Damm entgegensetzt, aber nicht ohne polizeiliche Bevormundung durchführbar war, die glücklicherweise in Württemberg verhältnismäßig wenig drückend ausgestaltet wurde. Sodann das Kriegsinvalidengesetz, über dessen Notwendigkeit alle Parteien einig waren und dessen Unzulänglichkeit weitere gesetzgeberische Schritte erfordert, das für die geistige Entwicklung wichtige Gesetz über das Verlagsrecht, die agrarisch gefärbte, das Interesse der süddeutschen Branntweinbrenner auss neue schädigende Novelle zum Branntweinsteuergesetz und endlich das Zolltarifgesetz,
Sehr bezeichnend war der Kampf um das schließlich abgelehnte Gesetz gegen die Kuppelei und die Verbreitung unzüchtiger Schriften (Lex Heinze s.vom Juni 1900). Es handelte sich darum, einen vom Zentrum versuchten Ansturm gegen die freie künstlerische Betätigung in Wort und Bild zurückzuweisen. Im Einklang mit der gesamten freigesinnten Bürgerschaft Deutschlands gelang es, diesen Angriff durch das parlamentarische Mittel der Obstruktion zurückzuschlagen. Da die Antragsteller nicht in der Lage waren, aus de» Reihen der reaktionären Mi'.glieder des Reichstages die verfassungsmäßig notwendige Mehrheit von 199 Stimmen zusamiuenzubriugen, wurde das Zustandekommen des Gesetzes dadurch vereitelt, daß die Minorität die Verhandlungen durch Abänderungs ntr ge verzögerte und die Beschlußunfähigkeit rügte, bi., schließlich eine Verständigung zwischen den Parteien zu Stande kam, die zur Annahme der weniger schädlichen Bestimmungen des Gesetzes führte.
Das hier geübte Verfahren derO b struktio n das, parlamentarisch immer gefährlich, gerechtfertigt erscheint, wenn es sich um kurzzeitige Verschleppung handelt und gegen Majvrisierung einer starken, Minderheit sich wendet, wurde späterhin mit ganz anderem Ergebnis und in vollem Mißverständnis der parlamentarischen Lage, von der Sozialdemokratie gegenüber dem Zolltarif versucht.
Die wichtigste, vom Reichstag zwar nicht in gesetzmäßiger, aber bindender Weise erledigte Aufgabe bedarf genauerer Darlegung: der Zolltarif.
Freihandel und Schutzzoll.
Der erste Reichskanzler v. Bismarck war bis zum Jahre 1878 entschiedener Anhänger des Grundsatzes, daß die Wohlfahrt des Deutschen Reiches einschließlich der Landwirtschaft unter dem Freihandel am besten gedeihe. Vom Jahre 1879 ab begann Bismarck die hohe Ertragsfähigkeit der Zölle zu schätzen im Interesse einer Stärkung der Reichsfinanzen, welche selbstverständlich nicht dem Kulturfortschritte, sondern den Militärforderungen zugute kommen sollte. So wurden im Jahre 1879 zunächst Zölle auf Getreide und Holz eingeführt, die Zölle auf Kaffee, Thee, Tabak, Wein, Eisen und Textilwaren erhöht. Das Jahr 1885 brachte eine Verdreifachung der Getreidezölle und wesentliche Erhöhung der Zölle auf Vieh, Holz, Branntwein u. a.
Inzwischen hatte sich die Entwicklung des Deutschen Reiches unzweifelhaft nach der Richtung ergeben, die man mit dem Worte „Industriestaat" bezeichnet, das heißt: das nationale wirtschaftliche Leben beschränkte sich nicht darauf, den: inländischen Produzenten von Nahrungsmitteln und Industrieproduktion seine Ware abzunehmen, vielmehr findet ein reger Warenaustausch mit dem Auslande statt, welcher z. B. im Jahre 1902 eine Ware neinfuhr im Werte von 5 N Milliarden, das heißt also 5500 Millionen Mark erreichte, wogegen die aus Deutschland ausgeführten Waren einen Kapitalwert von 4808 Millionen Mark darstellen. Dabei ist die Einfuhr seit 1892 um No Milliarden, die Ausfuhr aber um beinahe 2 Milliarden gestiegen, Diese Entwicklung, welche einen allgemein steigenden Wohlstand des deutschen Volkes bedeutet, und eine allgemeine Verbesserung in der Lebenshaltung auch der Minderbemittelten herbeiführte, war nur möglich durch die Eingehung von Handelsverträgen, welche unserer Industrie einen dauernden gleichmäßigen Absatz sicherten.
Berschlkdrnes.
(Der Brand in Windischgraz.) Der Brand, von welchem das südsteierische Städtchen Windischgraz, ein Bollwerk deutscher Kultur, Sonntag Nachmittag, wie bereits gemeldet, in so
schrecklicher Weise li'ucZickl unke, lot istlti Schaden von über 700000 Kronen angerichtet. Die altsteirische Chronik verzeichnet die Tatsache, daß in Windischgraz am 12. April 1632 m der Nacht zwischen 9 und 10 Uhr durch die Unvorsichtigkeit einer Bürgersfrau Feuer ausbrach, welches mit Ausnahme der Spitalkirche, des Spitalhauses und des Rottenbergtürmes die ganze Stadt in Asche legte. Der damalige Stadtrichter Christoph Prügel, sein Sohn, zwei Mägde und nzch sieben andere Personen fanden hiebei in den Flammen den Tod. An einem 10. Mai wurde Windischgraz schon einmal, und zwar im Jahre 1811, von einer furchtbaren Feuersbrunst heimgesucht. Es wurde damals, wie der Chronist berichtet, der grüße Teil der Stadt ein Raub der Flammen. In Windischgraz befindet sich u. a. auch, wie schon kurz erwähnt, das Geburtshaus des Tondichtes Hugo Wolf; an demselben sollte am 18. August eine von der Stadtgemeinde gestiftete Gedenktafel enthüllt werden. Das Haus blieb von der Feuerbrunst verschont. Für die armen Abgebrannten wird von allen Seiten gesammelt.
(König und Minister.) Die Pariser Wochenschrift „L'Europoen" berichtet folgende Anekdote: In politischen Kreisen Madrids wird erzählt, als der Chef der republikanischen Partei in Spanien, Salmeron, nach dem großen Triumph, den er bei den Wahlen in Barcelona davongetragen, nach Madrid zurückgekehrt war, berichtete, Silvela dem jungen König von dem enthusiastischen Empfang, den das Volk von Madrid dem ehemaligen Präsidenten der spanischen Republik bereitet hatte. Die Umgebung des Königs hörte diesen Bericht mit offensichtlichem Mißfallen an, ganz unverinittelt sagte der König zu Silvela: „Aber könnte man diesen Herrn Salmeron nicht ins Gefängnis stecken oder in die Verbannung schicken?" — „Dazu müßte irgend ein Grund oorliegen," antwortete Silvela. „Aber", ent- gegnete Alfons Xiil., „man darf trotz alledem nicht vergessen, daß die Stärke eine Tugend ist."
— „Die Klugheit ist auch eine, Majestät!" wendete Selvela ein. Der König sagte nichts mehr, aber man konnte an seiner Miene ablesen, daß er die weise Haltung seines Ministers nicht billigte.
Die Blüte Ves Buguo
Roman von Goron und Emilie Gautier.
in,
Nachdruck vcrboten.
Das was Saint-Magloire zu sagen hatte, war doch von größerem Interesse. Er hatte ganz gewiß nicht um einiger Pflaumen willen so viele Leute aufgestöbert. Schließlich würde er jetzt aus seinem Wundersäckchen irgend eine verblüffende Ueberaschung auskramen, von der ein jeder seinen Nutzen haben mußte.
Ein Kreis stehender, befrackter Herren, ganz Ohr bildete sich um ihn. Bloß der Dopen der General, ein Greis mit purpurrotem, faltenreichem Gesicht und stattlichem, weißem, von der ewigen Cigarre angebräunten Schnurrbarte, blieb im großen Fautenil behaglich sitzen. Die Gicht, vom Burgunder von neuem angefacht, hinderte ihn, sich auf den Beinen zu halten. Aber auch er hörte aufmerksam hin, das sah man an den Stirnrunzeln.
An den hohen Kamin gelehnt, in dem große Eichenklötze brannten den Daumen der linken Hand am Westenausschnitt, die andere in einer schönen Rednergeste erhoben, in ganz tadelloser Haltung, kein Knitterchen im blendend weißen Stärkehemd, begann der Baron:
„Meine Herrn, ich wiederhole es, wir sind nicht hier beisammen, um uns zu amusiren. Ich mußte vorhin einen Augenblick die Höflichkeit aus dem Spiel lasse». Ich bitte sie dafür in aller Form um Verzeihung, denn scheinbar vernachlässigte ich damit meine Hausherrenpflichten. Ich sage scheinbar nicht bloß, um für diese Entgleisung von Ihnen mildernde Umstände zu erlangen, sondern auch, weil damit die genaue Wahrheit ausgesprochen ist. Wenn ich mich vorhin entfernte, so war es einzig und allein, Um das im Kopf zurechtzulegen, was ich Ihnen heute Abend mitzuteilen habe. Es war in Ihrem Und in meinem Interesse, den wir Marschie
rer-
ren gemeinsam. Ich habe Ihnen in der Tat
ein wunderbares Geschäft vorzuschlagen, ein kolossales und ganz außerordentliches Geschäft, wie es nicht zweimal im Jahrhundert vorkommt.
Also: einer meiner Ingenieure ist von einer Reise, mit der ich in betraut hatte, soeben zurückgekehrt — in der Tat sind es kaum 2 Stunden daß er auf dem Lyoner Bahnhof ankam — und hat, ohne eine Minute zu verlieren, mir einen Stoß unschätzbar wertvoller Auskünfte überbracht. Sie sollen, meine Herrn, die ersten sein, die davon Kenntniß erhalten.
Werden Sie mir jetzt verzeihen, daß ich die Gesellschaft aufgerüttelt habe?
„Nein nein."
„Bravo! Bravo!"
„Dieser Saint-Magloire ist einzig."
„Lassen Sie ihn sprechen."
Der Baron lächelte, verneigte sich und fuhr fort, während er sich eine Cigarre anzündete:
„Meine Herren, Sie wissen — und wenn Sie es nicht wissen, erlauben Sie mir, es Ihnen bekannt zu geben. Sie wissen, daß ich in Marokko gelebt habe. Nicht in dem verfälschten Marokko, dem lächerlichen Marokko der komischen Oper, das für die Cookschen Reisegesellschaften geebnet wurde und von dem Sie sich wohl selbst eine oberflächliche Kenntnis erworben haben eine freilich ganz falsche Kenntnis, indem sie in Tanger landeten, sondern in dem Markko in seiner ganzen Ungastlichkeit und unbezähmten Wildheit, in dem Marokko des letzten der Kalifen. Dieses einzige, wahre, schreckliche Marokko bewohnte ich mehrere Jahre lang."
„Wenn wir Stück für Stück all die Länder aneinanderreihen, die er mehrere Jahre bewohnt haben will," flüsterte einer der Journalisten dem College» ins Ohr, dann muß er wenigstens die Runde 3 mal um die Erde gemacht haben und wenn er nicht mehrfach Hundertjähriger ist will ich Hans heißen.
„Schweigen Sie doch, versetzte der andere, den der exotische interesstrte. Sein Alter und
seine Schwindeleien können ihnen doch gleich
sein. Wenn er Ihnen nur ein hübsch Stück Geld einbringt. Ich glaube, daß sie sich bis dahin nicht zu beklagen hatten, in der Unterstützungsliste dieses falschen Hundertjährigen zu stehen.
„Was das angeht, stimmt's."
„Nun also! Schließet den Schnabel und öffnet die Taschen! Ich fühle daß die Schnippelchen regnen werden.
Saint-Magloire hatte eraten oder vielmehr gefühlt, was dies Seitengespräch bedeutete. Sem verwirrender und hypnotisirender Blick lastete auf dem Skeptischen, dSr sehr genirt, heftig die Nase im Taschentuch unterbrachte, ehe er, leicht den Ton seiner goldenen Stimme hebend, fortfuhr:
„Ja meine Herren, Ich kenne Marokko, wie Sie das Seine-Departement kennen oder Sie mein lieber General das südliche Oran.
Ich habe dort in Leinwand mit Leinwand mit den Leuten der Sahara-Karawanen gehandelt deren Nomadenleben ich unter den Kameelhaar- zelten teilte, mit denen ich „".oriseonssoii" die Dattelpastete, und die „obourög," aß. Wie sie sich schon denken können tat ich das nicht als europäischer Kaufmann, denn besonders in dieser Zeit hätte sich ein „roumi" nich ungestraft in die Tiefen des „Ka/.öiv1," wagen dürfen. Ich tat es als Muselmane, als getreuer Diener des Propheten. Ich verfügte über alles, dessen ich zum Spielen dieser Rolle bedurfte.
Samt-Magloire schloß einen Augenblick die Lider und fuhr in begeistertem Tone morra voes, fort:
„O, dies Marokko! Diese Sanddünen mit ihren ewig wechsenden Formen, die den Pfefferhügeln Cayennes gleichen . . . Und die steinige Aamada . . . Die kalten Nächte unter dem Lammetblau des Himmelszeltes, an dem die Sterne so nah wie goldne Münzen blitzen.
Fortsetzung folgt.
ck u Vkri.itz I>?r Ruchkruckeret in WMad, VcrantWhEch für die Redaktion! s. Hofmann dasrlkp.