Pfingsten
Wie aus des Himmels Höhen einst hernieder Des großen Goltcs flammendem Fuhr,
So braust im Frühlingssturm er jetzt auch wieder Von Fels zu Meer, durch Garten, Wald und Flur. Wohin sein Wehen aber auch gedrungen —
Da ist kein Wurm, kein Keim, der es nicht spürt, Und alle Fesseln sind im Flug gesprungen,
Von jenem warmem Himmelshauch berührt.
Geist aus der Höhe, voller Licht und Klarheit,
Der so, wie einst, auch heut' noch Wunder schafft, Komm uns zu leiten in das Reich der Wahrheit, Du unermess'ne hehre Gotteskraft!
Durchrausche alle Höhen, alle Tiefen
Der Menschenbrust wie Flut das dürre Land,
Und wo des Glaubens Funken d'rinncn schliefen, Entfache sie dein Hauch zu lichtem Brand!
Schön ist in ihrem Frühlingsschmuck die Erde,
Der heut' der Lerchenchor das Brautlied singt; Doch daß es bald auch Geistesfrühling werde,
Ist unser Bitten, das zum Himmel dringt.
O eilet, eilet Alle, zu erfassen
Den Geist der Pfingsten, der, aus Gott entflammt,
Auf's Neue sich zu uns herabgelafsen
Und heut' aus tausend Blüthenkelchen flammt I
Aus Ruhmeshühen.
Novelle von F. Stöckert.
Nachdruck verboten.
18 .
„Bitte, thue es Hannah," bar Elvira, ,>ich bin ganz einverstanden mit Papas Wünschen, und auch Hans meinte heute, er würde Dich sehr gern als seine Schwiegermama begrüßen."
Ein dunkles Rot stieg in HannahS blasses Gesicht, aber sie duldete es, baß jetzt Elvira ihr den Ring an den Finger steckte, ÜNd sie dann stürmisch umarmte.
„Das hast Du Dir wohl nicht träumen lassen, als Du hier in unser Hans einzogst, daß Du noch meine — Stiefmutter werden würdest!" rief Elvira dabei fast jubelnd. So leicht hatte sie sich die Ausführung ihres kecken Planes kaum gedacht. Nach einem zärtlichen Abschied von Hannah schwebte sie ,daün wieder zur Thür hinails, um, wie sie sagte, dem guten Papa noch die Freudenbotschaft zu bringen, daß Hannah ihr Jawort gegeben hatte.
Elvira flog förmlich die Tnppe hinunter ; in dem Salon harrte ihrer der Com- merzienral. Totenblaß vor Aufregung eilte er ihr entgegen.
„Nun — was bringst Du für Botschaft, Kind; Hannah hat mich wohl abgewiesen, nicht wahr?" rief er erregt.
„Nein Papa, sie war sofort bereit, Deine Gattin zu werden."
„Wirklich? Und Du hast sie nicht zu überreden brauchen?"
„Nein durchaus nicht, allem Anschein war sie schon vorbereitet auf Deinen Antrag. — Aber nun gute Nacht, Papachen, ich bi» totmüde, mich hat die Angelegenheit doch auch recht aufgeregt, und nun fühle ich mich erschöpft."
„Gute Nacht, mein Kind," sagte der Kommerzienrat, und stürmisch zog er die zierliche Gestalt in seine Arme und küßte daS blasse Gesicht. „Dank, tausend Dank 'für diese Freudenbotschaft, Elvira! Hannah
Berantwsrtlicber Redakteur: Bern
mein, wirklich mein? — O Gott, ich kann mein Glück noch gar nicht fassen!"
„Aber Papa so sei doch vernünftig und geberde Dich nicht wie ein verliebter Jüngling," sagte Elvira würdevoll, und ein böses Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie jetzt ein Licht anzündete und sich auf ihr Zimmer begab. Dort stand sie lange sinnend vor dem Bilde ihres Verlobten. Nun mußte also doch seine thörichte Liebe zu Hannah im Winde verwehen und sein Herz sich zu ihr zurückfindcn, zu ihr, die ihn doch so — innig liebte I — — —
Auch Hannah, die sich schlaflos auf ihrem Lager herum warf, dachte iu dieser Srunde an Hoff. Wirre Bilder zogen an ihrem erregten Geiste rorüber. Sie dachte an jene Frau, die sich den Tod gegeben, um ihren Mann aus seiner geistigen Trägheit aufzu- rülteln. Ach vielleicht, wenn seine Liebe zu ihr wahr gewesen, erwachte auch bei Hoff der schlummernde Genius, wenn er morgen erfahren mußte, was da geschehen war. — Der Schmerz, der hoffnungslose, der auch durch ihre Seele zitterte, er hatte wohl die Macht das innerste Sein zu erschüttern, schlummernde Kräfte zu errwecken, und wenn diese Kräfte geistige Größe bedeuteten , dann würden sie auch Blüten treiben. Der Gedanke wäre trostreich und erhebend gewesen, hätte Hannah an Hoffs edele große und nun entsagende Liebe glauben dürfen, Elviras Worte aber, die Hannah dazu gebracht, sich den Ring von ihr an den Finger stecke» zu lassen, ließen dieses kühne Traumbild in Nichts zerfließen.
Hell und sonnig wie ein erstes Lenzes- grüßeu war der neue Tag angebrochen. Mit müden Augen ward von Hannah dieser Morgen begrüßt, und ihr blasses Gesicht sah durchaus nicht bräutlich aus, als sie jetzt dem Commerzienrat gegenüber stand.
Dieser überreichte ihr zum Morgcngruß einen prachtvollen Blumenstrauß und schloß sie sehr bewegt in seine Arme.
Dann kam Elvira und später Nanny und Lilly, welche letzteren Beiden sprachlos
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vor Staunen waren, daß die Gouvernante von gestern heute plötzlich zu ihrer Mama avanciren sollte.
„Unterricht haben wir wohl nun gar nicht mehr?" fragte Nanny.
„Vorläufig mögt ihr Ferien haben," sagte der Commerzienrat, „Ostern aber kommt Ihr nach einer Pension!"
Als Nanny und Lilly wieder fortgegangen waren, sagte der Commerzienrat scherzend zu Hannah:
„Deine Gouvernantenlaufbahn ist nun glücklich zu Ende, Kind, Du warst auch viel zu jung und schön zu diesem trockenen einförmigen Beruf. Neugierig bin ich übrigens, was Hoff für Augen machen wird, über seine junge hübsche Schwiegermama. Du erwartest ihn ja wohl heute Vormittag, Elvira ?"
„Ja, er muß bald kommen," erwiderte diese scheinbar gleichgiltig, aber doch kaum ihre innere Erregung beherrschend.
Ucber Hannahs Gesicht hatte sich eine fohle Blässe gebreitet. Mit Beben dachte sie daran, wenn draußen der wohlbekannte Schritt ertönen würde, dem sie oft mit Herzklopfen gelauscht. — Ach, war nicht Alles nur ein wüster Traum; daß sie hier neben dem Commerzienrat saß, und er sie seine Braut nannte, und Elvira so nervös aufgeregt im Zimmer hin und her lief. — O nein, es war kein Traum, es war harte grausame Wirklichkeit! — Dort stand Hoff ja Plötzlich mitten im Zimmer und neben ihm auf seinen Arm gelehnt Elvira, die vorhin hinausgeeilt war, um ihn zu begrüßen und ihm das frohe Familienereignis zu verkünden. Die Sonnenstrahlen spielten auf Hoffs bleichem Gesicht, aus welchem die dunklen Augen wie geistesabwesend ins Leere starrten. Jetzt trat er näher, mit tonloser Stimme stammelte er einen Glückwunsch, seine Hand umschloß einen Moment die ihre und sein todestrauriger Blick traf sie bis in daS innerste Herz. Jetzt wußte sie es wohl, kein Zweifel war mehr möglich, seine Liebe zu ihr war wahr und aufrichtig gewesen.
(Fortsetzung folgt.)
rnbard Hofmann in Wildbad.
M
sMk" Der Pfingstseiertage wegen erscheint am nächsten Montag kein Blatt. "VW