Aus gefährlicher Bahn.
Novelle von H. v. Ziegler.
Nachdruck verboten.
12 .
„Und nun gehen Sie nach Hanse, K-," sagte sie dann freundlich, „grüßen Sie Ihre Hannah von mir, und denken Sie an den Allmächtigen, der wird Ihnen helfen aus aller Not!"
Nach einmal drückte Kuno die weiche, feine Hand der Gräfin in der seinen, noch einmal atmete er schwer, dann sagte er ge- greßt:
„Frau Gräfin, Sie habe» einen neuen Menschen aus mir gemacht, — ich danke Ihnen und werde nie vrrgessen, wie gut Sie zu mir, dem schlimmen Menschen, gewesen sind, zu mir, dem ein jeder im Dorfe aus dem Wege geht."
„Und den Malhow?" frug sie freundlich, nicht wahr, den entlassen Sie und lassen sich nicht mehr von seinen bösen Worten verführen? Versprechen Sie es mir, Kuno, hier in meine Hand I"
Der junge Mann that es.
Als die Gräfin gegangen war, starrte Kuno noch lange der lieblichen Gestalt nach, dann strich er sich laut aufstöhnend über das wirre Haar und seufzte:
„Und wenn ich ein Graf und er ein Bauer wäre, würde sie doch nur ihn lieben," murmelte er vor sich hin, „ja, das ist wahre Liebe! Aber der Mathow sagte doch, die Reichen könnten nicht lieben oder doch nur ihr Geld! Der Mathow ist ein Lügenpro- phet. Nein, sie ist ein Engel und — um ihretwillen will ich anders werden!"
Er schritt dahin und wieder trat seine Not, sein Elend vor ihn hin.
Wenn nun doch das Geld verloren blieb! Was sollte er thun? Noch einmal borgte ihm Niemand, das wußte er nur zu genau, die Leute zischelten ja jetzt schon Schlimmes über ihn, wenn er ins Wirtshaus kam und Branntwein trank.
Als sein Vater noch lebte, hatte er keinen Branntwein zu trinken gewagt, trotz aller Aufforderungen des Malhow, aber nun that er es täglich, und aus dem Feuerwasser rieselte etwas wie einschläfernde Betäubung in Kuno's ruheloses zerrissenes Gemüt.
Anch er haßte den roten Mathow, auch er wußte nur zu genau, daß Mathow ein Lügenprophet und nicht ehrlich war, indes der Mensch hatte ihm gedroht, ihn wegen Wildfrevel anzuzeigen, wenn er ihn nicht wieder in Dienst nähme, und so hatte den» Kuno die Zähne aufeinander gebissen und ihm die frühere Stelle wi.derg:geben.
Jetzt wandte sich der malerische Bergpfad nach rechts. Der finstere Wanderer achtet? nicht auf den wildromantischen Zauber, der ihn umgab, als Kuno jedoch plötzlich Menschenstimmen in ziemlicher Nähe vernahm, stutzte er und lauschte.
«Ich glaube es nicht, Wessel, daß eres ist; Sie täuschen sich vielleicht doch, denn ich kenne ihn seit Jahren und kann es nicht glauben," hörte Knno eine ihm bekannte Stimme sagen.
„Herr Graf, meine Beweise sind stichhaltig und ich würde niemals einen Menschen beschuldigen, wen» ich nicht ganz bestimmt von seinem Vergehen überzeugt wäre," erwiderte daraus eine kräftige Stimme.
Drüben aus dem Lärchenwäldchen traten soeben zwei Männer, Graf Rudolf von Schwarzbach und sein Förster Wessel, letzterer das Gewehr lässig in .der Hand haltend.
Kuno zuckte im ersten Moment bei dem Anblick der beiden Männer zurück, doch es war zu spät, er konnte sich nicht mehr verbergen und so blieb er wie gelähmt stehen.
„Da ist er," sagte aber auch schon im nächsten Augenblicke der Förster Wessel „er kann sich selbst rechtfertigen, gnädiger Herr, wenn es ihm möglich ist. Kuno Kornman», kommen Sie einmal näher."
Wieder erfaßte der alte Groll und Trotz den jungen Mann; sein Antlitz ward finster, und er blieb wortlos an der Stelle stehen, wo er sich befand.
„Kuno," begann jetzt auch Graf Schwarzbach und trat ihm einen Schritt näher, „es ist mir lieb, Dich hier zu treffen, um eine ernste Sache mit Dir zu besprechen, die sich hoffentlich anders verhält, wie mir berichtet wird."
„Ich höre, Herr Graf!" antwortete Kuno.
Der Ton seiner Stimme klang unheimlich und drohend, auch Graf Rudolf fühlte sich peinlich davon berührt, fuhr jedoch ruhig fort:
„Man beschuldigt Dich, seit Jahren in meinen Wäldern Wildfrevel verübt zu haben und — ich kann es nicht glauben."
„Wenn sie meinen, Herr Graf, daß ich >n „Ihren" Wild geschossen habe, so verhält es sich allerdings so, aber ich."
„Sie hören es ja, gnädiger Herr," unterbrach der Förster ganz entrüstet die kaltblütigen Worte Kornmanns.
Hastig wandte sich Graf Schwarzbach an Kuno mit den Worten:
„Und Du wußtest nicht, das dies ein Verbrechen, ein Diebstahl an meinem Besitztum war?"
„Ein Verbrechen, ein Diebstahl?" frug Kornmann schneidend. „Das Weib ist frei und für alle Menschen erschaffen und nicht allein für die Reichen. Gehört die Luft, die man atmet, der blaue Himmel dort oben auch nur den Vornehmen ? Nein, Herr Graf, wir niedrig Geborenen wollen auch unser Teil an den Menschenrechten haben und der Tag wird kommen, wo die Armen Rechenschaft fordern werden von den Reichen für alle Unbill und Ungerechtigkeiten, die sie erdulden mußten seit Jahrhunderten schon."
Wütend fuhr der Förster in die Höhe und schrie:
„Der Mensch ist wahnsinnig, oder er spielt mit uns Komödie, Herr Graf! Wilddieberei und Menschenrechte, wie räumt sich dies zusammen? Wie kommt dieser Mensch, dieser Kuno Kornmann, der von seinem Vater ein stattliches Bauerngut ererbt hat, dazu, den Armen, den Unterdrückten zu spielen ?"
Aber Graf Rudolf blickte nur traurig in bas zorngerötete Antlitz deö ehemaligen Jugendgefährten und sagte fast mitleidig:
„Armer Kuno! Sie habe» Dich bethörl und verführt und Tein Gemüt Vergiftet mit aufrührerischen Schlagwörteru."
„Haha die vornehmen können eS natürlich nicht hören, wenn man ihnen die Wahrheit sagt," keuchte Kuno hervor, „aber es ist doch so, wie ich sagte — und eines Tages
wird es keine Herren und keine Diener mehr geben, sondern es werden alle gleich sein —"
„Du hast recht, Kuno, wenn wir gestorben sind — droben im Himmel hören die Unterschiede auf; da sind wir vor Gott alle gleich — anch Du und ich!"
„Nein, schon hier auf Erden soll Alles gleich sein, wir wollen nicht auf den Himmel warten," fuhr Kuno im hohen Grade erregt fort. „Aber Graf Schwarzbach, wenn der Tag anbricht, an dem die Armen den Reichen den Krieg erklären, — dann stehen auch wir uns gegenüber, Aug' um Auge, Zahn um Zahn!"
Furchtlos trat der junge Gutsherr dem Wütenden gegenüber, dessen blutunterlaufene Augen aus den Höhlen zu quelle» schienen.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
(Der Mensch in Zahlen.) Ein berechnender amerikanischer Physiologe giebt über die Zusammensetzung des menschlichen Körpers folgende Daten au: Derselbe enthält 150 Knochen und 500 Muskeln; das Gewicht dcS Blutes eines Erwachsenen beträgt etwa 15 Kilogramm. Das Herz hat gewöhnlich 15 Centimrter im Durchmesser; cs schlägt in normalem Zustand ungefähr 70mal in der Minute, 4200mal in der Stunde, 35,792,000mal im Jahr. Jeder Schlag befördert 44 Gramm Blut, 2030 Gramm in der Minute, 132 Kilogramm in der Stunde und 58 lls Zentner au einem Tage. Sämtliches Blut des Kmpers geht in drei Minuten durch das Herz, und unsere Lungen enthalten im normalen Zustande 5 Liter Luft: im Durchschnitt jedoch armen wir 1200mal in der Stunde, wozu wir 300 Liter Luft verbrauchen. Die Haut besteht aus drei Lagen, deren Dicke von 6 Millimeter bis 3 Millionen wechselt. Jeder Quadratcentimeter Haut enthält 12,050 Schweißröhrchen oder Poren; ihre Gesamtlänge im ganzen Körper beträgt 50 Kilometer.
(Zur Frauensragc.) I» Wien wird — wie mau uns schreibt — die Gründung einer Aktiengesellschaft geplant zur Errichtung einer Setzerinncnschule, Frauenbuch- druckerci und Vcrlagsanstalt, jedenfalls nach dem Muster der Lettevercinsdrnckerei in Berlin. An der Spitze deS Komites steht der Schriftsteller Arthur Korn. Das Aktienkapital soll 40,000 Gulden, eingetcilt in 2000 Anteilscheinen von je 20 Gulden, betragen, für ein solches Unternehmen und am Wiener Platze eine etwas geringe Summe.
(Der schlaue Fritz) Vater: „Jetz werd ich Dich mal ordentlich durchhamn, . Dummer Junge, was schaust Du mich so an?" Fritz: „Ja, weßt Du, Papa, in der Naturgeschichte steht; Einem gereizten Löwen muß man voll und scharf in's Auge schauen — daun ist er großmütig, wedelt und geht davon I
.-. (Die Macht des „Neuen.") Man schreibt aus Heidelberg: Ein jedenfalls vom „Neuen" etwas aufgeregtet fremder Herr entkleidete sich in der Nacht zum 4. ds. M. nicht zwischen den üblichen 4 Pfählen, sonder» unter dem freien Nachthimmel. Als man sich seiner erbarmte, war inzwischen aus dem „Lustspiel" ein Trauerspiel geworden: seine Kleider waren gestohlen.
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.