Rundschau.

Ucber den Sommeraufenthalt des würlt. KönigSpaares läßt sich jetzt mit Be­stimmtheit sagen, daß Heuer das königl. Hof lager nickt in FriedrichShasen, wo es so viele Jahre sich befand, aufgeschlagen wird. Da auch die Königin-Witwe von dem Anerbieten, ihren Aufenthalt inFriedricköhafen zu nehmen, wegen ihrer Reise nach Rußland keinen Ge­brauch machen will, so wird das Schloß dort dieses Jahr ganz verwaist sein.

Im lausenden Etatsjahr wird in Württemberg die Ausübung des Landpost- dicnstcs auf die Sonntage und Festtage aus­gedehnt und die Zustellung der Postsendungen in allen, auch den kleinsten Wohnplätzen an allen Werktagen durchgesührt.

In Ebcrstadt bei Weinsberg hat ein junger Bursche aus Rache den Nachtwächter bei Ausübung seines Dienstes überfallen und mißhandelt. Der Angegriffene hat den An­greifer durch einen Biß in den Daumen so gekennzeichnet, daß dieser ermittelt und ver­haftet werden konnte.

Alsdorfs OA. Welzheim, 22. April. Postexpeditor Rnpp von hier, welcher wegen Unterschlagung von amtlichen Geldern (cS fehlten bei der Kassenvisttation 2300 -/A) flüchtig geworden ist, wurde nach einer hie- her gelangten Nachricht gestern morgen in Gmünd, wo er übernachtete, verhaftet und sofort nach Ellwangen abgeliefert. Derselbe hatte sich von hier aus direkt nach Frank­reich begeben und war nun, nachdem er jeden­falls seine unterschlagenen Gelder durchge- brscht hatte, im Begriffe, wieder hieher zu kehren. Ueber seine Reise nachzudenken, hat er nun genügend Zeit.

Blaubeuren, 23. April. In dem Kon­kurs der Bank für Handel und Gewerbe hat der Gläubigeraussckuß gestern einstimmig beschlossen, den eingcbrachten ZwangSver- gleichsvorschlag, wonach den Gläubigern so­wohl der festgestcllten als der bestrittenen Forderungen 85 Proz. geboten werden, nicht nur für annehmbar, sondern atS außerge­wöhnlich vorteilhaft zu erklären.

Aalen, 16. April. Die Kassenfabrik von I. Ostcriag hier, hat wieder einen neuen, sehr bemerkenswerten Erfolg zu verzeichnen. Laut Franks. Z'g. vom 14. cr. hat während des vorjährigen chilenischen Krieges beim Ue- bersall des Salpetcrhasens Tattat der große Ostertag'sche Getdschrank im Zollhause allen Sprengversuchen der Truppen Widerstand ge­leistet, desgleichen haben einige weitere Oster- tag'schc Schränke in Santiago und Valpa­raiso während dieses Bürgerkrieges bei Ein­brüchen und Bränden allen Einwirkungen erfolgreich wiederstanden. Es ist dies gewiß ein erfreulicher Erfolg der Deutschen Indu­strie.

Waldsee, 22. April. In Winterstetten­stadt, hiesigen Oberamts, wollte gestern abend ein Arbeiter der dornigen Zementfabrik die infolge des Schneegestöbers starkangeschwollene Riß, weiche das Wasserrad zu treiben hat, von allerlei angelnebenen Gegenständen und dem starken Schlamm mit einem Recken reinige». Zu seinem nicht geringen Schrecken zog der Mann mit demselben ein etwa fünf Jahre altcs, ertrunkenes Mädchen heraus. Wie das Kind in das Wasser geraten, ist bis jetzt noch unaufgeklärt.

Vom Bodensee. Am Gründonnerstag war ein RomanShormr Fischer so glücklich, 40 Z>r. Fische, meist Brachsen, in seinen

Netzen zu fangen. Die Fische fanden, zu 25 Centimes das Pfund, reißenden Absatz und ss verdiente der Fischer mit diesem einen Fang 1000 Frk, Er war um so vergnüg­ter, als mit dem nächsten Tag auf Wochen hinaus der Fang von Brachsen auszuhören hatte.

Ein Schuhmacher in Bielefeld ist verhaftet worden auf die von ihm selbst bei der Polizei erstattete Anzeige: er habe vor vierJahren in der Nähe von Dortmund, als er in einem Walde einen Weihnschtsbaum holte, den ihm entgegenlretenden Waldschützen mit der Axt erschlagen. Der Mann ist dann aus Furcht vor Entdeckung nach Amerika ge­flohen, von dort vor zwei Jahren hierher zurückgekehrt und hat jetzt aus Gewissensnot die schwere That gestanden.

Unter Anwesenheit der Grsßherzvgin, der Erbgroßherzogi», den Prinzen Wilhelm und Karl nebst Gemahlinnen, sowie der Ver­treter der militärischen, staatliche» undstädi- schen Behörden eröffnet? am Samstag der Ministerialrat Bnchenberger die glänzend auS- gestattete Jubiläums-Gartenbau-AuSstellung in Karlsruhe mit einer zündenden Ansprache, in der cr der Hoffnung Ausdruck verlieh, daß diese Ausstellung sich als echtes Kind de» Frühlings flechten werde in den reichen Kranz von Huldigungen, die Badens Für­sten in diesen Jubiläumslagen entgcgenge- bracht werden.

Sicherem Vernehmen nach trifft der Kaiser zum Regierungs-Jubiläum des Groß­herzogs am 29. April in Karlsruhe ein.

Der gegen den flüchtigen Kassier Jäger ans Frankfurt erlassene Steckbrief lautet: Zwei Millionen Mark hat der Bank­kassier Rudolf Jäger von Frankfurt a. M. nach Fälschung der Geschäftsbücher unter­schlagen und ist flüchtig gegangen. Jäger ist 44 Jahre alt, 1,71 Meter groß, Hot dunkles, hochstehend«» Haar, blaue Augen, Vollbart, welcher auf den oberen, mit Nar­ben versehenen Backenseiten abrasiert ist, und trug bei seiner Abreise Lodenanzug und Lo­denhut. Aus seine Ergreifung sind 1000 ^ Belohnung auSgesetzt.

Die Winterkampagne in der Mainzer königlichen Konservenfabrik, welche im Okto­ber vorigen JahreS ihren Anfang genommen hat, wird am Schluß dieses Monat« zu Ende gehen und werden bis dahin nicht weniger als 5000 Stück Ochsen zu Konscrvezweckcn verwendet worden sein. Nach Abzug der Haut, des Kopfe«, der Eingeweide rc. kommen in der kgl. Konservenfabrik täglich 250 Ztr. reine» Fleisch zum größten Teil Erbswurst, dann als Bratenfleisch, als Bouillon rc. zur Verarbeitung. Während der Herbstmanöver wird alljährlich ein großer Teil der Konserven dieser Fabrik konsumiert, auch für die kaiser­liche Marine werden diese Konserven ver­wendet.

Berlin, 25. April. Graf Caprivi ist früh 8 Uhr nach Karlsbad abgereist.

In überaus tragischer Weise wurde am zweiten Osterfeiertage ein HochzeilSfcst ge­stört. Der berittene Schutzmann K. war mit der einzigen Tochter der Postbeamten- Witwe W. in Berlin bereits am Vormittag standesamtlich getraut worden und nachmit­tags sollte die kirchliche Einsegnung stattsin- »cn. Es war 2 Uhr, als die Braut in fieberhaftem Eifer ihren Brautstaat anlegte. Schon hatte sie das weiße Hochzeitskleid an, da strauchelte sie und siel lebt« ju Boden.

Ein schnell herbei geholter Arzt konstatierte Tod durch Herzschlag als Nachwirkung dec kürzlich überstandenen Influenza-Krankheit.

(Ein sonderbarerUlk" und seine Folgen.) Ein in einem Berliner Vororte wohnender Rcchnungsrat traf an einem der letzten Tage, als er ans der Chaussee spazieren ging, einen Kutscher, auf dessen Wagen sich ein leerer Sorg befand. In einer Anwand­lung von Uebermut stellte er an den Kutscher das Verlangen, er sollte ihm gestatten, sich in den Sarg zu legen und ihn vor das Haus seiner Frau fahren, um derselben einen ge­linden Schreck einzujagen I (Wie gemütvoll!) Nachdem der Kutscher sich gegen ein anstän­diges Trinkgeld bereit erklärt hatte, diese höchst sonderbare Bitte zu erfüllen, legte sich unser Rechnungsrat in den Sarg, ohne je­doch bei der Ausführung seines rohen Plane« seine brennende Cigarre audgehen zu lassen. Noch ehe aber daS Fuhrwerk an dem be- zeichneten Ort angeksmmen war, fingen die mit Kattun überzogenen Sargwändc zn brennen an, und in einem Nu stand der ganze Sarg in Flammen, welche durch den Firnißanstrich reichliche Nahrung erhielten. Es gelang nur mit großer Mühe, den mit Brandwunden bedeckten Sonderling aus seinem eigenen Ge­fängnis zu befreien. Die Pferde mußten ausgcspannt werden, da auch der Wagen schon Feuer gefangen hatte. Während das Feuer des Wagens noch gelöscht werden konnte, brannte der Sarg vollständig nieder. Der Kutscher mußte nach Berlin zurückfahren, um auf Kosten seines übermütigen Fahrgastes eineu neuen Sarg zu bestellen. Außerdem hat der Herr Rechnungsrat wahrscheinlich noch eine Anklage wegen groben Unfug« zu erwarten.

Die Zuckerfabrik auf dem Gute Scheune bei Stettin ist in der Nacht zum Sonntag gänzlich niedergebrannt.

Die Agitation gegen das Trinkgclder- unwesen wird jetzt in Hannover auch von Kellnervereinigungen ausgenommen. Hierzu hat besonders der Inhaber eines der ersten Hotels und Restauration in Hannover da­durch Veranlassung gegeben, daß er nicht blos keinen Lohn zahlt, sondern von jedem seiner Kellner sogar fordert, täglich 1 Mark von den empfangenen Trinkgeldern abzugeben, aber nicht etwa in eine für wohlthätige Zwecke gestiftete Kellnerkassr, sondern lediglich zur Bereicherung de« Chef«. Die Kellner stellen die Forderung, von dem Arbeitgeber bezahlt zu werden, um den Gästen gegenüber nicht als Almosenempfänger dazustehen, und eine Ordnung zu schaffen, durch die der Wirtc- stand gehoben werden kann. Die Bewegung soll nächsten« in weitere Kreise getragen werden.

Laut der Vossischen Zeitg. stände die Verlobung des ErbgroßherzogS von Luxem­burg mit ber Prinzeß Margarethe, der jüngsten Tochter Kaiser Friedlich«, bevor.

Au« Helsingfors schreibt man ber Voss. Z.: Der hiesige Gerichtshof hat in einer Anklage wegen Morde« ein Urteil ge­fällt, daS einigermaßen an vergangene Zeiten gemahnt. Am 28. Febr. ereilte den Lektor Sainios in TavastehnuS ein plötzlicher Tod, den verursacht zu haben dessen Frau verdäch­tig war. Diese hat jetzt ein vollständiges Geständnis abgelegt: sie bekannte daß sie ihrem Manne widerholt Wertpapiere ent­wendet, seine Unterschrift gefälscht und ihn rndiich mit Strychnin vergiftet hat. Da»