Seine Schwester.
Erzählung aus der Gegenwart von Fanny S t ö ck e r t.
24) (Nachdruck «erboten.)
Die Rosen blühten in seltener Fülle in dem Garten der stillen Villa des jungen DoklorS Fred Brenken; eine ganz von Cle- matiS umsponnene Laube lud förmlich zum Kosen und Tändeln, wenn der Mond.schien und drüben dos Meer rauschte. Die Welt war schön I Fred, der gedankenvoll durch den stillen Garlen schritt, mußte sich das heute an einem köstlichen Sommerlage einge- stchn, so wenig er auch sonst auf die herrliche Natur, die ihn umgab, achtete, eS war als vernehme er in diesen Augenblicken einmal wieder eine der Stimmen» die immer und immer noch durch das Wellall tönen, von DaseinSsreude singen und klingen, wie es so schön auf Gottes Erde und wert daraus vergnügt zu sein.
Ach wo war seine Daseinsfreudigkeit geblieben ! unlergegangen in dem ermüdeten Gleichlauf der Tage, wo es nichts mehr zu fürchten, zu hoffen und zu sorgen gab. Es war die Pappuallee deS Lebens die er glücklich erreicht, rechts eine Pappel, links eine Pappel; in unheimlicher Regelmäßigkeit standen sie da die öden, langweiligen Bäume, einer wie der andere, seine Tage! Flora war pünktlich wie rin Uhrwerk in allen Dingen, rS wurde zur bestimmten Zeit ge. frühstückt, zu Mittag gegessen, regelmäßig kehrten die großen Wäschen, die Retnmache- tage wied«r, und wenn die junge Frau auch selbst nicht weiter thälig war, die vienst- boten wußte sie zu dirtgieren wie rin Feldherr.
Die besten Stunden seiner Tage waren doch die, die er bei seiner Mutier und Schwester zubrachte. Sie wohnten beide ganz in der Nähe, in einem der klei« eu neu» angebauten Häuser des Seebades, und die Einrichtung ihrer Zimmer hatte wieder das alle Ansehn wie in G-, von den modernen Berliner Herrlichkeiten, die er einst mit solchem Eifer herangeschleppt, waren nur noch ge- ringe Ueberreste vorhanden, sie waren verblichen und vergangen wie die ganze tolle Zeit damals.
Der alte Hauch von Gemütlichkeit lag wieder über den Räumen des stillen Wit- weoheimS, nur der fröhliche Student und seine Freunde fehlten. Statt seiner saß in der Ecke deS allen Sophas ein ernster Mann um dessen Lippen nur selten ein Lächeln spielte, aber er litt eS gern, wenn die sauste Hand der Mutter wie sonst üver seine Stirn strich und die guten Augen ihn teilnehmend anschauten. Von Niemand weiter hätte er Teilnahme vertragen als von ihr, zu ihr allein sprach er sich denn auch bisweilen au- ; vieler Worte bedurfte es nicht, sie verstand ihn, und wußte woran sein Herz krankte, und wie er Carla Bxhausen uns jene Zeit in Berlin nicht Vergessen konnte. Flora war eben nicht die Frau ihm solches Vergessen zu lehren, so musterhaft sie auch für sein leidliches Wohl sorgte.
War Melitta im Zimmer wurden solche Gespräche, dir das Vergangene berührten, nie geführt; sie hatte ja jene Zeit in Berlin nicht mit durchlebt, wußie wenig von der HerzenSgeschichle ihres Bruders, da er sich so schnell damals entschlossen sich mit Flora
zu verloben, mußte er doch Carla bald vergessen haben. Daß eS kein volles Glück war wa- er an Floras Seite gefunden, daS sah sie wohl, aber sie machte sich nicht viel Gedanken darüber, sie dachte in dieser Zeit, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben mehr an sich als an den Bruder. Ein Glanz innern Glückes lag über ihrem ganzen Wesen, strahlte aus ihren Augen, daß Fred sie manchmal ganz Verwundert anschaute. Woher kam ihr nur diese sonnige Heiterkeit, diese Freude an ihrem doch wahrlich nicht reichem Leben. Ihre schönsten Jugendjahre hatte sie aus dem Gute seiner Schwiegereltern verbringen müssen, wo ste wahrlich nicht auf Rosen gewandelt. War es nun das Glück wieder mit der Mutter vereint zu sein was ihr Wesen so verklärte oder halte eS noch einen andern Grund. Dachte ste »ielleicht noch an Martin Harden, aber der war ja, trotz aller Ueberlegenheit, die er ihm stets gezeigt, jetzt noch nicht einmal so weit wie er, hatte noch keine feste Anstellung. Er hatte Melitta stets sehr gern gehabt, auch wohl ernstlich daran gedacht, sie einst zu seiner Frau zu machen, wer weiß aber, ob er nicht doch schließlich dem Zug der Zeit folgte und eine reiche Frau wählte. Die idealen L-benSanschauunge» halten meistens dem realen Leben nicht stand, man wirft eine nach der andern über Bord — und doch — doch gäbe man manchmal nicht alles dahin, was man mühsam errungen im Daseinskampf, könnte man sich damit die Jugendlhorheilen und Ideale zurückkausen, noch einmal hin. ein stürmen in das volle reiche Leben.
Wie solche Gedanken heute ihm immer wieder kamen, wa- wollten ste I Ihn quälen ihm klar machen, daß er da- Glück, wonach ihm so heiß einst verlangt, nicht gesunden. — Wo war eS überhaupt zu finden? Er hatte eS noch nie geschaut, menschliches Elend, die ganze Misöre des ErdcnbasetnS genug und Übergenug, sein Beruf lernte es ihn kennen — aber Glück, volles Menschenglück l hatte daS überhaupt noch «ine bleibende Stätte in dem rastlosen Getriebe der modernen Menschenkinder deS La äs siöols. Er ahnte nicht, daß er schon tm nächsten Augenblicke solch seltenen Anblick haben sollte.
Ein paar Minuten nur wollte er rasten hier in der Laube, bis dir Glocke ertönte, die zum Mittagessen in gewohnter Pünktlichkeit ries.
Doch was war daS, klang da- nicht wie Flüstern dort aus der Laube heraus, hatte eines der Mädchen dort vielleicht rin Stelldichein verlockend genug war ja der stille, ganz mit blauen Blumen bezogene Winkel dazu, aber unter dem strengen Regiment seiner Gattin konnten solche Dinge doch unmöglich vor sich gehn.
Er trat näher, »Fred I Fred!" ertönte da eine jubelnde Stimme und in dem blauen ClematiSrahmen de- Eingangs zur Laude, stand da Melitta vor ihm, so strahhlenden Antlitz, tm lichten Sommerklcide wie ein wnnderschöneS Bild.
„Mein Gott was ist denn passte«?" fragte Fred. „Du stehst ja aus, als hättest Du Besitz genommen von allen Seligkeiten des Himmels und der Erde.'
„Das habe ich auch," versetzte Melitta, „ein glückttchereS Menschenkind würdest Du heute aus der ganzen Welt nicht finden, und
wenn Du sie von einem Ende zum andern durchwanderst.'
„Vielleicht doch, und zwar in nächster Nähe," ließ sich da eine Stimme vernehmen, oa aus dem Dämmerlicht der Laube trat jetzt Marlin Harden heraus.
„Mein Verlobter, Oberförster in F.,' stellte Melitta ihn dem Bruder vor.
Ja da« war Glück, volles Menschen« glück, waS diesen beiden aus den Augen strahlte, nicht gewaltsam dem Schicksal abgetrotzt, nein, langsam ausgebaut aus sicherem Grunde.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Schwere Ausschreitungen gegen einen Geistlichen im Rheinland. In dem bei Mörs gelegenen Orte Vluyn kam eS zu einem regelrechten Aufruhr. Dem dortigen Pfarrer K. war seitens deS Gerichts über zwei Kinder seiner Gemeinde die Fürsorge- Erziehung zugesprochen worden. AlS nun der Pfarrer abends in einen entlegenen Außenbezirk seines Bezirks geritten war, rotteten sich die Dorfbewohner zusammen und bombardierten daS Pfarrhaus mit Steinen, weil ste daS gerichtliche Urteil, daS der Pfarrer veranlaßt hatte, für falsch hielten. Die Menge wuchs immer mehr an und erwartete die Rückkehr deS Geistlichen. AlS Pfarrer K. vor seinem demolierten Hause antraf, rissen ihn die Exzedenten vom Pferde herunter und schleppten ihn zu der in Krämpfen liegenden Mutter der schon erwähnten beiden Kinder. Inzwischen erschienen Gendarmen, befreiten den Pfarrer, der schon mehrere Verwundungen erlitten hatte, aus den Händen der aufregenden Menge und stellten die Ruhe wieder her, nachdem ste mehrere Personen in Haft genommen hatten. Nunmehr ist die Verfügung ergangen, daß die beiden Kinder vorläufig bei ihrer Mutter bleiben sollen.
— DaS Mitmachen der Mode de- An- telegraphierenS hat in Brvmberg für mehrere Umerotfiztere eine unerwartete Wirknng gehabt. DaS in Bromberg stehende 129. Jn- tanterie-Regimmt hat bet den umfangreichen Namensveränberungen am Geburi-tage deS Kaisers den Namen erhalten: 3. Westpr.
Infanterie-Regiment Nr. 129. Aus Freude hierüber sandten mehrere Chargierte diese- Regiments — ein Feldwebel und Unteroffiziere — an den obersten Krieg-Herrn am 27. Januar ein Dank- und Glückwunschtelegramm. Nun find aber auf Veranlassung deS KriegSmtnisterS sämtliche Gratulanten >m Wege de- Disziplinarverfahren- in mehrtägige Arreststrafcn genommen worden, weil ste den Justanzweg nicht eingrhalten hatten.
— Für den Konsumenten ist eS nicht leicht, aus den vielen heutzutage angebotenen Fabrikaten etwa- herauszufinden, wa- seinen Zwecken entspricht. Schuhfett und Wichse z. B. werden in so vielerlei Arten offeriert, daß der Konsument thalsächlich nicht mehr weiß, was er verwenden soll. Gentr.er's Wichse und Genlner's Schuhfett in roten Dosen mit dem Kaminfeger dürften aber, was Qualität anbelangt, kaum von irgend einer andern Marke erreicht werden und eS wird daher das tonfumterende Publikum beim Einkauf wohl daran thun, diese Fabrikate stets zu bevorzugen.
Retakttou, Druck rmd Verlag «M veruh. Hosmanv in MldSai».