Auf Ruhmeshöhen.

Novelle von F. Stöckert.

Nachdruck verboten.

19 .

«Solche Ueberraschung hatten Sie sich wohl heute nicht vermutet!" rief der Com- mcrzienrat, Hoff dabei warm die Hand schüttelnd.

Elvira willst Du nicht dafür sorgen, daß wir ein gutes Glas Wein zusammen­trinken," sagte ei dann.

Meine Zeit ist sehr knapp heute," wandte Hoff ein.

Ach, lassen Sie Ihre Clienten einmal warten, und nehmen Sie Platz!" erwiderte fröhlich der Commerzienrat.

Schwerfällig ließ sich Hoff auf einem Sessel, Hannah gegenüber, nieder. Wie rin Verschmachteter griff er dann nach dem Wein, den ein Diener jetzt kredenzte. Auch Hannah setzte das Glas durstig an die heißen trockenen Lippen. Dann klangen die Gläser zusammcn. Als Hoff mit ihr anstieß, zit­terte ihre Hand so heftig, daß sie das Glas fallen ließ. Klirrend fi lcn die Scherben zu Boden, und an ihrem Kleide rieselte das rote Naß herunter.

Scherben bedeuten ja Glück," sagte Hoff bitter.

Glück?" wiederholte Hannah mit cinem seltsamen Ton, daß Hoff sic betroffen an- schaute.

»Ja, Glück mein Kind!" rief auch der Commerzienrat heiler,Dich glücklich zu machen, soll von nun an wen gstenS meine Hauptsorgc sein, und ich hoff-, cs soll mir gelingen."

Ein düsterer Blick Hofss streift- das sorglos heitere Gesicht des CommerzienratS.

Wer wird denn nun zuerst Hochzeit machen! Wir oder Ihr?" rief Elvira.

Nun, daS Alter hat doch wohl das Vor­recht," meinte der Cammerzienrat.

Gewiß haben Sie das Vorrecht I" sagte Hoff und griff nach seinem Hut.

Auf Nimmerwiedersehn" murmelte er leise, atS er sich vo» Hannah empfahl.

Tief erschrocken sah sie zu ihm ans. Noch eiu wehmütiger Blick Hofss traf sie, bann wandte er sich ralch um.

Elvira geleitete ihn zur Thür hinaus, und als sie dort allein in dem Hausflur standen, umschloß er ?chr zartes Handgelenk plötzlich mit eisernem Griff.

War daS Dein Werk Elvira!" rief er, und Haß und Verachtung leucht te in seinen Augen.

Nenn, Hans, nein ich ich I"

Nun?"

Ich habe blos in PapaS Auftrag mit Hannah geredet, und sie war sofort bereit Papas Braut zu werden."

Und was hast Du ihr von mir ge­sagt?"

Nichts."

Mädchen lüge nicht," er schüttelte ihre zarte G statt, und die ganze zornige müh­sam zurückgehaltene Leidenschaft brach jetzt ans ihm hervor.

O Hans, ich habe wirklich nichts ge­sagt, ich besinne mich nicht."

Nun, es bleibt sich schließlich auch gleich, geschieden sind wir Beide trotzdem -och!"

d""" PerauiwonUcher Redakteur: -Lern

Ohne ein Abschiedswort wandte er sich der Thür zu.

Hans ! Hans, o bleibe doch !" rief ihm Elvira nach.

Aber er hörte nicht auf den Ruf voll verzweifelter Äugst, und sah sich nicht wie­der um nach dem verstörten schreckensbleichen Gesicht Elviras. Dröhnend siel fdic Haus­thür hinter ihm ins Schloß.

Wie ihn draußen Alles anwiderte, daS ganze menschliche Getriebe. O Du AUlags- gesicht des Lebens, ich will Dich nicht sehen, ich will nicht! ich will nicht! So rief eS in seinem Innern. Des Schicksals eherne Stimme hat mir seinErwache!" zugerufen, und ich weiß nun, wohin cs mich führen will, dort hinauf zu jenen lichten Nuhmcs- höhen. Die Rosen der Liebe blühen zwar nicht in der klaren, kühlen Höhenluft, aber euukler Lorbeer rankt sich um weiße Mar­morsäulen, und die Großen der Erde reichen sich zum Geistesbund die Hände, und was unter ihnen liegt, darüber breitet sich die 'Nacht der Vergessenheit. Und dahin wollte er auch sterb.n, ganz sicher! Nur erst hin­aus aus diesen engen Mauern, aus dieser kleinstädtischen Welt.

Vorläufig trieb es Hoff zum Thor hin­aus, in die Einsamkeit der Natur. Seine heißen Blicke ruhten auf einer ziemlich reiz^ lose» armen Gegend. Die Landschaft war flaches Land, hie und da eine dunkle Fich- tengruppe, ein trübes Gewässer, aber Heller Leuzenssounnenschein lag darüber und den Dichteraugen Hofss, die da erwachend um sich schauten, entfaltete auch diese armselige Landschaft heute ihre stillen Reize. Welch eigene melancholische Stimmung lag da über jener Fichlengruppe, die sich dunkel abhob von der leuchtend grünen Saat der Felder. Unter den dunklen niederhängenden Zweigen leuchteten die weiße Sterne von Anemonen hervor, und darüber wölbte sich der blaue weite Himmclsdom.

Hoff wußte es wohl selbst kaum, daß ihm die Thräuen in die Augen traten, als er so das stille Landschaftsbild ui sich auf­nahm. Es war wie eine Dichtung, die in dieser Stunde durch seine Seele zog. Eine Dichtung gewaltig in ihrer Trauer, gewaltig in ihrer erhabenen Einfachheit, und gewaltig in ihrer Eigenart. Der Genius erwachte und begann mächtig seine Schwingen zu regen!

Elvira hatte unterdeß traurige Stunden verlebt. Noch vermochte sie den Gedanken nickt zu fassen, daß Hoff, die in Zorn und Erregung ausgestoßenen Worte wirklich aus- jühren und nicht wieder zu ihr zurnckkehren würde. Und Hannah ? Wie der Gc-' danke an diese die Geister der Jntrigue wie­der lebendig werde» lnß in dem Hirn der jungen Dame. Hannah durfte auf keinen Fall erfahren, wie weit es zwischen ihr und Hofs gekommen, ihr gegenüber mußte sie die glückstrahlende Braut bleiben, und wen» Hoff wirklich nicht zu ihr zurückkchren sollte, dann fand sich vorläufig wohl eine Ausrede, die sein Ferndleiben entschuldigte. War Hannah dann erst verheiratet, dann mochte sie von dem Bruch zwischen ihr und Hoff erfahren, dann war doch für letzteren keine Möglichkeit mehr sich ihr zu nähern, mochte er dann an seiner wahnsinnigen Liebe und Leidenschaft zu Grunde gehen. Ihr sollte eS recht sein I Und sie würde sich ja schließ-

haro Hofmann.) Druck und Verlag von B e

lich auch wohl zu trösten wissen. Vor den Augen Elviras tauchte die kecke Erscheinung eines jungen HusarenosfizierS in roter Uni­form auf. Vor einigen Jahren als Manöver in der Umgegend gewesen, hatte ihr dieser, ein Herr v. Lüzow, sehr die Cour gemacht. Im Herbst war wieder Manöver in Aussicht, dann kam er vielleicht wieder..

Als Elvira nach einigen Stunde» mit bewundernswerter Selbstbeherrschung wieder die Gesellschaft ihres Vaters und Hanuahs aufsuchte, erfuhr sie, daß dieselbe» zunächst eine RUse zu Hanuahs Eltern beabsichtigen, und ihre Begleitung dazu gewünnscht wurde. Sie war natürlich sehr gern bereit dazu, da ja so am besten ihr Zerwürfnis mit Hoff unentdeckt bleiben konnte. Von dieser Reife zurückgckehrt, fand sie einen Brief von dem­selben vor aus Berlin. Er schickte ihr den Verlobungsring zurück, und schrieb ihr, daß er N. auf immer verlassen. Sie möge ihm verzeihen, wenn er vielleicht Unrecht an ihr gehandelt und schloß mit dem Worte Göthes:

ES liegt um uns herum gar mancher Abgrund, den daS Schicksal grub!"

Hans ist auf längere Zeit verreist," teilte Elvira ihrem Vater mit der denkbar harmlosesten Miene mit, und dieser, der ge­rade seinen ersten Brief an Hannah schrieb, welche bei ihren Eller» geblieben , war .so von dieser süßen Beschäftigung erfüllt, daß er diese Nachricht mit der größten Gleich­giltigkeit aufnahm,

So weilte denn Hannah wieder für eine, allerdings nur kurze Zeit in der Heimat, die sie einst voll jugendlichem Mut und Selbstvertrauen verlassen. Wie so ganz an­ders, als sie damals gedacht, hatte sich ihr Schicksal erfüllt! Sie hatte die Liebe kennen lernen, die Entsagung, und was nun vor ihr lag, das erschien ihr wie ein weüer end­loser Weg durch öde gleichmäßige Straßen.

Ans den Fenstern der hohen Häuser blickten alte lebensmüde Gesichter verwundert zu ihr herunter, als wollen sic sie fragen: Was willst Du hier mit Deiner Jugend, hier wo nur das Alter wandelt. Der aber, an dessen Seite sie ging, gehörte hier­her und ihm mußte sie folgen. Ihm hatte sie sich verkauft für schnödes Geld; denn war die Summe nicht ein Kaufpreis zu neunen, die der Commerzienrat Hanuahs Vater gegen geringen Zinsfuß augeboten, um damit einen Teil seiner industriellen Be­sitzungen zurückzukaufen. Das Geld sollte Hannah verschrieben werdeü, es sollte ibrc Morgengabe sein. I» Hanuahs Augen war es der Kaufpreis, der für ihre Jugend, ihre goldene Frechheit gezahlt wurde, und bis­weilen wollte sich ihr armes Herz rebellisch auflehnen gegen diesen schnöden Handel, aber wenn sic daun die glückstrahlenden Gesichter der Eltern und Geschwister sah, versöhnte sie sich etwas mit ihrem Geschick. Vom Morgen bis zum Abend pries man in Han- nahs Eltcrnhause die Güte des Commerzien- rats und auch Elviras Liebenswürdigkeit.

(Fortsetzung folgt.)

Theater-Direktor:

Wahrheit oder blauer Dunste"

Muß sich heute Jeder fragen;

Welche Richtung in der Kunst Kann dem Publikum behagen?"

rnhard Hofmann in WUdbad.