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(Da- älteste württembergische Kirchen­buch.) Im Jahre 1558 hörte Herzog Chri­stoph, daß in der Stadt Böblingen der erste Geistliche sich ei» Kirchennotizbuch angelegt habe, worin er die Geburten, Taufen , Hoch­zeiten und Kterbefälle seiner Gemeinde ver- zeichnete. Der Herzog ließ den Pfarrer zu sich kommen und befragte ihn über den Grund und Nutze» der Sache. Die Folge der Un­terredung war, daß sofort die Anlegung derartiger Notizbücher für sämtliche Pfarreien de- Landes angeordnet wurde. Auf diese Weise entstanden die Kirchenbücher.

Infolge de- einstimmig gestellten An­trag« de« Gemeinderats in Heilbronn hat da« königl. Oberamt den Herrn Rat-schreiber Heyd al« Amt-Verweser für den suspendier­ten OBM. Hegelmaier an Stelle des seit­herigen, wegen Gcschäftsüberbürdung zurück- getretencn Amt-Verweser-, Herrn Kommerzien­rat Hauck, bestellt. Wie wir hören, hat Herr Heyd das Amt angenommen. Den Vorsitz im Gemeinderat führt in bisheriger Weise Herr GR. Gustav Kieß.

Murrhardt, 12. Dez. Heute vormittag hat sich der Wagnerlehrling E. mit einem Beil au- Unvorsichtigkeit den Daumen der linken Hand vollständig abgchauen. Der Verletzte wurde in- hiesige Krankenhaus ver- bracht. Von 667 wahlberechtigten Bür­gern hier hat bei der stattgehabten Bürger- ausschußwahl nicht ein einziger seine Stimme abgegeben.

Ehingen, 14. Dez. Ein junger Mann an« Obermarchthal sollte am 13. Dez, seine Militärdienstzeit in Ulm antreten. Nach Er­halt dieser Gcstellungsordre alterierte er sich derart, daß er unter den gräßlichsten Schmer­zen gestorben ist und am gleichen Tage ver­graben wurde, wo er sich bei seinem Trup­penteil hätte stellen sollen.

Waldsee, 13. Dez. Gestern nachmittag ließ die crbgräflich Wolfeggsche Herrschaft im hiesigen Schlosse an 54 arme Kinder der Pfarrei Walds« ein reiche« Christgeschrnk auSteilen. Ein jede« erhielt vollständige Kleidung von Kopf bis zu Fuß. Da- war ein Glück und eine Freude unter den Kleinen I Bi« heute haben seit dem 1. Nov. in Waldsee 1015 arme Reisende da« Stadtge- schcnk erhoben.

Pforzheim, 13. Dez. Anläßlich de« heutigen Jahrmarkt« waren nahezu 500 Ver­kaufsbuden errichtet. E« wimmelte mit Iah» - markisbesuchern derart, daß man sich in den Budenreihen und einzelnen benachbarten Straßen förmlich durchwinden lassen mußte. Mehrere Langfinger wurden ertappt und zur Anzeige gebracht. Eine schöne Bescheerung ward einem fremden Verkäufer bei dem Waisen- hauSplatze heute zu teil. Der Gerichtsvoll­zieher kam mit dem Bevollmächtigten eine« Gläubiger« und pfändete sein Warenlager. Zunächst widersetzte er sich dem Vollzug, al- aber die Schutzmannschaft dazu kam, machte er gute Miene zum bösen Spiel.

In Baden-Baden wurde am 10. d«. Mts. da« neue Rrichspostgebäude am Leopold-platz, ein Prachtbau im Stile der Renaissance, in feicrcichem Akt seiner Be­stimmung übergeben. Der Ministerialdirek­tor im Reich-Postamt Dr. Fischer übernahm da« Gebäude in den Besitz de« Reichs. Mit der Errichtung de« Postgebäude« im Herzen

der Stadt ist ein lange gefühlte« Bedürfni« der Einheimischen wie der hier verkehrenden Fremden befriedigt worden.

Ein Wirt in Freiburg i. B, der einem Arbeiter einen ganzen Liter Schnaps auf einmal verabreichte, damit dieser einer Wette gemäß ihn auf einen Zug Hinunter­stürze. ist nebst dem Wettenden in Anklage­zustand versetzt worden, weil der unsinnige Säufer mittlerweile starb. Beide werden sich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verantworten haben.

Sam-lag abend wurde in Ellsishcim eine Landstreicherin verhaftet, welche heute gestand, Blanche Kahn einem Unbekannten, auf ein Versprechen von 1000 Mark, zuge­führt zu haben. Der Sündenlohn sei aber nicht ausgezahlt worden. Sie machte sich anheischig, den Auftraggeber aufznstnden. Ihre Ueberführung nach Mühlhausen ist auf telegraphische Anordnung de- ersten Staats­anwalts erfolgt.

Die 80jährige Witwe Bauer von Harskirchen wurde von Bewohnern ihres Hauses verbrannt aufgefunden. Eine umge- worfenc Petroleumlampe halte da- gräßliche Unglück verschuldet. Die alte Frau war, um nach Hilfe zu rufen, zum Fenster geeilt, dort aber schon brennend auf einen Stuhl gesunken, ohne mehr im stände zu sein, da- Fenster zu öffnen. Kopf und ^Oberkörper waren gänzlich verkohlt.

Entsetzliche Szenen haben sich bei dem Brande eine« Hause« in dem Vororte Fre- deriksberg bei Kopenhagen zugetragen. In dem Hause wohnten zwanzig arme Familien. Da- Feuer hatte sehr schnell die Treppe zer­stört, so daß die Bewohner de« oberen Stock­werk« nicht herautkommen konnten. Die Insassen der Dachstuben, 40 bis 50 Per­sonen, standen nackt auf dem Dache und riefen um Hilfe. Die RettungSleiler kam aber erst eine Stunde nach dem Ausbruch de« Brande-, nachdem bereits sieben Perso­nen verbrannt waren. Eine ganze Familie, aus Großmutter, Mutter und zwei kleinen Kindern wurden«!« Leichen unter dem Schutte gefunden. Für die notleidenden Familien wird bereits gesammelt.

Ein Opfer der Schauerromane ist, so schreibt da«Schneidemühler Tageblatt", der Lehrling Sch-, beim Kaufmann D., ge­worden. Seine freie Zeit benutzte der junge Mann zur Lektüre jener billigen Schauer­romane, die bekanntlich von der jungen Welt so gern gelesen werden. Da ist ihm denn ein Werk in die Hände geraten über die Er­mordung des Zaren Alexander und die Ni- hilistenattentate in Rußland. Der junge Mann, der im Geschäft sehr tüchtig war, wurde tobsüchtig und phantasierte immer von den Mördern des Zaren. Der Vater des Bedauernswerten, Stationsvorsteher in Schön­feld, wurde telegraphisch herbeigcrufen, in­zwischen aber hatte sich der Zustand des Tob­süchtigen derart verschlimmert, daß er ins Krankenhaus gebracht wurde.

Unschuldig verurteilt. In diesem Frühjahr wurde vom Landgericht München! ein Arbeiter auf Grund der Anzeige und der Aussagen eine« Wirte« wegen Diebstahls von drei Uhren trotz seiner Unschuldigung-- beteuerungen zu vier Monaten Gefängnis ver­urteilt. Diese Strafe mußte er in Laufen verbüßen. Vor nicht langer Zeit traf der

Verurteilte in einem Gasthause zufälliger­weise mit der früheren Kellnerin dcS Gast­wirt- zusammen. Als diese auf ihr Be­fragen, warum er sich so lange nicht habe sehen lassen, erfahren hatte, daß er im Ge­fängnis war, erbrachte sic ihm den Beweis, daß der Wirt die Uhren selbst seiner Frau genommen und versetzt habe. Auf erstattete Anzeige hin wurde der Wirt vor ein paar Wochen selbst verhaftet, und wegen Meineid« vor da- Schwurgericht verwiesen.

Aus Ostpreußen, 7. Dezember, wird geschrieben: Die große Trockenheit diese« Jahrcs hat den Stand unserer Gewässer sehr zurückgehen lassen. E« werden infolgedessen seltsame Entdeckungen gemacht. So fand man in dem russischen, etwa eine Quadrat­meile großen Amalwasen 11 Kanonen und mehrere Hundert Gewehre, welche im Jahre 1863 nach der Niederwerfung des polnischen Aufstandes dort verborgen wurden in der Hoffnung, sie bald wieder brauchen zu kön­nen. Ein russisches Militärkommando aus Manampol nahm den Fund an sich.

Einer Bürgerfamilie in Torgau wurde ein Knabe geboren, dem beide Augen fehlten. Die ärztliche Untersuchung hat ergeben, daß weder Augenhöhlen noch Augäpfel vorhanden waren. Das unglückliche Kind ist nach einer Lebensdauer von 8 Tagen gestorben.

Die Leiche der kleinen Blanche Kahn wurde, wie man der Fr. Zt. aus Mühl­hausen i. E. meldet, am Sonntag morgen im Bassin gefunden.

Der Redakteur der sozialistischen Voik-wacht", Otto Friedrich in Breslau, wurde aut Anlaß eines Artikels über den Distanzritt wegen Beleidigung de« deutschen Kaisers und des Kaisers von Oesterreich zu sech- Monaten Gefängnis verurteilt.

Men, 12. Dez. In Wiener Neustadt erschoß sich der Kommandant des Dragoncr- regiments, Oberst Baron Weigelsberg, ehe­maliger Fiügeladsutant des Kaiser«, angeb­lich wegen Zurücksetzung.

Der Kaiser von Oesterreich ernannte den Herzog Albrecht von Württemberg, den präsumtiven Thronfolger von Württemberg, zum Rittmeister im 4. Husarenregiment.

Wigan (Lancaster), 15. Dez. In der Kohlengrube Bamfurlong entstand gestern vormittag ein Grubcnbrand. Bis mittags wurden von 100 Arbeitern 20 halb erstickt und etwa 20 tot herausbesördert; die übrigen gelten al« verloren. Nachmittags 3 Uhr war der Brand gelöscht.

London, 7. Dez. Bezüglich der Be­schränkung der Einwanderung in Amerika und der Botschaft Harrisons geht die öffent­liche Meinung dahin, daß der künftige Ent­wurf die Einwanderung in die Vereinigten Staaten auf ein ganzes Jahr überhaupt un­möglich machen werde.

Es gilt nunmehr für sicher, daß der deutsche Fünfmaster Maria RickmerS aus Bremerhaven mit 40 Mann Besatzung unter- gcgangen ist.

Da- deutsche Schiff Thyra kentert- an der norwegischen Küste; die Mannschaft ertrank.

Baltimore, 14. Dez. Das Baumwoll- depot Alexander Browns ist abgebrannt. 17 000 Ballen Baumwolle sind zerstört. Der Schaden beträgt 75 000 Dollars.

Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernd. Hofmann.)

IkK' Hiezu eine Beilage.