erbrechen. Müller hatte sich aber dem Arm der Gerechtigkeit dadurch entzogen, daß er sich mit einer Trense erhängt hatte. Wie­derbelebungsversuche waren erfolglos.

Ravensburg, 7. Jan. Ein nicht unbe­mittelter Bettler wurde am letzten Sonntag in Nitdcrbiegen von einem hiesigen Land­jäger verhaftet. Bei der Durchsuchung des Bettlers stellte sich laut O. A. heraus, daß derselbe 807 «/E 89 in Gold und Sil­ber, Nickel- und Kupfermünzen bei sich batte. Diese Summe will der Bettler im Laufe einiger Jahre zusammengebettelt haben.

Saulgan, 8. Jan. Durch eine Trauer­botschaft aus der Schweiz wurde eine hiesige Bürgerfamilic in tiefes Leid versetzt. Der 28 Jahre alte, in St. Gilgen im Dienst stehende Kourad Müller von hier verun­glückte beim KicSführen durch Umkippen des Trnhenwagen. Nach 24stündigem qual­vollen Leiden erlag er seiner schweren Ver­letzung.

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Berlin, 8. Januar. Nach der gestern abend 8 Uhr im Sterbezimmcr der Kaiserin Augusta abgehaltenen Traucrandacht, welcher die beiden Majestäten und die übrigen Mit­

glieder der Königlichen Familie beiwohnten, übernahmen 4 Schwestern vom Augusta- Hospital die Totenwache am Sterbelager. Die Ehreuwach im Palais war von den Krongardisten und dem Alexander-Garde- regiment gestellt. Professor Anton Werner nahm eine Skizze von der verstorbenen auf. Von alleik deutschen und fremden Höfen gingen noch gestern abend herzlichste Teil- nahmekundgebungen ein.

Berlin, 7. Jan. Der Reichsanzeiger bringt anläßlich der Mitteilung von dem Hinscheiden der Kaiserin Augusta. wodurch das K. u. K. Haus in die tieste Trauer versetzt worden, einen Lcbensabriß. Der Nachruf schließt:Schwere Prüfungen hatte daS Jahr 1888 über sic verhängt. Das Hinscheiden des geliebten Gemahls, dem sie in allen Lebenslagen treu zur Seite gestan­den, der Tod . des einzigen SohneS und eines hoffnungsvollen Enkels trübten die letzten beiden Lebensjahre, welche sie in Berlin, Babelsberg, Koblenz und Baden-Baden zu- brachle, mit größter Seelenstärke alle Schmer­zen überwindend bis zum letzten Atemzuge ihres reichgeseguctcn Lebens, unendlich thätig, Wohlthaten zu spenden, Notständen abzu-

helfcn, Ihr Andenken wird im Königs­hause und im Lande nie erlöschen."

Karlsruhe, 7. Jan., Wegen vielfacher neuer Erkrankungen im Personal bleibt die großherzogliche Hofbühne bis auf weiteres geschlossen.

Mannheim, 6. Jan. Sämtliche Schulen wurden infolge der Influenza geschlossen. Es sollen hier gegen 10 000 Personen an derselben erkrankt sein.

Mannheim, 7. Jan. Wegen Influenza mußte auch das Hoftheatcr geschlossen wer­den.

Brüssel, 7. sJan. Die Z-Henbcsitzer haben die Vorschläge der Bergleute kurz zu­rückgewiesen. Der Streik dauert fort.

DaS Eisenbahnbetriebsbauamt Danzig teilt mit, daß kurz vor Braunsburg der Kuricrzug den Baurat Braune aus Elbing, der die Strecke aus amtlichem Anlaß beging, überfahren und ihm den Kopf vom Rumpfe getrennt hat.

Ein furchtbarer Sturm wütete am 5. Januar in Schottland. In den Graf­schaften Angelst) und Carnavon zerstörte der­selbe Häuser und Kirchen. Mehrere Men­schen kamen um.

WekeHrt.

Novelle von F. Stöckelt.

Nachdruck verboten.

9 .

Die alte Stadt hätte in der Morgen- beleuchtung ein wahrhaft romantisches An­sehen, und die alten Marktweiber, wenn der erste Sonnenstrahl ihren grauen Scheibe! küßte, seien geradezu malerisch anzufchauen, und nun gar in Gesellschaft deS biedern Roland-, gelehnt an seinen mächtigen Schenkel, Kirschen zu essen," versicherte der Assessor, da giebt es nichts Poetischeres."

Gräßlich!" haucht Fräulein Lenzund welche unästhetische Sprache I"

Ueber Doras Antlitz irrte ein verlor­nes Lächeln, sic glaubte bie Handlungsweise des AsscssorSfiBorn teilweise zu durchschauen, Weil sie, ein echtes Kind der kleinen Stadt, seinen Stolz aufs bitterste gekränkt, glaubte er sich berechtigt, die ganzen Bewohner der­selben am Narrenseil zu führen und lächer­lich zu machen. Sie hörte im Geist seine spöttische Stimme, wie er dem alten biedern Apotheker die Poesie jenes Morgens schilderte, und sah seine schlanke Gestalt an dem grauen Gestein lehnen, das blasse überwachte Ant­litz, wie es voll Spott und Hohn aus die gassende Menge blickte.

Einzelne junge Damen begannen jetzt zu musicieren, und Dora konnte ihre Ge­danken ungestört weiter forlspinnen. Die schmelzenden Liebeslieder, von einer hohen, etwas gellenden Sopranstimme vorgetragen, fanden durchaus keinen Wiederhol! in ihrem Herzen. Nur bei einem Chopin'schen Noc- turno/welcheS mit Ausdruck und Verständ­nis gespielt wurde, horchte sic auf. Der Srhnsuchlsklang, der durch die schwermütige Melodie zitterte, schlug so eigene Töne an in ihrem Innern, und trug ihre Gedanke» weit hinaus aus dem schwülen Salon, hin­aus auf die einsame Haide, wo die Grillen ihre eintönigen Weisen zirpten, wo die blauen Schmetterlinge um die Haideblumen flatterten und durch die liefe Stille dort tönte eine bewegte Männerstimme:

"" Verantwortlicher Redakteur: Bern

Ich würde ihr sagen, meiner einsamen Haideblumen, daß ihr Bild sich unauslösch­lich in meinem Herzen eingrabcn!" Ach, hätte sich nur nicht diese Haideblume zu einem so boshaften, rachsüchtigen Menschen- kinde entpuppt, dann wäre wohl Alles an­ders gekommen, und das alberne Kirschcn- essen am Sockel des Rolands wäre ganz gewiß unterblieben.

Der Sonnenschein eines Spätherbsttages lag auf dem Straßenpflaster der winkligem Gasse, in welcher der Assessor Born in dem Hause eines ehrsamen Bäckermeisters sein Domicil aufgrschlagen hatte. Es war sehr still auf der Gasse, nur drei schmutzige Kin­der, die sich um das Eigentumsrecht einer Weintraube balgten, belebten das Einerlei etwas.

Born stand an seinem Fenster u. schien mit dem größten Interesse diesen Kampf um daS Mein und Dein zu beobachten, während seine Gedanken sich jedoch um ganz andere Dinge drehten. Eine ziemlich unruhige Zeit lag hinter ihm, Trinkgelage, durchschwärmte Nächte, allerhand tolle Streiche zogen an seinem Geist vorüber.

Es scheint halt, als trete die Reaction schon ein," murmelte er;auf die Dauer wird solch ein tolles Leben auch ermüdend und lähmt die Geisteskräfte! Vollends hier in der kleinen Stadt, in der Gesellschaft des geistreichen Referendars und des interessan­ten Hauslehrers I Wenn nian seinen Zweck noch damit erreichte und vergisst» lernte! Aber das graziöse Mädchen mit dem Tän- zerinnenblut in den Adern, um mit der Frau Direktor zu reden, braucht nur ein­mal an mir vorüber zu schweben, daun dringt daS ungestüme Blut zum Herzen, ich er­blasse, und stehe wieder auf demselben Fleck. Wenn sie einen einzigen Schritt der An­näherung versuchte, ich wäre derselbe Narr wieder wie früher, und dabei nennen wir uns das starke Geschlecht! Und heute abend ist Ball, und die reizende Elfe wird dann an mir vorüber gaukeln, vielleicht in den Armen des schönen Herrn Leonhard, der sich

hard Hosmann.) Druck und Verlag von B e

stets so geheimnisvoll und siegcsgewiß be­nimmt I Ja, Ihr Jungens nun ist die Traube pfutsch! Denn er istjgroß, und Ihr seit klein!" rief jetzt Assessor Dorn, seinen früheren Gcdankengang jäh unterbrechend.

Der größte der kämpfenden Straßen­jungen eilte jetzt mit der eroberten Traube spornstreichs von dannen, während die bei­den andern ihm schreiend nachschautcn.

Born schloß das Fenster, da das komische Schauspiel auf der Straße zu Ende war. Er griff nach Hut und Stock und schickte sich zum AuSgehen. an. Die Stunde zu welcher er sich mit seinen Freunden in der Weinstube zu treffen pflegte, war heran ge­naht. Aber als Born auf die Straße hin- ausgetreten war, kam ihm in der frischen Luft plötzlich die Anwandlung an, erst ein­mal die Natur in der Umgebung der Stadt ein wenig zu genießen, und statt nach der Weinstube lenkte er seine Schritte zum Thore hinaus.

_ (Fortsetzung folgt.) _

Verschiedenes.

(DieVisitenkarte". Die Lustigen Blätter erzählen folgende Nevjährsgeschichte: Ein Commis, dessen Prinzipal sich zu Weih­nachten wenig nobel benommen hat, sendet dem knauserigen Chef zu Neujahr anonym eine Gratulationskarte. Auf derselben pomp­haft in Riesenbuchstaben das Wort:Rind­vieh!" Der Prinzipal errät jedoch den Ab­sender, und als der Commis wieder ins Comptoir kommt, drückt er ihm dankend die Hand.Schade um das Porto," sagt er dabei.Sie hätten mir ja mündlich gra­tulieren können, anstatt Ihre Visitenkarte zu senden!"

(Student.)Donnerwetter, die Wit­terung wird merklich kühler, wenn mir nur der verwünschte Schneider bald die Hcrbst- garderobe brächte, damit ich das Som­merzeug versetzen kann."

(Die neue Hutfasson.)Du, jetzt wird bald Fräulein Müller um die Ecke kommen!"Woher weißt Du das?"Da ist ja schon ihr Hut!

rnhard Hosmann in Wil ad.