Rundschau.
Stuttgart, 1. Mot. Seine Königliche Majestät haben laut St.-Anz. I. M. ber Königin von Sachsen den Olga-Orden verliehen.
— Die Deutsche Partei Württembergs begeht am 8. Mai das Jubiläumsfest ihrer vor 25 Jahren erfolgten Gründung in der Liederhalle zu Stuttgart. Festreden vorm. 10 Uhr; Festmahl im Stadtgarten nachm. 3 Uhr, abends Bankett in der Liederhalle. An Montag nachm. Ausflug nach Eßlingen.
— Der „Evangelische Bund" in Württemberg hält am Sonntag den 15. u. Montag den 16. Mai in Göppingen seine Landes- Versammlung.
— Im Rosensteintunnel bei Cannstatt wurde die Leiche eine- Unteroffiziers vom Stuttgarter Ulanenrcgiment aufgcfunden, der von einem Zug überfahren worden war.
— In Ludwigsburg wurde der bekannte ehemalige Lieutenant Krapf vom dortigen Trainbaiaillon von Amerika au« eingeliefert.
Heilbronn, 2. Mai. Am 19. Mai kommt vor der hiesigen Strafkammer dir Strafsache gegen Oberbürgermeister Hegelmaier wegen falscher Beurkundung zur Verhandlung. Wegen des gleichen Vergehens ist der Stadtpfleger Füger, ein langjähriger Beamter der hiesigen Stadt, angeklagt. Die beiden Handlungen hängen zusammen.
Winnenden, 3. Mai. Heute kam hier der gewiß seltene Fall vor, daß drei Brüder (Söhne der WeingärtnerS-Witwe Lückert) gemeinsam ihre Hochzeit feierten.
— Gcmeinderat und Bürgerausschuß in Reutlingen beschlossen einstimmig, de» Gehalt des Oberbürgermeisters Benz, der im Okt. d. I. sein 25jähr. Jubiläum al« Stadtvorstand feiert, vom 1. April ». I. an von 5000 auf 6000 ^ zu erhöhen.
Horb, 5. Mai. Auf den um 8 Uhr 52 Min. hier eingctroffcnen Personenzug aus Tübingen wurde zwischen Eyach und Mühlen von bübischer Hand ein Schuß abgegeben. Die Kugel prallte am Dach der Lokomotive ab.
Heidenheilll, 3. Mai. In Hürden, einem Pfarrdorfe hiesigen Oberamts, wurde gestern ein 77 Jahre alter Mann tot im Bette ausgefunden, nnd zwar mit abgeschnittenem Halse. Da der in guten Verhältnissen lebende Mann seil dem vor einiger Zeit erfolgten Tode seiner Frau schwermütig war, muß man annehmen, daß er in geistesgestörtem Zustande Hand an sich gelegt hat.
Freudenstadt, 3. Mai. Zu welchen Schritten der Geiz führen kann, zeigt folgender Vorfall. Bei dem heute hier stattgefun- denen Krämermarkie stahl eine verheiratete, in sehr guten VcrmögenSverhältnissen stehende Wirlsfran in einer benachbarten Gemeinde, Mutter mehrerer Kinder, einem Schuhmacher ein paar Schuhe, einem Flaschner einen Schaumlöffel und in einem hiesigen Kaufladen eine Taille. Dieselbe wurde unter großem Auflaus vom Landjäger verhaftet und steht ihrer Bestrafung entgegen. Allgemein werden die Familienangehörigen bedauert.
— Dem Stadtpsarrer Dr. Pfleidcrer in IlltN hat der König in Würdigung seiner Bibelausgabe die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehe».
Iltm, 3. Mai. Der Sohn des Oberförsters H. in Heidenheim war als Ober- Symnasist seit einiger Zeit bei einer hiesigen
höheren Beamtenfamilie in Kost und Logis. Vorigen Mittwoch kehrte er zum Semester- beginn au« der Vakanz zurück, klagte aber schon am ersten Tag über Kopfweh heftigster Art, weshalb er sich zu Bett legte. Nachmittags stand er auf und begab sich in das Wohnzimmer der Familie, wo er die 24jähr. Tochter seines Logishcrrn allein ar.traf. Nachdem er einige Worte mit dieser gesprochen, stürzte er sich auf das Fräulein und schlug sic mit einem metallenen Thermometer in's Genick, so daß sie bewustlos zu Boden sank. Herbeigeeilte Hausgenossen fanden den jungen Menschen starr vor sich hinblickend in die Knie gesunken. Bald darauf stellten sich Zeichen der Geistesgestörtheit ein, welche nach einigen Stunden in Tobsucht «uSartete, so daß er tag« darauf nach Schussenried verbracht werden mußte, wo er sich noch befindet. Der junge Mann und seine Familie werden allgemein bedauert.
Geislmgen, 3. Mai. Eine schon viele Jahre schwer krank darniederliegende Frau Sp., Witwe von hier, verwechselte heute vormittag ihre Medizin und nahm statt ihrer gewöhnlichen Arznei aus einer danebenstehenden Karbolstasche ein. Alle ärztliche Hilfe blieb erfolglos; nach einiger Zeit trat der Tod ein.
— Hausrecht der Wirte, lieber das eines Gastes zum verweilen in einem Schankoder WirtschaftSlokal und über die Verpflichtung zum verlassen des Lokals auf die Aufforderung des Wirtes, sind in den Kreisen des Publikums vielfach unzutreffende Ansichten Verbreitet. Insbesondere wird häufig angenommen, daß die Verpflichtung zum Verlassen des Lokal» erst nach einer dreimaligen Aufforderung eintrete. Nach den erwähnten Richtungen hat das Reichsgericht neuerdings in einem von der „Juristischen Wochenschrift" mitgeteilten Urteile wie folgt ausgesprochen : Es steht keinem Gaste das Recht zu, in einem Schank- oder Wirtschaftslokale nach eigener Willkür zu verweilen, vielmehr bleibt der Wirt befugt, daS längere Verweilen ihm zu versage», wenn der Zweck des Besuches und der Aufnahme erfüllt ist oder ungebührliches Betragen des GasteS gegründeten Anlaß zu seiner Verweisung gegeben hat. Ebenso unterliegt, wenn nicht nach den Bestimmungen des öffentlichen Rechtes oder wegen eines bestehenden Privatrechtes die besondere selbstständige Berechtigung zum Verweilen in fremden Räumen gegen den Willen des Berechtigten gegeben ist, das fernere Verbleiben in denselben als ein widerrechtliches und unbefugtes der Strafbestimmung über den Hausfriedensbruch, sofern der Berechtigte (Wirt oder Stellvertreter) auch nur durch einmalige Aufforderung zur Entfernung zu erkennen gegeben hat, daß das fernere Verweilen de« Gaste» seinem Willen widerspricht.
— Bei der Eröffnungsfahrc der neuen Pferdebahn in Würzburg fand der Kondukteur unter der Sitzbavk eines dicht besetzten Wagens «ine pulvergesüllte, mit glimmender Zündschnur versehene Metallröhre. Die Explosion, welche glücklicherweise noch verhindert werden konnte, hätte unter dem dichten Menschenknäuel ein fürchterliches Unheil anrichtcn müssen. In Betreff des Thälers fehlt einstweilen ein bestimmter Anhaltspunkt.
— Eine grenzenlose Roheit wurde dieser Tage auf dem Krugschacht bei Zaborze (Ober- schlcsten) verübt. Ein W-genstößer wurde
von vier Kameraden mit Putzwolle, die in Petroleum getränkt war, umbunben und diese angezündel. Der Bedauernswerte liegt im Lazaret und ist von den Aerzten aufgegeben.
Berlin, 3. Mai. Herzog Albrecht von Württemberg ist von Niescnburg (Westpreuß.) hier cingetroffen, begab sieb mittags «ach Potsdam zur Begrüßung des Kaisers nnd der Kaiserin und wurde mit einer Einladung zur kaiserlichen Tafel beehrt. Auch der würtlb. Gesandte v. Moser war anwesend.
— Forst-Referendar Vogler, welcher dem Dr. Peters für die VermessungSarbcilen der Grenze zugeteilt war, ist in Tanga an Malaria gestorben.
— Am Sonntag abend halb 9 Uhr fanden in Lüttich 2 Explosionen bei Senator de Sesclys und dessen Sohn statt. Der materielle Schaden ist beträchtlich. Niemand wurde verletzt. Um 10 Uhr erfolgte eine dritte Explosion in der Kirche Saint Martin. Die wertvollen Chorfcnster wurden zerstört. Auf 300 Meter wurden die Häuserfenster zerstör!. Eine Patrone mit brennender Lunte konnte Vernichtet werden. Die Stadt ist in großer Beunruhigung.
— Wieder ein unschuldig Verurteilter. Die „Barmer Zeitung" meldet: Am Freitag wurde aus dem Zuchlhause zu Werden der Tagelöhner Heischeidt entlassen, welcher durch Spruch des Schwurgerichts zu Elberfeld vom September 1887 wegen eines schweren SittlichkcitsverbrechenS zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt war. Der vorbestrafte Angeklagte hatte die Thai entschieden geleugnet, da aber die überfallene Frau ihn unter Eid als den Thäker bezeichnte, erfolgte die Verurteilung. Jetzt ist durch Zeugenvernehmung fein Alibi uachgewiefen. Seit Januar 1888 hat er unschuldig im Zuchlhaufc gesessen.
— Der Gemeinderat in Metz bewilligte 26 000 zum Empfang de» Kaisers, Die Stadt bietet dem Kaiser ein Frühstück an.
— Schweizer Kantönliwesen. Der aus dem Kanton Aargau stammende Henker M. soll unter Anklage gestellt werden, weil er vor einigen Tagen den Mörder Gotti in Luzern hingerichtet hat. Das klingt zwar sehr wunderbar, aber im Kanton Aargau handelt man eben streng nach dem Buchstaben des Gesetzes. In diesem Schweizer Kanton ist die Todesstrafe abgeschaffl und sein Strafgesetzbuch verhängt ohne Vorbehalt schwere Strafen über jeden, der einen Menschen tölet. MengiS hat nun aber einen Menschen getötet, sich also als aargauischer Bürger gegen das Gesetz aufgctehnt. Die Regierung von Aargau soll tatsächlich bereits einige Juristen um Rat gefragt haben, ob man dem mcnschcnmordendcn Scharfrichter nicht den Prozeß machen könnte.
— (Eine kunstvolle Uhr.) Der „War- schawskij Dnjewnik" beschreibt wie folgt eine Uhr, an welcher der Uhrmacher Goldfaden in Warschau sechs Jahre gearbeitet hat und die für die Weltausstellung in Chicago bestimmt ist: „Die Uhr stellt eine Eisenbahnstation dar mit Sälen für Reisende, mit Telegraphenbureau, Kasse, einem sehr hübschen, hkllerleuchtetcn Bahnsteig und einem Blumengarten, in dessen Mitte ein Springbrunnen seine silberhellen Wasserstrahlen in die Höhe schleudert. Das Stationsgebäude entlang zieht sich das Geleise, befinden sich die Wacht- häuser, Signallatcrnen und Scheiben, Wasserreservoire und jegliche« Zubehör einer Elsen,