Iurn 30. Aovewber und 2. Dezember.
(Von Carl Weitbrecht.)
In der Mitternacht bei der Stürme Wehn, Wenn kühl die Sterne auf Posten stehn,
Da rauscht cs und klingt es so eigen,
Da klingt es herüber vom welschen Land,
Bon den Gräbern dort an der Marne Strand Wie Grüße der Toten, die Hand in Hand Aus den schweigenden Hügeln steigen.
Im grauen Mantel, die Wunden vorn,
Aus dem bleichen Antlitz den heiligen Zorn, Auf den Lippen den Gruß an die Lieben — So gehn sic hervor um die Mitternacht,
Die Schwabenhelden, die dort gewacht Und des Feindes verzweifelte Uebermacht Zurück in das Garn getrieben.
So gehn sie hervor, nun ihr Tod sich jährt Und der Wind so schneidig wie damals fährt — Und der Wind bringt ein Grüße» getragen: Das klingt wie trotziger Schwerterklang,
Das klingt wie jauchzender Siegessang,
Und dazwischen so leis nnd dazwischen so bang Erklingt es wie sehnendes Klagen.
„Grüß Gott in der Ferne, du deutsches Land, Grüß Gott, du wonniger Neckarstrand,
Du Heimat, für die wir gestorben!
Am Rhein, an der Marne, das bleibt sich gleich: Wir hielten die Wacht für dos Deutsche Reich! Und sanken zu Grab wir blutig und bleich — Wir wußten, um was wir geworben.
Gott grüß, ihr Brüder! Euch war es beschecrt, Daß mit Siegesjubel ihr heimgekehrt,
Die Lieben wieder zu schauen;
Ihr standet mit uns in blutigem Bund,
Ihr schlüget mit uns in blutiger Stund — Nun ist es an euch, auf dem blutigen Grund Im Frieden weiter zu bauen!
Und Vater und Mutter, grüß Gott und ade! Mög Gott euch stillen das tiefe Weh,
Er wird uns wieder Vereinen!
Leb wohl, leb wohl, du verlassene Braut!
Dich hat noch das brechende Auge geschaut — Und wenn dir noch immer die Thräne thaut, Laß trocknen, laß ab vom Weinen!
Wohl herb ist's, zu sterben in fremder Fern, Doch stille, nur stille, wir starben gern — Dich, Vaterland, grüßen die Toten!"
— Der Wind weht leiser, die Sterne ziehen Mit milderem Leuchten oben ihn,
Im Osten dämmerts, die Nacht will fliehn — Schlaf wohl, ihr geliebten Toten!
Aus Tod und Leben.
Erzählung von N. Sturm.
Nachdruck verbalen.
8 .
„Du Memme, Du Feigling,
Du.!" schimpfte jetzt der Note
auf Josef los, aber dieser ließ ihn nicht weiter schimpfen, sondern schlug ihn mit tnr Faust so wuchtig in's Gesicht, daß er wie betäubt zu Boden taumelte.
Zwei der Wilderer sielen jetzt Josef in den Arm, und Florian wände sich begütigend zu Huber, um einen Zweikampf zwischen den beiden Gegnern zu verhüten. Wutschnaubend wollte sich indessen der Rote auf Josef stürzen und nur mit größter Mühe konnte er von Florian von diesem Vorhaben abgehalten werden.
„Laß mich den Kerl erwürgen," schrie der Huber wild, „er verdirbt uns ohnedies unfern ganzen Rettungsplan."
„Deine Wut läßt Du nicht an den Josef auS," erwiederte aber jetzt auch unerschrocken Florian nnd stieß wiederholt den wütenden Huber von Joses zurück.
„Aber was sollen wir mit dem Feigling ansange»,,, schrie der Anführer der Wilderer zornig, „auf Tod und Leben verbindet er sich nicht mit uns, und jagen wir ihn aus der Höhle, so müssen wir befürchten, daß er uns an die Gendarmen verrät."
„O, das sollte ihm der Teufel lohne»!" entgegnete Florian. „Ich glaube auch nicht, daß Josef nns verraten wird, laßt ihn also auS dem Rabunest, nnd er mag dann sehen, wie er sich vor den Gendarmen rettet."
„Nein, er darf nicht aus der Höhle," schrie der Rote im befehlerischen Tone, „ich gebiete hier und wenn Ihr mir nicht gehorcht, so sind wir Alle verloren."
„Aber was willst Du mit Josef hier
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anfangen?" frug Florian, der Böses für den jungen Mann von Seiten Huber's fürchtete.
„Der Feigling wird an Händen und Füßen gebunden im hintersten Winkel der Höhle niedergelegt, da kann er uns wenigstens nichts schaden. Ich verlange, daß Ihr mir gehorcht," betonte dabei der Rote, „und keinen Wiederspruck erh>bt, sonst laßt Euch führen, von wem Ihr wollt."
Willig folgten jetzt die Wilderer ihrem Rädelsführer und Josef lag bald, an Händen und Füßen gebunden in der dunkelsten Ecke der kleinen Höhle.
„Und das sage ich Dir noch," herrschte Huber de» regungslos am Boden liegenden Josef au, „Daß, Du, wenn wir bis herauf verfolgt werden sollten, keinen Laut von Dir giebst und nicht um Hülfe schreist, sonst schieße ich Dir sofort eine Kugel durch den Kopf."
Die Wilderer versuchten nun ihren Hunger und Durst im Rabenuest zu stillen und schimpften weidlich, als sie die Entdeckung machten, daß Josef die geringen Vorräte, welche in der Höhle vorhanden gewesen waren, bereits verzehrt hatte."
„Na, verhungern werden wir deshalb nicht," tröstete schließlich der role Huber seine Spießgcnossen. „Wir ruhen uns jetzt einige Stunden aus, denn hier sind wir für diese Nacht geborgen und bei der ersten Morgendämmerung begeben wir uns Alle auf den Anstand. . Da kehn das Wild von den Waldwiesen in's Hochgebirge zurück und Einer von uns wird da doch wahrhaftig ein Reh oder Hirschkalb schieße», und dann giebt es zum Frühstück Wildbraten. Weit dürfen wir natürlich uns vom Rabenuest nicht gerade entfernen, denn ehe es Tag wird, müssen wir bereits wieder zurück sein. Jeder sucht sich seinen besonderen Platz zum
Anstand heraus, denn dann haben wir die meisten Aussichten, bald zum Schuß zu kommen. Fällt ein Schuß, so soll dicS nicht nur ein Zeichen, daß Einer von uns etwas erlegt hat, sondern der Schuß soll auch gleichzeitig das Signal sein, daß wir Alle schleunig und vorsichtig zurückkkehren."
Dieser Vorschlag ihres findigen Anführers leuchtete den Wilderern wohl ein, aber er befreite sie nicht von dem q uälenden Hunger, den sic jetzt hatten. Emsig durchsuchten sie daher die Asche des Feuers, welches Josef am Nachmittage andezündct hatte, nach' gebratenen Kartoffeln, fanden aber nur noch einige rohe. Um ihren Hunger etwas zu stillen, zündeten sie aus dem noch in der Höhle vorhandenen Holz und dürren Laub ein kleines Feuer, an und warfen die Kartoffeln in dasselbe zum Braten. Mit je einigen derselben besänftigen die Wilderer dann ihre knurrenden Magen und legten sich dann, nachdem sie erst noch den Ranch aus der Höhle durch die halbgeöffnete Thür hatten ziehen lassen, zur Ruhe nieder.
Zwei der Männer fanden aber keinen Schlaf, Josef, der gebunden in der dunkelsten Ecke der Höhle lag und nun doppelte Neue und tiefsten Abscheu über seine Kameradschaft mit den Wilderern empfand, und der — rote Huber, dessen böses Gewissen ihm keine Ruhe ließ nnd ihm fortwährend „Mörder, Mörder!" zurief und Galgen und Rad vorgaukelte.
Fortsetzung folgt.)
Auflösung der Scherz-Frage in Nr. 138.
Den rechten Handschuh auf die linke Hand ziehe».
Merk's:
Willst Du gefallen öffentlich,
So kräh' nicht immer! „Ich und mich!"
Berantwsrtlicher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad.