Aufmunterung
eraus, heraus an's Tageslicht,
Wo hell die Sonne scheint!
Es ist die Welt so häßlich nicht,
Als mancher Querkopf meint.
Du brummst und nörgelst hin und her Und findest Alles schlecht —
Wer weiß, wie's wär', wenn's anders war', Und ob es dann dir recht.
Wenn alle Blumen Du verschmähst,
Das macht Dich, Freund, so dumm,
Als ob du auf der Wiese sähst Dich nur nach Disteln um.
Du brauchst nicht viel, sofern du klug — Das heißt zufrieden bist,
Denn dem Bescheid'nen dünkt genug,
Was ihm beschicden ist.
Zwar will ich dir's gestehen frei:
Am liebsten hätt' ich schon Zufriedenheit und nebenbei Noch eine Million.
Doch daß sie fehlt, macht mir nicht kraus Die Stirne — Gott sei Dank!
Ich zahl' mein Glück mir selber aus Und hol's nicht von der Bank.
Auch Hab' ich es nicht eingenäht In einen einz'gen Sack,
Damit cs mir nicht flöten geht Einmal aus einen Schlag.
Und regnet's oder hagelt's drein,
Es wird ja wieder hell;
Wer wird da lange traurig sein,
Man stirbt ja nicht so schnell.
Wenn all' dein Glück in Trümmer bricht, Setz' stolz darauf den Fuß I — Das könnt' ich freilich selber nicht, Allein vielleicht kannst du's.
Das Hpfer des Korzens.
Novelle von H. v. Limpurg.
(1. Fortsetzung.)
Vincenz legte heute wieder die Hand auf das heftig pochende Herz, wenn er daran dachte, wie er zum erstenmale droben in der Walbesdämmerung Walpurga in seine Arme genommen und ihr beinahe voll Ehrfurcht den ersten Kuß auf die Lippen gedrückt.
Seine Liebe war treu und wahr; daß Walpurga bis auf den heutigen Tag zurückhaltend, ängstlich und unsicher in ihrem Benehmen zu ihm geblieben, rechnete er ihr als schönste Tugend an.
Hellfunkelnd standen droben die ewigen Sterne am Himmel; Vincenz starrte träumend zu denselben auf, vollständig in seinen Gluckstaumel versunken. Da plötzlich glitt cö wie ein Feuerball leuchtend und flammend herab vom Firmament und verlosch drunten im nächtlichen Erdcndunkel, daß ein unwillkürlicher Schauder den starken Mann überflog, — eine Sternschnuppe war gefallen, nichts weiter, und doch konnte Vincenz den Schauder nicht überwinden. Er schloß hastig das Fenster und wandte sich nach seinem Lager, um die Ruhe zu suchen.
»
Auch Walpurga fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Droben im Dachstübchen der Försterei saß sie auf dem Bettrande und hielt ein kleines Gebetbuch in den Händen, doch sie las nicht darin; ihre Augen irrten brennend immer wieder über die Zeilen hinaus, während die frischen Lippen klanglos Wort für Wort wiederholten und dann alle paar Minuten stockend inne hielten.
Wo blieb heute Andacht und Ruhe? Walpurga seufzte abermals, eine Thräne schimmerte in den dunklen Augen, dann legte sie das Gebetbuch beiseite und stand auf.
„Ich will zur Ruhe gehen," murmelte sie schwermütig, „mein Kopf ist so schwer, ich weiß nicht, was mir fehlt; vielleicht wird's im Bett besser."
Vielleicht! Sie trat erst noch an's Fenster und sah ebenfalls zu dem schimmernden Sternhimmel auf wie drüben in der Erlau ihr Verlobter. Dachte sie an ihn und an den Tag, der sie auf immer vereinen sollte?
Nein! Immer neue Bilder tauchten vor den starr hinaus blickenden Augen empor, aber Vincenz Hartmanns Gestalt war nicht darunter, nur die Mutter, die längstgestorbene, sah sie an, kummervoll flehend.
„O, wer da drunten ruhen dürft' in der kühlen Erde," flüsterte Walpurga. Dann aber erschrak sie von dem Klange der eignen Stimme, sie wußte selbst nicht, was sie wollte, nur daß es heftig in ihrem Herzen pochte, daß es sickernd an die glühenden Schläfen schlug, merkte sie. — — —
Mitternacht klang schrill von der Thurmuhr herüber. Die Windrichtung war heute so, daß man die Töne deutlich vernahm, aber noch immer kam kein Schlaf in die trockenen, heißen Auge» Walpurgas, sie rang die Hände, sie versuchte ein Ave-Maria zu beten, doch umsonst, sie fand keine Ruhe und die Vergangenheit trat vor ihre Seele.
Wie die Zeit dahiugeflohcn war! Schon war es ein volles Jahr, daß sie, die arme Magd, ein Bündel im Arm in die Erlau eingewandert. Bald darauf folgte dann ihre Verlobung mit dem Vincenz Hartmaun; wie lange noch, dann standen sie am Altäre und der Priester sprach sie für immer zusammen. Warum schauderte Walpurga bei dem Gedanken: „Für immer?" Jedes Mädchen empfand doch Glück und Wonne, wenn sie den Zeitpunkt näher rücken sah, der sic mit dem Geliebten vereinigte.
Ja, mit dem Geliebten, aber — liebte denn Walpurga den Vincenz auch wirklich? Hier in ernster, stiller Nacht stand zuni erstenmale riesengroß, bedeutungsschwer diese Frage vor der bebenden Mädchenseele und — sie wagte nicht ein „Ja" darauf auch nur zu denken.
Sie hatte Hartmann schon jetzt viel zu danken. Er baut sein Haus aus, richtete es ein und besorgte die Ausstattung für Walpurga selbst, denn sie besaß nichts, dabei hatte er eine so zarte Art, daß es ihr nicht verletzend werden konnte, obschon sie leicht empfindlich war.
Und trotzdem empfand sie nur ein der Angst verwandtes Gefühl, wenn sie ihn erblickte, wenn er mit aufstrahlcndem Blicke ihr die Hand reichte und sein: „Grüß Gott, Wapurga!" an ihr Ohr drang.
War das Liebe? Und heute vor dem fremden Herrn gerade hatte er von ihr verlangt, daß sie die Hausfrau machen solle, obschon sie noch nicht sein Weib war. Ein Empfinden beinahe der Empörung wallte noch jetzt hier im dunklen Kämmerlein in ihr auf, wenn sie daran dachte und doch hätte eine Andere den Vorschlag des Verlobten wohl nur lächelnd zurückgewiesen. Woher kam bei ihr der Zorn?
Erft gegen Morgen siel das Mädchen in fiebernden unruhigen Schlummer, aus dem sie die Stimme der Förstenn unsanft aufwcckte: Walpurg, Walpurg, wo bleibst Du? Komin in den Stall zum Melken!" (Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.