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Württemberg.
(-) Stuttgart, 2. Jan. (Parteikundgebungen.) Tie Tentsche demokratische Partei veranstaltete gestern vier große Versammlungen. Im Sieglehaus sprach Geheimrat v. Payer. Er bezeichnere die Lage Deutschlands als säst trostlos und wandte sich scharf gegen die Bestrebungen im Innern und von Außen, an dem Bestand des Reichs zu rütteln, dageqen befürwortete er den Zusammenschluß mit Deutsch Oesterreich. Payer trat für eine bundesstaatliche Verfassung des Reichs ein; der Anschluß Hoyenzollerns an Württemberg wäre zu begrüßen. Tie Reservatrechte (Eisenbahn, chost usw.1 werden sich nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Ein Volk von 70 Millionen sei kein Spielzeug für andere Länder; ein neuer Krieg wäre die Folge. Er habe das Vertrauen in die Kraft und das Glück des deutscben Volks, daß es sich wieder ansrasfe. Manchmal könnte man allerdings daran irre werden. Die Sozialdemokratie mache ietzt die Erfahrung, daß Kritisieren leichter sei, als Bessermachen. Es sei dafür gesorgt, daß die Bäume der Revolution und der Sozialisierung nicht in den Himmel wachsen.
Im Stadtgartensaal sprach Abg. Konrad Hauß- mann. Er führte aus, die jetzige Regierung habe keinen einbeitlichen freien Wil'en ausbringen können. Wir seien unterjocht von einem Nihilismus, der Deutschland einen fremden Geist aufdrängen wolle. Ter Zerfall Preußens wäre auch für den Süden von Unheil. Man könne nicht die Freiheit hochleben lassen und dabei im Bnnn einer Diktatur stehen. Tie Regierung solle die Polen znrückwersen und prüfen, ob Wilson ein Ehrenmann oder ein Heuck'ler ist. Tie Nationalversammlung werde zeigen, wie verschwindend klein der nihilistische Kreis ist. Wir wollen keine Klassenpolitik, keine Massenpolitik, keine Gassenpolitik.
Regierung^direktor v. Hi ober fand chen Sml des Bürgermuseums gedrängt voll, als er die Redner- bühne betrat. Er schilderte die Gefahren, die der Einheit und dem Selbstbestimmungsrecht Teut'chdinds drohen. Die Ursachen liegen teils in der wirtschaftlichen Atvangszentralisation, teils in dynastischen LandeSbestrc- bungen (da für Prinzen neue Thronen geschaffen werden sollten) und dem Berliner Wirrwarr. Für Deutschland könne nur ein Bundesstaat in Frage kommen, dessen Präsident ans der Mitte des deutschen Volks gewählt werde ohne Rücksicht aus die Größe des Bundesstaats, dem er versönlich angehürt. Neben dar Bolkshans (Reichstag) müsse ein Staatenhnus (BnndesraO treten, in dem der Wille der Einzelstaalen zum Ausdruck komme. Für wichtige Gesetze sei die Volksabstimmung einzn'nhren.
Verkehrsminister B a n m a u n sprach im Dirk lacler- saal über die Sonderbestrebungen im Reich. Darc. trage die Zusammenballung der Knegsgesellschasten in Berlin die Schuld, ferner die falsche ^Meinung, als sei Süddeutschland von Norddeut''chland für die Ernährung im Kriege ausgenützt worden, endlich die aus eigene Machterweiterung bedachte Politik des Königs Ludwig von Bayern. Redner verbreitete sich dann über die letzte Zusammenkunft der süddeutschen Minister. Darauf sprach noch Nedakw»r Henß.
In aU.n v e. V. rsamiiil.mgcn um de o g-u oc 0'l ichs iebsma angenommen: Tie versammelten deutschen
Bürger und Brgerinnen geloben ihrem Vaterland unwandelbare Treue. Deutschland muß ein freier, einheitlicher und einiger Bundesstaat bleiben. Die Versammlung stellt sich, wie die weit überwiegende Mehrheit des mischen Volks hinker die Regierung des Reichs. S' erwartet dagegen von dieser, daß sie endlich einmal für Ruhe, Ordnung und sparsame Wirtschaft sorgt, Leben und Gut der Bürger schützt, freie Volkswahlen sichert, den Friedensschluß ermöglicht und die frechen Angriffe ans deutsche und deutsch-österreichische Grenzgebiete mit Nach- druck zurückweist. Sie ist überzeugt, daß dann im deutschen Volk Kraft und Wille genug sich zeigen werden, durch Arbeit und Unternehmungsgeist das Vaterland aus seinem Unglück wieder auszurichten und ihm eine ehrenvolle Stellung in der Welt zu sichern.
(-) Stuttgart, 31. Dez. (Es kommt noch schlimmer.) Nach der „Schwäb. Tagwacht" ist die Zahl der aus Württemberg abznlieserudeu Lokomotiven von 62 auf 96 gesteigert worden, also fast aus die Hälfte des gegenwärtigen Bestands. ^
(-) Stuttgart, 2. Jan. (Tic Neujahr s !I a ch t.) Eine solche Silvesterseier wie beim letzten Jahreswechsel hat Stuttgart wohl noch nie erlebt. Fürsichtig war die Polizeistunde, bis 1 Uhr verlängert worden. Ten ganzen Abend schon war es allenthalben in den Straßen recht lebhaft, namentlich bezeugte die Jugend eine weit- hende Ausgelassenheit. Von 11 Uhr ab herrschte ab. ein richtiger Freudentaumel. Schuß auf Schuß krachte in die sternenhelle Nacht und je mehr man sich dem Glockenschlag und dem Glockcngeläute näherte, desto stärker wurde das Schießen. Um die Stundenwende glaubte man sich niitten in ein heftiges Gefecht versetzt. Deutlich waren Revolver, Gewehre, Maschinengewehre zu unterscheiden, zwischenhinein hallendes dumpfes Krachen ^ schien von Handgranaten herzurühren. Fast eine Stunde lang stieg Rakete um Rakete in die Lnft, zahllose Signalbomben lichteten taghell die Nacht, römische Lichter, bengalische Flammen und Kleiuseucrwcrk jeder Art vervollständigten die Ausgestaltung der Feier, die im größten Siegesjnbel nicht zu überbieten gewesen wäre. Singend und musizierend durchzogen Trupps junger Leute beiderlei Geschlechts die Straßen, die Gastlokale waren überfüllt und erst nach 1 Uhr trat allmählich die Ruhe ' wieder ein.
(-) Stuttgart, 2. Jan- (Vom Tage.) In der Ncujahrsnacht wurde eine Einbrecherbande festgenommen, was einen starken Menschenaiiflauf verursachte. — Einige Soldaten ließen sich, nachdem sie gehörig gezecht hatten, in einer Droschke in mehrere Hotels fahren. Vor der letzten Station verschwanden sie aus dem Fuhrwerk, ohne daß es der Kutscher beinerkt hatte.
Tie Einbrecher Emit und Albert Müller und Anton Schmid, die wegen des Diebstahls der städt. Zwanzigmarkscheine festgenommen wurden, sind einer Anzahl weiterer Einbrnchsdiebstähle, die sie in den letzten Wochen gemeinschaftlich mit einer Reihe anderer, inzwischen ebenfalls in Haft genommener Personen begangen haben, überführt. Tie Diebesbeute wurde größtenteils zu der Kurbansbesitzerin Vmilin? Jllmann ^>!ick' H-'-'l,'- o. ?. rc'i' ?!'>.>' ' >>°:p irr T'nr > ck",
der I'.> Aatzrc eOe Mu-,!euer WaUer B e u t e l s b a ch e r, sind als Hehler festgenommen. . , ^
Ein Fabndungswnchtmeister wurde vor einigen Tagen in der Kreuzstraße von dem 28jäbrigen Mechaniker Friedrich Kaiser von Christofstal und dem 27jübrigen Metzger Johannes Gutcknnst von Göttelsmgen durch.Revolver'chüsse voni Rücken lebensgefährlich verletzt. Tie Täter, die einer größeren Einbrecherbande nnge- hörten, sind flüchtig.
(-) Böblingen, l. Jan. (Erschossen.) Ein bei den Taimlerwerken in Sindelsingen beschäftigter Arbeiter ist bei häuslichen Zwistigkeiten von seiner Ehefrau erßl'ossen worden.
(-) Ehningen, OA. Böblingen, 2. Jan. (Ueb erfahren.) Gestern nachmittag 11^ Uhr entfiel einem Soldaten, der mit dem von Stuttgart kommenden Militärzug reiste, beim Durchfahren der hiesigen Station das Kochgeschirr. Ter Soldat sprang vom Wagen ab, um das Geschirr anfzunehmen: beim Versuch, auf den fahrenden Zug wieder aufzus gen, kam er zu Fall, wurde zwischen einen Wagen und die Bahnsteigkante eingeklemmt und überfahren. Dabei entgleisten zwei Wagen. Ter Sachschaden ist nicht unerheblich.
l-) Lndwkgsbuvg, 1. Jan. (Zigarrendiebstahl.) In Oßweil sind ans der Zigarrenfabrik von Gebr. Mandel für 5000—6000 Mk. Zigarren gestohlen worden.
(-) Backnang, 2. Jan. (Im Zeichen der Revolution.) Unter Führung eines Mitglieds vom Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrar zog heute vormittag eine große Anzahl Bauern und Arbeiter, die vorher im Schwanensaal über verschiedene Forderungen beraten hatten (Aushebung der Mühlesebließung u. a.) vor das hiesige Oberamt und forderte die Abdankung des Oberamtsvorstands, NegierungSrat Susset, die auch erfolgte. An seine Stelle trat Oberregierungsassessor Baumann, der die Erfüllung der verlangten Forderungen versprach.
(--) Sulzbach a. M., 2. Jan. (U eb er sah r en.) Der l 8jährige Metzger Wilhelm Retter von hier geriet beim Aufsteigen in den noch nicht haltenden Eisenbahnzug ini Gedränge unter die Näder und fand den Tod.
Wlldbad, 3. Januar Vor einigen Tagen hat sich hier eine OrlSg uppe der württembergische» Bürgerpartei gebildet, der schon zahlreiche Männer und Frauen allen Kreisen der Stadt beigetr-len sind.
Wie aus dem Anzeigeteil ersichtlich, findet heute abend zunächst eine Versammlung für Frauen statt, der iiinächster Woche ei ne allgemeine Versammlung folg en wird._
Der heutigen Gesamtauflage liegt ein Flugblatt der würt- tembergiscdeir Bmgerpartet bei.
Ter heutig » Lokakauflage liegt ein Flugblatt der demokratischen Deutschen Partei bei.
Infolge Papiermangel müssen wir auch dieses Jahr von der Ausgabe eines Kalenders absehen, und drucken diesen heut in unserer Zeitung ab. _
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