sich dann zu seiner Tochter, Fürstin zu Hohen- lohe-Burtenstein, begeben. Die Rechtsanwälte Lachenal und Zehme waren Mittwoch und Donnerstag hier. Die Prinzessin Luise reist voraussichtlich Dienstag ab.
Vom Bodensee, 10. Juni. In Lindau ist schon wieder ein typhusverdächtiger Fall vorgekommen ebenso in Aeschach. Die bakteriologische Untersuchung des Trinkwassers ergab keine Beanstandung.
Wiesbaden, 10. Juni. Der König von Dänemark ist heute vormittag 10 Uhr 57 Min. von hier nach Hanau abgereist, wo er sein Ulanenregiment Nr. 6 besichtigen wird.
Linden a. d. Ruhr, 11. Juni. Auf der Zeche „Baaker Mulde" sind beim Einfahren zur Frühschicht 3 Bergleute in die Tiefe gestürzt. Alle 3 sind tot.
Berlin, 12. Juni, Der Führer des Regiments „Hardes du corps" Freiherr v. Richthofen ist zum Flügeladjutant des Kaisers ernannt worden.
Berlin, 10. Juni. Das Tagblatt meldet aus Lissabon: Der Ministerpräsident Unterzeichnete die Konzession des Prinzen Hohenlohe betreffend Errichtung eines Senatoriums für Lungenkranke auf der Insel Madeira.
Paris, 13. Juni. Im heutigen Ministerrat teilte Delcassö aus Belgrad telegraphisch eingcgangene Nachrichten mit. — Tie provisorische Regierung sandte an die Vertreter Serbiens im Ausland ein Rundschreiben, um ihnen anzuzeigen, daß sie die Staatsgewalt übernommen habe. Das Rundschreiben fügt hinzu, daß in Belgrad alles ruhig sei.
St. Blasien, 9. Juni. Nach einem an die Direktion des Kurhauses gerichteten Telegramm des Hofmauschallamts werden die Großherzoglichen Herrschaften dieses Jahr St. Blasien nicht besuchen. Nach den getroffenen Reisedispositionen mangelt es an der notigen Zeit hierzu. — Am Samstag traf zum Kurgebrauche dahier der Schriftsteller Herr Hermann Sudder- mann ein und hat im Kurhause zu längerem Aufenthalte Wohnungenmmen.
Der Wähler am Wahltage.
Das Wahlrecht ist nicht nur das höchste Recht, sondern auch die höchste Pflicht des Wählers. Dieses Recht und diesePflicht hat jeder Wähler am kommenden Dienstag auszuüben. Zur Ausüb
ung des Wahlrechts gehören dreierlei Dinge. Erstens eine Legitimation zum Ausweis der Persönlichkeit; zweitens der Stimmzettel, den der vorsorgliche Wähler sich schon am besten vorher verschaffen und in das Wahllokal mitnehmen soll, und drittens die Erkenntnis, daß es am Dienstag gilt, durch Abgabe eines Stimmzettels für die entschieden liberalen, für die freisinnigen Kandidaten, den Extremen von rechts und links entgegenzutreten.__
Die „Sckrempfianer"
empfinden, daß ihre Wahlsprüche auf die Mehrzahl der Wähler keinen Eindruck mehr machen. Drum suchen sie in der Verlegenheit noch nach einem „Rettungsanker", den sie in der „Waren- hliusstruer" gefunden zu haben glauben. Mit dieser nur den Landtag, nicht den Reichstag berührenden Frage wird jetzt unter den Gewerbetreibenden Reichstagswahlstimmung zu machen versucht, weil die Mehrzahl der Volkspartei im Landtag den Gemeinden die Einführung der Warenhaussteuer freistellen wollte und daher nicht für die obligatorische, sondern für die fakultative Einführung stimmte.
Der Wert der Warenhaussteuer ist leider ein zweifelhafter; da, wo sie besteht, ist man um eine Hoffnung ärmer und um eine Enttäuschung reicher. Die Warenhäuser haben es in der Hauptsache verstanden, die Steuer auf die Fabrikanten abzuwälzen, wofür im Landtag Belege erbracht worden sind. Käme diese Abwälzung in den Arbeiterlöhnen zum Ausdruck, dann könnten an industriellen Plätzen die Gewerbetreibenden direkten Schaden von der Warenhaussteuer haben. Außerdem hat die i Warenhaussteuer den „Erfolg" gehabt, daß die Warenhäuser ihren Umsatz zu vermehren suchten Unter solchen Umständen ist es rätlich, vorsichtig vorzugehen, denn der wahre Freund des Mittelstandes ist nicht derjenige, der aus partei-eigennützigen Gründen falsche Hoffnungen erweckt, sondern derjenige, der reinen Wein einschenkt.
Die Bündler aber sind gleich gar nicht berufen, in dieser Angelegenheit große Wortc zu machen; denn der Bund der Landwirte ist das größte Warenhaus in Deutschland und ein mit den verschiedensten Industrien verquicktes Geschäft. Erst dieser Tage ist der
bündlerische Agitator Körner mit einem Ableugnungsversuch schmählich hereingefallen was ihm der „Beob". durch den Wortlaut der, bündlerischen „Jubelschrift" bewies. Im klebrigen wollten die Konservativen im Landtag ein Stut-t garter Großwarengeschäft mit einem halben Dutzend Filialen, das in einem umfangreichen Kaialog seine verschiedenartigsten Artikel anpreist und den andern Gewerbetreibenden schwere Konkurrenz macht, von der Warenhaussteuer ausgenommeu wissen. Dieses Warenhaus ist — konservativ!!
Ei« Reichstagswähler ver Zukunft.
Ums Jahr Zweitausend, lieber Leser! — Gesiegt seit Jahren hatte schon Im Land des Rheins, der Spree, der Weser Die Frauenemanzipation,
Auf die so lang' die Damen harrten.
Die Frau galt gleich viel wie der Herr,
Und vieler Frau'n Visitenkarten Verziert' kokett ein M. d. R.
Und wieder war seit Dezennien Der Tag der Reichstagswahl genaht.
Und aufgestellt war, von nicht wen'gen Frau Kulige als Kandidat.
Seit Wochen hatte unverdrossen Mit Macht und Fleiß sie agitiert;
Da war kein einz'ger Tag verflossen,
An dem sie nicht polemisiert.
Des Manns, des ungestopften Strumpfes,
Der Kinder selbst vergaß sie ganz.
Und schließlich ward — o des Triumphes — Frau Kulike gewählt mit Glanz.
Doch einer hat voll Zornesbeben Trotzdem er nimmer ein Tyrann,
Ihr seine Stimme nicht gegeben.
Und dieser eine war — ihr Mann.
Und weil er sich damit gebrüstet.
Erfuhr es gleich die ganze Welt;
Da hat ihn seine Frau entrüstet Zur Rede dieserhalb gestellt.
Er ließ der Holden Wort verhallen Und sprach: „Schon einmal wenig klug,
Ist meine Wahl auf dich gefallen.
-Und daran habe ich gnug."
I. Kr.
St« rgari, den 11. Jum.
Lieber Freund.
„Schön ist ein Zylinderhut, wenn man
ihn besitzen tut! Sela!
Der meinige ist schon geputzt und gebügelt, denn wenn Du mir auch in Deinem letzten, etwas kaltherzigen Briefe so wenig Hoffnung auf meinen Reichstagswahlerfolg gemacht hast, will ich doch wenigstens äußerlich wohlvorbereitet dem großen Tage, dem 16. Juni, entgegengehen.
Brauchst Du uoch einen Zentner Stimmzettel? Telegraphiere sofort auf meine Kosten? Hast Du etwa den Wählern zu wenig Zusagen gemacht? Versprich in meinem Namen alles: vollständige direkte und indirekte Steuerfreiheit, verseuchte Fleischeinfuhr, unentgeldliche Volksschulen, Abschaffung der Soldatenmißhandlungen, alles, alles, was man will, nur — laß mich nicht durchfallen! Herrgott, diese entsetzliche Aufregung; nichts, gar nichts mehr interessiert so einen unglückseligen Kandidaten als — der Wille der Wähler zur Wahl. Wenn ich diesmal nicht mehr gewählt werde, dann liegt meine Zukunft drüben über dem Wafser. Das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit! Teile das -gefälligst unseren Wählern mit. — Man wird nicht wünschen, daß ich in oder über dem Wasser Schiffbruch leide oder — gar zur Heilsarmee übertrete.
Der Begründer dieser militärisch-religiösen Tingel-tangel-Gesellschast, Herr General-Prophet Mister Booth, war zwar diese Woche auf deit Durchreise von derSchweizhierbei mir in Stuttgart,! um mich zu bekehren, aber ich habe meinen Eintritt als Oberst in der Armee nur unter der Bedingung zugesagt, daß alle seine „geretteten Seelen" respektive wahlberechtigten Truppen für Meine Kandidatur stimmen, und ich — trotzdem durchfalle. Ich hatte dabei den geheimen Gedanken t Oberst der Heilsarmee ist beinahe soviel als Reichstagsabgeordneter. — Der alte amen» kanische Prophet mit dem weißen Bart und den exzentrischen Gesten hatte leider nur wenig Erfolg hier, weil er „nix Deutsch" sprach und sich durch einen Dolmetscher mit Gläubigen und
und neugierigen Ungläubigen verständigen mußte.
Und die Verständigung ist doch die Hauptsache im Leben!" — Das sieht man wieder einmal deutlich an den zahlreichen ordentlichen und außerordentlichen Versammlungen, die jetzt „von der kgl. Haupt- und Residenzstadt Stutt- einerseits und der Stadtgemeinde Cannstatt andererseits zum Zwecke der Vereinigung beider Städte" abgehalten werden. Das ist ein Zerren herüber und hinüber wie auf dem Reklamebilde, das man gegenwärtig in allen illustrierten Zeitungen findet: ein Affe zieht an dem langen Schwänze einer sich heftig sträubenden Katze, daneben steht ein Hase mit erhobenem Beile und spricht: „Um die Sache kurz zu machen!"
So schnell schießen aber die die einerseitigen und anderseitigen Stadtväter nicht.
Mineralquellen, Bäder u. Neckarfluß,
Die fürchten sich vor Stuttgarts Kuß — Teils dieserhalb, teils außerdem Ist Eingemeindung nicht bequem „Doch, warte nur. Du spröde Kleine," Spricht Gauß* „bald bist Du doch die meine!"
^Oberbürgermeister von Stuttgart.
Im Streben liegt das Glück! Wer weiß, ob's für uns Stuttgarter so angenehm ist, wenn wir das erstrebte Cannstättchen erst eingemeindet haben. Einstweilen können wir nur unser Mitgefühl ausdrücken, wenn bei der zurücktretenden Frau Nachbar ein Unglück passiert, und dazu war gestern wirklich Gelegenheit gegeben.
- Bei der weltberühmten Daimler-Motoren-Gesellschaft in Cannstatt brach Mittwoch früh Großfeuer aus. Vier Doppelwohnhäuser, Lagerräume und Werkstätten mit kostbarem Inhalt (gegen 1000 Motorwagen) wurden ein Raub derFlammen.
Die anfopferungsfreudige Cannstatter Feuerwehr bekämpfte zwar unermüdlich das gefräßige Element mit zwanzig Stahlrohren, aber man kennt ja die unersättliche Gier der entfesselten Feuergeister! Nichts war zu retten. Der Schaden wird auf gegen 2 Millionen Mark geschätzt, abgesehen davon, daß nun eine Menge armer Arbeiter brotlos bei den Trümmern steht
und bis zur Beendigung der unvermeidlichen Betriebsstörung auf die gewohnte Betätigung und Belohnung verzichten muß.
„Ja, die Elemente hassen das Gebild von Menschenhand!" und auf die Automobil-Benzin-Teufelskarren hatten sie es — wie es scheint — diesmal besonders abgesehen. — Sollte das vielleicht gar ein Fingerzeig sein, die Fabrikation solcher Mord- karrossen ganz einzustellen? — Ueberlegts Euch Daimler-Aktionäre!
Von mir bekommt Ihr keinen Auftrag auf „Töff-Töff", ich ziehe einen gemütlichen Spaziergang p> r PS äss gpostttlmuui (zu Fuß) in unsere Weinberge mit ihrem grünen „Geschein" vor
Es ist jetzt eine Lust, die Rebenhügel empor- zuklettern und zu beobachten, wie sich zwischen dem jungen Laub die Blüten entwickeln.
Ueber die Gänsheide, wo die Portugieser und Silvaner reichen und schönen Fruchtansatz zeigen, führte mich der Weg durch die auf- blühenden Vorstädte Gablenberg und Ostheim hinunter nach dem quellenreichen Berg, wo zwischen den schattigen Bäumen des Mineralbades das kleine reizende Kurtheater weiß hervorblinkt. Da es bei meiner Ankunft dort bereits Abend wurde und die Vorstellung bald beginnen sollte, zählte ich „die Häupter meiner Lieben" und fand, „daß mir genug geblieben, um das Eintrittsgeld-und und ein Paar Nürnberger Bratwürste (Spezialität!!) bezahlen zu können.
Eine komisch-lustige Berliner Heiratsgeschichte - Berlin, der Sitz des Reichstages war; für meinen Besuch natürlich maßgebend — bildete den Inhalt des Schwankes, der in ganz vorzüglicher Darstellung gegeben wurde. Ich fühlte mich schon ganz wohl als Abgeordnete? unter der fidelen Berliner Gesellschaft, die da auf der Bühne das Leben nachahmte.
Also, Freund, höre meinen Ruf, vernimm meine letzte Bitte: Wähle — hilf andern wählen, daß sie recht wählen und nicht fehlen an meinem Ehrentage, der mich machen wird zu Deinem unaussprechlich dankbaren
S- O.