmächtige die betreffenden Ministerien bezw. höchsten Regierungsbehörden, durch die ihnen unterstellten Ausführungsbehövden auf Grund des Ausnahmezustandes Schutzhaft über solche Aufkäufer und Zwischenhändler zu verhängen, die in begründetem Verdacht stehen, Preistreiberei und unlauteren Handel mit Lebensmitteln getrieben zu haben. Die Verhafteten sind alsbald der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuführen.
In gleicher Weise ist gegen Felddiebe und Lebensmitlel- plündexer vorzugehen.
Das Ansetzen von Goldmarkpreisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist nicht als unzulässig zu bezeichnen, es entspricht aber der traurigen Lage großer Verbraucherkreise und ist daher angezeigt, die Gold markpreise unter den Friedenspreisen zu halten. Selbstverständlich ist die Preisfestsetzung in Papiermark gleichfalls zulässig, die Preisgrenzen haben sich im wesentlichen nach der allgemeinen Marktlage zu richten. Daneben wird es Ehrensache leistungsfähiger Landwirte sein, bei Abgabe von Kleinmengen den Kleinverbrauchern besonders billige Preise zu machen.
Jeder Landwirt ist verpflichtet, Bezahlung in Papiermark anzunehmen. Einer Bezahlung in Goldschatzanweisungen des Reichs werden zweckmäßigerrveise Hindernisse nicht entgegengestellt. Es ist darauf hinzuweisen, daß Steuern in Goldschatzanwisungen zahlbar sind und ebenso Lieferungen des Stickstoff- und Kalisyndikats. "
Die Landwirte fordere ich auf, sofern sie über 3 Morgen Kartoffel angebaut haben, dafür zu sorgen, daß bis Mitte November wenigstens 30 Prozent ihrer Ernte dem Verbraucher zugeführk ist. Ich werde fr. Zt. feststellen, ob dieser Mahnung freiwillig in genügendem Umfang Rechnung getragen worden ist.
Die Regierungen ersuche ich, die Skadkgemeinden zu überwachen, ob sie die nötige Vorsorge dafür getrosten haben, daß auf den städtischen Märkten Kartoffeln zum kleinverkauf verfügbar sind. Andernfalls sind sie dazu anzuhalten und gegen die Säumigen Vollmachten zum Einschreiten von mir einzuholen, zu dem der Ausnahmezustand berechtigt.
Die Stadtgemeinden haben ferner bei der Preisbildung für die wichtigsten Nahrungsmittel in der Richtung mitzuwirken, daß die Sprünge, mit denen die Preise der Markentwertung folgen, keine unerträglich plötzlichen werden. Ich ersuche die Regierungen, auch in dieser Hinsicht solche notwendigen Maßnahmen, zu denen nur der Ausnahmezustand die Handhabe geben kann, mir umgehend in Vorschlag zu bringen.
Ich erwarte, daß sowohl die Wirtschaftskreise, wie alle amtlich berufenen Stellen sich mit äußerster Tatkraft der Lebensmittelnot und Teuerung entgegenwerfen, damit wir über die Krisis der nächsten Tage hinwegkommen, bis die Maßnahmen des Reichs zur Schaffung eines wertbeständigen Gelds eine Besserung bringen können.
Der Inhaber der vollziehenden Gewalt im Wehrkreis V; gez.: Reinhardt, Generalleutnant.
Zur Kriegserklärung der k. p. D.
In der Nacht vom 22. auf 23. 10. fand von kommunistischer Seite ein Ueberfall auf das Schießhaus im Feuerbachertal bei Stuttgart statt, bei dem eine A n - zahl von Gewehren geraubt wurde, die aber den Einbrechern durch die Polizei wieder abgenommen werden konnten. An verschiedenen Stellen der Staht wurden kommunistische Handzettel angeklebt, die den Zweck verfolgten, die Angehörigen der Reichswehr zur Gehorsamsverweigerung und Meuterei aüfzufordern. Sie wurden von der Polizei entfernt. Es ist aber als Zeichen der politischen Gleichgültigkeit der Bevölkerung anzusehen, daß sie da, wo die Flugblätter noch nicht entfernt waren, in großer Menge davorstanden, ohne sie selbst zu beseitigen, wo doch jeder nüchtern denkende Mensch wissen müßte, daß eine Zersetzung des letzten Halts der Staatsautorität gleichbedeutend mit dem Ende der Allgemeinheit und jedes Einzelnen ist. Mehr Sourage in solchen Fällen tut not.
Der Kammermusiker fuhr auf.
„Nur net aufreg'n!" begütigte der Onkel. „Ihr Musiker sand's all' samt viel zu nervös! — Euer Bub is a Genie — so steht's in der Zeitung — und wenn er's geschickt anpackt, is dös grad' so viel wie Kapital, das heißt, er muß so komponieren, dllß er Tantiemen dafür bekommt I"
„Er soll dem Geschmack der Menge nachlaufen?" runzelte der Kammermusiker die Stirne.
„Er soll nicht nur Künstler, sondern vor allem Geschäftsmann sein! Schaugts Euch Eure Klassiker an, die haben alle mit einander g'hungert, schaut unsre Münchener Musikberühmtheiten an: Franz Lachner, Rheinberger und so weiter, was kriegen denn die für ihre Opern? Was kriegt aber der Meyerbeer?"
„Meyerbeer ist nur durch Reklame in die Höhe gehoben!"
„Do hobt Üs as rechte Wort: Reklame!" .
„Aber seine Musik ist durchaus seichtI"
„Aber seine Opern werden überall auf'gführt und er kriegt Tantiemen dafür!"
„Richard scheint mir doch als Komponist ernster veranlagt, als dieser Meyerbeer."
„Damit allein lockt er kan Hund vom Ofen!" lachte der Onkel. „Da spielen sie draußen im Gärtnerplatztheater seit ein paar Monaten alle Abende Fatinitza I Die Handlung ist ein heilloser Blödsinn, die Musik g'follt miar net b'sonders, aber der Verleger versteht dös G'schäft — dä Leut' laufen ins Theater! — Nächstens is de hundertste Aufführung, weil Reklame dafür g'machi wird. In einem Jahr sind Verleger und Komponist Millionäre. Glabts Ös, de Welt müßt was vun mei'm Wer', wenn ich ka Reklame machet?"
Erregt stand Vater Strauß auf:
„Vetter, Du machst Vergleiche, die beleidigend sind — und ein Operettenkomponist soll mein Sohn werden? Pfui!"
„Ist kein schlecht's G'schäft! Denk an Offenbach!"
! Der Staatsstreich der Sonderbündler
Berlin, 24. Okt. In Mainz ließen die französischen Behörden anschlagen, die Bevölkerung von Aachen sei bei der Ausrufung der „Rheinischen Republik" in Jubel ausgebrochen. Die Reichsrsgierung hat gegen diese dreiste Lüae Einspruch erhoben. Weiter hat die Reichsregierung bei der französischen Regierung anfragen lassen, ob ihr bekannt sei, daß in Eh rang den Eisenbahnern, die sich zur Wieder- aufnahme der Arbeit meldeten, von der französischen Behörde die Bedingung vorgeschrieben worden ist, daß sie Mitglied der Sonderbündler-Partei werden und einen Beitrag von 4500 Mark zu dieser Partei zahlen müssen. Da die Reichsregierung kaum in der Lage ist, die im besetzten Gebiet entstehende Not zu lindern, hat sie sich an das Rote Kreuz des Auslands gewandt mit der Bitte, im Fall einer Hungersnot helfend einzugreifen. Von einem Neutralen ist bereits eine Zusage eingegangen. Die Ruhrindustrie hat bei der Reichsregierung angeregt, wenigstens die Kosten für Entschädigungslieferungen, die die Industrie etwa mit Hilfe eines ausländischen Kredits leisten kann, ihr gutzuschreiben und für gewisse Steuern in Anrechnung zu bringen. Die Reichsregierung ist grundsätzlich nicht abgeneigt, falls ein ausländischer Kredit zustande kommt und die Bergarbeiterverbände damit einverstanden sind; die Neichsentschädigung würde aber erst gegeben werden, wenn die Reichsfinanzen wieder in Ordnung sind.
In Mors werden etwa 1000 Sonderbündler in der Räumen der Vesatzungsbehörde gespeist.
Der Pariser „Matin" schreibt das Mißlingen dez Staatsstreichs dem Mangel an Kühnheit und Disziplin bei den Sonderbündlern zu.
Neue Nachrichten
Aufruf des Reichsernährungsministers
Berlin, 24. Okt. Der neue Reichsminister für Landwirtschaft und Ernährung, Graf Kanitz, erläßt einen Aufruf an seine Berufsgenossen, die Landwirte. Zum erstenmal, heißt es in dem Aufruf, ist ein praktischer Landwirt zum Landwirt- schastsminister ausersehen worden. Ich bin aus meiner (deutschnationalen) Partei ausgetreten, weil ich der Ansicht bin, daß auf dem Weg rein parteipolitischer Auseinandersetzung Deutschland nicht gerettet werden kann. Deutschlands' Not ist nicht zum wenigsten durch den erbitterten Partei- kampf hervorgerufen. Im derzeitigen Reichskabinett werde ich nur für mein Vaterland arbeiten und meine Aufgabe darin sehen, im Rahmen des heute Möglichen Nahrungsmittel für das hung erndeVolk zu schaffen. An den Landwirten ist es, die größte Not lindern zu helfen und an der Ueberbrückung der sich täglich erweiternden Kluft zwischen Verbrauchern und Erzeugern zu arbeiten. 3n der größten Not des Vaterlands darf niemand abseits stehen, ohne daß dos Reich zerfällt und Deutschland untergeht. Darum habe ich mich zur Uebernahme des heute am wenigsten beliebten Ministeriums entschlossen. Berufsgenossen, denkt an die furchtbare Not in den Städten! Helft mir bei der schweren Aufgabe, schnellstens Lebensmittel zu schaffen! ,
Forderungen der freien Gewerkschaften
Berlin, 24. Okt. Der Vorstand des Allg. Deutschen Gewerkschaftsbunds legte dem Reichskanzler folgende Forderungen dar: 1. Beschaffung eines wertbeständigen Zahlungsmittels für Lohn- und Gehaltsempfänger, 2. Bereitstellung der notwendigen Lebensmittel, 3. Anpassung der Löhne an die Geldentwertung ohne Rücksicht auf die bestehenden Tarifverträge. Sollte die Reichsregierung die Forderungen nicht umgehend erfüllen, so werden die freien Gewerkschaften zu weiteren Maßnahmen greifen. Der Reichskanzler sagte sofortige Hilfe zu.
Die Demokralie gegen Bayern
Berlin, 24. Okt. Der Vorstand Her Demokratischen Partei erklärte sich dem Reichskanzler gegenüber gegen Zugeständnisse an Bayern hinsichtlich der im Reichsrat besprochenen Berücksichtigung bayerischer Sonderrechte, wie sie vor der Weimarer Verfassung bestanden haben. Das Reich müsst seine jetzige Ueberordnung in vollem Umfang wahren.
„Ich kann über die Kunst nicht so reden hören!" fnhr der Kammermusiker auf.
„Darum hast Du's auch me zu Geld gebracht, hättest vielleicht als Musiker das Zeug dazu g'hobt! Und wenn Du die Reklame verachtest — Deinem Sohn solltest Du Deine altmodischen Anschauungen nicht aufdringen. Ohne Reklame hat sich auch Richard Wagner so lang g'frettet, bis unser König ...."
„Um Gottes Willen, Vetter!" unterbrach ihn Frau Strauß, „dies Thema hättest Du lieber nicht anschlagen sollen!"
Herr Strauß, der schon vom Frühschoppen etwas angeheitert war und jetzt infolge der erregten Auseinandersetzung rascher getrunken hatte, war in Hitze geraten. Als nun gar das Stichwort Richard Wagner fiel, war es aus mit seiner Selbstbeherrschung. Mutter und Sohn legten die Arme um den Vater und baten ihn inständig, ruhig zu bleiben — der Onkel verstehe doch nichts von Musik und habe ihn nicht beleidigen wollen.
Der Onkel aber, der seinen Vetter auch kannte, räumte das Feld und wandte sich zum Gehen.
„Ihr werdet an mich denken!" sprach er zum Abschied zu Frau Strauß. „Ich Hab Euch helfen und den Richard finanzieren wollen, das geht nicht mit Sonaten und Fugen. Aber mit Deinem Mann ist nicht ruhig zu reden."
„Wie konntest Du auch in seiner Gegenwart von Richard Wagner sprechen!"
„Doch nur als Beispiel dafür, daß es auch in der Musik nur mit Reklame geht."
„Du hast seinen Künstlerstolz beleidigt."
„Und er meinen Geschästsstolz I Aber ich nehm's ihm nicht übel! Künstler sind Kinder — aber die Welt dreht sich nur um das!"
Er machte mit den Fingern die Bewegung des Geldzählens und empfahl sich rasch.
Richard begab sich in sein Zimmer und arbeitete an seinem demnächst zur Aufführung kommenden Streichquartett die „Verbesserungen" aus, die sein Vater angeordnet hatte. — (Fortsetzung folgt.)