Entlarvt.

Novelle von P. Herr körn.

1) (Nachdruck verboten.)

Ueber Löwenfelde schien kein guter Stern zu leuchten. Da- schöne, große Rittergut war in verhältnismäßig kuzer Zeit drei Mal in andere Hände übergegangen. Zuletzt kam das Gut zur gerichtlichen Bersteigerung, und weil der BcrkausStermin in vielen Zeitungen bekannt gemacht wurde, fanden sich Läufer au« ollen Himmrlsaegenden ein. E>n H rr Kaltenborn au« Posen war schließlich Meist* bietender geblieb:«, und er hatte das Ritter­gut Löwenfelde billig erstanden Das Tut paßte ihm gerade so wegen besten günstiger Lage, denn rS befand sich nur eine halbe M'ile von der Kreisstadt Braunbcrg und eine halbe Meile von dem russischen Grenz- orte Klecnowo entfernt und hatte fruchtbaren Ackerboden und gute Wiesengründr.

Der neue Besitzer von Löwenfelde Herr Kaltenborn war ein seltsamer, ja unheimlicher Mensch in seinem ganzen Aussehen und Wesen, und dies mußte J'dermann in seiner Umgebung aufsallen.

Er war ein kleiner untersetzter Mann, etwas blaurot im G sicht, mit kleinen zuge- knistenen Augen, die meistens seitwärts schielten, als ob er sich nicht traue, die Menschen in den Spiegel seiner Seele blicken zu lasten. Kaltenborn mußte doch sonst sehr empiänglich für alles Schöne sein oder ein Heidengeld haben, denn er ließ den f udolen Herrensitz auf's Nobelste und Prächtigste auSbaucn, so- daß ein Graf oder Füist dort hätte leben können.

Bei der inneren Einrichtung deS Schlosses waren auch seit Wochen viele Künstler und Handwerker thätig, bis denn endlich oll-S so weit gediehen war, daß der Dekorateur echt Vergoldete Kronleuchter, schwere Portö-en, kostbair Vorhänge und wertvolle Bilder an­teiligen und an der hoch modernen neuen Einrichtung die lctzte, verschönernde Hand anlcgen konnte, um das Schloß in einen wahren F-enpalast umzuwandeln.

Die Ü bersiedlung der Familie Kalten­born aus Posen nach dem neuen Herren­sitz erfolgte nun erst in kürzester Frist.

Aber hatten die GutSbcamten und die Lute der Umgebung nach der pompösen Ein­richtung aus Schloß Löwenfelde an den Ein­zug einer stolzen Familie der bürgerlichen Geldor stokraüe geglaubt, so sahen sie sich getäuscht. Die Frau Kaltendorn war zwar eine vornehme Erscheinung, und die Tochter ein liebreizende«, blondlrckigeS Mädchen von achtzehn Jahren, für welches die ganze Diener­schaft, w lche hier neu engagiert war, schwärmte, aber sonst waren es bescheidene Leute, denen man es anmerkte, daß ihnen der große mo­derne Luxus im Schlosse aufgedrängt worden war. Der einzige Sohn und Erbe von Löwenfelde war ober noch nicht erschienen und gab den Leuten Rätiet auf, da er erst einige Monate später erwartet wurde. Nach dem Bilde des jungen Kaltenborn, welches über dem Sopha in der Wohnstube der Echtoßherrschast hing, mußte er ebenso eine stattliche, hübsche Erscheinung wie seine Schw ster Marie sein. Er war noch jung, denn ,r ger ügte noch s >n,r Mitilärzrit, zu der rr sich hatte zmückstellen lass n, wett er sei» Studium nichi hatte url-rbreLm wollen. Mit stimm voll'ndelen fünsundzwanzigsten LedenSjabre iollte er in B sitz von Löwen.

.felde gelange«, da- ihm hoffentlich mehr Glück als seinen Vorgängern bringen würde.

Herr von Bütow, der vorige Besitzer auf Löwenfelde hatte in Sau« und BrauS gelebt, leidenschaftlich gespielt, getrunken und wegen seiner wüsten Gelage in der ganzen Umgegend von sich reden gemacht. Er hatte auch Wechsel auf Wechsel unterschrieben und Hypotheken auf seinem Grundbesitz gehäuft, bis schließlich sein Kredit erschöpft war und Niemand dem verschuldeten Baron einen Heller auf Borg gab. Nach kurzer Zeit hatte er vollends auSgewirlschoftet und floh eines NachlS von Hau« und Hof. Man fragte sich,jetzt in der Umgegend, wie eS wohl dem neue» Käufer von Löwenfelde ergehen würde, der sich ja noch viel großartiger als der leichtsinnige Herr von Bütow eingerichtet hatte. Fast war man abergläubisch geworden und begierig, zu erfahren, wie die Kalten­borns auf Löwenfelde leben würden. Wenn die Nachbarn aber hofften, die Familie Kaltenborn würde gesellige Beziehungen an­knüpfen und ihre prächtigen Salons zeigen, so war das einerseits ein Irrtum, denn die Herrschaften genüg'en' sich seltsamer Weise bei dieser glänzenden Einrichtung ganz allein.

Die Damen aus Löwenfelde machten feine Handarbeiten, lasen deutsche, englische und franzöisische Bücher, fuhren aus und gingen spazieren. Der Hausherr aber hatte wenig zu thun, da er in Herrn Fra> z Gutlmann rinen vorzüglichen Ober-Jnsp ktvr besaß, der die ganze äußere Wirtschaft wie am Schnür­chen leitete. Kaltenborn war eine wenig mitteilsame Natur, denn er lebte äußerst zurückgezogen, klagte stets viel über Kopf- schmerzen, sprach oft den ganzen Tag k-in Wort und war oft so verstimmt, daß er sich auch häufig seiner Familie entzog und viel in seinem eigenen Zimmer blieb. Sein Zu­stand wurde immer bedenklicher, ruhelos trieb es ihn von einem O t zum andern. Dies-S krankhafte Wesen hatte Kaltendorn übrigens schon früher gezeigt. Es hatte nichts ge­holfen, daß er seinen früheren Besitz das schöne Rittergut Dammdcrf, mit allem leben­den unv loten Inventar für einen billigen Preis verkauft und das ferne Löwenfelde erworben halte, denn eS zeigte sich, daß auch tstser Wechsel keinen besonders günstigen Einfluß aus Kaltenborns trübe Stimmung hervorgrbracht hatte, wie er und die Setnigen gehofft. Doppelt freudig wurde daber eines TageS die Ankunft des Sohne« Altrrd be­grüßt. Der junge Mann wollte sich einige Wochen nach d-r eben beendeten Dienstzeit und nach den Strapaz-n deS MannöverS auSruhen und die neue Heimat kennen lernen, die ihn aber gleich von Anfang an lang­weilte ; auch er verstummte von Tag zu Tag mehr und ging dem Vater aus dem Wege, vor dem ihn eine ihm selbst unerklärliche Scheu erfüllte, die ihn unablässig hinaus ins Frrie trieb.

Stundenlang wanderle Alfred oft im Walde umher, vorüber an den Hütten der aimen Dorfbewohner, die vielfach vom Schmuggel lebten, der hier mächtig im Gange war.

Dicht an der Grenz-, in eiwm kleinen unscheinbaren HäuSche» wohnte die Witwe U'te Mahnke nnt einem Sohne und einer bildschönen Tocht-r Hanna, die ihr dre Wirt- ichait besorgen halfen nnd eS verstanden, Gäste anzuzteh'N. Die Schmuggler batten

hier ihre Herberge und vertrankt« bei MahnktS einen guten Teil ihre« Verdienstes.

Die schöne Tochter Hanna verstand e» wie keine andere, sich im Umgänge jedem Gast anzupasstn, mit den Landleuten und Schmugglern derb, mit vornehmeren Herren aber fein zu Verkehren. Sir konnte sogar ganz seine, bestrickende Manieren annehmen und sich so gewandt und reizend unterhalten, daß auch die Herrenstube über dem Flur sich häufig deS Besuches vornehmer Gäste erfreute, besonders da drüben alles so blitzsauber war und Bier und Wein so gut au« Hanna'S Hand schmeckten.

Auch Alfred hatte eine« Tage- den Weg hierher gefunden, und eS behogte ihm in dem netten Herrenstübchen, in dem nichts an die Schmuggler und deren lichtscheue« Handwerk erinnerte und die hier hauptsächlich de« NachtS aus- und eingingen. Die kluge Hanna zeigte dem reichen Erben von Löwenfelde bald, daß sie groß S Wohlgefallen bei seinem Anblick empfand und auf den wenig erfahrenen Alfred Alfred Kaltenborn machte die Sirene natür­lich auch einen tiefen, bestrickenden Eindruck.

So kam eS, daß er in immer kürzeren Zwiichenräumen bei MohnkeS einkehrte, bis er dort bald ein täglicher Gast wurde, ohne » seine Eltern die geringste Ahnung davon hatten. (Kors'tzuna folgt).

Verschiedenes.

Eine wütende Knh. Aus Halle a. S. schreibt man dem ,Bert. Tagbl." : Die Aben­teuer einer wütenden Kuh standen kaum glaublich seit einer Woche für unsere Großstadt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Vor acht Tagen warf im städt. Schlochthos eine Kuh ihren Treiber über den Haufen, spießte einen Fleischergesellen auf ihn schwer verletzend und raste in« Freie, w» sie noch mehrere Personen niederwarf und verwundete, um danach in den Kornfeldern in der Richtung auf Canena zu verschwinden. Da das tolle Tier am nächsten Tage wieder­holt bald hier, bald da anS den Feldern her­vorbrach und Wagen und Passanten angriff, wurde ein Kommando von 18 Polizisten, verstärkt durch G-ndarmerie, mit Gewehren ausgerüstet, um das gefährliche Vieh aufzu« stöbern und unschädlich zu machen. Tagelang hasteten sich die Beamten, zum Teil beritten, vergeblich ab; endlich gelang eS, die Kuh zu stellen und zu töten. Der Flurschaden, den die Kuh in ihrem achttägigen Herum- strcifen ar-gericht-t und den der mit Glücks- guter« nicht gesegnete Fleischer bezahlen muß, beziffert sich auf Tausende von Mark.

Stunden der Not vergiß, doch was sie dich lehrten, vergiß nie.

Verdientes Brot hat doppelt Wert,

Macht Wang'N rot und ehrt.

Von Basel uach Koblenz u. vom Bodensee Nach Frank'Urt «. M führen un« G. Frcytag's Radfahrer- und Automobil-Karten Nr. 17 und 22 (Preis a ^ 1.3S, Verlag G. Freytag u. Berndt, Wien V-I/t und Leipzig), durch die gesegneten Ge­filde des Rheins und der Mosel, des Main'S und Neckar'», über Schwaben und Baden, Elsaß und Hessen. Die prächtige Gegend mit ihren strammen Radlern verdient so schöne und praktische Karten, wie'S die Freytag'schen sind. Deutlich und klar jene Daten gebend, die der Fahrer braucht (wie: genaues Straßennetz, Steigungen, Gefälle, Höhen- coten, Entfernungen von Ort zu Ort, den Freund rc.), dabei UeberflüssigeS vermeidend, übertressen die Freytag'schen Karten alle andern, auch die Profil­karten, in Hinsicht auf praktische Verwendbarkeit, Schönheit und Genauigkeit.

Druck )t. Perlag dtp PsrnH. Hofmann'schen Buchdruckerei in Wildbad. Verantwortlicher Redakteur: G. H. Kretzschmar daselbst,