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Nr. 204

Miltvvoäi, äen 10. September 1919

^sbrgemg 53

Was wir an

zahlen sollen.

Die Scharfmacher in Paris sind unablässig an der Arbeit, dem französischen Volk vorznführen und zn be- veisen, daß Deutschland, wenn es nur wolle, die ihm m Friedensvertrag auferlcgten finanziellen Verpflich­tungen zu erfüllen imstande sei. An Wahnsinn grenzt 's aber, wenn der französische F i n a nzminister Klo tz n der Ratifikationsberatung der Kammer erklärte, daß Frankreich in 36 Jahren 436 Milliarden Franken von Deutschland erwarten solle. Da Frankreich 55 Proz. icr Gesamtfordernngen der Alliierten erhält, so heißt las, daß Deutschland verpflichtet wird, der Entente die unglaubliche Summe von über 900 Milliarden zu be­zahlen. Klotz scheint Deutschland also für fähig zu Hal­len, eine derartige Summe anfznbringen und beweist dies so: Vor dem Krieg habe Deutschlands Prodnktions- snmme die Verbranchssumme um 10 Milliarden Mark überstiegen. Diese Summe könne man heute infolge der Hausse aller Fabrikate verdoppeln. Klotz scheint also die Kräfte Deutschlands als die gleichen vor 1914 auznsehen und vergißt vollständig, daß cs durch den Raub seiner Kolonien und großer deutscher Gebiete seine natürlichen Rohstosfonellen verloren hat. Er Übersicht in seiner Phantasterei auch, daß das gesamte deutsche National­vermögen nur aus ungefähr die von ihm jetzt für Frank­reich verlangte Entschädigungssumme geschätzt war und daß das Nationalvermögen Frankreichs vor dem Kriege wescütlich niedriger als diese Summe war. Er findet , also keinen Gegensatz darin, daß er für den vermeint­lichen Schaden Frankreichs einen Betrag verlangt, der ^ größer als sein ganzes Nationalvermögen ist.

Es gibt aber in Frankreich noch Leute, welche die Finanzphantasterien seiner Chauvinisten ins richtige Licht 'rücken. Der Mitarbeiter desJntrausigeant" fragt näm­lich den französischen ^Fiuauzmiüister: ,,Der Krieg und die Niederlagen haben also Deutschland rächt in Mit­leidenschaft gezogen? Die Million Toter hat ast'o seine Arbeitskraft nicht vermindert? Die durch die Blockade dezimierte GebnrtSzifser wird seine Produktiousfähigleit in den 36 kommenden Jahren nicht vermindern?" und fährt dann fort:Die Hoffnungen, die man aus die Zahlungsfähigkeit Deutschlands setzt, sind also abenteuer­lich und beruhen auf schwachen Füßen und Frankreich wird gut tun, nur ans sich selbst zu zählen."

Man hat es hier nicht mehr mit ernst zu nehmenden Finanzpolitikcrn zu tun, und es wäre gut, wenn sich ^ die Franzosen einmal klar darüber wurden, wie groß s das Volksvermögen Deutschlands heute eigentlich nocl L ist, dann wird sich ergeben, daß es nur ein Bruchteil ' der Summe beträgt, die Herr Klotz genannt hat. In c übrigen übertrcfscn die Zahlen des Herrn Klotz auch uu ein erhebliches das, was Deutschland nach dem Frie- ! deusvertrag zu zahlen verpflichtet isst Z r

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Neues vom Tage. /' !

Ein neues Ultimatum.

«rrrin, 9. Sept. Clemeneeau beantragte im Rat der Verbündeten ein neues Ultimatum an Deutschland, das die restlose Annahme der Verbandsforderung in der Anjchlußfrage verlangt.

Die H-imbrfördernng der Kriegsgefangenen.

Berlin, 9. Sept. Aus Paris wird berichtet, daß acht deutsche Schiffe nach Sibirien gehen werden, um russische Kriegsgefangene dorthin zu bringen. Auf den; Rückweg werden die Schiffe deutsche Kriegsgefangene aus sibirischen Häfen mitnehmen. Die Ankunft der Schiffe in Deutschland ist im Februar nächsten Jahres zu er­warten.

Berlin, 9. Sept. LautVoss. Ztg." ist auf Grund direkter Aussprache zwischen der deutschen und der ita­lienischen Regierung entschieden worden, daß nächster Tage m Florenz ein deutscher Zug eintreffen wird, der Gefangene in die Heimat befördern soll.

Köln, 9. Sept. Gestern mittag W der zweite französische Lazarettzng mit 190 kranken und vertonndeten I Kriegsgefangenen aus dem französischen Sammellmger - Etavles in Köln-Tcutz ciuactrosfen. , :

^ Lansing nnd die Kaiser-Anklage.

Paris, 9. Sept. Der amerikanische Staatssekre­tär Lansig hat in der Jahresversammlung der Gesellschaft der Advokaten den Gang der Verhandlungen auf der Pariser Friedenskonferenz über die Versetzung Kaiser Wilhelms II in den Anklagezustand geschildert. Anfäng­lich sprach sich der zu diesem Zweck ernannte Ausschuß für die Ueberweisung Wilhelms II. an einen internatio­nalen Gerichtshof aus. Es vollzog sich jedoch eine Mei­nungsänderung. Tie drei angeführten Anklagepunkte, nämlich: die Verletzung der belgischen Neutralität, die Verantwortlichkeit für die Kriegserklärung nnd die Ver­letzung des Völkerrechts erschienen vom juristischen Stand­punkt aus nicht stichhaltig genug. IR moralischer Hin­sicht stehe die Schuld des Exkaisers außer allem Zweifel. Keine Gesetzesbestimmung gibt jedoch die Ermächtigung, die von Wilhelm II. verfolgte Politik als Verbrechen zu betrachten. Was die Verletzung der Kriegsgesetze anlange, so sei cs ztveifelhaft, ob der frühere Kaiser deswegen in Anklagezustand versetzt werden könne.

LiverpoolHamburg.

Amsterdam, 9. Sepk. Den englischen Blättern vom 6. Sept. zufolge wird die Wiedereröffnung des Schifs- farhtsdienstes zwischen Liverpool und Hamburg vorbe- ceitet.

Ei» unnatürliches Bündnis.

Berlin- 9. Sept. Ans Elberfeld meldet dieVoss.

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Deutsch-Nationale.c Partei eingegangen, das die Aus­schaltung des Zentrums zum Ziele hat. Nach dem Wahl­bündnis erhalten die Sozialdemokraten zwei, die Deutsche Volkspartei und die Deutsch-Nationalen je einen Ver­treter im Landtag.

Bon den Brcslaner Unruhen.

Berlin, 9. Sept. Nach einem in derVosß Ztg." veröffentlichten Bericht des Breslauer Polizeipräsid.nteu über die gestrigen Breslauer Lebensmittelunrnhen ist es zu Blutvergießen nicht gekommen als Reichswehrtruppen die Menschenansammlungen zerstreuten. DasBerliner Tageblatt" meldet dagegen, daß zmei Personen bei Schie­ßereien venvundet wurden.

Amerika erweitert seine Besetz»-tgszorre.

Berlin, 9. Sept. TerBerl. Lokalanzeiger" mel­det ans Elberfeld: Die in Koblenz erscheinende amerika­nische Zei ungAmaroc" schreibt, daß die amerikanischen Behörden beschlossen haben, den Koblenzer Brückenkovs- kreis sowie das Gebiet ans dem linken Rbeinnfer bis zum Bezirk Trier unter amerikanischer Militär- unk Zivilkontrolle zu lassen. Ter größte Teil des Gebiets außer Koblenz nnd einem kleinen Teil des Brückenkopfes stand seit August unter französischer Kontrolle. Jetzt verlassen die Franzosen dieses Gebiet und die Ameri­kaner werden diesen Teil besetzen.

Unklarheiten beim Lndwigshasener Putsch.

Mannheim, 9. Sept. Anläßlich der Lndwigshase- ner Vorgänge ging durch verschiedene deutsche Zeitungen die Meldung, daß dm französischen Besatziingstriippen in der Pfalz verstärkt worden seien. Diese Nachricht entbehrt, wie die Pfalzzentrale meldet, jeder tatsächlich n Grundlage.

Mannheim, 9. Sept. Die Pfalzzentrale meldet: Ein Teil der französischen Presse erhebt gegen die de ul sche Presse Vorwürfe wegen unrichtiger Nerichterstatt'mg bei den Vorgängen in' Lndwigshafen. Wir bemerken dazu: Auch heute sind die Vorgänge im Haiiviposiamt in Ludwigshafen noch keineswegs so geklärt, wie es im Interesse des deutschen Volks erwünscht wäre. Schuld daran ist aber die französische Besatzungsbehördc, die auch heute noch eine freie auf Zeugenaussagen gefilmt' amtliche Darstellung des Vorfalls nicht zngelassen hat. Für die Sachkenntnis und wie die französische Presse die Vorgänge in der Pfalz beurteilt, dafür ein Beispiel: Das ParisexJournal" brachte in der ersten Meldung über den Lndwigshafener Putsch die Meinung zum Aus­druck, es könnten die Spartakisten ihre Hand dabei im Spiel haben, und au der Spitze dieses AAikels prauglc das Bild des Führers der II.S.P. Friedrich H'aasc. Wei­terer Kommentar überflüssig.

Untat eines französischen Farbig?».

Mainz, 8. Sept. In der vergangenen Nacht er­schoß an der Wcakrenznna Main.; -Weisenau ein far­

biger Franzose eme Frau ans rwei,enan. Tue Tmme

befand sich in. Begleitung einer anderen jungen Dame, aus dem Heimweg nach Mainz. Der französische Sol­dat verfolgte die beiden Damen und als sie ihm in der Hoffnung, sich dadurch vor Belästigungen zu bewah­ren, eine Düte Obst entgegenhielten, erschoß er die ältere der Damen. Die französische Behörde beschlagnahmte

Arbeiterkrise im Elsaß.

Berlin, 9. Sept. LautVorwärts" werden liberal' in Elsaß-Lothringen Protcstversammlungen gegen di Ausweisung der deutschen Arbeitslosen angekündigl Tie Militärbehörden bekunden eine zögernde Haltung Tie Industriellen in Mülhausen und Gebweiler kün­digen für die allernächste Zeit größere Arbeiterentlas- snngen an, wenn die Kohlenversorgung in sehr kurzer Frist nicht erheblich besser werde. Tie noch vorhan­denen Reserven an Kohlen aus der Zeit der deutschen Herrschaft sind nun znm größten Teil aufgebrancht.

Amerikanische HochschnlstifLung für Belgien.

Brüssel, 9. Sept. Die belgische Presse gibt be­kannt, der Lebensmittelrontrol eur Hoover habe der bel­gischen Regierung mitgetcilt, daß die sogenannteRe- liefkommiision", das heißt, die Kommis ion, die während des Kriegs die Versorgung Belgiens mit Leb.nc-mitteln durchführte, von den bei den Lieferungen gemachten Ge­winnen 120 Millionen Franken gestiftet habe. Dieser Betrag soll als Schenkung für die Hochschulen und zur Unterstützung unbemittelter Studenten dienen.

Die belgischen Bergarbeiter verlangen die Sozialisierung.

Amsterdam, 9. Sept. Havas-Rcuter meldet, daß der Bergarbeiterbund der Kohlenzechen von Charterst) mehrere Beschlüsse gefaßt hat, in denen u. a. die Ver­staatlichung der Bergwerke, Mindestlöhne, die Kontrolle über die Förderung, Mitbestimmungsrecht der Bergarbei­ter und Auszahlung der Lohndisferenz von 1914 bis einschließlich 1916 verlangt werden.

Dentsch-fchwedifches Kabel.

Berlin, 9. Sept. Mit der Legung des Telefon­kabels zum direkten Verkehr zMschen Deutschland und Schweden wird jetzt begonnen werden. Von schwedischer Seite aus wird, wie dieDeutsche Allg. Zeitung" mel­det, das Kabel von der Kampongoebucht zwischen Fal- sterbe und Trelleborg seinen Ausgang nehmen. Die Kabellegung wird von Deutschland geleitet. Der Ver­kehr kann vielleicht schon Ende dieses Monats ausgenom­men iverden.

Berlin, 9. Sept. Nach derDeutschen Allg. Ztg." wurde zwischen Polen und der Ukraine ein 36tägigcr Waffenstillstand mit Stägiger Kündigunsirist unterzeichnet.

Rußland will verhandeln.

Berlin, 9. Sept. Nach derDeutschen Allgcm. Zeitung" hat der Petersburger Arbeiter- nnd Soldalen- Nat eine Entschließung angenommen, die dix Volks­kommissare ermächtigt, sich mit dem Verband in Verhand­lungen über einen Frieden auf Grund der von den Ver­bündeten gemachten Vorschläge einzutreten.

Italien nnd der Vatikan.

Berlin, 9. Sept. Aus vatikanischer Quelle bringt )ieVossische Zeitung" den Wortlaut des Par. 15 des Londoner Vertrags vom 26. 4. 1915, der von Sonnino rbgeleugnet wurde: Frankreich, England nnd Rnßlane, lerpflichten sich, den Einspruch zu unterstützen, den Ita­lien erheben wird gegenüber jedem Vorschlag, der einen Vertreter des Heiligen Stuhls berechtigen sollte, bei den Verhandlungen über den Frieden und über die Lösung )er durch den gegenwärtigen Krieg aufgeworfenen Pro­blemen zngelassen zu werden.

Das F'aucnwah r cht in Italien.

Zürich, 9. Sept. Tie italienische Kammer hat )cn Gesetzentwurf n'-er das Frauenwah-rechl gr ßer Nehrheit angenommen. Rund 11 Millionen Frauen rhalten dadurch das Stimmrecht.

Amerika reicht mit seiner Ernte.

Amsterdam, 9. Sept. Ans Ncwyork wird gemeldet, ms; der Lcbensmittelkontrollenr mitteilte, daß während >er Wintermonate zwar kein Ueberflnß herrschen werde, man aber auch keinen ernsten Lebcnsmittelmangel ;n befürchten brauche.

Die französischen Streiks greif?« weiter nm sich.

Paris, 9. Sept. Tie Stadt- und Gemeindearbei- er baden beschlossen am Dümstaa invracn in den Streik

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