breitete nämlich das Gerücht, daß ein am selben Orte verstorbener Rentner, mit welchem er früher im Prozeß - gelegen , nächtlicherweile in seinem (Schmidts) Hanse umgehe und sich greulich gebärde. Der ans dem Grabe Erstandene hatte dem Geisterseher seiner Zeit 38 ^ Prozeßkosten verursacht, und Schmidt war gutmütig genug, die Witwe seines ehemaligen Prozeßgegners schriftlich darauf aufmerksam zu machen, daß sie durch Zurückerstattung dieses Vertrages ihrem Manne die Ruhe des Grabes verschaffen könne. Die Witwe sandte, mehr um des Quälgeistes als des Spuckgeistes willen, das geforderte Geld, da sie die Gerüchte zum Verstummen bringen wollte. Nun bemächtigte sich jedoch ein höherer, vorurteilsfreier Geist der Sache, nämlich der Staatsanwalt in Donaueschingen, und das Ergebnis dieses letzten Stadiums der Gcisterge- schickte ist, der PreiSgaucr Zeitung zufolge, daß Schmidt durch das Schöfsngcricht acht Tage G-fängniS erhielt.
— Die Geister lassen sich nicht uzen!" Durch den Spuck von Resau wird die Erinnerung an manches heitere Erlebnis aus spiritistischen Sitzungen wieder aufgefrifchl.
So warf in einem derartigen Elub, welchem Graf P. präsidierte, ein als Gast anwesender Philologe die Frage auf, in welcher Sprache denn eigentlich die citicrtcn Geister sich mit uns Sterblichen unterhielten. Die Antwort lautete: „Natürlich in derselben, die sie bei Lebzeiten gesprochen haben." — „Das ist ja prächtig," meinte der boshafte Sprachforscher, „nun ist uns arme» Philologen bei unserer mühseligen Textkritik auf einmal geholfen, wir brauchen jetzt nur noch den Geist des Cäsar, Cicero und Livius zu citieren und erhalten in klassischem Latein die erbetenen Auskünfte". — Hier
legte sich der präsidierende Graf P.ki mit
seiner Glocke ins Mittel und erkärte feierlick: „Die spiritistischen Offenbarungen erfolgen nur zu ernsten Zwecken und niemals werden sich die Geister von einem Philologen uzen lassen!"
— Ein opsermutiges Weib. Ein sonderbares Gesuch gelaugte dieser Tage an die K. Kurie in Budapest. Der ehemalige Fiuanzwachaufseher Alexus Henter, der vom M -Szigeter Gerichtshöfe zu einer 3nrona>- lichcn Gefängnisstrafe verurteilt wurde, bat den Obersten Gerichtshof, es möge ihm mit
Rücksicht auf seinen leidenden Zustand gestaltet werden, daß statt seiner seine Ehegattin, die sich der besten Gesundheit von der Welt erfreue, die Gefängnisstrafe absitze. Diesem Gesuch war auch eine Erklärung der Frau Henter beigeschlossen, wonach sie bereit ist, freiwillig die Strafe für ihre» Gatten abzubüßen. Zu seinem Bedauern konnte jedoch der Gerichtshof das Opfer der Frau nicht annehmen.
- Mit einem Rennpferde um die Wette! Der in seinem Fache Außerordentliches leistende Schnell- und Dauerläufer Carl Gerhardt, der 50 Kilometer in 190 Minuten zurücklegte und 100 Mark Prämie Demjenigen zusichert, der ihn besiegt, wird am morgigen Sonntag Abends 7 Uhr auf dem Meßplatze, Ostendstraße, mit einem Rennpferde uni die Welte laufen. Es wird eine Strecke von 18 Kilometern oder 2'/r deutschen Meilen in 60 Minute» durchlaufen werden, und will Herr Gerhardt, dem es schon gelungen ist, eine deutsche Meile in 18 Minuten zu durchmessen, den Kilometer in durchschnittlich 3'K Minuten zurücklegen. Auch am Montag findet eine Vorstellung statt.
WMLr'crche.
Roman von H. von Ziegler.
Nachdruck verboten.
19.
Der freudige Strahl seines AugeS erlosch so plötzlich als er gekommen, ein tiefer Seufzer hob seine Brust und er ließ die kleine Hand los, die er immer noch fcsthiclt.
„Nein," rief er fast rauh, „ich verlange kein Opfer aus Dankbarkeit — ich verlange mehr!"
Bittend faßten die schlanken Finger die seine» feuchten Auges schaute das junge Mädchen zu dem Verlobten auf und flüsterte besangen :
„Bleibe bei mir, Vivian, ich verginge vor Angst, wenn ich wiederallein stehen müßte."
Zum erstenmale schloß Vivian das junge Mädchen an sein Herz mit all der Zärtlichkeit eines Bräutigan s, zum erstenmale und immer wieder küßte er die rosigen Lippen, welche so süß bitten konnten.
Ja, in dieser Stunde ging ein blendender Stern in seiner Seele auf, eine Zukunft, so selig nnd köstlich, wie er kaum je zu träumen gewagt.
So verstrich die Zeit bis zur Hochzeit, welche auf Noras Wunsch am Namenstage der Mutter stattstndcn sollte.
Der Briefwechsel zwischen dem Brautpaar war ein häufiger gewesen, wenn schon darin gegenseitig eine g wisse Befangenheit vorherrschte.
Wie ein dumpfer Traum lag die Vergangenheit hinter Mutter und Tochter, und eS kostete beiden Mühe, ihre innere Ruhe zu erkämpfen.
— Am Vorabend der Hochzeit sollte der Bräutigam cintreffen, und Frau v. Bohlen mit ihrer Tochter machten sich zeitig auf den Weg zum Bahnhof, ihn abzuholcn.
Nora sah reizend aus. Das dunkle Trauerkleid war durch einen feinen Silbcr- streisen am Halse, belebt, an der Brust trug sie eine dunkle Rose und ihr Antlitz war von freudiger Aufregung rosig angehaucht.
„Heute ist es endlich eine rechte Braut," dachte Fran von Bohlen, im stillen ihr Kind b obachtend, „Gott gebe, daß sich die beiden ordentlich für's Leben finden ! Vivians Liebe wird die kühlen Schranken der Dankbarkeit bald durchbrechen "
Seit dem Osterfest hatte sich das Brautpaar nicht gesehen und Nora's Herz pochte ungestüm, als jetzt der schrille Pfiff der Lokomotive immer näher kam und endlich die kräuselnden Rauchwolken heranflogcu. Hatte sie denn wirklick einst den Marchese zurückgewiesen, weil sie ihn nicht liebte?
Und der Marchese selbst?
Am Koupeefenster lehnte der schöne Mann, sein Auge leuchtete auf, als er die Geliebte vor sich sah, strahlend und mit bräutlichem Erröten seinen Blick erwidernd. Es war ja heute ganz, ganz anders wie das letzte Mal, als sic sich sahen, die Schranken schienen gefallen, die sich bis jetzt zwischen ihnen erhoben.
Innig schloß der Marchese Nora in die Arme und sie ruhte an seiner Brust, als fühle sie sich da geborgen gegen alles, was ihr begegnen könnt.
„Vivian," hauckte sie ganz leise, „Gott sei Dank — daß Du da bist; die Trennung dauerte sehr lange l"
Ohne Noras Hand loszulassen, begrüßte der Marchese seine Schwiegermutter herzlich und, nachdem ein Träger das G-bäck übernommen, begab man sich heim.
Als man in der hübschen Villa anlangte, eilte Nora voran.
„Wir müssen unser» Thee im Garten trinken, Mama, daß wir die Berge sehen und das köstliche Abendrot; im Zimmer ist es heute zu eng." sagte sie.
Ein anfleuchlender Blick Vivians folgte der schlanken Gestalt, dann trat er hinter Frau v. Bohleu in's Wohnzimmer.
Doch bald ward auch ihm das hübsche Gemach mit den Hellen Vorhängen und den tiefroten Möbeln zu eng ; er suchte und fand den Weg zum Garten und bald schimmerte Noras Gewand zwischen dem Jasmingebüsch.
Gleich darauf stand er vor derjenigen, di^ er allein hier gesucht.
„Wo bleibt denn mein Liebling?" frug er, zärtlich den Arm um ihre Schultern legend, „Du läßt mich so lange allein!"
„Ich habe nur den Thee bereiten wollen, Vivian," stotterte sie, und suchte sich der Umarmung zu entziehen.
„Bleibe noch, Geliebte," bat er innig, sage mir das Eine, was ich so gern wissen möchte und noch nie von Deiue» Lippen gehört."
Ihr Köfchen sank noch tiefer, dunkle Röte färbte Ihr Gesicht bis zu den Schläfen.
„Ich weiß, was Du meinst, Vivian, hauchte sie unhörbar, „aber — cs ist so schwer."
„Schwer, Nora? So habe ich mich dennoch getäuscht!"
Sein Ton klang mit einem Male totes- traurig und sein Arm sank herab, „vergiß meine Thorhcit, Nora, ich ließ mich täuschen durch einen freundlichen Blick Deiner lieben Augen."
Er wollte sie verlassen wie damals in Wiesbaden und wie damals hielten ihn kleine, weiße Hände zurück.
„O nein, Vivian," schluchzte u. jubelte Nora, „Du kannst ja nicht forlgehcn, es ist nicht möglich, denn Du weißt ja doch, daß -- ich — Dich liebe." — —
„Endlich," sagte zuletzt der Marchese feierlich und ergriffen, „heute am Vorabend unserer Hochzeit feiern wir erst Verlobung, mein süßer Liebling."
„Nora, Vivian," ertönte Frau v. Böhlens heilere Stimme plötzlich dicht hinter dem Paare, „also hier finde ich Euch. Ichsüchte schon längst nach Euch, doch immer vergeblich."
„Mama," jubelte das junge Mädchen, die Mutter zärtlich umschlingend, „wir haben uns eben verlobt, denn Vivian liebt mich gerade so wie ich ihn, und wir quälten uns wie Kinder bis zu dieser Stunde mit ewigem Zweifeln."
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur: D e rnhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hof mann in Wildhad.