Ans gefährlicher Bahn.

Novelle von H. v. Ziegler.

Nachdruck verboten.

3 .

Genug," unterbrach den Trotzkopf hier der Graf sehr ernst,ich befehle Dir zu schweigen und werde genau untersuchen, durch wen diese erbärmlichen Ansichten unter die Bewohner meiner lieben Heimat gekom­men sind. Es taugt nun einmal nichts, wenn der Herr lange von daheim fort bleibt. Komme doch bald einmal aufs Schloß, K.," fuhr er dann, sich augenscheinlich mäßigend fortich will Dir meine Wirtschaft zeigen und wir sprechen dann über manches Andere zusammen, waS sich hier im Walde nickt so erörtern läßt. Adieu, Kuno! Nun, bist Du ein solcher bitterer Feind von uns Adeligen, daß Du nicht einmal meine Hand schütteln willst?"

Kuno sah bei den vorwurfswollen Worten dem ehemaligen Jugendgefährten in die Augen und etwas wie tiefe Beschäm­ung ergriff ihn, als er Graf Rudolfs ernsten, liebevollen Blick traf; schweigend faßte er die dargebotene, wohlgepstegte und doch kräf­tige Hand des Grafen und schüttelte sie wärmer, als er zuerst beabsichtigt.

So ists recht, alter Junge!" sagte der Gutsherr lächelnd.Vergiß nickt, daß Du in allen ehrbaren Angelegenheiten an mir stets einen treuen Freund haben sollst, Kuno, und »un leb' wohl, auf Wiedersehen!"

Das schöne Pferd des Grafen gallop- pierte die Landstraße entlang und immer noch stand Kuno Kornmann i» tiefe Ge­danken versunken an derselben Stelle; wie wie aus weiter, weiter Ferne tauchte die Vergangenheit vor seiner Seele auf und un­willkürlich wurde sein Auge feucht.

Sollte er mich wirklich noch lieb haben?" murmelte der junge Mann leise vor sich hin,er, der hochgeborene Graf den schlichten Bauer?"

Eine Hand legte sich in diesem Augen­blick schwer auf Kunos Arm, ein häßliches Lachen klang in sein Ohr, und als er sich umwandte, stand ein kleiner, stämmiger, rothaariger Mensch dicht neben ihm und blickte ihn lauernd an.

Hab' all die schönen, lieben Worte des Herrn Grafen gehört, zischelte der An­kömmling boshaft,und mich gefreut, daß sie an Dich gerichtet waren, Kuno, denn Du glaubst Doch gewiß keine Silbe davon, nicht wahr? Aber die Junker und Geldprotzen liebäugeln jetzt mit uns, dem Volke, und werfen uns süßen Köder zu, damit wir blind bleiben, wie bisher, haha, und sic weiterleben lassen wie bisher in Saus und Braus. Sie wollen ewig genießen und wir sollen ewig darben. Hahaha?"

Ich glaube, Mathow, Du irrst Dich in Graf Rudolf. Er wenigstens scheint eine Ausnahme unter den Vornehmen zu machen, und es nicht unaufrichtig zu meinen."

Oho, was denkst Du, Kuno?" höhnte Mathow,Graf Rudolf ist ein Adeliger wie alle andren ! Vielleicht ciu bischen klüger und freundlicher als seine Genossen, aber wohl nur so lange es ihm paßt; fordert ihn erst einmal auf, einen Teil seines Eigentums an die Armen abzugeben und ihr werdet sehen, daß er ebenso unverbesserlich habgierig und böse ist wie jeder Reiche."

" Verantwortlicher Nedakteur: Bern

Wenn er wüßte," bei diesen Worten neigte sich der Rothaarige ganz nahe zu K-, daß Du erst vorige Woche drunten auf der Thalwiese ein Reh geschossen hast, würde er Dich sicher noch in dieser Stunde dem Ge­richte anzeigen."

Das sollte er wohl bleiben lassen," knirrschre der junge Mann, jetzt wieder in Heller Wut, ich schösse ihn über den Haufen wie einen tollen Hund; hätte ich jemals den alten Grafen im Walde allein begegnet ich würde Rechenschaft verlangt haben über jedes böse Wort, jede Drohung, die er gegen mich geschlendert."

Ihr Armen kämet aber doch nie durch, Kuno," warf scheinbar gelassen Mathow die Worte hin,denn vor Gericht bekommt Ihr doch nicht Recht."

Komm nach Hause, Mathow," grollte Kuno, ohne auf die letzte Bemerkung etwas zu erwidern,es wird Zeit zum Nachtessen, und jetzt im September nehmen die Tage schon sehr ab."

Der alte Bauer Kornmann stand rauch­end in der Thür seines Hauses; in den Ställen und auf dem Hofe regte sich bereits abendliche Thäligkeit und wohlgefällig nickte der Besitzer dem Treiben zu. Sein Bauern­hof war, wenn auch keiner der größten und wohlhabendsten, so doch ein recht stattlicher Besitz, welcher dereinst schuldenfrei auf seinen einzigen Sohn Kuno übergehen sollte. Frei­lich machte ihm dieser seit einiger Zeit wenig Freude durch sein finstre«, wortkargens We­sen, sein Umherstreifen im Walde und das Vermeiden der jungen, muntern Altersge­nossen im Dorfe.

Kornmann hatte gemeint, durch die Ver­lobung mit Hannah werde sich Kuno wieder ändern und so offen, fröhlich und fleißig werden wie früher. Doch dem war leider nicht so. Der junge Mann betrachtete seine Verlobung mit der hübschen und braven Base Hannah nur als ein notwendiges Fa­milienabkommen, um dem Bauernhöfe eine tüchtige Hausfrau zu geben, fand es jedoch für völlig überflüssig, ihr auch nur die ge­ringsten Beweise von seiner Liebe nur Zu­neigung zu geben. Statt dessen verkehrte Kuno ziemlich häufig mit dem häßlichen rot­haarigen Knechte Mathow, den der alte Bauer seit dem Winter aus Barmherzigkeit in Dienst genommen hatte, denn Mathow war in be- mitleidensweriem Zustande damals auf den Hof gekommen.

Auch jetzt sah der alte Kornman» seinen Sohn mit Mathow zusammen heimkehren, und seine Stirn runz-lte sich in tiefem Un­mut, der noch zunahm, als pllötzstch, kurz vor dem Thorc, Kuno und Mathow sich trennten, und der eine tie vordere und der andere die Hintere Thürehereintraten, offen­bar in der Absicht, um dem alten Bauern ihren gemeinsamen Ausgang zu verheimlichen.

Wo bist Du gewesen, Kuno?" frug Kornmann den Sohn ziemlich kurz,ich habe schon längst auf Dich gewartet, denn Graf Rudolf war hier und wollte Dich so gerne sprechen."

Ich bin ihm begegnet, Vater, droben an der Landstraße, wo der Bergweg abbiegt und habe mit dem Herr» Grafen gesprochen," erwiderte Kuno rasch.

Na, das freut mich I Es ist ein präch­tiger junger Herr! Ganz das Gegenteil des

har» Hosma n'kt.) Druck und Verlag von B t

hochmütigen, seligen Grafen; na, man soll den Toten nichts nachtragen I Dafür wird Graf Rudolf ein um so besserer Gutsherr sein, der ein Herz für seine Untergebene hat und edle Gesinnungen hegt. Uns hat er gar noch die alte Anhänglichkeit aus den Knabenjahren bewahrt. Gott segne ihn!"

Er ist auf Urlaub hier?" frug Kuno.

Ja, aber in ein paar Jahren will er den Militärdienst quittieren, den bunten Rock an den Nagel hängen und ganz auf Schloß Schwarzach wohnen, um seine Güter zu be­wirtschaften. Es ist auch das Beste, meine ich, denn das Auge des Herrn sieht immer am besten, wo etwas fehlt. UebrigenS Kuno, Du bist schon wieder mit dem Mathow zusammen auSgcgangen! Weißt doch, daß ich es ein für allemal nicht leiden mag."

Ich, Vater? Ihr irrt Euch wohl?"

Ader der alte Bauer ballte zornig die Faust und rief mit drohender Stimme:Was, lügen willst Du, Kuno? Hat das Dein Vater Dir gelehrt oder dort der verwünschte rothaarige Kerl? Hab Euch miteinander kommen sehen und auch recht gut bemerkt wie Ihr Euch vor dem Hofihor trenntet und einer hier, der andere da herein schlüpfte; das sag ich Dir, Kuno, wenn Du Dich zu sehr mit dem rothen Kerl einläßt, jage ich ihn nächster Tage davon, so brauchbar und tüchtig er auch sonst bei der Arbeit ist- Merk' eS Dir und nun komm znm Nachtessen!"

Der Tisch im Wohnzimmer war schon gedeckt, an jedem Platze stand ein Teller und lag ein Löffel, inmitten befand sich Brot und Butter, und jetzt trat auch ein hübsches, frisches Mädchen ein, die dampfende Suppen­schüssel in den Händen; sie sah einfach und sauber aus und ihre blauen Augen strahlten vor Vergnügen beim Erblicken Kunos, der sic jedoch nur mit einem kurzen Kopfnicken begrüßte.

Es war Hannah, Kunos Verleite, und offenbar wartete sic auf eine Ansprache seiner- erseitS, die jedoch ausblieb.

Wo kommst Du her, Kuno?" frug sie endlich, das Schweigen unterbrechend, ich habe Dich den ganzen Tag nicht ge­sehen."

Ich war auswärts," anwtortete er kurz und blickte nicht einmal zu dem Mädchen hinüber.

Sie errötete schmerzlich und wandte sich seufzend ab.

Der alte Bauer sah es, sein Gesicht ver­finsterte sich noch mehr und er sagte ver­drießlich:Nun komm! znm Essen! Es ist Zeit "

Während der Mahlzeit wurde nicht gar viel gesprochen, nur einmal wendete sich der alte Kornmann urplötzlich an den Knecht Mathow mit der scharfen Frage:Hast Du etwa gehört, Mathow, ob sich ein Wilddieb hier herum gezeigt hat? Unser Herr Graf meinte, sein Förster versicherte bestimmt, vorige Woche in der Nacht einen Schuß ge­hört zu haben; auch sei ein Rchbock ver­schwunden. Sollte das erbärmliche Gesindel auch zu uns sich verlaufen?"

Mathow sah nicht zu Kuno hinüber, sondern blickte fest den Bauern an und ent- gegnete kaltblütig:Habe nichts gehört, Bauer. Wo sollte denn auch hier ein Wil- derer Herkommen? Der Herr Graf thut nicht gut daran, die ehrlichen Leute im Dorfe zu verleumden." (Fortsetzung folgt.)

rnhard Hofmann in Wildbatz.