Der: MüchMng.
Erzählung aus dem amerikanischen Grenzerleben. Non B. Förster.
Nachdruck verboten.
1 .
Zwei Reiter hielten vor dem Zaunthor einer kleinen Farm, die am Deer Creek (Hirschbach) im westlichen Dxas gelegen war.
„Hollah", rief der jüngere von ihnen, indem er über den Kopf seines kräftigen Mustangs hinweg nach dem einfachen Wohn- hause spähte, „wo steckt denn nur heute die ganze Wirtschaft? Sticht einmal dieser gelbe Teufel, der kleine Alvarez, den Mister Fel- bert irgendwo am Rio Grande aufg lesen hat, scheint zu Hause zu sein. Vielleicht werden wir da nun gleich weiter reiten müssen, Sheriff, meinen Sie nicht?"
„Nein" erwiderte der Angercdete, der im Gegensatz zu dem kerndeutschen Typus s incS Gefährten sich durch sein schartgeschnilteneS knochiges Gesicht, in welchem namentlich die Hellen forschenden Augen ausfielen, als ein Angehöriger der amerikanisch-angelsächsische» Rasse offenbarte, aber die deutsche Anrede ebenfalls in corrcctem Deutsch beantwortete, „denke, 's wird schon jemand zum Vorschein kommen, Hab' da hinten 'ne Gestalt gesehen."
Ohne Weiteres zog er einen Revolver aus dem Gürtel und feuerte einen Schuß in die Wipfel der knorrigen Rieseneichen ab, die hier als die lctzieu Ausläufer des ttxani- schen Waldes um die Farm hernmstanden. Die Wirkung dieser echt hinterwäldlerischen Anfrage zeigte sich sofort, denn ein junger Bursche i» der malerischen Tracht der unteren mechanischen VolkSklasjcn stüizte hinter dem Blockhause hervor und schwang eine Büchse in der rechten Hand, während ein mächtiger Wolfshund an ihm vorbeisetzte, und unter wütenden Gebell wie rasend an den Zaunstangen, welche die Farm umgaben, emporsprang. Kaum hatte jedoch der junge Man» die Reiter erblickt, als er dem Hunde gebot, sich zurückznzichcn, und dann öffnete er daS Zaunlhor, um nun die Gäste fröhlich in einem Kauderwelsch von spann-schen, englischen und deutschen Ausrufungen zu begrüßen.
„tlusuo, busuo I" lachte der jüngere der Reiter, langsam sein Tier vorwärts treibend, welchem Beispiel der Aeltere folgte, „aber nun sog' uns auch, Aivarcz, ob dein Herr zu Hause ist, was allerdings nicht der Fall zu sein scheint, denn sonst würden wir ihn doch schon zu sehe» bekommen haben."
Der junge Mexikaner nickte mit dem kraushaarigen Haupte und entgegnete in seinem gebrochenen Englisch-Deutsch:
„Aeje, Jese, der Scnnvr Adolfs sein sortgeritlen, wollen aber bald wicdcrkommen, bitte, SennoreS, steigen Sie doch ab, sein der Kaffee gleich fertig und werde ich auch für die Pferde sorgen."
„Hm", brummte der von seinem deutschen Begleiter mit „Sheriff" Angcrcdete, der also die gewichtigste gerichtliche Persönlichkeit der Gegend war, „weiß nicht, ob ich absteige» soll, denn wenn Mr. Felder! nicht zu Haus ist, nützt mir ja auch daS Absteigen nichts, wollte ihm nur einen Antrittsbesuch machen und —"
Die weiteren Meinungsäußerungen des würdigen Beamten wurden durch den Ausruf des Mexikaners „Ola, da hinten kom
men Sennor Adolfo l" unterbrochen, und zugleich stürmte der Wolfshund mit mächtigem Frcudeng-cheul einem Reiter entgegen, der jetzt vor der Farm erschien.
Der Ankömmling war Felbert, der Besitzer der kleinen Ansiedelung, eine jugendliche kräftige Erscheinung mit offene» ansprechenden GcsichtSzügen, in welchen sich eine gewisse Ueberrafchung wiedcrspiegclte, als der junge Mann die beiden Fremden vor seinem Blockhause gewahrte. Rasch stieg er, den Hund mit feinen ungestümmcn Freudenbezeugungen lächelnd abwchrend, vom Pferde, einem wirklich prachtvollen Schimmel, und schritt, indem er die Zügel dem herbeispreng- endcn Alvarez überließ, den inzwischen gleichfalls von ihren Tieren gestiegenen Fremden entgegen.
„Ah," rief Felbert beim Näherkommen aus, sich zu dem jüngeren der beiden Männer wendenv und demselben die schon zum Gruße auSgcstreckte Rechte herzlich schüttelnd, während er zugleich den Andern mit einer verbindlichen Neigung deS Hauptes begrüßte, „mein deutscher Lancsmann und nächster Nachbar, Herr Ried ! Sie baden sich längere Zeit nicht bei mir blicken lassen, darum seien Sie mir heute in meiner Junggcsellenwirtschaft doppelt willkommen, um so mehr, als Sie mir daS Vergnügen gemacht haben, noch einen Gast mitzubiingen."
„Muß sehr um Entschuldigung bitten, Mistcr Felbert," sagte der Amerikaner, „daß ich mich ohne Weiteres bei Ihnen eingeführt habe, aber mein Amt bringt dies so mit sich, denn ich bin der County-Sheriff Boxion uns wollte bei Ihnen gewisse Erkundigungen ein- zichen. Sic wohnen ein bischen abseits vom Wege und Mr. Ried war so freundlich, nachdem ich ihn darum gebeten, mit mir zu Ihnen hcrauSzureitcn, damit ich nicht etwa in eine falsche Richtung geriete."
„Seien Sie mir ebenfalls bestens willkommen , Mister Baxton," crwicderlc der Hausherr, dem Beamten die Hand reichend, „ich freue mich, als einer der jüngsten Ansiedler im County nun auch Jbre Bekanntschaft machen zu können. Aber, bitte, meine Herren, kommen Sie herein, Alvarez wird die Pferde schon besorgen."
Felbert trat mit feinen Gästen, gefolgt von dem Wolfshund, in das geräumige, einfach ansgcstattete, aber sehr sauber gehaltene Wohngemach des Blockhauses, und lud die Besucher zum Sitzen ein. Da sie indessen die Annahme des von Alvarez rasch fertig gemachten Kaffees al'lehnten, so bewirtete sic Felbert mit einem guten Whiskey, den sich auch die beiden Gäste schmecken ließen. Nachdem Baxton sein Glas durch einen kräftigen Zug fast geleert, sagte er, sich zu Felbert wendend :
„Gestalten Sie mir nun eine Frage! Haben vielleicht Sie oder Ihre Leute in den letzten Tagen einen verdächtigen Kerl bemerkt, der sich hier in der Nähe herumgeirieben, etwa gar bei Ihnen vorgesprochen hat? Nicht? Hm, das ist doch wirklich seltsam
.Indessen, ich will mich über diese
verdammte Geschichte nicht noch weiter ärgern, nur möchte ich Ihnen mittcilen, daß ein miserabeler Gauner, ein gewisser Clay, der wegen netter Geschichten in unserm Courtty- gcfängnis zu Wilmingtvu saß, neulich Nachts auSgcbrochen ist, und da er besonders als Pferdedieb eine berüchtigte Vergangenheit be
sitzt, so wollte ich eben die Ansiedler im Westen des County warnen. Denn der Kerl wird sicherlich nach Mexiko oder auch hinüber nach Arizona durchbrennen wollen, daß er aber dies nicht thnt, ehe er nicht wnig- stenS den Versuch gemacht hat, einige unserer besten Gäule im County milzunchmen, darauf könnte ich einen heiligen Schwur leisten. Habe schon bei Mr. Ried und einigen anderen von den Ansiedlern hier hcrnmgehorcht, da aber keine Spur von dem Flüchtling auf- zufindcn ist, und da auch Sie, Mr. Felbert, nicht Verdächtiges gespürt haben wollen, so sitzen wir zunächst noch hübsch auf dem Sand, was das Einfangen dieses Gauners anbetrifft."
„Wir?" lachte der Deutsche, hem Sheriff das Glas wieder füllend, „wir sitzen nicht auf dem Sande, sondern zunächst scheint mir vielmehr unsere Connlypolizei auf dem Trockenen zu sitzen, und wahrscheinlich ist dieser gefürchtete Clay schon längst jenseits des Rio Grande in Sicherheit."
„Nein, nein," protestierte Boxton eifrig, „das glaube ich nimmermehr, und passen Sie nur auf, Gentlemen, ob sich der Schuft nicht gerade Ihnen in unangenehme Erinnerung bringen fwird! Besonders Sic, Mr. Felbert, haben sich in Acht zu nehmen, Ihre Farm ist auf Meilen nach Westen zu die letzte. Ich calculiere stark, daß der sehr ehrenwerte Mr. Clay sich bei Ihnen verproviantieren möchte! Auch haben Die einen famosen Schimmel, — wirklich, Sir, möchte 'ne Wette riskieren, daß Sie das Tier keine acht Tage mehr Ihr Eigentum nennen werden !"
„Danke, danke," lehnte Felbert ab, „ich wette überhaupt nicht, im klebrigen brauchen Sie aber wegen meiner Wenigkeit keine Besorgnisse zu hegen. Wir sind hier unserer drei, neben mir mein mexikanischer Diener Alparez, auf den ich mich unbedingt verlassen kann, auch wenn ich ihn nicht aus den Händen der blutdürstigen Commanchen errettet hätte, und daun ein Landsmann von mir, Franz Hitler, der mir beim Feldb-- stellen und auch in den Hausarbeiten tüchtig mit zur Hand geht; zufällig ist er heute hinüber nach dem Store (Laden) von Per- kius geritten, um neues Riemenzeug zu holen. Jedenfalls ist immer Einer von uns anwesend, im Notfälle sehen Sie aber hier in dem braven Rollo" — Felbert streichelte dabei den mächtigen Kopf des neben ihm liegenden WolfhundcS — „einen ausgezeichneten Wächter des Hauses. Das Tier hat ordentlich Menschenverstand und ich könnte den Rollo getrost tagelang zum Schutze der Farm allein lassen I"
„Well, well", nickte bedächtig der Sheriff, sich erhebend und auch Ried stand von seinem Sitze aus. „Jedenfalls sind Sie gewarnt, ich aber will heute Abend wieder in Wilmington fein, d'rum möchte ich Sie bitten, unsere Pferde vorführen zu lassen, denn ich sehe, daß Mr. Ried mit hcimreitcn will."
Felbert entsprach sofort dem geäußerten Wunsche und Alvarez brachte die Pferde der beiden Gäste, welche, nach kurzem Abschiede von dem Hausherrn, ihre Tiere wieder bestiegen und bald im Walddnnkel verschwanden, während Rollo, den der Besuch aufgeregt zu haben schien, den Fremden die rauhen Töne seiner Baßstimme nachsandte.
(Fortsetzung folgt.)
ihrr»,ttw*rtt»chtk rtte»attcur: Berntzaro H « s » ann.) Bruck und Verlag von Bernhard Hosmann ln Wrldbad.