Rundschau.
Stuttgart, 8. August. (Glaseistreik.) Eine gestern abend im römischen König in der Holzstraße stattgehabte Glaservcrsamm- lung war zahlreich, von ca. 60 Personen, besucht; sie hatte lediglich den Zweck, die Streikliste festzustellen, d. h. bestimmt anzu- gcbcn, wie viele Kollegen zu unterstützen sind. Diese Zahl beträgt 48 , von welchen jedoch schon im Laufe der ersten Woche noch verschiedene von hier abreisen dürften, indem schon mehrere^ Gesuche um Arbeiter nach auswärts an den Vorsitzenden des Strcik- komilcs cingelaufen seien. Der Streik beginnt am nächsten Samstag allgemein; er ist vom Verbandsvorstand deutscher Glaser gutgcheißcu und die Forderungen der Arbeiter gebilligt worden. Aufrufe an sämtliche Glaser Deutschlands und der Schweiz, in welchen um Fernhaltung von Zuzug nach hier und Gewährung von Unterstützungen nachgesucht wird, sind bereits auSgcgeben. Zwei der größten hiesigen Glasergeschäfte werden vom Streik nicht berührt, da dieselben den Tarif anerkannt haben.
Oßweil, 8. August. Trotz deS bekannten Verbots, während der auf dem Schießplätze der Garnison Ludwigsburg stattfindenden Schießübungen die benachbarten Grundstücke zu betreten, unternahm es die Frau eines hiesigen Bürgers, heute vormittag, zu welcher Zeit laut L. Ztg. eine Abteilung Ulanen Schießübungen mit scharfen Patronen abhielt, auf ihrem unweit des Schießplatzes befindlichen Acker Kartoffeln zu holen. Doch kaum hatte die Frau mit der Arbeit begonnen, als sie auch schon von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen wurde.
Mergentheim, 5. Aug. Gestern nachmittag belustigte sich ein 1 jähriger Knabe bei der Hammerschen Stielfabrik, kam in ein außerhalb derselben befindliches Rad, wodurch das ganze Werk zum Stehen gebracht wurde. Der Unglückliche mußte als verstümmelte Leiche aus dem Rad herausgeschafft werden.
Heidenheim, 6. August. Der fürstlich Thurn und Toxische Waldschütz Gaupp von Nietheim traf im Walde einen Wilderer, mit dem er, weil er sich der Verhaftung widersetzte, ins Hand gemenge kam, ihnxlber entfliehen lassen mußte, weil ein anderer Wilderer mit dem Gewehr auf ihn anschlug und mit Totschießen bedrohte. Gaupp merkte sich, daß der eine Wilderer einen Knebel- bart trug. Eisendreher Joos, 58 Jahre alt, von KönigSbroun hat sich nun plötzlich seinen Knebelbart wegrasieren lassen, was auf ihn den Verdacht lenkte, um so mehr als er längst im Rufe eines Wilderers steht. Ucber die Zeit, da der Waldschütz die beiden Wilderer traf, konnte Joos kein Alibi Nachweisen, weshalb er verhaftet wurde.
Oberndorf, 9. August. In dem Orte Hardt mißhandelte in der Nacht vom 6. auf 7. d. Mts. ein in betrunkenem Zustande vom Wirtshaus heimgekehrter 26jähriger Bursche seinen Stiefvater durch mehrmaliges Aufschlagen des Kopfes auf dem Stubenboden so sehr, daß letzterer gestern seinen Verletzungen erlag.
Ulm, 7. Aug. Heute hat der auS seinem Sommerausenthatt in Manzell bei Fried- richshafeu hieher zurückgekehrle Oberbürgermeister v. Heim sein Amt wieder übernommen. Heute vormittag fand eine Gemeinde- Mösitzung statt, in weicher derselbe für die
ihm ans Anlaß seines Jubiläums erwiesenen Ehren seinen herzlichsten Dank aussprach und damit die Mitteilung verband, daß er die ihm von den bürgerlichen Kollegien angeborene Gehaltserhöhung von 200 -/E. an die Pensiouskasse der städtischen Beamten überwiesen habe.
Ulm, 9. Aug. Heute nacht ist ein wegen Fahnenflucht in Untersuchungshaft befindlicher Kanonier der 5. Batcrie 1. württ. Feldart.- Reg. Nr. 13, Namens Munzing, flüchtig geworden. — Der 10jährige Knabe eines hiesigen Bahnwärters ging am 26. Juli durch, ohne bisher ein Lebenszeichen von sich zu geben. In Kempten wurde derselbe schon vor einigen Tagen aufgegriffcn, machte aber bezüglich seiner Heimat unrichtige Angaben, indem er behauptete, von Memmingen zu sein, und auch auf dieser Behauptung be- harrte, nachdem von Memmingen die Nachricht eingeiaufeu war, daß die Angaben des Knaben unrichtig seien. Der jugendliche Ausreißer, welcher im vorigen Jahre ebenfalls durchgebrannt war, ist heute in Kempten abgeholt worden. — Vorgestern abend sprang in der Stuttgarterstraße einjähriges Knäbchen hart vor einem Pferdefuhrwerk über die Straße, wurde aber von den Pferden umgeworfen und überfahren. Dasselbe erlitt neben Verletzungen am Kopfe 2 Armbrüche. — Die Anfangs dieses Jahres in Angriff genommene Zuleitung des kalten Brunnens im Lauterthal in die Wasserleitung der Stadt ist nun so weit fertiggestellt, daß die Stadt am nächsten Mittwoch mit Wasser aus dieser ausgiebigen Quelle versorgt werden kann.
Berlin, 10. August. Man nimmt hier an, daß die vom Berliner Volksblatt angekündigte Nichtbcteiligung der Sozialdemokraten au den bevorstehenden preußischen Landtagswahlen nicht aus bestimmte Erwägungen bezüglich der besonders bei diesen Wahlen obwaltenden Verhältnisse, sondern auf das schärfere Hervortreten der Strömung, wonach überhaupt die Teilnahme der Sozialdemokratie an den Kämpfen der bürgerlichen Parteien zu verpöncn sei, in den leitenden sozialdemokratischen Parteikreisen zurückzuführen sei.
— Auf dem Griesheimer Schießplatz ist gestern abend ein Kanonier vom 13. württ. Artillerie-Regiment verunglückt. Derselbe hatte sich laut Fr. Z. unbefugt am Zünder einer Qevolvcrgranate zu lhun gemacht, diese explodierte und riß ihm einen Teil der rechten Hand ab; außerdem erhielt er mehrere Kugeln in die rechte Seite.
— Am Samstag mittag ermordeten vier betrunkene Arbeiier zwischen Deutz u. Schlebusch in einem Eisenbahncoups 4. Elaste aus geringfügiger Ursache einen Musiker in wahrhaft bestialischer Weise dadurch, daß sie ihn mit Messerstichen traktierten und schließlich den Brnstkorb eintratcn. Die ihrem Mann beispringcnde Frau wurde von den Unholden, die bereits verhaftet sind, ebenfalls schwer mißhandelt.
— Der Major Friedrich Kleiser, beim Infanterieregiment Kaiser Alexander II in Kronstadt, stürzte vom Pferde und blieb sofort tot.
— (Glück durch die Zeitung.) Miß Maud Lawson ist die Tochter des sehr reichen Besitzers des Daily Telegraph. Die junge Dame vermählt sich jetzt mit einem Parlamenismitgliede. Die Stipulationen
des Ehekontrakts sind interessant genug, um sie zu erwähnen: Laut Verfügung des Vaters der Braut muß die Mitgist seiner Tochter, die ganz gewichtig sein soll, durch fünfundzwanzig Jahre unberührt bleiben, für Kinder und Kindeskinder anwachsen. Der Daily Telegraph aber ist verpflichtet, vom Hochzeitstage bis zur Feier der silbernen Hochzeit des Paares die Kosten des luxuriösen Haushaltes zu bestreiten. Der Bräutigam des Fräuleins war zum Advokaten bestimmt; allein einige Artikal, die er für den Daily Telegraph geschrieben, gründeten seinen Ruhm und er verdankte ihnen vorerst sein Mandat, nun gar die schöne und reiche Braut.
— (Was der Regen zeitigt ) Komme recht schnell, liebe Jda, schreibt Frau v. F., aus der Sommerfrische an ihre Freundin, du sollst an einem ganz neuen Sport teilnehmen: Wir seichen jetzt im Park. — Was willst du werden? fragten einander ein halbes Dutzend kleiner Flachsköpfe, die mit kindlichem Vergnügen im Freien — herumplätschern. Die Antworten lauten, wie gewohnt, in bunter Folge: General, Konditor, König und Kutscher; nur ein praktisch erzogener junger Herr von 5—6 Jahren erwidert mit einem Blick nach den Wolken: Rcgenschirmfabrikant!
— (Für jede Schwadron einer.) Die Nachricht von dem freudigen Familienereig- nissc im Kaiserhause ruft eine Reminiszenz vom letzten Weihnachtsfcste wach, wo, wie die Potsdamer Zeitung erzählt, bei Gelegenheit der Bescherung des Garde-Husaren- Regiments der jetzige Kaiser, der damalige Prinz Wilhelm, der mit seiner ganzen Familie daran teilnahm, scherzend, auf seine vier Knaben deutend, äußerte: „Für jede Schwadron einer, fehlt nur noch einer für die fünfte!" Die fünfte Schwadron der Leibhusaren hat nun also mich einen Prinzen.
§ (Ausgleich.) Fran„Soll denn meine Meinung niemals gelten?" — Mann: „Gewiß, mein Täubchen! Wenn wir einer Ansicht sind, so gilt Deine Meinung, sind wir aber verschiedener Ansicht, so gilt meine Meinung."
§ (Aber was nützt's ihm?) Haben Sie gehört, Fräulein, daß unser Freund Müller, der arme Teufel, das große Los in der Lotterie gewonnen hat?" — „Aber was nützt ihm jeßt das viele Geld, wenn er keine Not Mehr hat?"
8 (Boshafte Galanterie.) Schauspieler (der eine reiche Frau geheiratet: „Jetzt sagen Sie mir einmal aufrichtig, Heer Doktor, welche halte» Sie für meine beste Partie?
— Kritiker: „Unbedingt —Ihre Frau Gemahlin."
§ (Immer nobel.) Dienstmann: „Warst Du gestern in der Harmonie?" „Ecken- stcher: „Ja I" — Dienstmann : „Wie war's denn ?" — Eckensteher: „I nu, recht hübsche Gesellschaft: der Nachtwächter, ich und Dein Freund Naiitc. Die anderen waren nur gewöhnliche Leute I"
§ (Abgeblitzt.) „Gnädiges Fräulein — darf ich — darf ich wohl Ihre Frau Mama zur Schwiegermutter machen?" — „O warum nicht, wenn Sie einen jungen Mann für mich wissen, der mir gefällt!"
8 (Penible.) Gräfin: Sie haben also Jeden, der zum Besuch kommt, nach seinem Namen zu fragen, bevor Sie ihn anmelden.
— Zofe: Aber Frau Gräfin, sieht das nicht furchtbar neugierig aus?