Dccs goldene Kcclb.
Novelle von H. v. Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
(14. Fortsetzung.)
„Wir verstehen uns nicht," sagte die Baroneß hochmütig und erhob sich,
„Um unserer ehemaligen Freundschaft willen, kam ich her, Dir meine Verlobung mitzuteilen: willst Du um derselben willen mit mir brechen —"
„Nein, Jutta," rief Luise warm, „im Gegenteil, wir wollen die guten Freundinnen bleiben und uns stets recht lieb behalten!"
Trotzdem war die Umarmung von Seiten Juttas sehr kühl und sie verabschiedete sich hastig. Gleich darauf kam der Pastor zurück und man konnte jede Minute die Post erwarten, mit der Alexander eintreffen sollte.
Und endlich rasselte sie daher; der junge Arzt grüßte schon von Weitem, sprang, als sie hielt, heraus und begrüßte die Lieben aus dem Pastorhaus.
Als die Reihe an Luise kam, stutzte der stattliche Mann. Warum schien es ihm unmöglich wie bisher sie auch heute als Schwester in die Arme zu schließen? Seit jenem Morgen, da er ihre reine Stirn geküßt, war der innige Blick ihrer Augen nicht aus seiner Seele gewichen, wie oft glaubte er die liebe Stimme zu hören: „Armer Alexander!" Wenn er darüber nachdachte, so kam er sich eigentlich gar nicht so bemitleidenswert vor; leise un- merklich löste sich die Erinnerung an Juttas silbernes Lachen, an tizianischen Locken, aus seinem Herzen, ohne daß er ein Opfer der Verzweiflung wurde. So gewann Zoll für Zoll ein anderes Bild Raum in seinem Herzen.
„Zerstreut hielt Alexander noch immer die Hand seiner Cousine, er bemerkte erst heute, wie lieblich sie sei.
„Wir freuen uns so herzlich über Deinen Besuch, lieber Alexander," sagte sie einfach, aber der Druck ihrer Hand berührte ihn sympathisch, auch die rosige Glut des feinen GefichtchenS ent- gieng ihm nicht.
Drinnen in der Wohnstube brannte die Lampe, der Tisch war gedeckt, und ein köstliches Gefühl des Behagens überkam den eintretcnde» Arzt, soeben entrahm Luise dem großen Rosenbouquet in der Mitte desselben einige Blüten, um sie auf die Teller zu verteilen.
Alexander ergriff die Seinige mit einem freundlichen Blick und steckte sic ins Knopfloch; er erinnerte sich jenes Moments am Schloßgitter, wo er die nachlässig von Jutta fortgcworfene Blüte aufgenommen hatte — es lag wie eine Ewigkeit zwischen heute und damals. Es war ihm, als erwache er unter dem Strahle dieser sanften, blauen Augen aus einem bösen, schweren Traum. —
„Und die neueste Neuigkeit ist doch wohl auch für Euch Fräulein von Ternaus Verlobung," begann Alexander nach einer Pause, ohne daß Luisens heimlicher Blick die leiseste Unruhe an dem Vetter bemerken konnte.
„Wir wissen keine Silbe," rief die Frau Pastorin eifrig, „erzähle, mein Sohn, mit wem hat sie sich verlobt?"
„Mit wem anders, als mit Banquier Vorbcrg, die ganze Residenz besprach die wunderliche Mesalliance. Und Ihr habt also nichts gehört? Sonderbar!"
Der Pastor sah sehr ernst vor sich auf den Teller, Luise aber sagte beklommen:
„Jutta war vor einer Stunde bei mir; es ist Alles so, wie Du gehört hast."
„Und noch ist kein Jahr verflossen, daß die Baronin in der Erde schlummert," meinte die Pastorin entrüstet, „wie kann das Mädchen so herzlos und geldgierig sein, denn zu lieben vermag sie den Banquier doch nicht, höchstens sein Reichtum gefällt ihr.
„Ich denke, einige Entschuldigung für sie liegt darin, daß der Baron in Herrn Vorbergs Händen ist und dieser ihm nur um den Preis von Juttas Hand noch einmal hilft," bemerkte Luise, —
Gedankenvoll schaute der junge Arzt in das erglühte Gestcht- chen seiner Cousine, sie hatte auch hier eine Entschuldigung für das eitle, oberflächliche Mädchen, dessen Handlungsweise so grell die Verurteilung herausforderte.
„Bei ihren Bekannten muß Baroneß Ternan allerdings den
größten Teil von Achtung einbüßen, den sie besessen," sagte Doktor Salten ziemlich kalt, „eS wird ihr wohl Niemand glaube», daß sie Vorberg aus Liebe heiratet, auch ist sie nichl das Mädchen, dem man ein kindliches Opfer zutrauen könnte."
Der Rest des Abendessens verlief ziemlich rasch, gleich nach demselben berief eine Botschaft den Pastor noch zu einer Sterbenden und seine Frau begleitete ihn bis zur Hausthür, so daß die jungen Leute allein waren.
Milde Abendluft drang zu dem geöffneten Fenster herein, an dem dunklen Nachthimmel flimmerte Stern auf Stern empor und leise trat Luise an das Fenster. Alexander blickte wie vorhin auf sie träumerisch gedankenvoll und innig.
„Luise," begann er endlich, „würdest Du auch im Stande sein, des Geldes halber einen Mann zu heiraten?"
„Nein," lautete die Antwort und dabei schaute Luise ihn treuherzig an, „ich fürchte mich nicht vor der Armut und könnte um des Reichtums willen mein Lebensglück auf's Spiel setze». Zudem glaube ich auch, daß einer Ehe ohne wahre Liebe der Segen des Höchsten fehlt und ohne diesen möchte ich nicht vor de» Altar treten.
„Du hast Recht," sagte Alexander ergriffen und nahm plötzlich ihre beiden Hände in die seinigen, „ein solches reines Gemüt wie das Deine ist selten, aber um so glücklicher der Mann, welcher es einst erringt."
In der Thür stand die Frau Pastorin und schaute erstaun! auf die jungen Leute; sollten alte, liebe, fast vergessene Wünsche sich dennoch erfüllen? —
Am nächsten Morgen, nachdem er dem Onkel zum Geburtstage gratuliert, sagte der junge Arzt, er wolle einen Spaziergang unternehmen, Mittags sei er wieder zurück.
Luise stand in der HauSthür als er fortging und fütterte das Geflügel; es war ein freundlicher Anblick, das frische, liebe Gesicht strahlend von heitrer Zufriedenheit, im einfachen dunklen Morgrn- rock, eine hellblaue zierliche Schürze vorgebunden.
„Ich gehe Zur Stadt Luise und besuche dort einen College» von der Universität; zu Mittag können wir dann gegenseitig unsere Neuigkeiten austauschcn!" Mit diesen Worten verabschiedete er sich. —
So schritt er denn hinein in den frischen kühlen Herbstmorge»; Spätsommecfäden zogen durch die klare Luft, das bunte Laub da Bäume und Sträucher, bot dem Auge die angenehmste Abwechslung und Saltens Brust hob sich höher, wie von einem Als befreit. —
Lange schon war er dahingewandcrt, während seine Seele träumend Zukunftsbilder zu malen begann, so friedlich und vcll Glück, wie noch nie zuvor. All die Kämpfe und Schmerzen je»» ersten heißen Leidenschaft lagen verblaßt und leblos vor ihm, heule begriff er nicht mehr, daß er einst die Hand nach einem flimmcr»- den Irrlicht ausstrecken wollte.
Das Geräusch von Pferdehufen klang hinter dem einsa« Wanderer her, er wandte sich zerstreut um, prallte aber förmlich zurück, ein rotblonder Lockenkopf sich grüßend neigte und ei«! Stimme ihm zurief:
„Aber Herr Doktor, wie kommen sie so allein auf die fm< Landstraße?"
Doktor Salten blieb stehen und grüßte verbindlich Fräulein von Ternan, deren Diener respektvoll im Hintergründe hielt.
„Mein gnädiges Fräulein, ich freue mich, sie so wohl l>»d munter zu sehen!"
„Seit jenem Conzert-Abend in der Residenz sah ich Sie M ich war mit Papa und — meinem Verlobten dort."
Eine indirekte Aufforderung zur Gratulation lag in dich» Worten. Doch Salten überhörte dieselbe und frug noch imwu stehen bleibend:
„Wie befindet sich ihr Herr Vater, Baroneß?"
„Ich danke, ganz gut. Es ist jetzt viel Leben auf SW Ternan, denn in etwa sechs Wochen soll schon meine HoG» sein!" —
„Ich habe cs gehört'"
„Und Sie sagen mir keine Silbe, Herr Doktor! Ist das m Rest unserer Jugendfreundschafk?"
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad.