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Amtsblatt für W^dSad. Chronik unk» Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schristleitung Th. Gack in Wildbad.
Num er 2V8
Fernst 179
Wildbad, Mittwoch den 6. September 1922
Tagesspiegel >
Die türkischen Meldungen über die griechische Niederlage werden von englischer Seile bestätigt. Aus dem griechischen freer laufen viele Soldaten davon. Die Lage ist ernst, in Griech rlaud selbst verlangt man den Rücktritt der Regierung. Venjzelossoll beabsichtigen, von Kreta nach Athen ;u kommen.
Die Türken haben im Rordabschnikl des Kampfgebietes bei Eski-Schehir nach Havas ungefähr 200 Geschütze erbeutet. Die Stadt llschak ist von den Türken erobert. Die griechischen Verluste werden auf 12 000 Mann geschätzt.
Die «Reuter" meldet, brennen die griechischen Truppen auf ihrem Rückzug die Städte und Dörfer im Innern des Landes Anatolien nieder. Große Massen christlicher Flüchtlinge wälzen sich auf die Stadt Smyrna zu.
GeLreideumlage und ProduMons- steigerung
Das „berliner Tageblatt" hat von einem führenden Mitglieds des Reichsausschusses der deutschen Landwirtschaft eine Darlegung über die gegenwärtige Lage der Landwirtschaft erhallen, "aus der besonders eine genaue Berechnung darüber lteressant, welchen Verlust die Landwirtschaft durch die vor- jährige Getreideumlage erlitten hat. Die nn „Berliner Tageblatt" wiedergegebene Berechnung stellt sich .olgendermaßen:
Es betrugen im verflossenen Wirtschaftsjahre 1921/22 pro Zentner der
Amlagepreis Durchschnittlicher äahrespreis a. ü. dllarkke
bei Roggen 105 394 «st
bei Weizen 119 -1t 517 -st
bei Gerste 100 -st 461 ,st
bei Hafer 90 -st 403 -st
Am 1. August 1922 war die Gssamiumlage zu 98 Prozent erfüllt, und zwar durch Ablieferung von:
in Pcoz, der Gesamttimlatze Roggen 44 097 420 Ztr. 89,6
Weizen 3 596 260 Ztr. 7.3
Gerste 1322 600 Ztr. 2.7
Hafer 177 540 Ztr. _ 0,4
Insgesamt 49193 820 Ztr. 100.0
Die Landwirtschaft erhielt für diese Mengen Umlagege- treibe:
bei Roggen 4 630 229 100 -st
bei Weizen 413 569 900 -st
bei Gerste 132 260 000 -st
bei Hafer 15 978 600 -st_
Insgesamt 5 192 037 600 -st
Auf demfreien Markt wären für die gleiche Menge erzielt worden:
bei Roggen 17 374 383 480 -st
bei Weizen 1859 266 420 st
bei Gerste 609 718 600 -st
bei Hafer 71903 700 -st
Insgesamt 19 915 272 200 -st Die deutsche Landwirtschaft hat mithin eine Geldeinbuße von 14 723 234 600 -st erlitten.
Die neue Umlage schneidet noch viel tiefer in die ländliche Wirtschaftsführung ein, weil bei der beträchlich chlechtercn Getreidernte der Landwirt sehr viel weniger Getreide an den freien Markt bringen kann. Die Frage, ob genügend Düngemittel vorhanden seien, beantwortet das Mitglied des Reichs- aussckmsses mitnein, insbesondere für Phaspharsäure und Stickstoff. Ebenso wurde die Frage verneint, ob genügend Mittel vorhanden seien, um Düngemittel zu kaufen. Es sei richti" daß viele Landwirte in der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegszeit Schulden abstoßen konnten. Gegenwärtig nehme aber die Verschuldung bereits wieder zu, und d.e Landwirtschaft stehe im Zeichen der Kreditnot. insbesondere die großen Betriebe. Der Gewährsmann des „Berliner Tageblatts" legt dar, daß die vorübergehende Entschuldung in der Landwirtschaft, die übrigens nicht m star- kerem Ausmaß vor sich ging als in anderen Gewerben, nur scheinbar aus Kriegsgewimi zurückzufuhren -st. m Wirk- sichlest darauf, daß die zwangsweise veräußerten Betriebs-
mittel nicht ergänzt werden konnten, und daß deshalb die Eeldflüssigkeit in der Landwirtschaft zu Ende mar, als die Notwendigkeit der Neuanschaffungen mit ihren enorim hohen Preisen gekommen war. Wie ernst die Kreditnot in der Landwirtschaft vielfach schon geworden ist, darüber ging uns dieser Tage wieder eine bezeichnende Mitteilung zu: ein schlesischer Gutsbesitzer, ein tüchtiger Wirtschafter, dessen Lage auch an sich durchaus nicht ungünstig ist, mußte die schon bestellten Düngemittel wieder abbestellen, weil das Risiko der hohen Kosten wegen zu groß geworden ist.
Die deutsch-belg. Verhandlungen
Frankreich als Vormund
Aus Paris über Basel: Die belgischen Mitglieder der Entschädigungkommission, Delacroix und Bemel- mans, haben es sehr eilig mit ihren Verhandlungen über die Bürgschaft für die von Deutschland zu zahlenden Schatzwechsel. Die Herren wollen schon am Dienstag in Berlin sein, womöglich sofort verhandeln und am nächsten Tag wieder nach Paris zurückkehren. So schnell schießen aber wahrscheinlich weder die Preußen noch dis Belgier. Die Belgier haben ihre Negierung um Mitsendung von zwei Finanzsachverständigen gebeten. Allein dieser diplomatische Apparat verlangt, daß man länger verhandelt als 24 Stunden. Die belgischen Bevollmächtigten haben, wie es heißt, von Brüssel die weiteste Vollmacht --halten. Sie ünd also nicht an Händen und Füßen gebunden wie Barthou in Genua. Freilich hat der belgische Ministerpräsident Th evtl is diese Vollmacht bereits scharf Umrissen. Er äußerte sich gegenüber Vertretern der Presse sehr zuversichtlich. Belgien werde nicht zögern, die von Deutschland gezahlten Fchatzwechsel zu diskontieren, denn sie würden durch die Bürgschaften der deutschen Regierung „totstchsr" gemacht. Allerdings, wenn Deutschland von sich aus keine genügende Sicherheit anbiete, müßte der Goldbestand der Reichsbank in ausländische Banken wandern . . .
Es ist nun interessant, zu beobachten, wie die Pariser Presse an diese angebliche letzte Drohung Belgiens anknüpft und wie sich die französische Regierung, kaum daß sie sich von ihrer diplomatischen Schlappe erholt hat, eifrig daran geht, den Vormund der belgischen Politik zu spielen. Da wird bereits gefafelt, Kopenhagen und Bern seien die Städte, in denen das deutsche Gold hinterlegt werden müßte. Und zwar müßten es auf den Heller und Pfennig 270 Millionen Goldmark sein, eben so viel, als Deutschland für 1922 noch schulde. Es wirkt beinahe komisch, wenn man liest, daß Frankreich sich jetzt innig der belgischen Interessen anzunehmen habe, und die Belgier dürften sich ja jetzt ordentlich verwöhnt Vorkommen. Der Pariser „Temps" macht den Belgiern den Vorwurf, daß sie zu wenig tun, um sich gegen die „deutsche Ansteckung" zu schützen. Die Deutschen seien die denkbar gefährlichsten Verhandlungsgegnsr. Die deutschen Pressestimmen zu dem Beschluß der Entschädigungs- kommjsion hätten ja schon gezeigt, daß man m Berlin entschlossen sei, den Belgiern über die erwarteten Bürgschaften blauen Dunst vorzumachen. Daß die Deutschen aber damit nicht durchdringen, dafür werde Frankreich 'argen. Es werde sich bereit halten für den Fall, daß Deutschland die von Belgien gewünschte Bürgschaft nicht leiste. Andere Blätter wieder befürchten, daß es zur Abwanderung deutschen Goldes für belgische Sicherheit kommen könne. Wo bleiben dann die Ansprüche Frankreichs, wenn sich Belgien an seinem Vorrecht satt gegessen hat? Der „Matin" jammert: Deutschland soll nicht eines Tages erklären, es könne die Schulden an Frankreich nicht bezahlen, weil es die für Belgien ausgestellten Schatzscheine einlösen müsse. Die „Aktion Francaise": Ist das deutsche Gold einmal aus dem Land, so deckt es nicht mehr den Papiergeldumlauf und Deutschland kann überhaupt keine Devisen mehr für die Wiedergutmachung kaufen . . .
Die französische Regierung, die hinter den meisten dieser Presseäußerungen steht, sieht es jetzt als ihr Hauptziel an, die politische Führung der Frage, die ihr aus der Hand zu lallen droht, wieder an sich zu reißen. In auffallender Eile hat der Ministerrat beschlossen: „getreu der Idee, lue Poincare in London vertreten hat, darauf zu bestehen, daß eine Konferenz einberufen wird, zu der alle Verbündeten ohne Ausnahme eingeladen werden sollen und die dis Fragen der Verbandskriegsschulden und der Enlschädigungen m ibrer Gesamtheit studieren soll." Dasselbe verlangt Poinrare stlbtt in einem Schreiben an den britischen Botschafter: Nur schnell eine neue Konferenz.
Merkwürdigl Während der Konferenz von Genua und seitdem bis zu der Entscheidung der Entschädigungskommis- sion dachte Poincare ganz anders. Ein wenig Falschheit ist also jetzt dabei, und es wäre eine Täuschung, zu glauben, daß er seine Pläne eines französischen Sondervoraebens auk-
Fernrnf 17»
57. Jahrgang
gegeben habe. Er ist nur einen Augenblick lang zurückgewichen und schon jetzt während der deutsch-belgischen Verhandlungen wird er sich deutlich und unliebsam bemerkbar machen. —er. s
Die angeblich verpatzte Friedensm3glich?eit
Nach Prüfung des aus dem Auswärtigen Amt und dem Reichsarchiv vorgelegten Aktenmaterials sowie auf Grund der eidlichen Vernehmung der Staatssekretäre a. D. Kühlmann, Helfferich, Zimmermann, des Reichskanzlers a. Dr Michaelis, der Reichsminister a. D. lffosen, Gras von Brockdorf-Rantzau, der Gesandten a. D. von der Lancken, Riezler und Freiherr von Romberg, der Generale von Haeften und von Bartenwerffer und des Reichstagsabgeordneten Scheidemann ist der zweite Unterausschuß des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der Untersuchung der päpstlichen Friedensvermililung des Jahrs 1917 zu folgenden Ergebnissen gelangt:
1. Ein Friedensangebot Englands lag im Sommer 191? nicht vor.
2. Ebensowenig kann in Anbetracht der vielfachen Schwierigkeiten und der immerhin fraglichen Verständigungsbereitschaft auf feindlicher Seite von einer starken Friedenswahr« scheinlichkeit gesprochen werden.
3. Eine ernste, von seiten der deutschen Regierung gewissenhaft zu prüfende Friedensmöglichkeit war bei Beginn der päpstlichen Friedensvermittlung nicht vorhanden.
4. Die Ereignisse der Monate Juli und August in Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben die an sich nicht sehr starke Friedensgeneigtheit der Westmächte nicht erhöht.
5. Die deutsche Regierung hat in der formellen Behandlung des päpstlichen Vermittlungsversuchs Fehler begangen.
6. Auf Grund der vorliegenden Aussagen und Dokumente kann es als wahrscheinlich bezeichnet werden, daß England und Frankreich jedenfalls Ende August 1917 ein Eingehen auf die päpstliche Friedensverniiktlung mit Rücksicht auf die gesamte Kriegslage als nicht in ihren Interessen liegend betrachtet haben.
7. Die Frage, ob der päpstliche Vermittlungsversuch allein'
durch die Verzögerung der von der Kurie gewünschten deutschen Erklärung über die Freigabe Belgiens vereitelt worden ist, kann aus Grund der vorliegenden Akten und Zeugenaussagen nichl bejaht werden. . i
Die Fuldaer Vischofskonferenz gegen die Schuldlüge und die Schwarze Schmach
Wie die „Köln. Volkszeitung" meldet, hat die diesjährig« Vischofskonferenz in Fulda, beschlossen, gegen die in einseitiger Auffassung von gegnerischer Seite fortwährend wiederholte ungerechte Behauptung, daß Deutschland am Kriege schuld sei, und gegen die furchtbaren Folgen, die die französische Regierung aus solcher Schüwerklärung glaubt ziehen zu dürfen, vor dem Heiligen Stuhl, dem Hort der Völker- Versöhnung, feierlich Einspruch zu erhebm. Di« Bischofs- konserenz gibt damit derselben unerschütterlichen Ueberzeu- gung Ausdruck, von der sie 1914 in ihrem gemeinsamen Hirtenschreiben Zeugnis gegeben hat: Wir, d. h. das deutlche Volk, sind unschuldig am Ausbruch des Kriegs, er ist uns aufgezwungen worden, das können wir vor Gott und der Welt bezeugen. Weiterhin befaßte sich die Bischofs» konserenz von neuem mit der Lage des besetzten Gebiets, wo einer zivilisierten Bevölkerung im Herzen Europas die Schmach angetan wird, von zahllosen Angehörigen unkultivierter afrikanischer Volksstämme militärisch überwacht zu werden, und wo die gewaltigen Scharen mohammedanischer und heidnischer Soldaten aus den französischen Kolonien einer christlichen, vorwiegend katholischen Bevölkerung zum größten Aergernis und zu großen sittlichen Gefahren für die Jugend gereichen.
Neue Nachrichten
Erhöhung der Deamleubezüge
Berlin, 5. Sept. In später Nachtstunde kam gestern ein Einvernehinen in den Verhandlungen des Reichsfinanzministeriums mit den Vertretern der Reichsbeamten, Angestellten und Arbeiter zustande, nach dem, vorbehältbch^ssr Zustimmung von Reichsrat und Reichstag, vom 1- ^ep*. ab me Bezüge gegenüber dem August um "0 Prozent erhöht n er en.
Das Reichskabinett und der Neichsrat yaoen dem Abkommen bereits ihre Zustimmung erteilt.
Die Gewerkschaften gegen den Kkmnesschen Mederaufbavplan
Esten, 5. Sept. Der Alte Bergarbeiterverband (Soz) und die übriaen Verbände und Gewerkschaften haben sich