Hrug-Kold.
Novelle von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
8 .
Doch die Landrätin war nicht anfznfinde» und der Offizier führte das junge Mädchen in den an den Saal anstoßende» Wintergarten , wo er ihr dicht an hem plätschernden Springbrunnen einen Faulenil anbot. Munter und unbefangen plauderten sic zusammen, als bald darauf eine schwere, dunkelrote Damastschlcppe dicht bei Maria vorbeiraufchte, cS war die scköne Primadonna der Oper — und an ihrer Seile schritt Egon von Tracht.
„Kommen Sie, Tracht, ich bin müde und wir haben schon lange nicht mehr zusammen geplaudert."
Der Offizier »eben Maria schaute halb verlegen, halb prüfend in daS erstaunte Gesicht seiner Nachbarin, dann erhob er sich und fragte leise:
„Soll ich Ihren Herr» Bräutigam anrcden, meine Gnädigste; er scheint sehr zerstreut."
Marias Blick erweiterte sich angstvoll, die dumpfe Angst von vorhin kam von neuem über sie, denn sie sah den Fächer der Sängerin in Egons Händen.
„Nein, Herr Hauplmann, Sie lhun es nicht," bat sie tonlos in flüsternden Lauten, „darf ich Sie um — — ein Glas Limonade bitten."
Er verstand und zog sich zurück nach einem ernsten teilnehmenden Blick in das licblicbe, todblasse Antlitz; wußten doch er und alle seine Kameraden mehr über die Licbesaffairen des eleganten Lieutenant von Tracht als dessen Braut.
Als Maria allein geblieben zwischen de« Palmgrnppen und den Farnwcdel» preßte sie die bebende Hand aufs Herz »nd schaute hinüber zu jenen beiden, welche ihr Todesqualen verursachen würden, sie wußten cs.
„Anelika", klang jetzt Egons Stimme sehr verdrossen, lassen Sic die Vergangenheit ruhen I Sic wissen, daß ich verlobt bin und meine Braut liebe."
„Mehr als mich, Egon, in jenen Tagen, da Sie mir hier dicS Armband ums Handgelenk befestigten?"
Das war zu viel für das reine, treue Herz Marias. Dunkle Wolken zogen über das blendende Licht des Wintergartens, sie senkten sich tief und immer tiefer hinab, bis sie endlich zusam- menwvgten über das blonde Köpfchen Marias, daß cs todcsmatt hintenüber sank. Ach wäre sie daheim geblieben in Hohenberg bei Vater und Mutter I Hätte sie den schimmernden Zaubertrank von EgonS Liebe niemals an die Lippen gesetzt — — die Neige war bitter und giftig l
„Es ist eine Dame ohnmächtig geworden," hörte die Land- rälin von Tracht eine Stimme neben ihr sagen, „eben sah ich Lieutenant von Tracht sehr erregt vorüberreite»."
„Doch nicht seine Braut? DaS entzückende junge Mädchen seine Braut? Das entzückende junge Mädchen mit dem Moos- rosenkräuzchen?" frug eine Dame.
„Ich weiß cs nicht!"
„Jawohl, sie ist cS," rief eine Stimme.
In tiefer, todeSähnlichcr Ohnmacht trug man Maria nach der Wohnung der Schwiegermutter und der herbeigerufenc Arzt zuckte die Achseln.
„Ich fürchte," sagte er ernst „daß daS gnädige Fräulien, Wenn sie erwacht, einem recht bedenklichen Lide» entgegengeht. Sic muß eine übergroße Nervcnaufrcgung gehabt haben — einen heftigen Schreck —"
Endlich gegen Morgen öffnete die Patientin die müden Augen und richtete sich im Bette auf.
„Ich will nach Hause zu den Eltern," sagte sie tonlos, „ehe ich krank werde, — sonst sterbe ich am Heimweh."
Kein Bitten, kein Zureden brachte sie von dem Gedanken ab und als die Landräti» den Arzt zurief, die Kranke von ihrem Plane abzubringen, meinte dieser ernst: „Lassen Sie das Fräulein leisen, gnädige Frau, bis sie daheim ist, hält die Anspannung der physischen und moralischen Kräfte noch vor, dann bricht sie sicher völlig zusamm-n. Das Leid muß tiefer liegen als wir wissen und ahnen."
Und so kam Maria heim zu den Ihrigen. Ein Telegramm der Landrätin benachrichtigte Herrn und Frau von Hohenberg über die Ankunft Marias, und beide erwarteten voll unbeschreib
licher Angst die so unerwartet heimkehrende Tochter. Doch wie erschraken sie, als ein bleiches stilles Mädchen aus dem Koupec stieg und sich in ihre Arme warf. Was war geschehen? Wo blieb ihr strahlendes, glückseliges Kind, welches vor vierzehn Tagen erst die Heimat verlassen?
Doch auf alle Fragen schüttelte Maria nur stumm und Thräncnlos das blonde Köpfchen.
„Erst muß ich zu Hause ausruhcn, Ihr Lieben," bat sie erschöpft, „ich bin jo müde, so todmüde wie noch niemals im Leben."
Das war eine andere Heimkehr als Abreise. Am folgenden Morgen brachte Frau von Hohenberg Maria einen Brief EgonS, doch diese wies das feine Kouvert hastig zurück. Seit jener Scene an der Seite der Sängerin hatte sie ihn nicht mehr gesehen und sie hatte entschieden, daß sie ihn auch nicht mehr sehen wollte.
ES war alles aus zwischen Maria und Egon von Tracht, zerrissen für immer und ewig, denn ächte Liebe konnte das nicht gewesen sein, die sich so gänzlich vergaß.
Wenn nur das Hämmern in den Schläfen Marias aufhören wollte, cS quälte und peinigte sic so, daß sie keine» einzigen klaren Gedanken fassen konnte.
„Mama", bat sie mühsam, „frage mich heute nicht wie es kam-aber cs war kein ächtes Gold das ich zu finden ge
meint. Hier ist - — Egons Ring, er weiß, weshalb ich ihn vom Finger gestreift habe — — und ihn nie mehr anstecken will."
Das waren für lange Zeit die letzten klaren Worte des unglücklichen Mädchens; noch am selben Tage brach ein heftiges Nervenfieber bei ihr aus, welches den zarten Körper unerbitterlich zu vernichten drohte. Maria lag in unaufhörlichem Phantasieren, und aus diesen wirren reden erfuhr das treue, tiesbesorgte Mutter- Herz den ganzen Sachverhalt.
Aber als dann nach Wochen endlich die Gefahr nachließ und der Arzt erklärte, nun sei die Hoffnung auf Genesung nicht mehr gänzlich ausgeschlossen, da faltete Frau von Hohenberg mit über- strömendcn Augen die Hände zu einem Dankgebet, denn sie erkannte in der Prüfung eine Güte Gottes, der größeres Leid von Maria abgewcndet hatte.
Als Maria endlich wieder aufstand, lag schimmernder Weih- nachtSschnee über Wald und Flur und drinnen im Saale duftete die grüne Tanne, geschmückt mit Silber und Gold. Das junge bleiche Mädchen, welches so müde umherwandelte, schaute gar nachdenklich zu dem leuchtenden WeihnachtSstern droben am Wipfel des Baumes empor und flüsterte schmerzlich: „Es ist so anders gekommen, als wir dachten und wüuscbten, aber cs ist gewißlich gut so, den» — cs war auch nicht die ächte Liebe im meinem Herzen; die hätte nimmermehr erlöschen können bei der ersten Prüfung. Egon hatte mein unerfahrenes Herz überrumpelt.
Egon von Tracht und seine Mutter hatten immer von neuem wieder geschrieben und um Versöhnung, um Vergessen gebeten; der junge Offizier schien aufrichtig betrübt über die ganze Begebenheit , denn auf seine leichte Art liebte er Maria wirklich herzlich und fand, daß eS doch wohl zu hart sei, wegen jenem längst gelösten Verhältnis zu der schönen Primadonna, die eben erst geschlossene Verlobung wieder aufzuheben.
Aber Maria dachte ernster und heiliger über eine Verbindung für's Leben; sie hätte nimmermehr treuherzig in sein Auge sehen, seinen LiebeSworten lauschen können, nachdem sie wußte er habe früher ganz dasselbe einer andern gesagt. Kopifchüttelnd aber ruhig gab sie jeden neuen Brief Egons der Mutter und diese sah sich endlich genötigt, Egon von Tracht zu bitten, ihr Kind fernerhin nicht zu bestürmen und aufznregen, denn ihre Liebe zu ihm sei gestorben und würde nimmermehr wieder anflcbcn.
Der Oberförster Heldau kam nach wie vor als gern gesehener Gastr Voll feinem Takte hatte er nie auch nur die leiseste Anspielung auf vergangene Ereignisse gemacht, sondern das junge Mädchen herzlich begrüßt, um dann wie immer ein Gespräch über öffentliche Angelegenheiten oder über Forstwirtschaft mit Herrn von Hohenberg zu beginnen. Die beiden Geschwister durften nun wieder jubeln und springe», nur war Ihnen streng verboten, den Name» Egons von Tracht vor der wiedcrgenesenen Schwester zu nennen.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hoimann >» Vüldvad.