— AuS Beiseförth wird der „Kassel. Allg. Zig." unterm 25. April geschrieben: Ein Unikum ereignete sich heule hier. Die 23 Jahre alle Dienstmagd des hiesigen Müh- lenbesitzerS K. erbrach heule eine 7 Centi- meter lange und säst l Centimeter starke lebendige Eidechse. Schreiber di,seö hat das Tier soeben in einem Glas Wasstr munter umher schwimmen sehen. Das Mädchen war schon Monate lang kra» k und wurde von Herrn Dr, L. in M auf Magengeschwüre behandelt. Heute früh wurde die Kranke plötzlich über den ganzen Körper blau und gab der schnell benachrichtigte Arzt ein Brechmittel, in Folge dessen das Repiil erbrochen wurde. Die Magd, Amalie Neebe ist ihr Name, erinnert sich, verwichencn Herbst beim Haicrschneiden aus einem Wie- stnbrnnncn getrunken zu habe», und ist das Amphib also achl Monate lang unfreiwilliger Bewohn r des menschlichen Körpers gewesen.
— In Kühling geriet der Spengler- mcister Amann mit seinem Sohne, welcher Soldat ist und sich auf Urlaub zu Hnise befand, bei der Arbeit in Streit, wobei der Vater das Mess r zog und cS dem Sohne in den Leib rannte. Der Sohn kam noch
über die Stiege, wo er mit den Worten: „Mutter, der Vater hat mich gestochen!" niedcrsank und verschied.
—- General Boulanger hat ein inüblier- tes Haus in Portlandplace (London), unweit Regent slrect, gemietet, wohin er in wenigen Tagen vom Bristol Hotel lUcest, dein wird. D,r brave General wird mil jedem Tag mehr der Löwe der Saison und er wird mit Einladungen, Ehrenbezeugungen u. s. w. überhäuft. Nächsten Sonntag wird er der Ehrengast des JahreSbanketts des Londoner Preß-Klnbs sein, welchem in der Regel zahlreiche Parlamentsmitglieder und hohe Staatsbeamte beiwohnen. Der „Pelican", ein betonter Sportklub, hat beschlossen, den General zum Ehrenmitglied zu wählen. Die Nachricht, das Ausw. Amt habe Boulanger die Bedingungen bekannt gegeben, unter denen sein Aufenthalt in England geduldet würd, entbehrt gänzlich der Begründung. Ein solcher Schritt wäre mit den Ueber- liestrnng,'» der britische» Regierung gänzlich im Widerspluch.
(In dcr Kirche eingeschlossen.s Die an einem der letzten Svnntage in der Kirche zu Großbocha in Ost-Thüringen ver
sammelte andächtige Gemeinde konnte nach beendigtem Gottesdienste nicht nach Hause zurückkehren, weil die Kirchcltthürc von außen zngeworfen und der Riegel fest eingeschnappl war. Der Kantor verfiel in diese» Nöten auf einen praktischen Ausweg; er läutete Sturm und citierte durch dies Signal seine Ehehälfte herbei, welche der unfreiwilligen Haft der Kirchengänger ein baldiges Ende bereitete.
.-. (Natürlich.) Erster Provinzler: „Weißt Du, i» Berlin wurde ich von allen Menschen für unfehlbar gehalten."
Znnitcr: „Unsinn!"
Erster: „Wirklich! Wenn ich irgend einen Menschen auf der Straße nach einem Wege fragte, so sagte man mir: Gehen Sie nur so und so . . . Sie können gar nicht fehlen."
.'. Ei» junger Mann stellt sich einem hervorragenden Künstler vor und bittet ihn um die Gunst, sein Schüler werden zu dürfen. „Haben Sie denn auch", so fragt ihn dcr Meister, „zum Künstler die nötigen Anlagen?" — „O ja, ich bin im Stande drei Tage zu hungern."
KünstL'erbccHnen.
Novelle von F. Stöcke rt.
Nachdruck verboten.
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Dcr Doctor Kain schrieb Mich an demselben Tag an Eveltnc v. Bork, seines Versprechens eingedenk, das er t»r jungen Dame im v rgangenen Jahre auf de» Höhen der Noßtrappe gegeben; sie wird mit ihrem klaren Helle» Blick schon die rechten Mittel und Wege finden, den Jugendfreund, den sie ja doch wohl liebte, aus aller Noch und Verlegenheit zu be'rei n, sagte er sich. Viel leichter wie er, rer mit seinem unruhigen Geiste, seiner Unstctheit zu solcher Mission weniger langte, besonders da auch seine Geldmittel durch die Reise ziemlich erschöpft.
Eveliue war so reich und besaß auch den sichern Tact einer vornehmen Natur, dem Jugendfreund eine Geldunteistütznng zu bieten, ohne ihn damit zu verletzen. In kurzen Worten teilte Kant ihr mit, wie Magnus' Talent bei den bitter» Sorgen um seine Existenz zu Grunde zu gehe» drohe, wenn nicht Freunde sich seiner annehmen. Leider habe er nicht ausreichende Mittel, Magnus zu untcrstützm, und wage es, sich da> um an sie zu wenden, da er ihr das ja auch ohnedies versprochen habe, wenn der junge Künstler in eine bedrängte Lage geraten sollte, ihr davon Mitteilung zu machen.
AIS Tpkior Kant den Brief beendet, trieb es ihn, trotz alledem und alledem, doch zunächst wieder zu Irene I
Er fand die schöne Frau in sehr übler Laune. Um ihre feinen Lippe» lag ein müder gelangwrilttr Zug, und die schönen Auge» halten den strahlenden Glanz verloren. „Ihr Man» kränkelte schon seit Wochen," erzählte sie ihm, dcr Arzt habe ihm das N isen verboten, da er jede Aufregung für schädlich halte, und so müsse sie nun, ein Opfer der Pflicht, den ganz-,, Sommer in dcr heißen drückenden Atmosphäre der großen S'adi vegetieren. Alle ihre Bekannten feien verreist, sie waren wie von Gott verlassen.Tag für Tag wandle
ich mit dem alten Mann nach dem Tiergarten, dort trinken wir ein Glas Milch, ruhen etwas, und wanken dann wi der heim. O es ist znm verzweifeln!" schloß sic seufzend ihren Bericht.
Za, das war allerdings zum Verzweifeln für eine junge kokette Frau, die bisher nur ihrem Vergnügen gelebt, der ein liebender Gatte nie einen Wunsch v rsagt. Um die Mundwinkel des Doktor Kant zuckte es sehr ironisch. „Sie find allerdings im Entsagen und entbehren wenig geübt, gnädige Frau," sagte er maliliös.
„Und Sie meinen diese Uebung könnte mir nicht schaden I" rief Irene mit zornig blitzenden Augen.
«Es ist immer eine ganz gute Schule. Sie wissen dock, wie es im Faust heißt.' Entbehren sollst Du I Sollst entbehren. Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt Den, unser ganzes Leben lang Uns heiser jede Stunde singt.
Dieser Gesang klingt schließlich doch an jedes Menschen Ohr. —
Irene zuckte ungeduldig mit den Schulter». Glaube» Sie denn, er hätte noch nie an Meine Ohren gelungen? Ich hätte noch nie entsage» müssen I"
Der Doktor Kant glaubte zu verstehen, was sie damit meinte, er ahnte, wo sie hatte entsage» müssen, und beschloß der Sache auf den Grund zu gehen.
„Eie verstehen cs wenigstens sich bitter zu rächen, uv man Entsagung von Ihnen gefordert," sagte er langsam und mit Nachdruck. „WaS haben Sic. aus Magnus gemacht ?"
Irene wurde todenblaß. -- „Magnus! — hat er verraten? — Wissen Sic stammelte sie.
„N>in verraten hat er nichts, Sie habe» nicht umsonst ans seine Ehrenhaftigkeit gebaut. — Als Schriftsteller sieht man jedoch etwas tiefer in die Herzen als andere Sterbliche, man combiniert und spinnt an den Schicksalssäden dcr Menschen nach seiner Weise. „Ich fand Magnus heute elend,
halb verhungert in der Nationalgallerie, mit geisterhaften Blicken auf de» Zug des Todes starrend, als wollte er sich demnächst demselben anschlicßcn. Natürlich erkundigte ich mich nach seinem Ergehen, daß Ihre sorgenden Hände seine Pfade nicht mehr ebnete» durchschaute ich auch bald. Soll ich Jhneu um meine Eombinationen verraten?"
Die junge Frau sprang erregt auf. „Es gehört gerade nicht viel Scharfsinn dazu hier richtig zu kombinieren I" rief sie höhnisch. „Warum soll ich eS denn auch leugnen, ja, ich habe Magnus geliebt mit aller Leidenschaft einer ersten Liebe! Ich habe es ihm auch gestanden — aber er — er — o Gott, und ich liebe ihn noch, stöhnte sie Plötzlich auf, — und er ist elend, arm, sagten Sie, kan» ich denn nichts für ihn thu», raten Sie mir doch!"
Flehend ergriff sie die Hände deS Doktor Kant, mit fieberheißen Augen zu ihm aufschauend.
Beide hatten nicht bemerkt, daß der Oberst schon vor einer Weile leise in das Zimmer getreten, und bei den erregten Worten seiner Frau wie erstarrt au der Thür stehen geblieben war. Mit irren Blicken schaute er sic an, dann ries er ihren Namen, es klang wie ein weher Aufschrei aus todeswundem Herzen.
Irene senkte schuldbewußt das schöne Haupt und wagte keinen Blick auf den Gemahl zu werfen. Dieser trat jetzt schwankenden Schritts näher, sein Gesicht war tödenbleich, und seine Züge wie verzerrt. Plötzlich griff er mit beiden Händen in die Luft, als suche er nach einem Halt, einer Stütze, und fiel daun schwer zu Boden, ehe der Doktor Kaut, der schnell hinzu sprang, cs hindern konnte.
„Ich fürchte, er hat Ihre Worte gehört," sagte dieser ernst zu Irene. „Senden Sie sofort nach dem Arzt, und rufen Sie den Friedrich, daß er mir hilft den Kranken auf sein Lager zu bringen."
(Fortsetzung folgt.)
Ledattwn, Druck uns Verlag von Bernhard H asmaNN in Wildbad.