Der Kampfnm eineMillwn.
Criminalnovelle von W. Roberts.
Nachdruck verboten.
17 .
„Auf welche Weise soll sich dieser Wunsch so rasch für Dich erfüllen, Ralph? Allan Durns ist nicht der Mann danach, um den verschwundenen Neffen Richard. Johnson so ohne Weiteres aufzugeben und Dich zu seinem Universalerben einzusetzen."
„Aber wenn der verschwundene Neffe aus fernem Lande dem Onkel anzeigt, daß er eines entehrenden Verbrechens wegen niemals in das alte Vaterland zurückkehren kan» und dem Onkel selbst rät, sich einen würdigeren Erben unter seinen übrigen Verwandten zu suchen, was bleibt dann dem alten Onkel noch zu thun übrig?"
Mit einem anfflammenden Blicke starrte bei diesen Eröffnungen Madame Lockwell den Sohn an.
„Ist das auch wahr, was Du da sagst, Ralph?" frug sie dann scharf und suchte dessen innerstes Denken zu ergründen.
„Wahr, natürlich ist cs wahr!" entgeg- nete der verschlagene Jntriguant, „und was noch wahr ist, muß ich wahr zu machen suchen. Du wirst ja bald Näheres erfahren, Mutter, denn die Wirkung von Richard B. an den Onkel kann nicht ausbleiben."
Wohl wurden durch diese Worte Ralphs nicht alle Besorgnisse im Herzen von Madame Lockwell zerstreut, aber, sie faßte doch Wieder Hoffnung, daß es dem verschlagenen Sinne Ralphs noch gelingen werde, seine habsüchtigen und ehrgeizigen Pläne durchzn- setzen und der Universalerbe des Millionärs zu werden.
4. Kapitel.
Die Erfolge des Jntriguanlen.
Mit klopfenden Herzen trat Ralph am Nachmittage deS darauffolgenden Tages in das des Onkels, doch cs war nicht nur die Hoffnung auf das baldige Gelingen seines Ränkespieles, welche seinen Puls beschleunigte, sondern eS überkam ihm auch manchmal ein böser Argwohn, daß, sein falsches Lugenwerk doch durch irgend einen Zusän entdeckt und es dann um ihn geschehen sein werde. Aber diese Besorgnisse wichen, so oft sie auch in Ralphs Gemüt auftauchten, vor seinen kaltblütigen Berechnungen doch immer wieder zurück, und er hoffte schließlich mit Sicherheit, durch die Absendung des gefälschten B. an Allan Burns, einen Hauplstreich erfolgreich gelhan zu haben, und war nun gekommen, um diesen Hauptstreich noch weiter auszubeuten.
„Haben Sie heute morgen den Brief besorgt, den ich meinem Onkel gestern zu geben vergessen hatte?" frag Ralph den Portier beim Eintreten in das Hans.
„Jawohl, auf das Beste ist es geschehen, Mr. Lockwell," beteuerte der Mann.
„Sonst ist im Hause nichts Neues vor- gefallcn?"
„Ich wüßte nichts," erwiderte der Portier, „nur erzählte mir der Kammerdiener, daß unser Herr heute von einer ganz auffälligen Traurigkeit ergriffen worden sei. Der Kummer um den verschwundenen Neffen scheint heftiger als je a» seinem Herzen zu nagen."
„Nun in dieser Hinsicht muß sich mein " Aerantw örtlicher Redakteur: Bern
Onkel keinem übertriebenen Grame hingeben. Ich habe Nachrichten von Richard Johnson soeben empfangen, und beeile mich sie dem Onkel zu überbringen."
„Richard Johnson lebt also!" rief der Portier freudig erregt. „Wie wird sich Herr Burns freuen, so gute Nachrichten überfeinen Neffen zu empfangen I"
„Gute Nachrichten sind es im klebrigen gerade nicht, die ich von Richard dem Onkel bringe," meinte Ralph Lockwell und sein Antlitz verdüsterte sich. „Richard Johnson ist wohl am Leben, aber er befindet sich in bedenklichen Umständen. Doch schweigen wir davon, es kann uns Allen nicht angenehm sein, daß von einem Verwandten unrühmliche Dinge in die Welt hinansposaun! werden."
Eilig ging jetzt Ralph hinauf zu Allan BurnS. Beim Eintritte des jungen Mannes saß der Greis mit gefalteten Händen in einem Lehnstuhle und blickte wehmütig dem Ankömmling entgegen.
„O Gott, was ist vorgefallcn, lieber Onkel?" rief Ralph, als er den Greis in so großer Traurigkeit erblickte. „Sind Sie krank, lieber Onkel, so wollen wir doch gleich einen der ersten Acrzte der Hauptstadt herbeiholen lassen."
„Ich bin nicht krank," erwiderte Allan Burns mit leiser Stimme, „mich hat aber eine entsetzliche Nachricht, die ich heute Vormittag von Richard erhielt, schwer getroffen."
„O, Richard hat sJhnen also auch geschrieben und ich habe auch einen Brief aus Port-Said von ihm empfangen. Hier ist der Brief, bitte, lesen Sie ihn!"
Mit zitternden Händen griff der Greis nachdem Schreiben, welches Ralph für seinen schändlichen >Zweck natürlich auch gefälscht hat. Allan BurnS las nur die ersten Zeilen des Briefes und sich dann eine Thräne aus den Augen wischend sagte er zu Ralph Lockwcll:
„Bitte, lesen Sie mir den Brief vor, lieber Neffe, meine Augen schmerzen und das Lesen wird mir heule schwer, aber lesen Sie leise, denn selbst die Wände sollen die Schande Richards nicht hören."
Ralph las halblaut Folgendes:
„Mein lieber Ralph!
Verdamme und verabscheue mich nicht ganz, wenn Du düsen Brief liest. Wegen einer Handlung, d>e mir im Vaterlande die Achtung aller Mitbürger rauben würde, sobald ich als der Thäter bekannt würde, habe ich England heimlich verlassen. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, entfernte ich mich unter einem falschen Namen und Stande in London, es geschah dies dadurch, daß ich die LegitimationSpapiere von einem soeben angeworbenen Soldaten, dessen Regiment nach Indien geht, mir anzncignen wußte und unter d>mNamen „William Hntting" bei dem 13. Infanterie-Regiment eintrat. Wir befinden uns jetzt auf der Fahrt nach Indien und werden in ungefähr drei Wochen in Lahor, unserem wahrscheinlich ständigen Garnisonorte einlrefsen. Dorthin müßtest Du auch unter dem Namen, „William Hntting" einen Brief an mich adressieren, falls Du mich eines solchen überhaupt noch für würdig erachten solltest.
Da ich unter diesen Umstände» niemals
hard Hosmann.) Druck und Verlag von B e
nach England zurückkehren und die Hoffnungen, welche mein edler Onkel Allan Burns auf mich gesetzt hat, erfüllen kann, so bitte ich Dich herzlichst, ja ich beschwöre Dich, dem ehrwürdiegn Greise, meinem lieben Onkel, das zu ersetzen, was er an mir für immer auf so schändliche von mir verschuldete Weise verloren hat. Thue, wenn es Dir vergönnt ist, was Du nur immer vermagst, lieber Ralph, und dem Onkel die letzten Lebenstage zu verschönern und ihm den bitteren Kummer, den ich Elender ihm bereitete, vergessen zu machen. Mein Wunsch ist eS, die Zeit, für welche ich angeworben bin, beim Soldatenstande zu bleiben und später will ich, wenn nicht die Kugel oder der Speer eines Feindes meinem elenden Dasein eine Ende macht, mich in einen entlegen Erdminkel Indiens znrückziehen und dort mein Leben beschließen. An den Onkel Allan Burns habe ich in ähnlichem Sinne geschrieben.
Port-Said, am 23. April 1876.
Richard Johnson."
„Der Brief hat denselben traurigen Inhalt wie derjenige, dni Richard an mich schrieb," erwiderte Allan Burns und seufzte tief. „Ich wünsche übrigens, daß Sie diesen Brief auch lesen, lieber Neffe," fuhr der Greis dann nach einer Pause fort: „Denn Sie haben ja den Inhalt Ihres von Richard empfangenen Briefes mir auch anvertraut und sind bereits in Alles eingeweiht, ich kann Ihnen daher in der jammervollen Angelegenheit nichts mehr vorenthallen. Hier lesen Sie den Brief!"
Allan Burns zog das Schreiben ans seiner Rocktasche hervor und übergab es R. Der cs scheinbar mit großem Interesse und unter den Zeichen erheuchelter Ucberraschung las und nochmals las. Dann sagte Ralph:
„Wollen wir keinen Versuch machen, lieber Onkel, um Richard aus seiner peinlichen Situation zu befreien. Sein Vergehen ist Vielleicht gar nicht so ehrenrührig und strafwürdig wie er annimmt."
„Wenn wir in einem Lande lebten, wo durch Bestechungen (und Beeinflussungen geschehene Dinge ungeschehen gemacht werden können, dann würde es sich vielleicht lohnen, Schritte zu thun, um dem leichtsinnigen R. nicht die schweren Folgen für sein Vergehen für das ganze Leben tragen zu lassen. In England sind dergleichen ungesetzliche Dinge aber nicht möglich und mit vollem Rechte. Jeder Verbrecher auch der leichtsinnige, jugendliche muß nach Erreichung eines gewissen Alters für sein frevelhaftes Thun voll und ganz verantwortlich gemacht werden, denn so erfordert es die Gerechtigkeit und deshalb muß auch Richard die Folge seiner Handlungsweise tragen. Schritte für seine etwaige Strafbefreiung kann und will ich daher nicht thun, zumal er sich allem Anscheine nach eines sehr schweren Vergehens schuldig gemacht hat. Es ist ja auch gewissermaßen bereits eine große Vergünstigung für Richard, daß es ihm noch gelungen ist, sich durch die Flucht seiner Bestrafung zu entziehen und wir können schließlich auch froh sein, daß uns die Schande erspart ist, Richard Johnson als Verbrecher gefangen gesetzt und abgeurteilt zu sehen."
(Fortsetzung folgt.)
rnhard Hssmann in Wildbad.