Rundschau.
Stuttgart. Die Beeidigung der Truppen bat am Donnerstag den 8. Oktober stattge- funde».
— Seine Majestät der König haben durch Allerhöchste Ordre vom 7. d. MlS. Allerhöchst Ihren bisherigen persönlichen Adjutanten Rittmeister Bieber ü lu suits des Dragoner Regiments Königin Olga Nr. 25 zum dienstlhuende» Flügeladjutanten Allergnädigst zn ernennen geruht.
Stuttgart, 9. Okt. Prinz Heinrich von Preußen ist gestern nachmittag 4 Uhr 5 Min. von Darmstadl her hier eingetroffen und wurde von S. M. dem Könige, der preußische Gardehusarenuniform trug, Prinz Hcrr- mann zu Sachsen Weimar, Herzog Albrccht, den Prinzen Wilhelm, Bernhard und Ernst von Weimar, dem Herzog Wilhelm u. Fürst Karl von Urach u. der Generalität empfangen.
Stuttgart, 9. Okt. Ankunft des Kaisers. Wenige Minuten nach 9 Uhr ist gestern abend Kaiser Wilhelm auf dem hiesigen Bahn- Hofe eingetroffen. In seiner Begleitung befanden sich außer den bereits in letzter Nummer genannten Offizieren: Generalarzt Dr. Leuthold und Wirkt. Geheime Rat v. Kidcrlen- Wächter. Zum Empfange des Monarchen hatte sich S. M. König Wilhelm, umgeben von Herzog Albrecht, Prinz Heinrich von Preußen, Großfürst Michael, den Prinzen Herrmann, Wilhelm und Ernst zu Sachsen- Weimar, Herzog Wilhelm und Fürst Karl von Urach eingefunden, Außerdem waren anwesend: die Generalität, die Staatsminister, das diplomatische Corps, die Hofchargen, zahlreiche Offiziere der verschiedensten Grade, der Stadldireklor, der Oberbürgermeister und der DürgerauLschußobmann. Die beiden Monarchen umarmten sich wiederholt und küßten sich herzlich; auch die übrigen Fürstlichkeiten wurden vom Kaiser frcundlichst begrüßt. Kaiser Wilhelm trug die Generalsuniform seines württembergifchen Infanterieregiments; der schon viefach besprochene rötlich-blonde, kurz zugeschnittcne Vollbart verleiht dem Angesichte des Monarchen ein frisches und kräftiges Aussehen. König Wilhelm war in der Uniform seines Potsdamer Garde-Husarenregiments erschienen. Nach erfolgter Vorstellung des Gefolges verließen die beiden Monarchen, begleitet von den Fürstlichkeiten und den übrigen hohen Herrschaften, den K. Wartcsaal und begaben sich sofort nach dem Wilhelmspalast. Hier begrüßte I. M. die Königin Charlotte den Kaiser, worauf alsdann das Souper eingenommen wurde, an welchem die hier anwesenden Fürstlichkeiten tcilnahmeu. Für die Herren des Gefolges war Marschallstafel befohlen worden. — Der Leibjäger des Kaisers trug den riesigen Lorbcerkranz mit Schleife, welchen der hohe Herr aus Berlin für den Sarg weiland S. M. des Königs Karl milgebracht hat. Gestern nachmittag hatte schon Generaladjutant Generallicutenant v. Lindcquist im Auftrag des Kaisers und der Kaiserin einen prachtvollen Kranz lebender Blumen am Sarkophage niedcrgelcgi. — Ein nach mehreren Tausenden zählendes Publikum hatte sich vor dem Bahnhofe eingefunden und bildete hinüber bis zum Schlosse Spalier. Den königlichen Wagen vorauf ritt eine Eskadron des Ulancnregimentö König Karl.
Stuttgart, 9. Okt. Unter der rührenden Teilnahme aller Bevölkerungsklassen
wurde König Karl zur letzten Ruhe bestattet. Bei der Trauersiier im Marmorsaal standen der Kaiser, die Königin und Prinzeß Friedrich in erster Reihe, dann der Großherzog von Baden, Erzherzog Friedrich, Prinz Lud' wig von Bayern, Prinz Heinrich, der Großfürst Michael, des Herzogs Philipp Familie und die würtlembergischen Prinzen. Als der Sarg auf den Leichenwagen gehoben wurde, ertönte von einer Militärkapelle ein Choral. Hinter dem Leichenwagen schnlt> n der Kaiser und der König, Großfürst Michael u. Erzherzog Friedrich, Prinz Heinrich, der Groß- hcrzog von Baden, Prinz Ludwig von Bayern und die übrigen Prinzen, die Generale, Hof- chargcn, die Minister, daS diplomatische Corps, die Offiziere, Deputationen von Städten, der ständische Ausschuß und die Beamten. Die Stadtgarde cröffnete den Leichenzug, die Ulancnkapelle spielte einen Traucrmarfch. Auf dem Wege, den der Leichenzug passierte, mögen 100,000 Menschen entblößten Hauptes gestanden haben. Während der Sarg in die Kapelle getragen wurde, erklang die Orgel. Artilleriesalvc» ertönten, als der Sarg in die Gruft gesenkt wurde. Alle hohen Herrschaften begaben sich in die Gruft, wo während des Gesanges des SingchorcS die Einsegnung der Leiche erfolgte. Der Trauerrede lag der Text zu Grunde: „Der Herr dein Gott ist bei dir, dein starker Heiland."
Stuttgart, 9. Okt. Die Trauerfcier verlief bei prachivollem Wetter. Nach derselben fand ein Dejeuner im Schlosse statt, an welchem alle fremden Fürstlichkeiten teilnahmen. Um 5 Uhr folgt ein großes Diner. Der König hat für den 18. Oktober eine allgemeine Totenfeier angesetzt. — Königin Olga, die leidend ist, war der Begräbnisfeier ferngeblieben.
Stuttgart, 10. Okt. Am heutigen Tage sind es 27 Jahre, daß I. Majestät die jetzt regierende Königin Charlotte das Licht der Welt erblickt hat. Zu Natiboritz in Mähren ward sie am 10. Oktober 1864 als älteste Tochter des jetzt Nachod residierenden Prinzen Wilhelm von Schaumburg-Lippc und der Prinzessin Bathildis von Anhalt geboren.
— Die Stadl Stuttgart hat die in Marbach vorhandenen Wasserkräfte mit den von denselben betriebenen Werken um die Summe von 270 000 gekauft und zwar die Neckarmühle um 123 000 die Schcllcn- berger'sche Sägmühte um 62 000, je ohne Inventar, die OUmühle von Conz (ohne Einrichtung) zu 85,000 ^ Die betr. Betriebe sind vorerst verpachtet, weil die Ausnützung der Wasserkräfte erst in einigen Jahren erfolgen soll.
Stuttgart. Der „Oberfchwäbische Anzeiger" weiß von hier zu melden, daß in einer hiesigen Familie wie das ja auch schon anderwärts der Fall gewesen ist, eine Verlobung zurückging, worauf der aus all'feinen Himmeln gestürzte Bräutigam nicht weniger als 1700 c/A als Entschädigung für die seiner Braut gemachten Geschenke und die „Rcisespesen von Nürnberg" hierher verlangte. Auf den „Flügeln der Liebe" scheint der Scladon somit nicht hierher geeilt zu sein, sondern sehr prosaisch per Eisenbahn. Ob die glücklich Entloble an dem praktischen Bräutigam viel verliert?
Ebingen, 8. Okt. Während von Pfeffingen schon vor einiger Zeit gemeldet wurde, daß dort wegen Pocken, roten Flecken u. s. w. die Schulen geschlossen werden mußten,
kommt heute die Nachricht von Gammcrtingen, daß dort Scharlach und Diphtheritis Schrcck-.n und Angst in jeder Familie verbreiten, da diese Krankheiten inmitten der Kindcrwcll schon übergenug Opfer gefordert haben. Die Schließung der Volksschulen, der Kinderbe- wahranstalt, sowie der Industrie- und Sonntagsschule seitens des K. Oberamts ist daher bereits vorgestern angeordnet worden.
Neue 20-Markstücke, welche das Bildnis des Kaisers im Vollbart tragen, sind bereits geprägt und zuerst von der Reichsbankst-lle in Posen ausgegcben worden. Wie ein Berichterstatter meldet, werden diese Goldstücke mit einem Agio von 1—2 pro Stück gehandelt.
— (Rettung vor dem Gerichtsvollzieher.) Dieser Tage erschien in der Mendelssohnstraße zu Berlin jein Gerichtsvollzieher bei einem Kaufmann, um eine Pfändung vorzunehmen. Der Beamte traf nur die Ehefrau des Schuldners an. Als er zwei auf dem Tische liegende Zwanzigmarkstückc pfänden wollte, ergriff die Frau dieselben und verschluckte sie vor den Augen des Gerichtsvollziehers. Die Folgen dieses selsamen Appetits machten sich aber alsbald bei der Frau bemerkbar, es stellten sich so heftige Schmerzen im jMagen ein, daß ein Arzt geholt werden mußte, der die Uebcrführung der Patientin nach dem Krankenhause anordnete. Dort dürfte e« hoffentlich gelingen, der Frau das Geld, das ihr so schwer im Magen liegt, wieder herauSznholen.
Treuen in Sachsen, 8. Okt. Die Frau Webwarenfabrikanten Bauer hier hat zwei ihrer Kinder, Mädchen im Alter von 7 und 6 Jahren durch Erhängen getödtet und sich dann selbst umzubringen versucht. Sie wurde noch lebend gefunden und von. der Polizei zunächst dem Krankenhause übergeben.
— Auch eine Stiftung. In Toulouse ist eine alte wunderliche Dame gestorben, welche der Volksmund wegen ihrer Sucht, die Engländerinnen nachzuäffen, „Madame Miß" getauft hatte. Sie vermachte ihr ganzes Vermögen, 7—8 Millionen, einem Unternehmer oder Forschungsreisenden, der eine Karavane von mindestens 500 Mann weiter, als bisher Europäer gedrungen sind, in die afrikanischen Einöden führt. Nur dann kann aber der Unternehmer seine Ansprüche auf die Millionen geltend machen, wenn er wenigstens die Hälfte feiner Mannschaft mit heiler Haut und gesund nach jFrankreich zurückbringt.
— Ein alter russischer Militär schildert in einem Briefe an den „Grashdanin" aus Paris die Eindrücke, welche er daselbst empfangen hat. Der Briefschreiber erklärt, die russischen Sympathien der Franzosen seien keineswegs ein Erzeugnis sorgfältiger Erwägung, dieselben würden nur auf den Lippen getragen als Ausfluß einer fröhlichen Stimmung. Ernst fei es ihnen damit nicht; dagegen habe die instinktive, unbesiegbare Furcht der Franzosen vor Preußen eine sehr ernste Bedeutung. Diese Furcht dränge der Franzosen zu Rußland. Die französischen Soldaten seien in Uniform gesteckte Bauern, sie sähen aus wie eben aus dem Krankenhaus Entlassene. Der Mangel an Reinlichkeit falle in die Augen; außerdem mangele e« an geistiger Erziehung, an Kühnheit und an körperlicher Kraft.
London, 6. Okt. Der erste Lord des Schatze«, Smith ist soeben gestorben,