Delcaffö über die Memoiren des ehemaligen deutschen Kaisers.
; Parks, 7. Okt. Delcasse Hai sich einem Berichterstatter des ' «Petit Parisien" gegenüber zu den Memoiren des deutschen Kaisers geäußert. Zunächst berichtigte er die Angabe, daß während des Burenkrieges Frankreich geneigt gewesen sei. sich Deutschland anzuschließen, um über England herzufallen. Dann hätte ja Frankreich, dem es kurze Zeit vorher gelungen sei, eine besonders gespannte Lage zwischen Frankreich und England zu entwirren und dessen Politik sich entschlossen im Sinne einer französisch-englischen Politik bewegte, hinterhältig dem Berliner Kabinett einen schlechten Streich oorgeschlagen. Delcasse meinte, es hätte, wenn man dem Urheber dieser Memoiren Glauben schenken dürfe, Marokko als Kriegsmittel benutzt; und das sei der letzte deutsche Kaiser, der heute eine solche Behauptung verbringe. Die Wahrheit sei, daß Wilhelm II. immer erwartete, daß Frankreich schließlich eine durch die Furcht bestimmte Politik treibe. Wenn er sich heute gegen die französisch-englische Politik so lebhaft ausspreche, so sei es, weil er Interesse habe, aber zu spät und auf .seine Kosten, daß diese Politik zum wesentlichen Ziel gehabt habe, die Unabhängigkeit großer Staaten sicherzustellen, die er immer abhängig zu machen gewünscht habe. Die französisch-englische Ententepolitik — das habe er nie abgeleugnet — sek eines seiner Hauptziele gewesen. Seit dem M. März 189S (!) datiere die erste Arbeit des Unternehmens, das am 8. 4. 1904 zu dem allgemeinen Abkommen geführt hätte, das als der Beginn der Entente cordiale zu bezeichnen sei. Delcasse ging alsdann auch noch auf die Frage des militärischen Abkommens zwischen Franko reich und England ein und erinnerte an die Briefe der ehemaligen französischen Minister, die zu Beginn des Jahres veröffentlicht worden seien. Einer dieser Briefe spreche von einem militärischen Abkommen zwischen Frankreich und England. Die Frage von Tanger sei der Fehler gewesen, den Wilhelm II. begangen habe. Er behaupte, daß er Furcht gehabt habe, daß man hierbei von einer Provokation hätte sprechen können. Das Ergebnis sei tatsächlich gewesen, daß er es befürchtet habe, und er versuche heute, die Schuld auf Vülow abzuwälzen. Das sei nicht sehr hübsch. In den Archiven des Quai d'Orsays befänden sich mehr Dokumente, als nötig seien, um den deutschen Kaiser der Heuchelei zu überführen. — Also raus.
Die üblichen Heuchelreden Poinearö's.
Paris, g. Okt. Ministerpräsident Poincars hielt gestern in Vaucouleurs (Maas-Departement) eine Rede aus Anlaß der Einweihung eines Kriegerdenkmals, in der er wiederum die Kriegsursache besprach. Cr behauptete, der Frieden wäre niemals gestört worden, wenn Deutschland nicht Frankreich angegriffen hätte. Der härteste und kostspieligste Krieg seit Menschen- gcdenke» sei durch den mildesten und liberalsten Frieden abgeschlossen worden. Niemand von uns, sagte Poincarö, verlangt heute, daß die Bedingungen dieses Friedens verschämt werden Hollen. Alles, was wir wollen, ist, daß sie erfüllt werden. Poin- care ging dann auf die Orientfrage ein und betonte, Frankreich werde sich in keine kriegerischen Abenteuer hineinziehen lassen. Er schloß mit der Mahnung, alle Anstrengungen zu verdoppeln, um die Menschheit vor neuen Katastrophen zu bewahren.
Deutschland.
Vergiftung zweier Angeklagten im Nathenauprozetz
Leipzig, 7. Okt. Der Beginn der heutigen Verhandlung des Rathenauprozesses verzögerte sich ungewöhnlich.' Allerlei Gerüchte durchschwirrten den Saal, die sich schließlich dahin verdichteten, daß man Günther gestern abend vergiftete Pralinen geschickt habe und daß sein Unwohlsein daraus zurückzusühren sei. Auch Warnecke, Tillesen und Schutt haben ebenfalls von den Pralinen gegessen. Warnecke sei gestern ebenfalls unwohl geworden, während die andern keinen Schaden gelitten hätten. Um >?410 Uhr erschien der Gerichtshof. Vorsitzender Hagen .teilte mit, daß Warnecke und Günther durch irgend
12) Der C-Birnd.
Eine Erzählung für Christeukinder vom Verfasser.des „armen Heinrich".
Vielleicht bin ich nur nicht vor die rechte Türe gekommen. Mills noch einmal probieren. Er geht so fort in ein anderes Haus und bittet die Leute, die zu ebener Erde wohnen, um ein Stück Brot, weil er die ganze Nacht nichts gegessen habe. Sie, die nicht wußten, daß er die ganze Nacht gewandert, meinten, er treibe Possen und wiesen ihm die Türe. Theodor wurde fast irre an den Leuten, beschloß aber doch, noch einen Versuch zu machen, und wenn er auch fruchtlos sei, seine Heimat wieder aufzusuchen: die Bettel- cherberge mit dem Strohsack. Darüber fiel ihm ein, daß er noch eine Kupfermünze in der Tasche habe, die ihm gestern ein vorbeireisender Kaufmann geschenkt und dachte: nun hats keine Not mehr: nun kann ich mir Brot kaufen. Die Münze war aber ausländisch und der Bäcker wollte sie nicht nehmen. Doch schenkte er nun dem Knaben ein Stück Brot, weil er sah, daß es ihm mit dem Hunger ernst war. Gegenüber stand ein schönes Haus mit einem kleinen Vorplatz. Da setzte sich Theodor auf die Steinplatten und ver- zehrt», sein Brot mit Dank gegen Gott, der seine Verheißung: Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zu frischem Wasser, an ihm erfüllt hatte: und indem er sich an die mühselige und ängstliche Nachtwanderung erinnerte, auf der ihn der Psalm getröstet, fielen ihm vor großer Müdigkeit die Augen zu. In wenigen Minuten lag er in tiefem Schlafe.
Es war um die Stunde, wo die vornehmen Leute ihren Morgenspaziergang zu Wagen zu machen pflegten. An dem .Hause, an dessen Vorplatz Theodor schlief, fuhr eine Equipage vor. Eine Weile darauf kam ein Herr mit einer
einen Unfall, der noch nicht aufgeklärt ist, ernstlich erkrankt seien, daß bei Warnecke die Verhandlungsfähig- keit heute vollständig ausgeschlossen und bei Günther außerordentlich in Zweifel gestellt sei. Da nach der Strafprozessordnung die Verhandlungen in ununterbrochenem Zusammenhang und in Anwesenheit sämtlicher Angeklagten geführt werden müssen, so bleibt nichts anderes übrig, als die Verhandlung heute aufzuheben und auf Montag vormittag zu vertagen. Der Eerichtsarzt hat erklärt, dafür eintreten zu können, daß sowohl Warnecke wie Günther am Montag wieder verhandlungsfähig sein werden.
Berlin» 7. Okt. Das Befinden des Angeklagten Warnecke hat sich im Laufe des Tages verschlechtert. Warnecke brach am Morgen Blut und leidet jetzt an hohem Fieber. Der jüngere Techow leidet an Schwindelanfällen und Herzbeschwerden. Die Angelegenheit ist dem Oberstaatsanwalt zur weiteren Verfolgung übergeben worden. Auffallenderweise haben die beiden Pakete mit Pralinen die Kontrollstation des Gefängnisses nicht passiert. — Es wird vermutet, daß die beiden vergiftet werden sollten, um gefährliche Aussagen zu verhindern.
4S0 Milliarden laufende Schulden.
Berlin, 8. Okt. Nach einer amtlichen Uebersicht über die Finanzgebarung des Reichs nahm die schwebende Schuld an dieskontierten Reichsschatzanweisungen in der dritten Septemberdekade um 89,7 Milliarden Mark zu. Der Gesamtbetrag der schwebenden Schuld beträgt hiermit 450 Milliarden. Davon sind 13 Milliarden mit längerer Laufzeit versehene Schatzanweisungen. Die übrigen sind mit dreimonatiger Laufzeit bei der Reichsbank diskontert. Verhandlungen über das veu zu schaffende Beamtenrecht. ^
Berlin, 7. Okt. Unter dem Vorsitz des Präsidenten des Ober- verwaltungsgerichts, Staatsministers a. D. Dr. W. Drews, fand gestern eine Verhandlung über das neu zu schaffende Beamtenrecht statt, an der neben Regierungsvertretern Delegierte der Spitzenorganisationen der Beamtenschaft teilnahmen. Es fand der Vorschlag beifällige Aufnahme, die Beamteneigenschaft durch Aushändigung einer Bestallungsurkunde zweifelsfrei festzustellen. Die Anstellung soll grundsätzlich auf Lebensdauer erfolgen. Daneben soll aber auch eine Anstellung auf Zeit möglich sein. Das Ausscheiden eines Beamten aus dem Dienst soll auf seinen Wunsch jederzeit zulässig sein. Bei politischen Beamten soll die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand jederzeit möglich sein. Die Verhandlungen werden heute fortgeführt werden.
Zum Prozeß Fechenbach.
München, 4. Okt. Zu dem Prozeß Gargas-Fechenbach- Lembke weiß die „Bayerische Staatszeitung" aus der Anklageschrift zu berichten, daß Fechenbach schon zu Lebzeiten Eisners und nach Eisners Tod im Ministerium des Aeu- ßern in den Besitz geheimer Schriftstücke gelangt war, u. a. des Memorandums des Reichsministers Erzberger vom September 1914. Im April 1919 händigte Fechenbach in München je eine Abschrift dieser Geheimdokumente dem Vertreter, der ihm als deutschfeindlich bekannten Zeitungen, des „Journal de Eeneve" und des Pariser „Journal" dem Journalisten Payet, zu dem Zweck aus, daß letzterer diese Dokumente unter ausdrücklicher Berufung aus Fechen- bachs Vermittlung, in den von ihm vertretenen Zeitungen veröffentliche, was Payet denn auch tat. Gargas, der Leiter der Berliner Agentur eines in London seit mehreren Jahren bestehenden Nachrichtenbüros, sammelte u. a. Nachrichten darüber, ob in Deutschland, insbesondere in Bayern, dem Versailler Vertrag zuwiderlaufende Bestrebungen im Gange seien. Diese Nachrichten übersandte Gargas auch gegen Barzahlung unmittelbar an die „Times" und an Vertreter amerikanischer Pressebüros. Ear- gas stellte in ganz Deutschland Agenten an, zu denen Fe-
schwarzgekleideten Dame zum Hause heraus. Sie mußten den Knaben bemerken, denn er lag nicht weit von der Türe, und als sie ihn einmal erblickt hatten, so mußte notwendig auch eine längere Betrachtung Nachfolgen. Ich sage nichts von der ausfallend barolen Kleidung, in welcher das Kind stak, auch nichts von den langen schwarzen Lok- ken, die auf den Steinplatten sich ausbreiteten, aber auf dem Gesicht des Knaben schwebte wieder jenes freundliche fröhliche Lächeln, das damals zwischen den Garben seine Züg verklärte; vielleicht sah er wieder im Traume die Himmelsboten auf und nieder steigen. Das trauernde Auge der schwarzgekleideten Frau heftete sich auf den schlafenden Jungen und konnte nicht wieder loskommen. Bald wurde auch der Mann aufmerksam. Wie ists doch? sagte er zu seiner Frau, wäre denn nicht unser Theodor, wenn er noch lebte, so groß wie dieser Knabe? — Die Frau aber — o du heilige Mutterliebe, wer kann dich ganz ergründen? Wer hat dir das Auge gegeben, das so scharf siehet, das in diesem Augenblick das Bild des eigenen längst verlorenen Kindes in leibhaftigster Deutlichkeit sich vergegenwärtigt und zugleich dasselbe Bild verkörpert vor sich sieht in dem schlafenden Bettelkinde!
Als Theodor erwachte und nun auch seine Augen und sein Mund reden können, da drängte sich Frage auf Frage und durch jede neue Antwort wird die Ueberzeugung bestätigt, daß sie ihr verlorenes Kind vor sich haben. Aber in einem solchen Falle will man nicht blos Wahrscheinlichkeit, sondern Gewißheit, und die ist nur an Ort und Stelle zu erlangen. Man beschloß also, gleich morgen die Reise nach Lukowicza anzutreten, einstweilen aber wird Theodor ins Haus gebracht und anständig gekleidet. Er kann sich aber noch gar nicht recht car die neue Lage gewöhnen, und als er am anderen Morgen aufwacht, sagt er: Mutter.
chenbach und Lembke gehören. Fechenbach und Lembke wußten, daß durch diese Veröffentlichung nicht nur dem Deutschen Reiche, sondern auch Bayern Schaden erwachsen könnte. Sie setzten aber die Berichterstattung fort, obwohl sie Kenntnis davon erlangt hatten, daß Gargas Spion sei und beabsichtige, ins Ausland zu fliehen. Bei seinem Ver-^ hör erklärte Fechenbach. er habe als Politiker gehandelt und er werde seine Handlungsweise auch verantworten., lieber seine Beziehungen zu Eisner äußerte er, daß er keine selbständigen Handlungen vorgenommen habe, sondern lediglich der Privatsekretär Eisners gewesen seU
Große Kartoffelernte.
Berlin, 8. Okt. Im Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft des Neichswirtschaftsrats gab ein Vertreter des Reichsernährungsministeriums ein günstiges Bild von der Kartoffeloersorgung. Nach den bisher vorliegenden Zahlen werde die Ernte vermutlich 34 Millionen Tonnen, das sind 8 Millionen mehr als im Vorjahre, erbringen. Die Preisbildung werde durch die Einri^uug von Notierungskommissionen, in denen zu je einem Drittel Landwirte, Händler und Verbraucher sitzen, in geregelte Bahnen gelenkt.
Vermischtes.
Hochwasser im mittleren Schwarzwald.
Berlin, 9. Okt. Nach einer Meldung des „Berliner Lokalanzeigers" aus Achern in Baden führen die Flüsse des mittleren Schwarzwaldes infolge des andauernden Regens Hochwasser. Besonders an der Kinzig sei eine Schädigung der Kartoffelernte eingetreten. ,
Beschlagnahme von Goldwaren.
Berlin, 8. Okt. Dem „Berliner Tageblatt" zufolge beschlagnahmten deutsche Zollbeamte bei der Revision des Expreßzuges in Salzburg große Mengen Eoldwaren, die in geheimen Behältnissen über die österreichische Grenze geschmuggelt werden sollten.
Oeffentlicher Unfug.
Berlin, 9. Okt. Auf dem Dresdener Altmarkte, dem belebtesten Platze der Stadt, hat sich ein aus seiner Wohnung vertriebener von seiner Ehefrau verlassener Mann mit seinem hochaufgetürmten Möbelwagen niedergelassen. und verspottet durch Wort und Tat das Wohnungsamt unter dem Beifall einer riesigen Menschenmenge, die gleichfalls für diese Behörde keine übermäßig großen Sympathien zeigt.
Demonstratian in Berlin wigen eines verhafteten Italieners.
Berlin, 8. Okt. Vor dem Gebäude des Polizeipräsidiums auf dem Alexanderplatz versammelten sich heute mittag einige hundert Personen und verlangten die Auslieferung des als politischer Gefangener in Haft befindlichen Italieners Ghezzi. ,Eine Abordnung begab sich in das Gebäude und übergab eine dahingehende Entschließung. Um 1 Uhr zogen die Demonstranten wieder in Ruhe ab.
Der Streik in der französischen Handelsmarine.
Marseille, 7. Okt. (Wolfs.) Die Angestellten der Handelsmarine haben gestern in einer Entschließung die Antwort des Unterstaatssekrctärs auf das Ersuchen um Einsetzung einer paritätischen Schiedskommission als eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse bezeichnet. Die Anwesenden erklärten, sie seien entschlossen, jeden Dienst auf allen Schiffen einzustellen.
Paris, 7. Okt. (W.-B.) Nach einer Havasmeldung aus Marseille haben sich heute vormittag die Dock- und Kohlenarbeiter mit den Seeleuten aller Kategorien solidarisch erklärt und beschlossen, am Montag morgen die Arbeit völlig einzustcllen, um an einer Generalversammlung tcilzunehmen.
heute ist ein schöner Tag für mich, kein Regen, kein Schnee, kein Sturm; es ist heute gut Brttelwetter. — Du armes Kind, erwidert die Mutter, indem ihr Tränen herabrinnen, mit dem Betteln hats jetzt ein Ende. Seitdem wir dich verloren, habe ich immer um dich getrauert und fortwährend schwarze Kleider getragen; heute gehe ich weiß und von nun an hat auch das mühselige Leben für dich ein Ende. Deinen Bettelsack aber, den du am letzten Tag deines Bettellebens so leer mit nach Hause gebracht hast, wollen wir aufbewahren zum Andenken, damit du in der Demut bleibest und in der Dankbarkeit gegen den guten Hirten, der das verirrte Schüflein bewahrt und uns «unverdorben wieder in die Arme geführt hat.
Am gleichen Tage reisten sie alle miteinander nach Lukowicza, das sein früherer Besitzer längst verkauft hatte. Ein Teil der früheren Bewohner hat sich wieder dort angebaut. Aber niemand von ihnen konnte über das verlorene Kind Auskunft geben. Nun gings in das andere Dorf, wo Theodor bei seinen Pflegeeltern sechs glückliche Jahre verlebt hatte. Die arme Witwe lebte noch und freute sich, den Knaben wieder zu sehen. Bei ihr bekamen die Eltern die Gewißheit, daß Theodor ihr Sohn sei. Wie dies zuging, kann ich aber erst später erzählen.
Wir müssen nach Quellbrunn zurück. Der kleine Knabe, den wir zuerst im Korbe sahen, ist unterdessen getauft worden, und anstatt den Namen „Thomas Fund" oder „Paul Findling" oder „Jakob Zainer" zu bekommen, wurde er auf Jörgadams Wunsch „Adam Zehbund" genannt, ihr könnet schon erraten warum. Unter diesem Namen muß^)c im Taufbuch des Dorfes, wohin Quellbrunn damals ein» gepsarrt war, zu finden sein. ,
(Fortsetzung folgt.)