Der Krmrpsiiin mieMillion.
Criminalnovelle von W. Roberts.
Nachdruck verboten.
29.
Bald darauf meldete der Diener Mr. Ralph Lockwell bei Frau Lund an, und wenige Sekunden darauf trat der Freier mit von stolzen Hoffnungen strahlendem Antlitze ein.
„Ich darf wohl eine günstige Antwort erwarten, liebste Taute," sagte Ralph im liebenswürdigsten Tone und küßte der Dame die Hand.
„Zu meinem großen Schmerze kann ich Ihnen aber keine solche erteilen, lieber Affst," erklärte Frau Lnud mit Würde, „Elisabeth lehnt Ihre Werbung mit Bedauern häßlichst und entschieden ab."
Einen Augenblick stand Ralph ganz bestürzt vor Frau Lund, dann warf er sich aber stolz in die Brust und rief: Lehnt Elisabeth auch dann meine Werbung ab, wenn ich Ihnen sage, daß Onkel BurnS diese Verbindung wünscht, und daß er mich morgen zu seinem Universalerben einsctzen wird?"
Der Wunsch des verehrten Allan Burns und die fürstlichen Rejchtümer, die er Ralph Lockwell zu vererben gedachte, mackte einen großen Eindruck auf Frau Lunds Herz und sie sagte sehr verbindlich:
„Unter diesen Umständen, bitte ich Sie, lieber Nesse, meine vorigen Worte nicht als Meinen endgiltigen Bescheid ansznnehmen, ich werde vielmehr nochmals mit Elisabeth Rücksprache nehmen und hoffe Ihnen in einigen Tagen eine günstige Antwort übcr- bring>n zu können."
»Ich hege dieselbe Hoffnung," erwieerte Ralph und empfahl sich mit verbindlichem Gruße für Frau Lund und deren Töchter.
Als Ralph die Treppe hinunter ging, murmelte er aber wütend zwischen den Zähren: „In wenigen Tagen bin ich eine Partie, um welche sich die ersten Bürger- jamilnn des Landes reißen wer.en und jetzt Verschmäht mich dieses hochmütige Mädchen, die nicht so viel V,rmögen besitzt, als ich dereinst monatliche Einkünfte haben werde. Elisabeth, Elisabeth übertreibe Deinen Hochmut nicht, Ou könntest sonst nm eine bittere Erfahrung reicher werden." —
Am andern Vormittage trippelte Ralph Lockwell unrnhig im Empfangszimmer von Allan Burns auf und ab und erwartete sehnsüchtig die Ankunft des Notars, der des Onkels Testament zu seinen Gunsten einsctzen sollte. Das Kommen des Notars schien sich indessen zu verzögern nnd Ralphs Unruhe steigerte sich. Da endlich kam Fernand mit feste», eiligen Schritten die Mar- mortrcppe herauf, und als ein Diener den Antömmling anmelden wollte, rief dieser ihm
zu:
„Ich wünsche nicht angemeloet zu werden, meine Stellung zu Mr. Allan BurnS macht die Anmeldung überflüssig."
Der Klang dieser Stimme fuhr Ralph durch Mark und Pein. Wer war die Person , die draußen so gebieterisch sprach?! Jetzt öffnete sich die Thüre und die hohe, stolze Gestalt eines jungen Offiziers stand vor Ralph, der wie Espenlaub zitterte und keines Wortes mächtig war.
„So finde ich Dich gleich hier, elender
" BerautwöNlichee Redakteur: Bern
Schurke!" herrschte der Offizier, der kein Anderer als Richard Johnson selbst war, den bebenden Ralph an. „Geh' mir ans de» Augen, Du Verräter, und meide den Boden dieses Landes, wenn Du nicht als Fälscher nnd Erbschleucher gebrandmarkt werden willst."
„WaS giebt es da draußen?" rief jetzt Allan Burns im Nebenzimmer und starrte erstaunt ans die Scene, welche sich vor seinen Augen abspielte.
„Ich habe hier kurzer Hand einen Schurken abgefertigt, der mich mit niederträchtiger List nach Indien geschickt und offenbar bei Dir schmählich verleumdet hat, lieber Onkel," erwiderte der junge Offizier, „aber ich bin nun selbst gekommen, nm mich zu rechtfertigen."
„Du ? ! — Richard ? ! Du mein geliebter Neffe bist cs ? I" schrie jetzt der Greis vor lauter Freude. „Du bist also kein Verbrecher, kein Mörder, wie mir jener Bube mit tenstffche» Künsten vorgespiegelt hat."
„N in, und tausendmal nein !" fagte Richard mit überlauter Stimme, „wie könnte ich sonst die Osfizicrsuniform der englische» Armee tragen!"
Zärtlich schloß Allan Burns den wie- dergefundencn N fstn in die Arme, zog ihn in sein Zimer, nötigte ihn Platz zu nehmen nnd ihm seine wunderbaren Erlebnisse zu erzählen.
„Das Böse, was der Elende gegen mich im Schilde führte, hat durch Gotteö wunderbare Fügung zu meinem Besten gedient," so begann Richard seine Erzählung und schilderte nun seine seltsamen Erlebnisse dem erstaunt aufhorchendcn Onkel. Aber Richard hatte seinen Bericht noch nicht vollständig beendet, so stürzten zwei Damen unangemeldet in das Zimmer und die jüngere von ihnen rief:
„Um Gottes willen Onkel, begehe kein himmelschreiendes Unrecht und verstoße R. Johnson nicht. Ricbard lebt und ist ein Ehrenmann, ein Held in des Val rlandes Diensten. Hier sind die Beweise I"
Die Damen waren Frau Lund und ihre ToLIer Elisabeth, welche des Obeist Mn- ray's nnd Richards Briefe brachten, die der erste dem Briefe an seine Frau beigelegt hatte.
„Ich glaube Dir von Herzen, liebe Elisabeth," erwiderte Allan Burns n. Thräncn der Rührung traten ihm in die Angen. „Hier ist ja auch schon der lebende Zeuge dafür, daß Alles, was Richard Euch schrieb, wahr ist und Alles, was der elende Ralph erdichtete, Lug und Trug war."
„Richard I" — Elisab-thl" erklang es jetzt im lauten Freudenschrei und Richard nnd Elisabeth flogen einander in die Arme.
„Benutzen wir diese weihevolle» Minuten und segnen den Hcrzensbnnd des jungen PaarcS," sagte Allan Burns feierlich, und so geschah es Von seiner nnd Frau LnndS Seite.
„Aber kläre »ns doch »och auf, warum Du selbst eher nach London kamst als Dein Brief?" frng Elisabeth ihren Verlobten.
„Das ist sehr einfach," erwiderte Richard, „auf besondere Verwendung deS Obersten Muray erhielt ich zwei Tage nach Abgang der Briefe vom General einen drei-
haro Hof mann.) Druck und Verlag von B k
monatlichen Urlaub und eilte auf einer kürzeren Linie von Indien nach England."
So blieb trotz Ralph's Ränke Richard Johnson doch der Universalerbe seines reiche» Onkels und wurde mit Eljjabeth Lund ein glückliches Paar, während Ralph mit seiner Mutter im Auslände verschollen sein Leben verbrachte.
— Ende. —
Verschiedenes.
— Ein sördcrsamer Mitarbeiter. Aus Paris, 24. Aug., schreibt man: Der hiesige ehemalige Krämer Durand beabsichtigte, eine Geschickte deSKrämergewerbcS herauSzngeben. Er beauftragte daher seinen Mitarbeiter, einen hiesigen Gymnasiallehrer Greffe, in holländischen und englischen Bibliotheken Stoff für das Werk zu sammeln und gab ihm 4000 Francs R-isegcld mit. Einige Monate darauf befand er sich in einem Tanzlokale des lateinischen Viertels und sah zu seinem Erstaunen unter den Tänzern Herrn Greffe, den er in Holland glaubte. Herr Durand verklagte nun seinen Mitarbeiter, der Paris gar nicht verlassen hatte, wegen VertrauenSmißbrauchs, und Herr Greffe wurde in Abwesenheit — vielleicht ist er jetzt »ach Holland abgereist — zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt.
— Ei» RiescnhauS befindet sich in der Wiener Vorstadt Wieden. Es zählt 1500 Zimmer, 13 Höfe und 13 Treppen; cö beherbergt 2112 Personen aller Klassen. Das Haus hat einen Briefträger für sich allein. Wie viele Romane mögen sich alljährlich in diesem einzigen Hanse abspielen I
— Der soeben erschienene Kalender des „Lahrer Hinkenden Boten für 1891" kann wie seine Vorgänger auf den Namen eines wirklichen Volksbuches Anspruch mache». Es haben auch diesmal einige der hervorragendsten deutschen Schriftsteller Beiträge beigestcuert, die aber alle in echt Volkstümlichen'Geiste gehalten sind. Von Albert BÜrklin, dem jüngstverstorbenm edlen Volks- frcund, finden wir eine sehr lehrreiche Geschichte „Zweierlei Wirtschaft," Jltlius Grosse behandelt ein echt-deuffches Thema in „Die Lust am Wald", Anglist Silberstein führt uns in seiner „Nikolobescherung" in die österreichischen Berge und Hermann Heiberg erzählt eine interessante Hundcgeschichle „Knip- perdolling". Außer diesen enthält der Kalender aber noch eine ganze Reihe unterhaltender Erzählungen, Schwänke, Anekdoten n. s. w. Der Lesestoff ist mit großem Geschick znsammengestellt und nichts ist ausgenommen, daS man nicht ruhig in jedermanns Hände geben könnte. Die Weltbegebenheiten werden wie immer knapp nnd erschöpfend, vor allem aber volkstümlich dargestellt. Außerordentlich reich ist der von bekannt,» Künstlern geschaffene Bilderschmuck. Dem Kalender liegt ein Wandkalender bei, der zugleich Trachtenbild ist. Bekanntlich erscheint der Kalender auch in einer umfassenden! Ausgabe als „Großer Volkskalender" des Hinkenden Boten. Hier treten zu den genannten Erzählern noch Gerhard v. Amyntor (Der Professor und sein Hund), Heinrich Seidl (Die Wirtin von Borna»), Ernst V. Wol- zogen (Die Choleracigarre) n. a. Auch der große Volkskalender verdien! in jeder gebildeten Familie eine Heimstätte zu finden.
r nhakü Ho smann in Mldbaü.