Ginst sinken öie HZLumen
inst sinken die Blumen, einst stillen die Blätter! Dünn stürmen die Winde, dann kommen die Wetter, ES schwindet die Sonne, es nahe! die Nacht,
Es bleichet des Haares hell goldene Pracht.
Lass' kommen die Wetter, lass' stürmen die Winde, Sie gehen vorüber, sie eilen geschwinde,
Sie können nicht nehmen, waö oft Dir gelacht Beim Bleichen der Haare, wenn Kindeslieb wacht!
Und sinken die Blumen, und fallen die Blätter, Und stürmen die Winde, und kommen die Wetter ; Lass' bleichen das Haar, lass' kommen die Nacht, Sei selig, wenn dann noch Dir Kindslieb' wacht!
Acrs Hpfer des Kerzens.
Novelle von H. v. Limpurg.
(11. Fortsetzung.)
Kein Wort war von Liebe zwischen ihnen bis jetzt gefallen, sie ähnle vielleicht nicht einmal, daß er sie liebte, meinte er manchmal treuherzig. Aber diesem Zustande mußte ein Ende gemacht sein, er wollte Gewißheit haben, um, wenn das Schlimmste einträtc und sie ihn znrückwiese, die Erlau sogleich zu verlasse».
Doch sic konnte ihn nicht abweisen, redete er sich ein, sie mußte ihn jo lieben wie er sie, denn ihr Blick leuchtete manchmal so strahlend hingebend, so verräterisch, daß sie zuweilen selbst davor erschrak und hastig die Wimpern senkte.
Dort aus dem Schreibtisch lagen die welken Alpenrosen des Einsiedlers. Gräfin Arloff hatte nicht bemerkt, daß unterwegs ihr Begleiter absichtlich die beiden Sträuße verwechselt und daß es nun jhee Blumen waren, die er früh morgens und allabendlich leidenschaftlich an die Lippen preßte.
Wie oft halte Hauptmann Schröder früher achselznckend die Liebe im ersten Augenblick des Kenuenleruens verläuguct, wie oft achselzuckend die „idealen Schwärmer" gegeißelt, welche an die Allmacht der Liebe glaubten, und nun lag er selbst in diesem Zauberbann, ein kraftvoller Simsou, der den Glutblicken Dclila's nimmer entfliehen konnte.
Sollte er fliehen? Es war zu spät; er hätte es thnn müssen, als neulich die lächelnde Bergfee aus der Schwelle deö Förster- Hauses ihm gegenübertrat, heule — war er schon zu sehr bezaubert, ihr Anblick gehörte bereits zu seinem Lebensbedürfnis und wenn sie ihn abwies, dann konnte cs schlimm für den armen Schröder werden.
Ausstöhnend griff er zu dem einen kleinen Miniaturbilde auf dem Schreibtisch, welches eine ehrwürdige alte Dame zeigte, deren feine, angenehme Züge Wohlwollen und Geist verrieten.
„Mutter, Mutter," flüsterte Schröder, „wenn Du da
wärest, wenn Deine Hand über meine Stirn glitte, würde ich erlöst von dem bösen Zauber sein; Deine Liebe allein ist die
echte, treue, bei mir ist eS ja nur Leidenschaft, heiße, unaus-
löichtiche Leidenschaft, die nur durch ein frommes Wort von Deinen Lippen gebannt werden kann. O komm, komm zu Deinem Georg — ehe er durch die Blicke der Zauberei versinkt in den Wogen —"
Aber seine Hand griff nicht zur Feder, um an die Mutter zu schreiben, sein Blick siel auf die Uhr und ein Leuchten glitt über seine Züge.
„Bald elf Uhr!" rief er wie begeistert. „Ich muß zur
Gräfin, wir wollten nach dem Heiligenbcrge drüben spazieren gehen, cs ist Zeit."
Vor der Thür seines Zimmers traf Schröder einen Herrn, der, wie er wußte, mit ihm in dem Hause wohnte, den er aber noch nie gesprochen; höflich lüftete derselbe jetzt seinen Hut.
„Entschuldigen Sie, mein Herr, ich hätte wohl eine Frage an Sie, aber —"
„Meine Zeit ist sehr in Anspruch genommen," lautete die nicht gerade allzu höfliche Erwiderung des Hanptmann Schröder, „indes wenn Sie etwas Dringendes haben —"
„Wie man cs nimmt, mein Herr," cntgegnete der Fremde, ich wollte bei Ihnen Erkundigungen über Gräfin Arloff cinziehen!"
„Gräfin Arloff?" Schröder wurde aufmerksam. „Was soll das heißen, Herr? Die Dame ist eine Bekannte von mir und steht hoch über jeder Berläumdung."
„Hm, ja, gewiß — ich wollte nur jetzt — bei der fatalen Einbruchsgeschichte —"
„Was ist das für eine Einbruchsgeschichte?" rief der Hauptmann, ebenso erschrocken als verwundert, „ich habe noch gar nichts davon gehört. Wann soll cs geschehen sein?"
„Heute Nacht wahrscheinlich," das Gesicht des Fremden sah bei diesen Worten entschieden unangenehm aus, „als die Dienerinnen der Gräfin heute früh in die Wohnung derselben kamen, fand man das Geheimfach des Schreibtisches erbrochen und auf der Schreibmappe einen verschlossenen Brief, in dem wahrscheinlich die Visitenkarte des Diebes steckte."
„Unerhört, abscheulich, also sogar hier in den entlegenen Alpen giebt es dnrchtriel nes Diebesgesindel, welches an Raffinement mit dem der Nest mz wetteifert!"
„Hm, es muß diee doch ein besonderer Einbrnchsfall sein, mein Herr, interessant ür den Psychologen, sowie für den Kriminalisten. Die Gräfin vermißt nämlich nur einen einzigen Schmuck, nämlich BrillantboutonS von allerdings ungeheurem Werte, doch waren ihre übrigen Kostbarkeiten, Etuis mit Brillanten, Rubinen, Smaragden und echten Perlen, vollständig unangetastet, nur in abscheulicher Unordnung von oben nach unten gewendet; auch soll die Dame selbst bemüht sein, die Untersuchung nicderzuschlagen."
„Sie ist ein Engel!" kam es leidenschaftlich von Schröders Lippen, „natürlich will sie nicht, daß noch Jemand außer ihr leide, sei es selbst der Dieb."
Er wollte grüßend vorbei gehen, doch der Fremde trat ihm scheinbar absichtslos, aber doch so in den Weg, daß er nicht an ihm vorbei konnte.
„Sic kennen die Gräfin, mein Herr?" frug er abermals, „wie hieß sie doch vor ihrer Vermählung?"
„Ich glaube, gehört zu haben, daß sie eine Freiin von Westen ist, aber, das ist für Fremde völlig ohne Interesse."
„Mir ist die Dame nicht so ganz fremd," sagte jetzt ziemlich herrisch der Fremde.
Der eigentümliche Ton dieser hingeworfenen Bemerkung frappierte Schröder, aber er wollte nicht fragen; es schien ihm schon beleidigend für die angebetcte Dame, wenn dieser Mensch ihren Namen in den Mund nahm.
„Jedenfalls mußte die Umgebung der Gräfin eine strenge Untersuchung des mysteriösen Vorfalles verlangen," fuhr der seltsame Mann kopfschüttelnd fort, „denn es betrifft ja Aller Ehre, wenn in der verschlossenen Wohnung eingebrochen wird-'
„Jawohl, Sic haben vollständig Recht, doch nun will ich gleich hinüber in die Försterei, um mich selbst zu überzeugen —
„Daß ich Ihnen alles wahrheitsgetreu mitgetcilt," ergänzte der Fremde. „Die arme Gräfin! So jung, so schön und schon heimliche Feinde. Es muß vielleicht von der Residenz her sei», daß ihr Jemand nachstellt. Sie wissen, wo viel Licht ist, da ist viel Schatten und Gräfin Arloff verbreitete sehr viel Licht um sich —"
Schröder war froh, endlich den fatalen Schwätzer los zu werden, und dock, er wußte selbst nicht weshalb, blieb ihm ein schmerzhaftes Gefühl in der Seele und ohne daß er es wollte, klangen immer wieder die Worte an sein Ohr: „So jung, st schön — und doch heimliche Feinde!" (Fortsetzung folgt-)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wldbad.