Zwei Schwestern.
Novelle von H. v. Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
(3. Fortsetzung.)
O, Lora, sei keine Thörin! Die gnte Frau Konsul seufzt mitunter so tief wenn sie mich ansieht und nennt mich noch zärtlicher und öfter ihr liebes Kind. Eugen ist seit einiger Zeit zurückhaltender geworden; er spricht selten mit mir, nur sein Blick ruht unverwandt auf meinen Zügen, so lange er im Zimmer ist, und dies erfüllt mich dann stets mit der gewohnten Unruhe. Aber ich habe wenigstens kein halblautes, leidenschaftliches Wort mehr vernommen, und er verschont mich mit dem krampfhaften Händedruck beim Kommen und Gehen.
Papa ist gegen mich, ist dieses nur Einbildung oder That- sache, so ganz besonders kühl und unnachsichtig; warum weiß ich nicht und kann es mir nicht erklären. Neulich hörte ich ihn in gereiztem Tone zu Eugen sagen, als sie über den Korridor an dem Garderobezimmer vorbeischritten:
„Ueberlasse es mir, Eugen, sie zum Gehorsam zu bringen. Noch ist alles Vermutung, aber es ist nicht das erste Mal, daß die blanken Knöpfe ein phantastisches Ding verdreht machen."
Ich fühle einen scharfen Stich im Herzen und griff mechanisch mit der Hand darnach. Galt das mir?
Den 20. April. Nun weiß ich, was es ist, das all diese Wochen mein Herz so heftig klopfen ließen, meine Seele mit Jubel und doch mit Zagen erfüllte. Gestern las ich das Dichter
wort: „Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt," und wie ein goldiger Sonnenstrahl glitt es in mein Jnners; Du liebst ihn, Arthur von Dahlen I Ja, ja, ich liebe ihn seit jenem ersten Abend, wo sein leuchtender Blick den meinen traf, seine Stimme mich berührte, wie ein Klang aus schöner Welt. Ein Schleier sinkt nieder vor dem armen thörichten Mädchenherzen und süße, nie gekannte Wonne zieht hinein. Ich sank auf die Knice und bedeckte mein Antlitz mit beiden Händen, als könne mir nun ein Jedes mein Geheimnis aus den Augen lesen. Ines' liebes Stimmchen weckte mich zur Wirklichkeit, ich eilte zu ihr und habe wohl noch nie mit solch jubelnder Hingebung Sternchen und Figuren
gebaut. AbendS, als ich im Bette lag, da kam freilich die ver
ständige Ueberlegung; mir siel so manches ein, waö mein pochendes Herz innehalten ließ in trüber Vorahnung.
Jene drohenden Worte des Vaters, die ich neulich vernommen, sein geringes Wohlgefallen für den thcuren Mann, welches ich nur zu oft herausgehört aus diesem oder jenem und dann Arthurs gänzlicher Mangel an Vermögen beunruhigen micht. Ich lag lange mit wcitgeffneten Augen, mein Kopf schmerzte, meine Pulse flogen; ich wußte, daß auch er mich liebte und sah die drohenden Gefahren, welche der gegenseitigen Neigung drohten. Aber warum so kleinlaut I Ich faltete plötzlich die Hände und all meine Sergen, all mein Bangen trug ich zum himmlischen Vater empor in inbrünstigem Gebete. Ja, das that wohl, das war das rechte Mittel, ich fühle eine stille, tröstende Zuversicht in meine Seele einziehen und der alte schöne Vers kam mir in Erinnerung:
„Wer Gott dem Allerhöchsten traut,
Der hat auf keinen Sand gebautl"
Den 1. Mai. Heute kündigte mir Papa an, daß er nächsten Sonntag ein großes Diner zu geben beabsichtige und zeigte mir eine Liste der Gäste. Mit heimlichem Entzücken gewahrte ich auch Dahlens Namen darunter, doch wie ein geistiger Hauch glitt es über mich, als ich Papas ruhige Stimme sagen hörte:
„Ich muß diesen Baron Dahlen auch einladen; er macht Dir ausfallend den Hof, doch hoffe ich von Deiner Klugheit, daß Du ihm keinerlei Avancen machst, Lora, denn natürlich werde ich diesem Herrn von Habenichts nie mein Kind geben. Meine Pläne sind längst gefaßt."
Vor meinen Augen tanzten bunte Hieroglyphen, meine Hand preßte fester die Lehne des Armsessels und ein Gefühl von Todesangst zog lähmend durch alle Glieder. Was halte der Vater mit mir vor? War ich denn ein wissenssoses Etwas für ihn, welches nach de» günstigsten Chancen verkauft werden sollte? Er war Kaufmann durch und durch, sein eigenes Kind schien auch nicht mehr wie Coupons und Wertpapiere zu gelten. Eugen! Hing der etwa mit den „Plänen" zusammen?
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Nach einigen gleichgiltigen Worten ging ich scheinbar unff- fangen hinaus, doch kaum war die Thür ins Schloß gefallen, d« überkam mich die graue trostlose Verzweiflung. Ich lag auf meinen Knieen und flehte wortlos mit krampfhaft verschlungene« Händen zum Himmel empor. Keine Thräue konnte ich finde«, kein Trost zog ein in die matte Seele, ich war wie gebrochen. Erst nach und nach ward es stille in mir und die Hoffnung, welch nie im Mcnschenherzen stirbt, erhob ihre leise tröstende Stimme.
„Es kann nicht sein, wenn Papa sieht, wie lieb wir uns haben, muß er uns glücklich machen."
Nur Mut und Geduld, Lora; noch hat er kein Wort gesagt, seine Augen allein verrieten ihn. Gott segne meine Liebling!
Den 8. Mai. Gester war unser großes Diner, bei sonnigstem Frühlingswetter. Ich mußte zum ersten Male die Honneurs machen und fühlte mich daher sehr befangen; meine jungen Freundinnen plauderten so munter mit all den Herren und Dann« und ich mußte überall und nirgends sein. Papa hatte mir kurz vor Ankunft der Gäste eröffnet, daß Eugen mich zu Tisch führe» werde und nun war alle Freude für mich vorbei. Hatte ich auch nicht zu hoffen gewagt, daß Baron Dahlen mein Nachbar sei« werde, so wäre mir doch ein anderer, auch der fremdeste lieber gewesen, als gerade mein Vetter.
Baron Arthur trat au mich heran, als alle versammelt waren, und begann ein leichtes Gespräch, doch sein Auge schimmerte weich, seine Stimme klang bewegt und ich schaute ihn erstauntem.
„Was ist Ihnen, Baron Dahlen?" frug ich halblaut, da stand auch schon Vetter Eugen neben mir, bot mir seinen Am und sagte sehr höflich zu dem jungen Offizier:
„Herr Baron, Sie führen Comteß Bilferhausen."
Ich war sehr niedergeschlagen, doch es half nichts, die Kon- venienz ist unerbittlich, und dank dem Himmel! ich kam so z« sitzen, daß ich ihn schrägüber beim Emporsehen betrachten könnt!. Auch Dahlen hatte es bemerkt, — ein warmer Blick traf meine Augen und errötend sah ich auf den Teller nieder. Vetter Eugen war unausstehlich; er sagte mir zuerst Schmeicheleien über mein hellblaues Kaschemirkleid und die Rosen, welche ich trug.
„Sind sie frisch?" frug er scherzend und ich erwiderte sehr erfreut: „Ja." „Aber, Cousinchen," lachte er mit einem Male, „an was denkst Du, daß Du so verkehrt antwortest?" „An Dich, Eugen, und Deine angenehme Art zu necken," entgegnete ich sch ärgerlich, denn sein boshaftes Lächeln war mir nicht entgangen.
„Hm, Lora, für meine Wünsche denkst Du noch immer z« wenig an mich," entgegnete er und sein fester kalter Blick schien bis ins tiefste Herz mir dringen zu wollen. Ich wurde dunkeln! vor Zorn; ober denn gar nicht wußte, wie antipatisch er mir war! Endlich, endlich erhob man sich, nie war mir eine Mahlzeit so uw beschreiblich lang vorgekommen.
In dem Empfangssalon standen die Fenster weit offen und die scheidenden Strahlen der Frühlingssonne glitten herein. Plötzlich stand Dahlen neben mir, leise und traurig sagte er:
„Fräulein Lora, womit habe ich dies verdient, wissen Su denn gar nicht, wie es hier drin in meinem Herzen aussieht?
Ich schrak zusammen, alles Blut wich aus meinem Antlitz, Eugen beobachtete uns. „Wollen Sie meine neuen Noten sehe», Herr Baron?" frug ich sehr laut und schritt dann gleichgiltig mit dem Fächer spielend, hinüber nach dem Flügel.
Mit bebender Hand tastete ich nach einer Stütze, die Sinne drohten mir zu schwinden, doch Arthurs Stimme bat halblaut und unruhig:
„Fassen Sie sich, Fräulein Lora; nur ein Wort sagen Sn, geben Sie nur ein Zeichen. Ist es war, daß Sie die — Braut Ihres Vetters sind?"
Mit blitzenden Augen hob ich mein Haupt und ein stolz verneinender Blick sprach wohl beredter als meine zuckenden Lippent
„Niemals, Baron Dahlen, -soll es so weit kommen. Wer wagt es, diese Worte zu sagen!" —
„Herr Volkert selbst."
Dahlen ward unterbrochen, denn lachend näherten sich D zwei meiner Freundinnen und wünschten ein Lied von dem junge» Marine-Offizier zu hören. Dieser letztere schien wie umgewandelt, seine gedrückte Stimme war vorbei, er verneigte sich scherzend, erklärte sich zu allem bereit und bat um die Gnade, ihm ein Lud zu bezeichnen. „Oh, so singen Sic doch das jubelnde Liebeölied- »Ich schnitt es gern in alle Rinden ein."
(Fortsetzung folgt.)
ernhard Hosmann m Wldbad.