L o r e c s y.
Novelle von F. V. PÜckler.
(Nachdruck verboten.)
(lck. Fortsetzung^
Der Traum der Leidenschaft war vorbei! Tiefatmend trocknete Saloern die glühende Stirn. Der erste Atemzug des neuen Jahres sollte einem neuen Leben gelten, aus welchem seine sündige Leidenschaft für ewig gelöscht werden sollte.
Langsam schritt er nach dem Saale zurück; an der Schwelle desselben stand seine Frau, bleich und müde, ohne zu ihm wie sonst aufzuscheu, bat sie klanglos: „Laß uns nach Hanse gehen, Georg, es ist so heiß hier und die Lichter schmerzen mich."
„Ja, Du hast Recht, Kind, wir woll.n ohne Abschied verschwinden, cs ist das Befie; der Weg ist nicht weit und wird unö beiden gut thun," sagte er.
In wenige» Minuten und ohne Abschied genommen zu haben, schritt Salderu mit seiner Frau unter dem flimmernden Sternenhimmel dahin. Schweigend, bedrückt und mit sich selbst beschäftigt verfolgten sie ihren Weg; zwischen ihnen, ungesehen und doch drohend, stand eine dunkle Gestalt, welche die letzten Stunden heraufbeschwoc: Die Erinnerung an die gefährliche Versuchen»."
Aber Luise hätte kein wahrhaft liebendes Weib sein müssen, wenn sie nicht für den geliebten Gatten Entfchnldigungen aufgefunden hätte und hier, unter dem von Sternen glänzenden Gottcshimmel schwur sie einen ernsten Eid; sie wollte Georg doppelt lieben, wollte ihm schonend und milde helfen, die Zeit der Verirrung aus seiner Seele auszulöschcn und wieder zurückzn- kehren in ihre Irenen Arme.
Auf der Schwelle des Forsthanses wandte sich Luise lächelnd mit feuchlen Blicken um und reichte dem Gallen die Hand: „Gott segne uns ini neuen Jahre, Georg, und helfe uns über alles Leid und Weh durch seine Liebe und Gnade!"
Er nahm die Hand Luisens beinahe ehrfurchtsvoll zwischen die seine, aber er wagte sie nicht mit den Lippen zu berühren. Wie eine Heilige stand sie vor ihm im klaren Mondenschein mit dem blassen, kummervollen Gesicht, welches zu lächeln versuchte.
„Gott behüte uns, Luise," murmelte er und ein dumpfes Stöhnen hob die breite Brust — aber zum erstenmale wußten sie sich nichts zu sagen, die böse Erinnerung flirrte vor beiden Seelen.
Oben im Tanzsaale von Schloß Arkow intonierte die Musik soeben die zweite Quadrille und gleichgiltig wandte sich Gräfin Ada zu dem Fcstarrangcur: „Ich fürchte Herr von Thadden," bemerkte sie beiläufig, „Oberförster Salderu, dem ich diesen Tanz gewährte, ist nicht mehr da, so könnte ich die Quadrille anderweitig vergeben."
Wiederuin war eS Robert Graham allein, welcher bemerkte, wie bleich seine Schwester aussah, wie ihr Atem flog und das Auge uustät umherirrte - und das Vergißmeiunichtsträußchen, welches sie getragen, fehlte noch immer. Wer mochte cs gefunden haben?
Es war am Tage nach Neujahr. Hell und klar lag die Wintersonne über der schneebedeckten Landschaft, sie wie mit zahllosen flimmernden Edelsteinen überfüllend. Am Fenster der Wohnstube saß Luise, bleich, mit geröteten Augen, das Kinn in die Hand gestützt und sinnend in die Ferne blickend.
Was war feit zweimal vicrundzwanzig Stunden über sie hereingebrochen? Wo war das Glück hiugeschwuuden, welches sie in seiger Zuversicht für unvergänglich gehalten! Dahin, dahin war es durch den dunklen Blick zweier Sireneuaugen, durch das glühende Wort eines roten Fenermundes.
„Und wenn das Glück am Höchsten steht,"
Dann kommt die Sonnenwende."
Sie hatte die bedeutsame» Worte soeben gelesen, und ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen — ack, es lag eine so grausame Wahrheit in denselben.
Wie im Traume ging Salderu seit der Heimkehr in der Neujahrsnacht umher, er hatte gebrochen mit der bcthöruiden Loreley, ausgcwischt die Stunde der Leidenschaft, die ihn schwach
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gesehen, aber das Empfinden einer marternden Reue hielt ihn von Luise zurück; er wagte nicht, ihre Hand zu fassen, in ihr Antlitz zu schauen, denn eine innere Stimme sagte ihm, daß sie seinen Fehltritt kenne!
Hell und deutlich klang jetzt die Hausglocke durch de» stillen Flur, Luise vernahm draußen eine fremde Stimme u»d hörte dann die Antwort ihres Mädchens, welches bedauerte, daß „der Herr Oberförster nicht da sei, er müsse aber bald zurück- kommeu." Dann ertönte nochmals die andere Stimme und gleich darauf kam das Mädchen herein.
„Frau Oberförster»!, ein Herr möchte Sie sprechen."
„Wenn mein Mann kommt, so sage ihm gleich, daß Besuch da ist; nun aber führe den Herrn herein," antwortete Luise.
Gleich darauf stand Robert Graham vor der jungen Frau und verneigte sich mit einem heißen Blicke; sie errötete unwillkürlich, trat ihm aber mit Sicherheit entgegen.
„Mein Mann ist leider noch nicht zu Hause, doch wenn Sie mir vielleicht freundlichst Mitteilen möchten, was Sie wünschen." Der junge Engländer fühlte sich trotz alles SelbstbewußtseinS keineswegs behaglich bei dem ernst fragenden Blick dieser keusche» Frauenaugen, er nahm schweigend Platz, ihrer Aufforderung folgend, und sagte erst nach einer geraumen Weile:
„Verzeihen Sie, gnädige Frau, daß ich Sie selbst belästige, indes ich muß Ihren Gemahl sprechen in einer Angelegenheit, die ihn selbst betrifft und die —"
Eine tiefe Blässe breitete sich über das zarte Gesicht der jungen Frau, ein heftiges Zittern durchflog ihren Körper und der Atem stockte ihr.
„O, mein Gott, ich weiß — weshalb Sie kommen, habe» Sie Barmherzigkeit mit mir!"
Grahams Bück ruhte staunend auf Luise, er vermochte sich den Jammer, welcher sich in ihren lieblichen Zügen ausprägle, nicht zu erkären; es lag eine tiefe Seelenangst darin und für wen? Für den Mann, der so treulos gegen sie gehandelt!
„Gnädige Frau, regen Sie sich nicht auf!" bat Graham. „Wenn ich schon Ihne» fast noch ein Fremder bin, so trete ich dennoch für Ihr Wohl ein. Ueberlassen Sie die Angelegenheit, auch wenn Sie von derselben wissen sollten, den dabei Beteiligten."
„Nein," rief Luise heftig auffahrend, ich habe auch ein Wort mitzureden, und warum sollte die Bitte eines schwergeprüfte» Weibes nicht ins Gewicht fallen, wo eS sich um solch? — ernste Dinge handelt."
Das schüchterne, stille Weib schien wie umgewandelt, hoch- anfgerichtet stand sie vor Graham, ihr flammender Blick suchte den seinen, ihre bebenden Hände lagen gekreuzt über der wogenden Brust-
„Gnädige Frau, hätte ich geahnt — daß Sie von dem Sachverhalt wissen —"
„Ich stand au der Portiere, die zum Wintergarten führte."
„Und dennoch können Sie für — Ihren Gatten Partei nehmen, für ihn zittern!"
„Wäre ich sonst sein Weib, das ihn liebt und ihm Treue bewahrt bis zum letzten Augenblick?"
Wahrhaft hoheitsvoll stand sie vor ihm, zum ersten Male umwehte den leichtsinnigen jungen Mann die reine Atmosphäre einer edlen Franenscele, und fest beschämt senkte er sein Hanpi-
„Wollen Sie noch — sein Leben bedrohen, nachdem seine eigene Gattin — dafür bat?" frug Luise noch einmal nach einer atemlosen' Pause und schaute innig flehend zu dem stumme» Gaste hinüber.
Da plötzlich erschien ein häßlich-s Lächeln ans Grahams verlebtem Antlitz, sein Auge starrte dreist und unverwandt zu der jungen Frau hin und er flüsterte halblaut, dicht an ihrem Ohr- „Aber nur unter einer Bedingung, gnädige Frau!"
Sie fuhr erschrocken zurück, aber daun siegte wieder die Liebe zu Georg und unter Thränen stammelte sie: „Alles, mein Herr, Alles, was sich mit meiner Ehre verträgt, bewillige ich, nur daS Eitie darf nicht geschehen; Sie dürfen nicht mit der Waffe meines Gatten Leben bedrohen — sonst stürbe ich gleichfalls, denn ich kann nicht ohne ihn sein."
„Und ich nicht ohne Sie, schöne Frau," murmelte Graham heiser vor Erregung und ergriff Luisens zitternte Hände, ,,>mt einmal lassen Sie mich die roten Lippen berühren, welche st wunderlieb bitten können —"
(Fortsetzung folzt.)
ernhard Hofmann in Wildbad.