Vas Vvdvjuuüs ätzr ätz la Llartz.
Roman von H. v. Limpurg.
Nachdruck verboten.
27.
„Nein, Vater, ich will das ganze Herz Derjenigen die ich liebe — und nicht eine zweifelhafte Liebe. Laß Dir sagen, daß ich neulich einen Brief de« BaronS an — Madame de la Mare la-, aus dem ich das ganze Verhältnis ersah."
„Lieber Leopold, laß diese Sentimentalitäten und schicke Dich in-Leben. Luise soll und wird Baron Linden heiraten, denn ich will es — und Du thätest am besten, Madame de la Mare zu wählen. Sic ist reich, schön, jung und ich denke, auch sehr für Dich eingenommen. Wat schadet c-, daß sie einst den Baron kannte?"
Einen Moment schwieg der Assessor. Wie ein scharfer Dolchstich drang wilder Schmerz durch seine Seele, er mußte an den Blick jener unergründlichen, dunklen Augen denken, er hörte von neuem die süße, verlockende Stimme JuanaS! Aber dann richtete er sich jäh empor, wiederum blitzte sein Auge im Zorn und er entgegnet« rauh: „Nein Vater und nochmal- nein! Sic ist von falscher Art und spielt nur mit mir. Aber lassen wir diese Dame und reden wir von Marie Luise."
„Mein Wille steht fest," fuhr der Geheimrat abermals auf, „sie heiratet Linden; ich mag ihn gern, er wird durch die Handschrift ein berühmter Mann, ist reich."
„Hast Du dafür irgend einen Anhalt, Vater? Er kann ebenso gut ein Abenteurer — als die Handschrift eine Fälschung sein."
„Still, mein Sohn! Ueber letztere- laß unS Fachmänner urteilen, Du kannst davon nichts verstehen."
„Wer weiß, Papa, ich hege die felsenfeste Ueberzeugung, daß jenes Bach'sche Lied unecht ist. Zeige mir doch, bitte, das Manuskript."
„Wethalb, mein Sohn, eS kann für Dich kaum von Interesse sein."
Etwa- zögernd nahm Geheimrat von Norden da- ihm von dem Baron zurückge- lassem Manuicipt und reichte eS dem Sohne, der eS ergriff und damit ans Fenster trat. Prüfend hielt er es gegen'S Licht und nahm hastig da- Vergrößerungsglas.
„Hast Du schon bemerkt, Papa, daß die Tintenstriche genau und höchst mühsam über Bleistift nachgezogen find? Man merkt es nur an den Haarstrichen der Noten, bei denen sich die Unsicherheit verrät."
„Vorurteil, lieber Eugen; solche grobe Täuschung würde uns Gelehrten wohl nicht entgangen sein."
,AH und dieser Baßschlüssel; er müßte doch jedenfalls Dir ausgefallen fein, bester Vater I"
„Hm, er wird nur etwas flüchtig ausgeführt fein, an dem Rande ist er sicherer."
„Auch der Grundstrichbogen steht dick und natürlich aus, während der an dem Liede hier augenscheinlich über Bleistift nachgezogen ist. Bitte sieh, »b ich Recht habe."
Finster und zögernd ergriff der Geheimrat da« gelbliche Blatt, dann, nachdem er dem Wunsche de« Sohne- nachgekommen war, ließ er eS sinken; fein Antlitz war erd
fahl, seine Hände zitterten und die Augen quollen fast aus den Höhlen.
„Wenn Du recht hättest, Leopold," stöhnte der Geheimrat entsetzt, „so wäre mein Ruf dahin, ich würde für einen Thoren gelten."
„Nein, Papa, sondern für einen gewissenhaften Gelehrten, welcher genau prüft, ehe er sich entscheidet."
„Laß mich allein, Leopold," rief der alte Herr außer sich, „ich muß von Neuem beginnen zu untersuchen. Mein Kopf ist wirr und ich fühle wie da- Blut in den Adern siedet."
„Wirst Du nun Dein harte- Wort Luisen gegenüber zurücknehmen, Vater?"
„Nein," lautete die schroffe Antwort, „denn Linden ist sicher unschuldig an dem Betrüge und er liebt sie aufrichtig. Zudem sein Reichtum."
„Ist vielleicht ebenso erfunden und unecht als die Handschrift."
„Kein Wort weiter, mein Sohn; ich wünsche und fordere Gehorsam von meinen Kindern.«
„Vater, ehe ich gehe — habe ich Dir noch eine Mitteilung zu machen," begann Leopold, sichtlich mit sich kämpfend, „ich weiß wohl, sie wird Dich schmerzlich berühren, deshalb schwieg ich so lange e« anging."
„Du hast — neue Schulden?" frug der Geheimrat atemlos, und es war, als wollte seine Stimme vor ungeheuerer Angst versagen.
„Wenn Du es erraten hast, Papa — nun den» ja! In vierzehn Tagen spätesten- muß ich — 10,000 Mark zahlen."
Mit einem Aufschrei de- Entsetzens taumelte der Geheimrat zurück, dann starrte er mit schmerzlicher Geberde den Sohn an, der voll stummer Verzweiflung vor ihm stand.
„Du — hast — abermals gespielt?" frug er dann mit bebende» Lippen.
„Zs, Vater, und als ich die letzte Karte aus der Hand gelegt, schwor ich bei meiner ManneSehre, nie mehr wieder eine zu berühren — aber das halft mir jetzt nichts mehr — und wenn Du nicht noch einmal
„Ich habe nichts mehr, ich bin arm wie eine Kirchenmaus und nun — auch entehrt"
„So bleibt mir nur übrig, die Heimat zu verlassen und in Afrika oder Amerika mein Leben weiter zu fristen."
„Leopold," schrie da sein Vater auf, „nein, um de- Himmelswillen, nein! Du darfst nicht von mir gehen, ich ertrüge es nicht, ohne Dich zu leben — bleibe bei mir, bis sich einst der Sargdeckel über meinem Gebein schließt."
„Ich kann nur hier bleibe», Papa, wenn Du mich noch einmal rettest," stotterte Leopold.
Zn dem harten, kalte» Antlitz des Geheimrats zuckie und arbeitet?' eS mächtig, und er schritt ruhelos durchs Zimmer, während der Assessor verzweifelt aus dem Fenster hinaus in den wirbelnden Schneefturm blickte. So trostlos und grau lag auch seine Zukunft vor ihm, nirgend- ein Lichtstrahl, nirgends ein Hoffnungsstern. Endlich wandte sich der Vater ihm wieder zu; sein Antlitz schien um Jahre gealtert und seine Stimme klang seltsam, als er sagte: „Laß gut sein, Leopold, ich werde Dir Helsen. Und nun geh, laß mich allein, ich fühle mich sehr elend."
„Armer Vater," seufzte der Assessor bitter und streckte ihm beide Hände entgegen, „daß
Dein elender Sohn Dich so in Sorgen stürzt.«
„Du bist mein Sohn, Leopold," rief Norden und in seinem Auge zeigte sich ein Heller Strahl, „und wenn es gälte, Alles zu opfern — ich würde es für Dich willig thun."
Schweren Herzens schloß Leopold die Thür des Studierzimmers, schleppenden Schrittes ging er den Corridor entlang, als plötzlich Luise zu ihm trat und wortlos aber mit bittendem Ausdruck in den schönen Angen ihn in ihr Wohngemach zog.
„Leopold," flüsterte sie leise, „nun bricht das Unglück über uns zusammen und — man wird uns trennen. Gehe zu Leulhold und sage ihm, er solle nicht beim Vater um mich werben."
„Er hat es schon gethan — und Wurde nicht vorgelaffen."
„O ich Unglückliche — und Baron Linden wagte es, auf Papas Einwilligung fußend, um mich anzuhalien."
„Der Schuft — er ist oder war der Geliebte der Frau de la Mare!"
„JuanaS? Leopold, hier muß ein Geheimnis obwalten, da« noch aufgeklärt werden muß, denn — sie liebt Dich leidenschaftlich und sie ist keine Heuchlerin."
„Nun wohl, so hatte sie früher Beziehungen zum Baron von Linden gehabt, denn ich Hirte wie beide sich mit dem Taufnamen und Du nannten."
„O, Leopold — und ich hoffte Du würdest einst mit Juana glücklich werden!"
„Ja," murmelte er gedankenvoll vor sich hin, „ich hoffte es auch, denn ihre Augen redeten zu mir Sprache, die mein Herz zu verstehen schien und beim Klange ihrer Stimme empfand ich eine unendliche Seligkeit. Aber nachdem ich sie im Theater heimlich mit Linden zusammengesehen, war alle« vorüber — nur in meiner Brust wühlt noch eine scharfe Bitterkeit. Ich wünschte daß ich Juana nie gesihen hätte."
„Leopold, lieber Bruder! Bist Du denn so unbarmherzig, kannst Du nicht vergeben und vergessen?"
„Nein," gab er kalt zurück, „da, wo ich liebte und hintergangen wurde, kann ich niemals verzeihen."
Heftig stand er aus und ging nach seinem Zimmer.
Der Geheimrat von Norden schritt indessen ruhelos im Zimmer auf und nieder, bald die Handschrift betrachtend, bald sich vor die Stirn schlagend und undeutliche Worte murmelnd; es schien mit einem Male alles über ihn zusammenzubrechen. Seine Pläne, Wünsche, Hoffnungen zerstoben in alle Winde und — die Schande, das Elend drobten grinsend näher und immer näher zu kommen.
„Es muß sein I Gie muß sich für Leopold opfern, damit Linden jene Summe zahlt! Und was ist'S auch weiter? Sic macht eine reiche, vornehme Partie, bekommt einen klugen, angenehmen Mann und wird gewiß bald den ernsten Hauptmann vergessen haben. Pah, man stirbt nicht so bald an gebrochneu Herzen, aber freilich, sie ist sehr starrsinnig und wenn sie Leopold den Grund ihres Jawortes mitteilt, dann nimmt er das Opfer nicht an."
Wieder nahm er die Handschrift auf, kopfschüttelnd betrachtete er sie und ein Seufzer entrang sich seiner Brust.
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur rBcrnhard H »f« ann.) Druck und «erlag von Verutzard Hofm^nn in Wildhab.