Goldmarkwert nach dem Kurs der Mark zurzeit der Zahlung entspricht. Der maßgebende Kurs der Mark soll von Zeit zu Zeit durch die Reichsregierung festgesetzt werden. Das soll für die zukünftigen Verpflichtungen- so schleunig als möglich Gesetz werden, für die Geldschulden aus früherer Zeit aber soll durch geeignete Vorschriften ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen des Gläubigers und Lchuld- ners herbeigeführt werden.
Oberregierungsbaurat Karl Rintelen, Köln weist in seiner Schrift: „Zurück zur Goldmark" 'erschienen im Verlag von Georg Stilke, Berlin- darauf hin, wie unsere Gesetzgebung und Rechtsprechung offensichtlich versagt haben. Man müsse zwar für Papiergeld einen Annahmezwang haben, um überhaupt ein brauchbares Zahlungsmittel zu schaffen, es sei aber rechtswidrig, diesen Annahmezwang zum Nennwert auszusprechen. D:e einzige Lösung sei Annahmezwang zum Kurswert. Man stelle sich vor, daß wir die von Dr. Mügel geforderte Papiermark-Neichswährung für das vom Reich auszugebende Papiergeld bekommen hätten, das nur je nach dem Kurs der Mark in Zahlung zu nehmen gewesen wäre, dafür aber d>e durch Gold gedeckten Reichsbanknoten und damit die Währung, wenn auch nicht zum alten vollen Goldwert, so dock züm damaligen Kurswert (gemessen etwa am holländischen Gulden) uns erhalten geblieben wären, — es gäbe heute nicht den Wirrwarr in allen Geldverhältnissen, nicht die traurige Laue der Besitzer von altem Kapital, nicht die wilde Börsenspekulation zwecks Anpassung der Sachwerte an den Papiermarkwcrt.
Aus dem Schreiben des Reichskanzlers Cuno an Bonar Law vom 9. Dezember geht hervor, daß die Festigung der Mark unverzüglich in Angriff genommen werden soll, und zwar mit unseren eigenen Hilfsmitteln, falls sich die Gewinnung fremder Kredichilfe für den Augenblick als unmöglich erweist. Im Dezemberhcft der Monatshefte für Finanz- und Bankwesen „Die Bank" geht deren Herausgeber Alfred Lansburgh, dessen Urteil als Währunqs- fachmann ganz besondere Beachtung verdient, in einem Artikel über „Die Verankerung der Mark" auf die sorgenvollen Fragen ein, die hinsichtlich der Befestioung der Mark, namentlich bei der Industrie,- auftauchen. Nach seiner Ansicht hat, wenn die Reform nicht im Sinn einer Aufbesserung der Mark vorgenommen wird, die Industrie von der „Verankerung" nichts zu befürchten, was sie nicht mich von den jetzigen jähen Schwanlungen der Wechselkurse fürchten müßte.
Man wird den jetzigen bie Franzosen
durch den Bruch des T ,.rags von Versailles uns von den Leistungen best . yaben, als den gegebenen ansehen müssen für die schleunigste Inangriffnahme der Reform. Schwierigkeiten, die sich aus der noch bestehenden Zwangs-' Wirtschaft ergeben, müssen überwunden werden, wobei nicht zum wenigsten die aus der Aufhebung der Zwangswirtschaft sich ergebenden Koniunkturgewinne den Gegenstand des Streits abgeben werden. Sonst belassen wir einen lediglich aus der Eeldverwässerung entstandenen Zustand, den aus der Welt zu schaffen später zu neuen Störungen im Wirtschaftsleben führen mutz.
Aus der hamburgischen Seeschiffahrt
Volt Nauticus, Hamburg
Es ist wieder das gewohnte Vild, das heute Hamburgs Hafen bietet. Die Werften sind in voller Tätigkeit, Schifte kommen und geben und bringen und holen, zahllose Kräne greifen in die tiefen Laderäume und über die weiten Kai- strecken rollen die Güterwagen in ununterbrochener Folge. Ueberall herrscht emsige Geschäftstätigkeit. Etwas aber hat sich geändert. Schau nack dem Bug der Schiffe l Fremde Namen in der Ueberzahlk Dos ist die große Wandlung, die Hamburg die Auslieferung der Handelsflotte an den Feind gebracht hat. Und dennoch zeigt sich auch heute schon w.-der etwas Erfreuliches: Schiffe, die der Auslieferung verfallen waren und unter fremder Flagge und fremden Namen fuhren, sind zurückgekauft worden und neue Schiffe haben die Heiligen deutscher Werften verlassen. Sie tragen wieder die Namen deutscher Länder, deutscher Städte und deutscher Wälder und ihre Zahl wächst in steter Folge. Und mit ihnen wächst und verbreitet sich das Netz der Ueberfeelimen unter deutscher Flage.
Ein getreues Abbild dieser Aufbauentwicklung bietet Hamburgs größte Schiffahrtsgesellschaft, die Hamburg-Amerika
Im Himmelmoos.
Von Hermann Schmid.
80. (Nachdruck verboten.)
„So kommt Er doch noch zu mir!" rief Wildl ihm entgegen. „Ich habe schon geglaubt. Er hat mich ganz vergessen, weil sich in dem Ofen nichts rührt, oder Er will mich erfrieren lassen, damit man mich auf die kürzeste Manier los wird."
„Nicht raisonnieren, Bursche!" unterbrach ihn der Gerichtsdiener. „Ich weiß schon, was ich zu tun habe. Uebrigens wird heute gar nicht mehr eingesetzt in seinem Ofen."
„Nicht mehr? Warum denn?" fragte der Gefangene. „Komm' ich in eine andere Zelle?"
„Tas wird Er schon erfahren, wenn Er jetzt hin- unterkommt ins Berhö'-zimmer. Ter Assessor wird Ihm schon sagen, wohin Er kommt. Ich weiß nur so viel: Sein Urteil ist da."
Wildl hatte sich bei dem Worte „Urteil" rasch erhoben; er fuhr wie erschrocken zusammen und stammelte dasselbe wiederholt mit bebenden Lippen nach: „Mein Urteil!?" sagte er. „Was das für ein dummes Wort ist! Ich habe ein gutes Gewissen und weiß, wie das Urteil lauten muß, und doch bin ich beinahe erschrocken."
„Das wird schon von dem „guten Gewi's.m" kommen," entgegnete spötii'ch der Diener und stieß mit dem Fuße den Hund zurück, der, als Wildl auf seinen Wink die Schwelle überschritten hatte, sich wedelnd an diesen wendete und nicht übel gelaunt schien, ihm die Hand zu lecken.
^ „Was hat Ihm denn der Hund getan, daß Er ihn so sllstt?" rics Wi.'dl. „Vergönnt Er mir wohl nicht einmal, daß mich ein Hund anschaut? Komm her, Tiras," fuhr er iort und kraute dem Tiere den breiten Kopf, den es zutraulich an ihn schmiegte. „Ich laß Dir nichts tun."
Linie (Hapag), die heute bereits wieder nach Nord-, Mittelund Südamerika, nach Ostasien, Afrika und der Levante regelmäßige Dienste unterhält.
Naturgemäß war das nordamerikanische Geschäft, das von der Gesellschaft zuerst wieder ausgenommen und in Gemeinschaft mit dem befreundeten amerikanischen Harri- mann-Konzern innerhalb kurzer Zeit am weitesten ausgebaut wurde, denn hier vollzog sich von jeher die Hauptverkehrsarbeit der Hapag. In dem anfangs nur mit amerikanischen Schiffen unterhaltenen Fracht- und Reiseverkehr zwischen Hamburg und Newport konnten 1921 die deutschen Dampfer „Bayern" und „Württemberg". Spezialschiffe für die Beför- derung von Reisenden dritter Klasse, und ein 16 000 Br.-Rg - Tonner, der Kajütsreisedampfer „Hansa" in Fahrt gesetzt werden. Eine bedeutsame Steigerung wird die Indienlt't-l- lung der im Bau befindlichen, je 22 000 Br.-Reg.-Tonnen großen, Reiseschnelldampfer „Albert Ballin" und „Deutschland", und der beiden neuen Kajütsdampfer „„Thurina a und „Westphalia" von je 11 600 Br.-Reg.-Tonnen, bri. gm, die schon in diesen Monaten ihre Fahrten auf der Newyock- Route aufnehmen. Nebendem wird mit einer Anzahl eig ner und gemieteter Schiffe auch nach anderen nordamerik"" k Häsen, Boston, Baltimore und Philadelphia ein regrl näßt- ger Frachtdienst unterhalten.
Dem Verkehr nach Mittelamerika stellt die Gesellschaft heute schon wieder mehrere Linien zur Verfügung: eine Reiseverbindung nach Kuba-Mexiko, in der die Doppelschraubendampfer „Holsatia" und „Toledo", Schiffe mit Ein- r'chtungen für Fahrgäste aller Klassen, Verwendung finden, eine Frachtlinie mit den Dampfern „Sachsenwald", „Schwarzwald , „Niederwald" und „Liguria", und eine dritte Linie, der eigentliche Westindiendienst, auf dem zurzeit die Frachtdampfer „Eupatoria", „Antiochia", „Adalia" und „Amassia" beschäftigt werden.
An dem lebhaft entwickelten Verkehr nach der Ostküste Südamerikas ist die Hamburg-Amerika Linie mit emer Reise- und Frachtdampferlinie beteiligt. Die in diesen Dienst eingestellten Reisedampfer „Teutonia", „Rugia", „Galicia" und „Baden", ein Einheitsschiff für die Beförderung van Dritter-Klassen-Neisenden, dem ft'' im kommenden Frühjahr auch die Schwefterschiffe „Bayern" und „Württemberg" zu- gcsellen werden, sind neb-n ihrer eigentlichen Vest'mmung, der Fahrgastbeförderang, sämtlich auch in der Lage, Ladungen mitzunehmen. Vier Frachtdampfer, „Sachsen", " üen", „Steigerwald" und „Fürst Bülow" erhöben die Zahl der in diesem Dienst beschäftigten Schiffe auf zehn, sodaß von Hamburg vierzehn^" glich eine Abfahrt nach der südamerikanischen Ostküste stattfinden kann.
Auch mst der Westküste Südamerikas wirb nach mehr als achtiähriger Unterbrechung wieder seit kurzem eine direkte Schiffsverbindung mit Hapagschiffen Unterbalten. Der Dienst dorth'n ist mit der Abfahrt des Dampfers „Frankenwald" am 12. Dezember eröffnet worden. In monatlichen Abständen folgen die Dampfer „Westerwald", „Wasgenwald", „Altmark" und die Motorschiff« „Spreewald", und „Odenwald", die zurzeit ihrer Vollendung entgegengehen. Die Schiffe sind zwar vorwiegend für den Frachtverkehr bestimmt, doch bieten sie auch einer beschränkten Anzahl Kajütreisenden Gelegenheit zur Ueberfahrt.
Der besonderen Bedeutung entsprechend, die dem deutschen Handel nach dem Osten zukommt, sind Anfang dieses Jahrs in den bisher von englischen Reedereien allein unterhaltenen Dienst auch deutsche Schiffe eingestellt worden. Im Gemeinschaftsdienst englischer und deutscher Reedereien sandte die'Hamburg-Amerika Linie eine Anzahl wertvoller Neubauten nach Ostasien, nämlich die Motorschiffe „Havelland", „Münsterland", „Rheinland", „Ermland" und den Dampfer „Preußen", sämtlich Frachtschiffe, die auch eine kleine Zahr Kajütreisende Mitnahmen und von allen Freunden des Deutschtums freudig begrüßt wurden.
Nach Afrika hat sich trotz Verlusts unseres wertvollen Kolonialbesitzes der Schiffsverkehr wieder überraschend entwickelt. Die in diesem D'enst vereinten Reedereien, die Worr- mann-Linie, die Deutsche Ostafrika-Linie, die Hamburg-Bre- mer-Afrika Lime und die Hamburg-Amerika Linie unterhalten einen regelmäßigen Post-, Reise- und Frachiwsrkehr zwilchen Hamburg und Madeira, den kanarischen Inseln, der Westküste Afrikas, Angola, Südwest-, Süd- und Ostafrika. Neben den zurückgekauften Dampfern „Tsad" und „Otrrn", Schiffen, die vorwiegend dem Frachtverkehr dienen, hat die Hamburg-Amerika Linie jüngst den neuen Reisedampfer „Tanganjika" nach den afrikanischen Kaphäfen gesandt.
Schließlich bestellt auch wieder nach dem nahen Orient
ein lebhafter Verkehr der von der Hamburg-Amerika-Llni« ! übernommenen Deutschen Levante-Linie. 23 Neubauten find in dieser Fahrt beschäftigt u: ä bedienen in regelmäßigen Ab- ! ständen die Höfen der Levante, Nordasrikas, Kleinastens, der Adria und des Schwarzen Meers.
Neben den Usberseelinien wurde von der Hapag eine Reihe kleinerer, für die Schiffahrt unerläßlicher Zubringerdienste eingerichtet, so die Petersburger-, Rigaer- und Rhein- Häfcn-Linie. Weiter sind in jüngster Zeit zur Erleichterung des Verkehrs mit den Verladern in größeren Städten Schiffsfrachtenkontore der Hamburg-Amerika-Üinie eingerichtet worden. Sie sollen die binnenländischen Verlader durch rasche, zuverlässige und eingehende Auskunftserteilung über die Verlademöglichkeiten über See unterrichten, ohne sich selbst m t Speditionsgeschäften zu beschäftigen. Auch die weitverzweigte Organisation der Hapag-Reisebüros in allen größe- - ren Städten wurde weiter ausgebnur, so daß es dem Fahr- ' gast, der eine Schiffsreise unternehmen will, in den meisten ' Fällen möglich ist, alle Auskünfte in seinem Heimatort zu erhalten.
Ein gewisses W'ederaufbaustadium ist erreicht. Die wich- : tigsten Linien, die vor dem Krieg von Schiffen der Hamburg- Amerika Linie befahren wurden, sind wieder eingerichtet worden, wenn auch die Zahl der Schiffe, verglichen mit der Vor- i kr'egszeit, gering ist. Leben ist überall zurückgekehrt, in den ^ Kontoren an der Wasserkante und über See. Es wäre vermessen, wollte man deshalb bereits heute von einem Auf- , blühen der deutschen Schiffahrt reden. Der Verlust der gesamten Ueberseeflotte war zu gewaltig, und dl« Entschäbi- i gung, die das Reich den Reedern bot, viel zu gering. Auch s
ist die Schiffahrt 'e n zu wichtiges Glied der Wirtschaft gro- !
her Nationen, als daß die allgemeine Wirtschaftslage nicht i auch auf sie zurückwirkte. Immerhin aber kann das bisher im Wiederaufbau Erreichte, nach all der Not der Vergangenheit und in all der Not der Gegenwart, die unsere Wirtschaft er- schlittert, init Freude erfüllen und Hoffnungen wecken aus isine bessere Zukunst. !
Deutscher Reichstag
Berlin, 17. Jan. Der Reichstag genehmigte »inen An- i trag der Staatsanwaltschaft auf Strafverfolgung der kom- mun'stischen Abgeordneten Moses, Mittum Höllein, Rem-
mele, Zubeil, Könen und Frölich. In er Lesung wird ein Antrag angenommen, von allen Waldholz v er- kaufen eine Abgabe von 2 Prozent (statt bisher ^ Prozent) zu erheben, aus deren Nettoergebnis eine Ver- i billigung des Zeitungsdruckpapiers durch Rückvergütung be- l wirkt werden soll. Ein Antrag Bruhn (Deutschnat.'), in die Vergünstigung auch die religiösen Wochenblät - t e r einzubeziehen, wird einem Ausschuß überwissen. Dann -
wird das P r e s s e g e s e tz in zweiter und dritter Lesung end- 4
gültig angenommen. K
Erhöhung
des Abgabepreises der Reichsgetreidestelle
Die Menge an Brotgetreide, die notwendig ist, um den Bedarf der verforgungsberechtigten Bevölkerung in Höhe der Ratwn von 200 Gramm Mehl pro Kopf und Tag zu deck-', beträgt für das Jahr rund 4,3 Millionen Tonnen. Sie ist etwa zu gleichen Teilen dur^ die Umlage und durch die Einfuhr von Auslan'' eide aufzubringen. Während der Preis Mr Roggen f'": das erste Drittel der Ümlaqe 28 300 -4l für die Tonne betragen hat, mußte er infolge der starken Entwertung der Mark für das dritte Sechstel auf 165 000 für die Tonne festgesetzt werden.
In weit höherem Maß noch hat die Entwertung der Mark eine Steiger"-a der Preise für A u s l an d s g e t r ei d e zur Holge gehabt. Der durchschnittliche Preis für ausländischen Weizen km Monat Dezember betrug 400 000 -4l, für ausländischen Roggen 340 000 -4t für die Tonne oder 20 000 bezw. 17 000 -4t für den Zentner. Infolge dieser Preiserhöhung besonders für das Auslandsgetreide mußten die Abgabepreise ?sr Reichsgelreidestelle vom 4. Dezember vom 15. Januar 1923 ab auf 197 000 -4t für die Tonne Roggen und auf 212 000 -4t für die Tonne Weizen und dementsprechend der Preis für den Zentner Roggenmehl auf 13 500 l4l und für den Zentner Weizenmehl auf 14 500 -4t erhöht werden.
Dabei ist zu berücksichtigen daß die Reichsgetreidestelle außer dem Getreidepreis den Kommunalverbänden eine Erfassungsvergütung in Höhe von 7000 -4t für die Tonne Ge-
Der Gerichtsdiener vermochte sich den beiden Befreundeten gegenüber nicht stark genug fühlen — er blieb zurück und ließ den Arrestanten vor sich hergehen, der den Wcg znm Verhörzimmer bereits nur zu wohl kannte.
Der Assessor, der die Untersuchung führte, war ein älterer Mann, dessen Lodenjoppe vermuten ließ, daß ihm die Jägerei mehr Vergnügen gewahrte, als sein Amt. Er ließ den Gefangenen niedersitzen und schritt ein paar Mal an ihm vorüber, als müsse er sich auf das was er zu sagen habe, erst besinnen. Er dachte nach, ob nicht eine List zu finden sei, den Angeschuldigten durch eine unvermutete Frage zu verblüfsen und von seinem hartnäckigen Leugnen abzubringen. Er liebte derlei Kunstriffe und rühmte sich gern ihres Erfolges, indem er sich en Schnurrbart zu streichen und zu sagen pflegte: Ein tüchtiger Untersuchungsrichter mü's: auch ein guter Jäger sein; er müsse dem Spitzbuben auf die Fährte kommen und ihn aus seinem Versteck herausbringen, wie einen Fuchs aus dem Bau
„Euer Urteil ist vom Appelationsgericht gekommen," sagte er dann nach einiger Zeit, indem er Wildl fest in's Auge blickte, wie ein Schütze der das Absehen und das Ziel auf seinen Stutzen zusammennimmt. „Wie meint Ihr wohl, daß es lautet?"
„Wie anders, als daß ich unschuldig bin?" entgegnete Wildl mit hastiger Freude.
„Wenn es aber nicht so wäre?" fuhr der Beamte fort und zielte mit seinen scharfen Augen noch schärfer auf sein Wild.
„Es muß ja so sein," rief Wildl, sich erhebend. „Und wenn dieser Augenblick mein letzter wäre, ich kann's nicht anders sagen, als daß ich unKuldig bin. — Wie könnte man mich also verurteilen — unschuldiger Weise?"
Der Beamte sah wohl, daß Wildl sich k.ine Blöße gab, und stand kopfschüttelnd von seinem Vorhaben ab. „Und doch," sagte er dann, „ist es so: Ihr seid nicht freigesprochen; Ihr seid nur von der Instanz entlassen."
„Was bin ich?" fragte Wildl. „Das versteh' ich nicht."
„Ich werde es Euch schon verdeutschen," war die Antwort des Assessors, welcher den inhaltsschweren Bogen ergriff und das lange Erkenntnis mit den Entsch-eidungs- gründen verlas.
Es lag im damaligen Strafverfahren, daß zur Verurteilung eines leugnenden An geschuldigten ein ganz bestimmter Beweis vorgeschrieben war. Es mußten zwei, der Tat vorausgehende Anzeichen oder Verdachtsgründe zugleich mit zwei gleichzeitigen und zwei nachfolgenoen vollkommen erwiesen sein. Ohne diese Erfordernisse konnte eine Verurteilung nicht erfolgen, sondern es mußte ausgesprochen werden, der Angeklagte könne zwar nicht überwiesen werden, allein, er bleibe verdächtig, so daß die Untersuchung jeden Augenblick wieder ausgenommen werden könne, sobald irgend ein neuer Anhaltspunkt sich ergebe.
„Das versteh' ich nicht," wiederholte Wildl nach der Verlesung und Erklärung des Beamten.
„Ihr werdet's schon lernen," wiederholte dieser, wenn Ihr erst draußen seid."
„Draußen?" rief Wildl auflodernd. „Ich muß also nicht mehr im Gefängnis bleiben? Ich darf hinaus?" „Ihr seid frei."
„Frei! Und ich kann hingehen? Ueberall hin? Auch in's Himmelmoos?"
Wenn Ihr es selbst wollt, wenn Ihr Euch nicht davor scheut, kann es Euch Niemand verwehren. — Ihr könnt Euch bei dem Mörder bedanken, der Euren Vater in die andere Welt befördert hat. Ihr seid der einzige Sohn. Mles gehört also unbestritten Euch. Ihr habt nichts zu tun, als daß Ihr Euch beim Gemeindevorsteher meldet und ihm dieses Schreiben übergebt, der wird Euch dann das Weitere sagen. Der Gerichtsdiener wird Euch Eure Kleider und alles geben, was ihr mit in den Arrest gebracht habt, und dann macht, daß Ihr weiter kommt. Ich will für Euch wünschen, daß wir nicht wieder Zusammenkommen."
(Fortsetzung folgt.) .. ^ ^