dern nur eine Tochter, die 5'/r Jahre falte Erzherzogin Elisabeth.)
Wien, 29. Jan. Kaiser Franz Joseph stattet Anfangs Mai seinen Gegenbesuch in Berlin ab. Nach der Corr. de l'Est werde er von einem jüngeren Mitgliede des Kaiserhauses, wahrscheinlich vom künftigen Schwiegersöhne deS Kaisers, Franz Salvator, begleitet.
Wien, 30. Jan. 3 Uhr nachm. Kronprinz Rudolf v. Oesterreich ist heute, wie es heißt, infolge eines Jagdunfallö, gestorben. Es herrscht hier allgemeine Bestürzung.
Wien, 30. Jan. Weitere Versionen über die Katastrophe: Eine besagt, der Kronprinz sei vom Pferde gestürzt, eine andere, das Unglück sei durch entladen der Jagdflinte erfolgt. Offiziell wird Herzschlag als Todesursache angegeben.
Wien, 31. Jan. Es ist amtlich fest- gestellt, daß Kronprinz Rudolf zwischen 7 und 8 Uhr morgens am 30. Januar plötzlich infolge eines Herzschlages auf dem Jagdschloß Meyerling verschieden ist. Die Leiche soll von Baden um Mitternacht nach Wien übergcführt werden. Sämtliche Mitglieder des Kaiserhauses erschienen im Laufe des
gestrigen TageS in der Hofburg, um dem Kaiseepaare und der Krouprinzessin-Wilwe ihr Beileid auszudrücken. --Im Laufe des Nachmittags fuhren beim Auswärtigen Amte der päpstliche Nuntius und alle Botschafter und Gesandten vor und drückten dem Grafen Kalnoky ihre schmerzliche Erschütterung aus. Der Senat der Universität schloß die Vorlesungen und die Universitätsbibliothek bis auf weiteres und wird heute über die Form einer Trauerkundgebung Beschluß fassen. Der Gemeinderat sagte alle Sitzungen ab und trit heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Die Börsenkammer beschloß, außer heute auch am Beisetzungstage keine Börse abzuhalten. Gestern nachmittag und abend durchströmten fortwährend dichte Scharen der schmerzerfüllten Bevölkerung die Hofburg. Alle Karnevals^ feste sind dis auf weiteres abgesagt, alle Vergnügungslokale ausnahmslos geschlossen.
Pest, 3i. Jan. Die Trauernachricht vom Tode des Kronprinzen Rudolf rief allgemeine Bestürzung hervor. Die Abgeordneten Hallen heule eine lediglich der Mitteilung des Todesfalls gewidmete Sitzung und vertagten sich sodann auf unbestimmte
Zeit. Die Demonstrationen der Studentenschaft haben unter dem Eindrücke der Tod,s- nachricht von selbst aufgchört; die Truppen sind in die Kasernen zurückgekehrt; alle öffentlichen Unterhaltungen sind abgesagt.
New-Iork, 30. Januar. Der gesamte Pferdebahubetrieb ist wegen eines Streikes der Kutscher und Schaffner eingestellt.
— Einer Meldung aus Suakin vom 27. ds. zufolge traf ein Kaufmann, der aus Khartum am 4. Dez. abgereisl war, in Agiag ein. Derselbe erklärte, er habe am 19. Nov. einen weißen gefangenen Makois gesehen, den »ran selbst für Emin Pascha hielt. Derselbe sei jedoch ein egyptijcher Offizier und sicherlich nicht Emin. Die Abschrift eines Br. an den Khedive sei dem Gefangenen vor der Gefangennahme durch Eiuiu zugestellt worden, um ihn zum Kampf gegen die Mhadisten zu ermutigen. In der Nähe von Halaih bei Auiami fei ein Negerschiff mit 40 Sklaven gekapert worden.
— In Triest stürzte sich dieser Tage Ernefto v. Boumartini, Eigentümer einer Kunsthandlung und Kunstkritiker, vom dritten Stockwerk aus auf die Straße und war sofort tot.
KünstkerbcrHnen.
Novelle von Stöcke rt.
Nachdruck verboten.
I.
Die Sonne brannte heiß auf der Haide, die sich weil und wellenförmig ausdehnte. Eine Schafherde weidete an den Abhängen des nahen Waldes, und unter einem Wachholderstrauch saß der Schäfer, ein absonderlicher Mensch, von fast zigeunerhaftem Aussehen. Sein braunes Gesicht, sein in spitzen Enden auslanfender schon sehr ergrauter Schnurdart, seine dunkeln, feurigen Augen, die unter dem breilkrämpigen Filzhute hervor blitzten, alles erinnerte au die abenteuerlichen Gestalten jenes Wandervolks, das vor Jahren hier in der Gegend noch seine Niederlassungen hatte.
Der sonderbare Hirt strickte auch nicht oder blies die Schallmei, wie das andere Schäfer zu thun pflegen, nein, dieser absonderliche Schäfer hatte einen Geigenbogen in der Hand, mit welchem er den Saiten einer kleinen Geige seltsame, wilde, aber doch melodische Weisen entlockte. Solche Töne mochten einst wohl in seinen Kinderjahreu an seine Ohren geklungen haben, draußen auf den weilen Steppen Ungarns, in stillen warmen Sommernächten, wenn der Vollmond sein bleiches Licht über die Landschaft aus- gcgosscn hatte. Das war allerdings lange her, denn der alte hatte nur noch traumhafte verworrene Erinnerungen davon. Die Musik aber, all die wilden seltsamen Melodien, die steckten ihm noch im Blute; sie Waren das Erbteil seiner Eltern, in deren Adern echtes Zigeunerblut gekreist hatte. Drüben im Dorfe, in der entlegendste» Ecke des Kirchhofes, lagen sie beide begraben, ihr Bube war dem Mitleid der Dorfbewohner überlassen geblieben, denen er nun seit langen Jahren schon die Schafe hütete.
Gar wunderbar klang das Geigenspiel des alten Schäfers durch die mitlagsstille Luft, als jetzt vom Dorfe her ein noch nicht ganz dem Knabenalter entwachsener junger Mensch über die Haide gelaufen kam. Der
schöne Jüngling in dem schwarzen Sammetanzug und mit eiuem kecken Mützchen auf dem dunkeln Lockenkopf, war hier auf der Haide kein Fremdling, denn fast täglich kam er vom Dorfe herausgelausen, atemlos mit glühenden Wangen wie heute.
„Da bist Du ja MagnuS," sagte der alte Schäfer, und strich fast zärtlich über das lockige Haar des Jünglings.
„Ja, endlich I" rief dieser. Auf dem Schlosse schlafen sie Alle, sogar Walter! Es kann uns also niemand stören, und nun gieb mir Deine Geige, Janko I"
Der Alle lächelte. „Du bist ja so stürmisch, Magnus, als wolltest Du eine Geliebte umarmen, und es ist doch nur eine alte Geige, nach der Dein Herz verlangt und mit welcher Du heimliche Stelldicheins hast."
»Ja, sag mal Janko, warum sollen es die Andern nicht wissen, daß ich zu Dir komme, und auf Deiner Geige spielen lerne ? Ist eS ein Unrecht?"
„Ein Unrecht ist es nicht, mein Magnus, ganz gewiß nicht, die Musik ist etwas heiliges. Manchmal freilich verwirrt sie die Sinne, sie redet eine wunderbare Sprache, die nicht jeder versteht. Ja auch die Hohen und Vornehmen lassen sich zu Zeilen von ihr bethören. Es hat mal Einer dort drüben im Schlosse gewohnt," — er wies dabei mit seiner rechten hinüber nach dem Dorf, wo über die kleinen Häufer hinweg die granen Mauern eines schloßähnlichen Gebäudes emporragten, — „das war so ein echter, rechter Geiger, dem wohl auch das- Blut ein wenig wild in den Adern kreiste. Der hatte cs damals Allen angethan, die ihn spielen hörten. Sie wurden nicht müde, ihn zuzuhören. Auch ich habe oft unter den Fenstern des Schlosses gestanden und habe ihm gelauscht, habe auch wohl diese oder jene Melodie nachzuspielen versucht, aber ich bin ja nur ein armer Stümper gegen solchen Künstler, und wenn Du etwas Ordentliches lernen willst, Magnus, da mußt Du schon nach den großen Städten gehn, zu einem großen Meister I"
„Das werde ich auch!" rief Magnus mit leuchtenden Augen, „ich werde zu dem großen Geiger gehen, der einst oben auf dem Schlosse gewesen ist I Wo wohnt er jetzt?"
„Das weiß ich nicht, er ist vielleicht schon längst tot und begraben, wie das arme, holde Kind, die damals mit ihm ging. Erhalte sich durch seine Kunst hineingezaubert in ihr junges Herz, sie konnte nicht wieder von ihm lassen. Heimlich sind sie Beide aus dem Schlosse entwichen und — seitdem wollen sie eben dort von der Musik nichis mehr wissen. Darum ist cs auch besser, sie erfahren es jetzt auf dem Schlosse nicht, was nun doch einmal in Dir steckt, vielleicht zu Deinem Unglück."
Der Knabe sah ihn groß an. „Zu meinem Unglück Janko? Bringt es Unglück, wenn man ein Künstler wird?"
Glück bringt es wenigstens selten! Ich meine, nicht das, was die Menschen so eigentlich Glück nennen, solch ein ruhiges, behäbiges Glück, wie es die Bauern da unten im Dorfe sich zu gründen pflegen. Solch ein Glück ist nicht für jedermann ein Glück, selbst nicht für mich. Ich habe zwar nur meine armselige Hütte und bringe eö nicht Weiler, wenn ich auch alle Sonntage zum Tanz aufspiele und noch fünfzig Jahre die Schafe hüte, aber siehst Du, wenn ich hier oben allein sitze und geige, über mir der blaue Himmel, und rings umher die weite Haide, dann möchte ich mit keinem der reichen Bauern dort unten tauschen! Da jubelt mein altes Herz und meine Seele fühlt sich frei und erhaben über alle Erbärmlichkeiten in dieser Welt. Das ist dann mein Glück! Und nun komm, wir verschwatzen die Zeit, jetzt wollen wir geigen."
Magnus halte sich schon längst der Geige bemächtigt, und begann jetzt eine der Melodien zu spielen, die ihn sein Meister, der alte Schäfer, gelehrt.
Der ganze Unterricht hier auf diesem Conscrvatorium auf der Haide, bestand überhaupt nur in einem Vor- und Nachspielen, denn Noten gab cs nicht. (Forts, folgt.)
Redaktion, Druck und Berlag von Bernhard H »smann m Wlddas.