Rundschau.
Wildbad, 13. Dezbr. Die Postämter machen darauf aufmerksam, daß es dringend zu empfehlen ist, die mil der Post zu versendenden WcihnachtS-Gegcnstände nicht etwa bis zu den letzten Tagen vor der Weihnachtsfeier zurückhallen, sondern solche zur Sicherstellung rechtzeitiger Uebereinkunft an die Adressaten möglichst bald zur Postaufgabc zu bringen.
Stuttgart, 9, Dez. Wie der St.-A. vernimmt, ist die durch den Tod des Baudirektors Dr. v. Leins in Erledigung gekommene Funktion eines Vorstands der Kunst- gewrrbkschule dahier und eines zumaligen Mitglieds der Kommission für die gewerblichen Fortbildungsschulen dem Professor Kolb an der erstgenannten Anstalt in provisorischer Weise übertragen worden.
— Am Samstag ist Prinz Friedrich zu Hohenlohe-Oehringen, 80 Jahre alt an Herzlähmung gestorben.
Altcnsteig, 8. Dez. Der hiks. Stadt ist in nächster Zeit Gelegenheit geboten, elektrische Beleuchtung einzuführen. Da« Bruderhaus in Reutlingen Hst für ihre Filiale, die hies. Wollspinnerei, für 36 000 die obere Kunstmühle erwerben und will den dadurch gewonnenen Ueberschuß von Wasserkraft zur Erzeugung von elektrischem Licht verwenden, zunächst allerdings nur zu eigenen Zwecken; ohne Zweifel wird aber die städtische Verwaltung auch Abnehmer werden, man spricht auch von der Bahnverwaltung, von einzelnen Geschäften und Sägereien, welche geneigt sind, elekrisches Licht einzuführcn.
Tuttlingen, 10. Dez. Soeben durcheilt die Trauerkunde unsere Stadt, daß Oberamtmann Schmidt infolge mehrerer Schlaganfälle, von denen er in letzter Zeit heimgesucht wurde, heute früh verschieden ist. Der Entschlafene hat eS während seiner kurzen hiesigen Amtsthätigkeit verstanden, durch seine persönliche Liebenswürdigkeit, verbunden mit unermüdlichem Pflichteifer, die Herzen aller zu erwerben. Sein frühzeitiges Hinscheiden ruft deshalb in allen Kreisen tiefstes Bedauern hervor.
— Baron Hirsch machte für Ungarn eine neuerlich Stiftung von drei Millionen Gulden zur Verteilung an Arme aller Konfessionen.
Als Belohnung für die eventuelle Ermittlung derjenigen Person oder Personen, welche bei dem aus Mühlhausen gemeldeten Kindesraub bezw. bei dem weiteren befürchteten Verbrechen beteiligt sind, sind durch freiwillige Zeichnungen 4000 ^ aufgebracht worden, so daß die ausgesetzte Belohnung nunmehr 5400 ^ beträgt.
Freiburg, 2. Dez. Das Opfer einer selbst vorgeschlagcnen scheußlichen Wette ist laut „B. Z." gestern der Zimmermann Sch. geworden. Derselbe kam vorgestern Abend, nachdem er schon in einer anderen Wirtschaft Wein gezecht hatte, in ein Lokal Ecke der Clara- und Egonstrsße und brüstete sich dort mit seiner Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete des Trinkens, worauf es zur Wette kam, daß Sch. einen ganzen Liter Hcfenschnaps vertilge. Die Wette wurde buchstäblich ausgeführt und sinnlos betrunken brachte man den Sch. nach seiner Wohnung, wo er gestern früh 7 Uhr starb und zwar an Alkoholvergiftung. Der wiederliche Vorgang wird für
den Wirt des betr. Lokals gerechtermaßen empfindliche Folgen haben.
— Durch einen unglaublichen Leichtsinn hat sich in Kreuzthal bei Siegen ein furchtbares Unglück zugetragen. Zwei Arbeiter bestiegen den großen Gasometer der Firma H. H. W. Dresler, der zur Herstellung von Wassergas für ein neues Glühverfahren dienen sollte, und öffneten mit einem Schlüssel den Krahn auf der Haube des Gasometers. Der ältere der beiden hielt darauf ein brennendes Streichholz vor die Oeffnung und das Unglück war geschehen. Zunächst entzündete sich an der offenen Flamme das ausströmende Gas und fast gleichzeitig hiermit explodierte mit gewaltigem Krach der Gasometer. In hohen Bogen wurde die eiserne Haube des Gasometers mit samt den beiden Arbeitern in die Luft geschleudert; als Leichen kamen beide wieder zu Boden.
— Auf dem parlementarischen Abend am Mittwoch, den bei ihm zuzubringen Graf Caprivi etwa 400 Minister, Beamte, Parlamentarier und Journalisten aller Schattierungen geladen hatte, wurde die Politik nur einmal — und noch dazu in humoristischer Weise gestreift: Der hannoversche Abg. Hastedt (ntl.), der den Reichskanzler begrüßte, kam auf die wichtigen Vorlagen zu sprechen, welche zur Zeit die Volksvertretung bewegen, und meinte scherzend, cS würde doch gut sein, wenn die Regierung den Abgeordneten, die sich vor so schwierige Entscheidungen gestellt sehen, etwas nachgiebig entgegenkomme. „Was sind Sic eigentlich in Ihrem Privat- verhältnis?" fragte der Kanzler. „Ach, Exzellenz, leider Brauerl" „Ja," meinte Graf Caprivi, „das möchte ich auch sein. Wenn ich Brauer wäre, wie gern würde ich dann entgegenkommen." In das heitere Lachen der Umstehenden stimmte natürlich der also Apostrophierte aus vollem Herzen mit ein.
— Der Gipfel der Höflichkeit. Verflossenen Sonntag gegen Abend trat in Berlin, wie ein dortiges Blatt nachträglich berichtet, ein ziemlich gut gekleideter Mann vor eins der Schaufenster der Juwelierfirms Friedebcrg, Unter den Linden 42, erhob seine mit einem Stein bewehrte rechte Hand und . . . zertrümmerte die Spiegelscheibe der Auslage. Sodann ging der Frevler in den Laden und stellte sich dort dem ihm entgegentreien- den Geschäftsführer in aller Seelenruhe mit den Worten vor: „Mein Name ist Ruschke; ich habe soeben die Schaufensterscheibe zertrümmert, um ein Unterkommen zu erlangen." Angenehm berührt von dieser Wahrung ur- baner Umgangsform, entgegnete darauf der Geschäftsführer nicht minder höflich: „Bitte, nehmen Sie Platz, ich werde sogleich das Notwendige veranlassen." Der fremde Mann folgte dankend dieser Einladung, er setzte sich auf den ihm gebotenen Stuhl und wartete geduldig so lange, bis der sofort hinzugeholte Schutzmann erschien, um ihn nach der nächstgelegenen Polizeiwache abzuführen. Mit solcher Gemütlichkeit dürfte eine an sich unangenehme Angelegenheit wohl schwerlich jemals abgewickelt worden sein.
— Säumige Steuerzahler. Im Königreich Sachsen ist im vogtländischen Städtchen Falkenstcm gegenwärtig in allen Gastwirtschaften eine Liste von nicht weniger als 244 säumigen Steuerzahlern öffentlich ausgehäugt.
Diese Maßnahme gründet sich auf d«S Steuergesetz. Die Gastwirte dürfen säumige Steuerzahler in ihren Lokalen nicht dulden, widrigenfalls sie mit einer Geldstrafe bis zu 100 ^ oder mit Haft bi« zu 8 Tagen belegt werden.
— In Wim >st ein 38jährigeS schlecht- pradiziertes Frauenzimmer, Therese Struckl, von einem Unbekannten auf scheußliche Weise ermordet worden. Bis jetzt fehlt jede Erklärung des Motive« der That; die wenigen Habseligkeiten, welche die Ermordete, übrigens eine unscheinbare, häßliche Person, besessen hat, sind unberührt geblieben, so daß es sich also um keinen Raubmord handelt, und ebensowenig ist irgend ein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß eine That der Eifersucht oder Rachsucht vorliegt.
— Die französische Republik hat nunmehr ihr achtundzwanzigstes Ministerium. Da die Regierung zweiundzwanzig Jahre alt ist, so komm! auf das einzelne Kabinel eine Durchschniltsdauec von 9 Monaten. Schon diese große Zahl von Regierungen mit kurzer Lebensfrist beweist, daß etwas faul ist in der parlamentarischen Republik.
— (Der Ortssinn der Tiere.) Aus Bergzabern wird gemeldet: E>n hiesiger, die Schweinezucht treibender Einwohner vermißte des Abends beim Nachhausekommcn seine Zuchtsau, die im Stall nirgends zu finden war. Nach längerem Suchen wurde dieselbe endlich entdeckt, und zwar im Schlafzimmer „sanft schlummernd" in einem — Bette liegend. Die Freude de- Wiedersehens war, wie man sich denken kann, sehr verschiedener Natur.
Hohmann's Violinschule, neue umgearbeitete Ausgabe von Ernst Heim.
Verlag von P. I. Tanger in Köln.
Eine ungemein fleißige Arbeit mit überraschend natürlicher Stufenfolge. Trotzdem die Neubearbeitung nach Grundsätzen moderner Technik bewerkstelligt und alles berücksichtigt ist, auch die Erfahrungen anderer Lehrer zur Geltung gekommen sind, ist doch das richtige Maß inne gehalten, die Hebungen sind melodiös, zweckentsprechend und angenehm. Ein großer Vorzug des Werkes ist sein elementarer Eharakter, der ihm bei seinem nichts destoweniger klassischen Anstrich weite Verbreitung sichern wird.
Sollte es überhaupt möglich sein, Violine durch Selbstunterricht zu erlernen, so wäre diese Schule dazu geeignet, denn der bewährte Pädagoge Heim gibt sich im Texte selbst, d. h. als Lehrer und erklärt an den betreffenden Stellen alles, so daß der Schüler sich in Abwesenheit bes Lehrers stets Rat holen kann. Wir heben diesen Umstand ganz besonders hervor, weil in der letzten Zeit, durch den Riesenerfolg der Heim'schen Ausgabe veranlaßt, auch einige andere Firmen Ausgaben der Hohmann'schen Schute gebracht haben, die jedoch im Verhältnis zur Heim'schen Umarbeitung bedeutend zurück- stehen. Trotz der prachtvollen Ausstattung und der Erweiterung um 42 Seiten ist der Preis für diese neue Ausgabe von 9 Mark auf 3, für die Heftausgabc von je 2 auf je 1 Mark herabgesetzt.
M e r k^s.
Der Neid ist der schärfste aber auch ungerechteste Kritiker I
Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernd- Hofmann.l
SÄt" Hiezu eine Beilage.