Loreley.
Novelle von F. v. Piickler.
(Nachdruck verboten.)
(8. Fortsetzung.^
Ihr selbst fast unbewußt rollte eine Throne aus den schönen blauen Angut. Aber weshalb sollte Ne dem Weh und Leid sich ergeben? War cs dock nur eine Einbildung gewesen, in der sie sich glücklich geträumt! fori mit der heißen Leidenschaft, fort mit den marternden Gedanken; sie lebte ja in einer Welt, welche keine Ideale kannte und alles hinabzog in Staub und Niedrigkeit. Es war eben Wahn, leerer Wahn, daß sie meinte, jenen Fremden zu lieben, oder vielleicht war es auch aus unendlicher tödlicher Langeweile gewesen, daß sic jene heiße Schwärmerei für ihn empfunden.
Pfeifend sauste plötzlich die schlanke Reitgerte auf einen vorwitzigen Ast, der sich über den Weg bog, dann hob Gräfin Ada stolz das Haupt und trieb ihr Pferd zu schnellerem Laufe an; völlig unkundig des Weges parierte sie dasselbe jetzt an einer Waldlichtung und schaute umher.
Dort drüben waren Menschen. Ein alter Holzfäller arbeitete daselbst, leise ein Lied vor sich hin pfeifend. Bei dern Herannahen der Reiterin sah er auf und griff ehrerbietig nach der Mütze. „Das muß ohne Zweifel die neue Frau Gräfin sein!" dachte der Mann.
„Wo führt der Weg nach dem Erlenbrnch?" frug Ada freundlich. Sie konnte, wenn sie wollte, gegen Untergebene eine große Liebenswürdigkeit zeigen und daher alle Herzen im Sturm gewinnen.
Der Alte gab ehrerbietig Bescheid, Ada dankte und lenkte ihr Pferd herum. Da siel ihr in ihrer bizaren Laune noch etwas ein.
„Ist das nicht schrecklich langweilig, immer Holz zu spalten?" frug sie teilnehmend den Alten.
Der Holzfäller lächelte gutmütig. „Ach nein, Frau Gräfin, hier im Walde ist es immer schön, da wird's Einem nicht langweilig und besonders dann nicht, wenn man fröhlich zu arbeiten und zu schaffen hat."
„Ihr Glücklichen," lachte sie, aber die Stimme klang etwas bitter und leise setzte sie hinzu, „wenn ich nur wüßte, ob dieses Mittel für alle Langweile und für alle Leiden Hilfe."
Ganz erstaunt schaute der schlichte Arbeiter auf die vornehme Frau. Gab es denn auch unter den reichen Leuten Unzufriedene, welche mit dem Schicksal grollten?
Aber schon sprengte die schöne Gräfin freundlich grüßend davon. Luftig wehte der blaue Schleier zwischen den bnntblättri- gcn Bäumen auf, dann war sie fort wie eine Vision.
Nach einiger Z>it mäßigte Ada den Lauf des Renners, und während sie ihren Gedanken nachhing, schritt das Pferd im ruhigen Tritt weiter.
Im nahen Erlenbusch stand ein hoher, stattlicher Mann, die Büchse auf der Schulter, den Jagdhund zur Seite und schnitt geübt mit sicherem Griffe einige wilde Schößlinge von den Stämmen. Ada war so tief in ihre Gedanken versunken, und das Pferd schritt so ganz geräuschlos über den Weichen Waldboden, daß die beiden Mensche» erst einander bemerkten, als der Hund knurrend anschUg.
Aber plötzlich zuckte die junge Frau zusammen, ihre Hand riß in wilder Erregung den Zügel fest an sich, daß das edle Tier, erschreckt über eine solche Behandlung, kerzengerade in die Luft stieg und die Reiterin abznwerfen drohte. Im nächsten Augenblick packte aber auch bereits eine eiserne Faust den Zügel des Pferdes und zog cs herunter, daß es zitternd und lammfromm stehen blieb.
„Frau Gräfin erschrecken über mich, cs thnt mir leid," erklang eine volle, sonore Männerstimme. Es war der Oberförster Saldcrn, der den Hut vor Ada gelüftet und sofort erraten hatte, daß cs Gräfin Arkow sei, welche vor ihm hielt.
„Also hier tief im Walde lernen wir uns kennen, Herr Oberförster," begann sie mit vibrierender Stimme, „und noch dazu sahen Sie mich gleich zuerst so ungeschickt auf scheuem Pferde, das ich so lose im Zügel gehalten.
„Nicht doch, meine Gnädige, das Pferd erschrak vor meinem Hunde. Uebrigcns erkannte ich sofort die vorzügliche Reiterin,
welche eisenfest im Sattel saß, trotzdem das Pferd hoch in ch Luft stieg."
„In England lernt man das Reiten mit dem A, b, c, zusammen," entgcgnele sie heftig," es gehört daher keine grch Kunst von meiner Seite dazu, im Sattel zu bleiben. Abu möchten Sie mir wohl den Weg zum Schloß zurück zeig!», Herr Oberförster!"
„Vorerst dürfte ich wohl bitten, gnädige Gräfin, bei uns iu der Oberförsterei ein wenig anszurnhen. Gnädige Gräfin schein!,, einen anstrengenden Ritt hinter sich zu haben und es ist imm- hin ein weiter Weg nach dem Schlosse zurück. Auch würde kS sich meine Frau zur großen Ehre . . ."
„Nein, nein," wehrte sie hastig, „ich muß nach Hanse, abtt ich danke Ihnen herzlich für Ihre Güte."
Fögernd und befangen wie ein Schulmädchen bot sie dm stattlichen Manne die feine, kleine Hand, während ihr Blick ach flammte. Salden, faßte die schöne Hand mit kräftigem Drucke, durch das feine Glace-Leder hindurch fühlte er wie die Fiuger der Hand bebten, wie diese schwer und ohne Gegendrnck in t»r seinen ruhte, und beinahe mitleidig schaute er in das scheue Antlitz der Gräfin, denn er glaubte, daß sie sich vor ihm teil vor einem halb wilden Waldmenschen fürchte.
Welche Angen leuchteten ihm aber aus dem Antlitz dir Gräfin entgegen, als er etwas tiefer in dasselbe blickte?
Sie hatte sich ganz vergessen, die junge Gräfin. In dich,» einen Blicke flutete alle Glut und Leidenschaft zusammen, abn auch solch namenlose Trauer und liefe Wehmut sprach daraus, daß Salden, ein eigenes Gefühl in sich erwachen fühlte.
„Herr Oberförster, soll ich Ihnen danken für Ihre Hilf! oder nicht," sagte sie dann tonlos, „ohne dieselbe läge ich jetzt vielleicht mit zerschmettertem Haupte an irgend einem Baumstamm und brauchte michte mich nicht mehr mit diesem hohlen, inhaltslosen Dasein abznquälen. „Leben Sie wohl!"
Sie war davongebranst, vor ihm entschwunden wie m Waldfee, schön, bezaubernd, unheilbringend.
Der starke Mann atmete schwer, er griff an seine glühenk Stirn — den Blick, welchen er soeben gesehen, vermochte ee nicht abzuschüttcln. War sie, die schöne, reiche Frau dem unglücklich?
Sinnend schritt Saldcrn heimwärts, zum erstenmalc mit Gedanken — an eine andere als seine Luise beschäftigt. Huck der schlanken Amazonengestalt der schönen Gräfin hob die Versuchung ihr schillerndes Schlangenhaupt und winkte Salder» i» nicht mißzuverstehender Weise zu.
Indessen eilte Adas Pferd über den breiten WieseiM dahin; die Reiterin achtete nicht auf den Weg, in den gefaltete« Händen lagen die Zügel, starr und ohne Ausdruck hefteten die blauen Angen am Horizonte, während der rote Mund sich sisl znsammenpreßte.
Ada hatte den Mann, welchen sie fliehen wollte und an dm sie doch mit jeder Faser ihres Herzens hing, nun doch wird" gesehen. Das Schicksal selbst stellte ihn ihr in den Weg, <!« Widerstand schien ihr umsonst. Und doch fühlte Ada die M Wendigkeit, ihre Leidenschaft zu zügeln, so lange es noch war, damit dieselbe nicht über ihr und ihn, Verderben bringend zusammenfchlug.
O, würde dann das wirklich ein Unglück sein?
Nur einmal wollte sie das Haupt an seine Brust bette«, nur einmal seine Lippen auf den ihren fühlen — und da«» sterben oder verstoßen sein. In ihrem liebelecren Dasein M der Tod keine Schrecken für sie.
Was in der Seine schwimmt. Folgende Tiere wurde» >»> Jahre 1886 natürlich tot — während ihres Laufes durch Pal" aus der Seine gezogen: 2021 Hunde, 976 Katze», 2257 Ratte«, 507 Hühner und Enten, 210 Lapins und Hasen, 10 Ha»M, 2 Füllen, 60 Ferkel, 5 Schweine, 27 Gänse, 27 Truthüh»-«, 2 Kälber, 3 Affen, 1 Papagei, 609 verschiedene Vögel, 8 ZM 1 Schlange, 2 Eichhörnchen, 3 Stachelschweine, 3 Füchse, " Tauben und Rebhühner, 3 Igel, 3 Pfauen und — 1 Sech»««' Hund, Katzen, sogar Igel, meint der Figaro zu dieser Statt!», will noch nicht so viel sagen, aber der Seehund macht eu» doch nachdenklich.
(Fortsetzung folgt)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann m Wildbad.