Rundschau.
— Wie dem „Schwarzw. Boten" von Stuttgart geschrieben wird, wird in Eisen- bahn-Kriis'N eine Reform der Güterbeförderung gepinnt. Schon lange ist es als ein Nachteil empfunden worden, daß die Güter so langsam befördert werden. Man kann allerdings die schweren Güterzüge in große Geschwindigkeit versetzen, aber man hat bisher keine ausreichenden Mittel, diese Geschwindigkeit zu beherrschen und im Notfall rasch aufzuheben, denn durch die Handbremsen läßt sich dies nicht machen. Es wird daher vorgeschlagen, die Güierzüge mit durchgehendem Bremsen auszurüslen, u. die Güterzüge m t der Schnelligkeit von Personcnzügen b>fördern zu können. Weiler ist cs aber noch notwendig, Zeitersparnis herbcizuführen bei dem Rangürg-schäjt der Wagen auf den Haupt- und UebergangSbahnhöfen, was durch Anlegung von Adtaufgctciscn sehr wohl geschehen kann.
Cannstatt, 14. März. Heute morgen um Haid 2 Uhr kam es vor einer Wirtschaft zwischen einem Soldaten der Stuttgarter Garnison und einigen Zivilpersonen zu Streitigkeiten, wobei der Soldat mit dem Seitengewehr einem Schuhmachergescllen so auf den Kopf schlug, daß derselbe ein tiefes Loch erhielt und ärztlich behandelt werden mußte. Der Thäler wurde wegen Urlaubs- Überschreitung und Körperverletzung festgenommen.
Ludwigsburg, 13. März. Das hiesige Feldarlillerie-Regiment Nr. 29 feierte gestern das Geburtsfest feines hohen Chefs, des Prinzregenlen Luilpoid von Bayern. Die Kasernen des Regiments trugen Flaggenschmuck und Tannengrün mit Wappen und Emblemen. Die Mannschaften sammelten sich in ihren Sälen zum Feumahte, während die Offiziere sich im Kapno vercingten.
Tübingen, 12. März. Bor der Wirt- schaf. zum H^us Karte »in Aufgang zum Oest rb rg iregt heute ein circa lOOZcmner schwerer Giunitblock, der aus dem südlichen Schwaizwald stammt und gestern von der Staiiou Achcrn hurherkam. Derselbe soll in die Nähe des Kaijer-WilhelmSturmes kommen und an ihm das Retiefbtld des Altreichskanzlers Fürsten Bismarck angedrachi werden. Man will dieses Bismarck Denkmal, das von seinen hiesigen Verehrern ge- stifiet worden ist, am 1. April, dem Ge- burielag Bismarcks, einwethen.
Bon der Jagst, 12. März. Vor einigen Wochen kam kl» ivanderncer Handwerks- bnrjche und Beicran des Feldzugs 1870/71, der 42 Jahre alte Schleifer und Hammerschmied Jofeph Sturm aus München, in den Markiflecken Brctlheim und juchte um Arbeil nach und nahm solche an, wie sie ihm gebyien wurde. Großer Fleiß, bescheidenes lind freundliches Belragen machle ihn bald delubl. Am vergangenen Sonnlag wurde er infolge cingelreiener Influenza beim AuSjühren eines jungen Pferdes von einem schlagartigen Anfall betroffen und starb andern Tags. Weil Sturm katholifch war, wurde Pjarrer Hötzinger von Groß-Allmcr- jpanu bei Eckarthaujen zu feiner Beerdigung gebeten. Derselbe legte jeiner Grabrede Hiob 7, 1 „Muß der Mensch nicht immer un Streit sein ans Erden, und seine Tage sind Wie eines Tagelöhneis zu Grunde. Die Grad- und Lerchengesänge wurden durch die evangelische Schuljugend von Brettheim unlrr
Leitung ihres 70 Jahre alten verdünlen Lehrers Wurzer suSgeführt. Der Kriegcr- vein in Breiiheim und der größte Teil der Ortseinwohner gab dem Verstorbenen das letzte Ehrengeleitc, wobei weder die Kriegcr- vereinSfahne noch die sonst üblichen letzten militärischen Ehrenbezeigungen fehlten. Mil Recht darf dankbar anerkannt werden, was von seiten Bretiheims und insbesondere auch noch von seiten des OrtSarzttS Dr. Teuff l der mit patriotischen Worten namens des Kriegervereins am. off. Grabe einen Kranz niederlegte, geschah, um dem landfremden, braven Handwerksburschen, deni Milkämpfer für deutsche Einheit den letzten Ehrenzoll zu erweisen.
Aus dem Oberamt Gerabronn, 13. März. Heule vormittag ist auf der Siaiisn Roih am See ein Knecht des dortigen Güterbeförderers Schneider von einem noch im Gang befindlichen Eisenbahnwagnr erfaßt, unter die Schienen geworfen uub gelötet worden.
— Ein Frankfurter Rentner, der früher in Australien lebte, kam dieser Tage in eine Frankfurter Wechselstube, um ein in seinem Besitz befindliches Wiener Kommunal-Los in den Vcrlosungslisten Nachsehen zu lassen. Zu seiner nicht geringen Freude hörte er, daß das Los mit 50,000 Gulden gezogen war. Aber ein kleiner Tropfen Wermut fiel doch in den Freudenbecher, denn das Los war schon im Jahre 1884 gezogen worden, der glückliche Gewinner hätte den Trester schon vor 8 Jahren einziehen können und erleidet somit jetzt einen Zinsvcrlust von über 20 000 Mark, wäs ihn begreiflicherweise heftig ärgerte.
Darmstadt, 13. März. Der Großhcr- zog ist heute Nacht um 1 Uhr 15 Min. gestorben. (Ludwig IV., Großherzog von Hessen und bei Rhein, war am 12. Sept. 1837 geboren.
Darmstadt, 13. März. Soeben findet ein großer Familienrat statt. Die Anordnungen über die Beerdigung, die wahrscheinlich am Donnerstag auf Rosenhöhc stattfindet, sind noch nicht bestimmt getroffen. Ob der Kaiser kommt, hängt von dessen Gesundheitszustand ab. Der Givßherzog von Baden wird bestimmt erwartet. Im Neuen Palais drängen sich Damen und Herren der Hofgesellschaft in Trauerklcidung, um sich in eie aufliegenden Listen einzuzeichncn. In der Siadt ist eS still, die öffentlichen Gebäude, vereinzelte Privathäufer, die Hof- lieferanten-Läden zeigen Trauerfchmuck. Die Aufbahrung erfolgt wahrscheinlich Dienstag. Dem Publikum ist der Zutritt gestattet.
Darmstadt, 13. März. Die Proklamation des regierenden Großherzogs Ernst Ludwig erschien soeben als Extrablatt des „Darmstädter Anzeigers", Nach der Einleitung und Verkündigung de« Todesfalles heißt es: Wir erteilen den Ständen, den Beamten und LandcSsngehörigen die Versicherung, daß wir uns die Handhabung von Recht und Gerechtigkeit angelegen fein lassen, die Verfassung hoch hatten, dem Kaiser und Reiche die von unseren Vorfahren erwiesene Treue bewahren werden. In einem zweiten Erlasse wird eine zwölfwöchige Hoftrauer an- gevrdnel.
Darmstadt, 14. März. Die Leiche de« Großherzog« ist in Gencralsuniform seit heute früh im Audienzsaale deS neuen PailaiS ausgestellt, sie wird von drei Uhr Nachmittags ah dtt Besichtigung sreigezebcn. Die Stadt
verordneten hielten heute 11 Uhr eine Trau« Versammlung ab, in welcher Beigeordneter Riedlingcr in einer Ansprache der Trauer um den Vertust des LaudeSherrn Ausdruck gab und der Sorge des Verstorbenen für das Gedeihen Darmstadts dankend gedachte. — Tie Offiziere der hessischen D'vision legen auf acht Wochen Trauer an.
Darmstadt, 14. März. Die Bcißtz- ungSfeierlichkeiien finde» Donnerstag elf Uhr statt. Als Vertreter deS Kaisers kommt Ge- nerallieutenant von Wiilich in Begleitung des Oderstlieutenants von Scholl. Der Vorstand der zweiten Kammer stattete soeben den Trauerbcsuch bei der großberzogiichen Familie ab. Beide Kammern Tagen am Donnerstag, »m die Adressen an den Großherzog zu beraten.
Berlin, 14. März. Der Kaiser ordnete für den verstorbenen Givßherzog eine dreitägige Armeetrauer an. DaS erste Hessiich; Infanterieregiment und das erste Gardereg. zu Fuß, ä, In suits dessen der Verstorbene stand, legen achlägige Trauer an.
— In Groß-Nenguth bei Blomberg sind infolge zu frühzeitigen Schtießens der Ofenklappe der Bühnenmeister Reumann, dtssen Ehefrau und einzige Tochter an Kohlendunst erstickt.
— (Ein Gardist als Millionenerbe ) DaS 4. Garderegiment z. F. in Spandau hat, wie dem „A. f. d. H." mitgetcitt wird, einen Millioncnerben aufzuweisen. Der Gefreite Mumm von der 5. Kompagnie ist der glückliche, der demnächst in den Wsitz von 2 Millionen Mark gelangen soll. Erblasser ist ein Großonkel seiner Mutter, der vor einigen Jahren in England gestorben ist. Der Soldat, sowie die übrigen, m ist entfernten Verwandten des Toten, die gleichfalls Erben sind, Hallen von ihrem Glück keine Ahnung. Der Kommandeur eines hessischen Regiments, bei dem der Bruder des Spandauer Erben dient, las den Ausruf zur Ermittelung der Erben GoldonkclS in den Blättern und hat daraus das Weilerere veranlaßt. Die reichen Erben sind von Hause aus blutarm. Bisher ist die große Erbschaft noch nicht eingetroffen.
— Selbstmord aus einem Maskenballe. Ein erschütterndes Ereignis hat in Bologna die Lustbarkeit deS großen Maskenballes, welcher am Faschingdienstag zum Abschluss- der Karnevalssreuden in den prächtigen Räumen des Isutro oomuuLls stattfand, unterbrochen. Als der bunte Maskcnjchwarm unter den Klänge» eines rauschenden Walzers gerade am ausgelassensten durcheinander schwirrte, krachte plötzlich dicht bcim Orchester ein Schuß, und eine hohe, in einen schwarzen Domino gehüllte Männergestalt stürzte, von einer Kugel in die Brust getroffen, zu Boden, während die Pistole gleichzeitig auf die Erde stet. ES wurden die Wachen und Acrzte Herbeigerusen und Wiederbelebungsversuche eingestellt, bald aber mußte der Tod d:S Selbstmörders konstatiert werden. Ein Brief, den man in der Tasche des abgetragenen RockcS, den der Selbstmörder trug und den Schäden der Domino verhüllt hatte, fand, gab Ausschluß, indem sich in diesem Schleiden die Frau des Selbstmörders enlschicdeu weigcrle, zu ihm zurück- zukchren und mit ihm am Huiigertuche zu nagen, statt herrlich und in Freuden wie jetzt mit einem Anderen zu leben und Maskenbälle zu besuchen u. s. w. In Fotze dessen