— Aus Fürth, 7. Mai, meldet man den M. N. N.: Das weitläufige Fabrik- rtabtissement von Ammersdörfer und Haas (Spiegel- und Rahmenfabrik) steht in Brand und ist wahrscheinlich total verloren. Zwei Feuerwehrleute sind verunglückt, einer ist tot.
— Bei einem Brande in der Irrenanstalt Longue-Pointc (Quebec) sollen 150 Personen umgekommen und 100 verletzt worden sein.
— Der britische Schooner „Anna May" ist am 17. April bei Codray an der Cape Vay an der canadischen Küste gescheitert. Nach einer Meldung ertranken der Kapitän und 3 Matrosen.
— Vor den Pariser Geschworenen stand am 6. d. M. eine Frau Namens Högeli, um sich wegen Mißhandlung und endlich wegen Mordes ihres Töchterchens zu verantworten. Die Frau hatte auf dieses Kind einen unauslöschlichen Haß geworfen — aus keinem anderen Grunde, als weil seiner Zeit die Geburt des Mädchens auf den Gesundheitszustand der Mutter von dauernd nachteiligen Einfluß gewesen war. Die Mißhandlungen, welche das arme Kind zu erdulden hatte, waren barbarisch, schrie es nach
Aus Ruhmeshöhen.
Novelle von F. Stöckert.
Nachdruck verboten.
12 .
Elvira eilte ihnen entgegen und war voller Aufmerksamkeit, besonders für Han- nah.
„Gott, wie Du erfroren bist!" rief sie, indem sie ihr dienstfertig den Mantel abnahm. „Warum hast Du nur den Wagen nicht wieder bestellt, Papa?"
„Friedrich muß morgen früh sehr zeitig nach der Bahn fahren, Kind, da muß er auSschlafen, übrigens ging es sich ganz gut, nicht wahr, Fräulein Hannah?" wandte er sich mit vertraulichem Tone an diese.
„Du scheinst nicht so entzückt von dem Heimweg wie Papa," neckte Elvira, „hier erwärme Dich nur erst mit einer Tasse Thee. Willst Du auch cine Papa oder bedarfst Du der innereren Erwärmung nicht?"
„O warum nicht, gicb nur her, Du Schelm. Uebrigens morgen müßt ihr in'S Theater Kinder, die Bartels spielt in der lustigen Operette entzückend, wir haben gelacht bis zu Thränen. Für Lilly war eS freilich nichts. Geh Du nur zu Bette, Lilly, das Mädchen kann ja kaum noch aus den Augen sehen vor Müdigkeit. Wo ist denn Nanny?"
„O die hat sich gleich als Ihr fort wäret, schluchzend in ihre Gemächer verfügt," erwiderte Elvira. „Wir haben uns auch nicht weiter gegrämt, ihre interessanten Gesellschaft entbehren zu müssen, nicht wahr, Hans?"
Hoff stand an seinen Stuhl gelehnt und starrte wie ein Träumender auf die drei Menschen, die so heiter und harmlos miteinander verkehrten, als rauschten nicht die verheerenden Wogen der Leidenschaften in ihrer nächsten Nähe. Er fragte sich, was wohl Elvira im Schilde führen mochte mit ihrem Gebühren, aber erf and keine Antwort darauf. Und nun Hannah, wie sie dort in dem weichem Polster des Fauteuils lehnte, wie Elvira ihr den Thee credenzte, und der
den empfangenen Schlägen, so war eS mit dem Kopf in Wasser getaucht, um so das Geschrei zu ersticken. Infolge der Schläge bildete sich an der linken Schulter eine dauernde Deformation, was die Megäre veran- laßtc, das Kind künftig als das „Kameel" zu bezeichnen. Noch mehr: sie fesselte es in seinem Bett, woselbst das unglückliche kleine Wesen „geknebelt und gekreuzigt" wir ein Zeuge sich ausdrückte, 15 Monate lang zu schmachten hatte. Endlich, als die kleine Marguerite 9 Jahre alt war, wurde sie von dem entmenschten Weib unter ein Kissen gedrückt und mit beiden Händen erdrosselt. Ein Zeuge gab an, daß die Rabenmutter ihr Kind schon früher manchmal unter einem Kopfkissen halb erstickt und sich dann über das Stöhnen deS Kindes lustig gemacht habe. Als sie endlich die Kleine mordete, übertönte sie die letzten Seufzer des Kindes mit dem Gesang eines Gassenhauers von Paulus! Vor Gericht legte das Weib einen unerhörten Cynismlis an den Tag! auf einen Vorhalt des Präsidenten zuckte sie die Achseln und sagte: „Was wollen Sie — ich konnte niemals weinen!" Der Gerichtshof erkannte auf lebenslängliche Zwangsarbeit.
Commcrzienrat ihr galant eine Fußbank brachte, hatte das nicht den Anschein, als wäre sie schon Herrin hier in diesem Hause und nicht die Gouvernante. — Als Elvira sich jetzt zu ihm wandte, faßte er sie gewaltsam. Warum sollte er nicht seine Rolle in diesem tollen Maskenspicl des Lebens, auch mit aller Bravour spielen mit Elvira und Hannah. Der Commerzicnrat war wohl der einzige, der sich offen und cückhaltsloS gab, und ohne Um- und Schleichwege unverrückt auf sein Ziel lossteuerte.
„Nein, wir grämten uns durchaus nicht," bestätigte Hoff jetzt Elviras Ausspruch in Betreff Nanny's. „Es war ja ein reizend gemütlicher Abend, dieser Abend! Morgen wollen wir dann die Bartels bewundern, nicht wahr Schatz."
„Ja und übermorgen ist der Maskenball im Casino, ich habe mir heute schon Costüme angesehen, Du gehst doch auch mit Hannah?" sagte Elvira jetzt heiter.
Natürlich begleitet uns Fräulein Hannah I" rief der Commerzienrat, „die Billets sind schon bestellt für uns Alle."
„Die Eisbahn auf dem schwarzen See ist ja auch eröffnet!" warf Haff jetzt boshaft dazwischen.
Das war wenigstens ein Feld, dem der Commerzienrat fern bleiben mußte. „Sie treiben doch auch den Schlittschuhsport gnädiges Fräulein?" wandte Hoff sich dann an Hannah.
„Ich laufe mit Leidenschchaft Schlittschuh," erwiderte diese, und ein Strahl Heller Jngendlust brach jaus ihren Augen. Der Commerzienrat blickte sie verblüfft an, sie sah plötzlich so fabelhaft jugendlich aus, gar nicht wie eine künftige Fran Commer- zienrätin.
Ucbcr HoffS Züge zuckte ein Lächeln der Befriedigung. Die Maske stolzer Ruhe und Selbstverleugnung war für einen Moment gefallen, und hatte ihm das Antlitz eines jungen lebensfrohen Mädchens enthüllt, in dessen Innern dann doch wohl auch noch jugendliche Empfindungen, durchglüht von Liebe und Leidenschaft, Raum hatten. Mochte
Hamburg, 7. Mai. Die Maurer legten heute die Arbeit nieder. Der Fachverein fordert strengste Abhaltung des Zuzugs. 1700 Zimmerleute streiken; 26 Arbeitgeber bewilligten 140 Zimmerer die neunstündige Arbeit zu 65 --f Lohn. —Auf den Schiffswerften dauert der Streik fort. Die Werftbesitzer verpflichten sich, von den am 1. Mai ausgcbliebenen Arbeitern nur 30 Prozent wicdereinzustellen; die Arbeiter, welche am 1. Mai nicht feierten, arbeiten auf allen Werften.
Brannschweig, 7. Mai. Der Regent, Prinz Albrecht von Preußen, überwies dem Bismarck-Denkmalkomile 1000 ^
— Aus Budapest, 6. Mai, meldet man der Fr. Zig : Zwischen den Sportömen Stern und Kutschenbach, welche sich vorgestern auf dem Turf geohrfeigt hatten, fand heute ein Säbelduell statt, in welchem beide schwer verwundet wurden. Stern führte einen regelwidrigen Hieb aus, was die Zeugen im Protokolle konstatierten. DieAffaire erregt in den hiesigen und den Wiener Sportkreisen großes Aufsehen.
dann das Leben eine Weile noch so fortgehn; die Stunde mußte ja kommen, wo die Masken fielen und das Herz zum Herzen sprechen durfte. Schließlich gab es ja wohl keine Schranken für warmes aufrichtiges Lieben, war kein Hindcrniß zu groß, was Liebe nicht überwände.
Elvira nahm am heutigen Abend den zärtlichsten Abschied von ihrem Verlobten. Als dann auch Hannah sich zurückgezogen, und sie mit ihrem Vater allein war, fragte sie diesen plötzlich neckend, ob sie sollte Fürsprache für ihn einlegen bei Hannah.
„Ja, wenn Du das thun wolltest, Mädchen !" rief der Commerzienrat. „Ich fürchte, ich finde die rechten Worte im Leben nicht, eine Unbeholfenheit und Schüchternheit übermannt mich jedes Mal, wenn ich reden will, ob ich ein Unrecht begehen wollte."
„Laß mich nur sorgen, Papachen, ich werde die Sache schon in's Reine bringen, ich denke, Hannah wird das auch zu würdigen wissen, Dein Gattin zu werden!"
„Glaubst Du, daß sie mich auch ein bischen lieb haben könnte?" fragte der Commerzienrat, indem ein fast jugendliches Rot in seine Wangen stieg.
„O Du bescheidenster der Männer I Warum soll sie es nicht? Du bist noch hübsch und stattlich genug, Du kannst den Jüngsten noch ausstechen."
„Na, wenn auch das nicht, kleine Schmeichlerin, 55 Jahre gehen denn doch nicht spurlos an einem vorüber."
„Man sicht sie Dir nicht an, gewiß nicht, Papachen." Elvira führte ihn vor den großen Pfcilerspiegel.
„Diese ausdrucksvollen Züge, dieses Auge wie ein Flambeau," trillerte sie lustig. Der Commerzienrat sah lächelnd auf sein jSpiegelbild, und fand dann schließlich auch, daß er für seine Jahre noch ganz passabel aussah.
(Fortsetzung folgt.)
Merk's!
Nur der verliert Alles, der den Mut verliert.
Ber»nlw»rtlicher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.