Dämon Hold.

Novelle von R- SIMM- 1) (Nachdruck verboten.)

Die glanzvolle Schönheit eines herrlichen Mailages leuchtete auf der Erde und warf ihren goldenen Schimmer auch in die Stadt, die malerisch im Thale und an einem hohen Bergrücken lag. Auf der Landstraße über den Berg kommend, lenkte ein stattlicher junger Mann seine elastischen Schritte der Stadt zu. Seine bestaubten Kleider und Schuhe, eine Tasche an der Seite und der kräftige Stock zeigten, daß sich der junge Mann ^ auf einer Fußreise befand, und es war die Reise in die Heimat auS der nur vier Meilen entfernten Universitätsstadt. Sein Herz schlug in stolzer Hoffnung und Freude. In einigen Monaten hoffte er sein Examen als Arzt vollendet zu haben, dann wollte er keinen Augenblick länger zögern, mutig um die Hand des schönen Mädchens zu «erben, die schon seit Jahren sein Herz gefangen hielt. Wenn Elisabeth Gronau, als einzige Tochter des reichsten Fabrikbe­sitzers in der HttmaiSstadt auch für viele Freier ein unerreichbares Ziel war, so glaubte der angehende Arzt Hellmuth Jensen doch an einen Erfolg seiner Werbung, denn seit den letzten Osterlapen wußte er genau, daß Elisa­beth seine heiße Liebe erwiderte. Freilich galt der Kvmmerz'enrat Ludwig Gronau als sehr geldstolz und herrisch, aber diese Eigenschaften des Naters der Geliebten seines Herzens bereiteten Hellmuth Jensen keine Sorgen. Als junger Doktor der Medizin und Sohn deS begüterten Apothekers Jensen hoffte er seiner Werbung schon Gehör bei dem Kommerzienrat Gronau verschaffen zu können.

Beflügelten Schrittes wanderte Hellmuth daher der Vaterstadt zu. Grüßend leuchtete ihm ja auch schon der silberhelle Fluß ent­gegen, bald sah er das väterliche HauS mit dem terafsenartig errichteten großen Garten und daneben die stattliche Gronau'sche Villa, in der die Geliebte wohnte. Welch ein Glücksgefühl der reinen, großen Jugend­hoffnung und Freude durchflutete Hellmuths Herz I Ihm war, als müßten schon die nächsten T a g^e die Erfüllung seines Herzenswunsches bringen. Uebermorgen wurde ja das Pfingstfest gefeiert, ein Fest so recht für die Verkündigung neuer Herzens- verbindungen geschaffen.

In einer Viertelstunde war Hellmuth im Elternhause, von Vater, Mutter und einem jüngeren Bruder, der Apothekergehilfc war, herzlich willkommen geheißen, und nach seinem Zimmer^geleitet.

Lange hielt es Hellmuth natürlich dort Nicht auS. . Als er seine staubigen Reise- kleider mit andern vertauscht und einen kleinen Imbiß zu sich genommen hatte, be­gab er sich in den Garten auf die Terrasse, von welcher aus er in der Gronau'schen Villa wie auch in dem anstoßenden Parke gesehen werden konnte. Wenn auch verstohlen und ohne auffällige Gebärden, so spähte er doch eifrig und ausdauernd nach der ge­liebten Elisabeth aus, aber Minute auf Minute verstrich, ohne daß er ihre Gestalt irgendwo im Parke oder an einem Fenster drr Villa entdecken konnte.

Etwas verdn-b'ich über die Enttäuschung ging er einige Zeit in d-m Garten umher,

um die schönen Frühlingsblumen zu be­wundern und einige der schönsten zu einem Strauße für die Geliebte auszuwählen. Dann kehrte er nach seinem alten Platze zurück und spähte wieder nach der Villa und in den Park hinüber. Da endlich öffnete sich eine nach einer hochgelegenen Veranda führende Thür der Gronau'schen Villa und die Ersehnte er­schien vor den Blicken Hellmuths.

Aber was war das? Mit bleichen Wangen und traurigen Augen stand die schlanke Gestalt in weißem Kleide vor ihm. Was war mit Elisabeth, dem lebensfrohen Mädchen geschehen? War sie selbst krank oder im Hause ein Unglück passiert?

Hellmuth winkte ihr, um aus ihrem Munde die Ursache der Traurigkeit zu er­fahren, aber sie schüttelte ablehnend das schöne Haupt und verschwand mit einem schmerz­lichen AbschiedSblicke wieder in der Villa.

Hellmuth stand vor Schreck einige Mi­nuten wie versteinert da, und sank dann seuf­zend auf eine nahe Bank, über die Art der Verhängnisse nachgrübelnd, da seine schönste Hoffnung zu zerschmettern schien.

Ungefähr eine halbe Stunde später hörte er dann leisen Ruf an sein Ohr dringen: Herr Hellmnth: Herr Hellmuth I Aufspringend und umherspähend bemerkte er, daß in dem Gronau'schen Park dicht am Gartenzaun in seiner Nähe ein junges Mäd­chen stand, ihm einen Brief zuwarf, und ohne weiter ein Wort zu sagen, verschwand.

Klopfenden Herzens öffnete Hellmuth den Brief, der ihm sein und Elisabeths Schicksal zu verkünden schien.

Der Brief hatte folgenden rührenden Inhalt:

Lieber Hellmuth I

Unsere so heiß gehegte Hoffnung, bald an dem Ziele unseres höchsten Wunsches zu sein, ist gestern grausam zerstört worden. Ein alter Freund meines Vaters, derfftein- reiche BergwerkSbesttzer Randow in D. hat seinen einzigen Sohn um mich freien lasfin, und mein Vater, entzückt von diesem Antrag und geblendet von dem Reichtum RandowS hat sofort eingewilligt, daß ich die Fraü deS jungen Bernhard Randw, den ich vorigen Herbst auf der Hochzeit eines Verwandten kennen lernte, werden soll. Diese Zusage hat mir schon manchen Thräncnstrom gekostet, und iL habe biS jetzt oiein Jawort nicht gegeben, aber mein Vater hat an Herrn Randow so geschrieben, als ob dies ganz selbstver­ständlich wäre, und am ersten Pfingstfei- ertage wird der für mich so unerwünschte Bräutigam bereits in unserem Hause er­wartet. WaS soll ich schwaches Mädchen dann gegenüber dem eisernen Willen meines Vaters thun ? Die Randow'jche Millionen haben ganz und gar sein Denken und Sinnen gefangen genommen. Gold und immer mehr Gold ist seinem Dichten und Trachten, und obwohl doch sicher mein Vater die Randow'schen Millionen nicht bekommen wird, so schmeichelt es doch seinem Ehrgeize auf das Höchste, wenn er seine Tochter an einem der reichsten Männer des Landes verheiraten kann. Ich bin ganz ratlos. Ich fühlte mich nicht stark genug, fest und bestimmt zu dieser Partie nein zu sagen, habe auch bis jetzi noch kein Ja über meine Lippen bringen können. Inzwischen hat aber mein Vater

über meine Person wie eine über ihm ge­hörende Ware verfügt, und bei der An­kunft deS jungen Randowwird er cs noch mehr thun, doS heißt, er wird meine Zu­stimmung als selbstverständlich betrachten und jeden Widerspruch im Keime er­sticken suchen. Unglücklich und ratlos wende ich mich daher an Sie, lieber Hell­muth, und bitte Sie, ein Mittel ausfindig zu machen, wie ich dem traurigen Schicksal entgehen kann ,an meinen ungeliebten Mann verheiratet zu werden. Sie werden wahr­scheinlich denken, Schwachheit, Dein Name ist Weib, und mich für feig halten. Aber in mir kämpfen die Gefühle der Achtung vor dem Manne, der mir bisher immer ein guter Vater war und dem ich so viel verdanke mil den mächtigen Empfindungen meines Herzens. ES würde auch eine furchtbare Scene geben, wenn ich meinem Vater erkläre, daß ich Bernhard Randow nie und nimmer heiraten würde, und wahr­scheinlich würde ich darüber mit meinem Vater in ewige Feindschaft geraten. Ach, wenn meine gute Mutter nicht so früh dahingcstorben wäre! Sie würde in meiner HerzenSnot gewiß Rat und Hilfe schaffen. Entsetzt und ruhelos suche ich nach Rettung aus dem schweren Konflikte aber ich bin weder stark noch klug genug, einen rechten Ausweg zu finden. Ich be­schwöre daher Sie, teuer, bei der wahren Liebe, die unsere Herzen verbindet, ver­suchen Sie alle Mittel, um meinen Vater anderen Sinnes zu machen. Aber es muß da bald ein entscheidender Schritt von Ihnen geschehen, möglichst schon morgen, ehe der junge Randow hier eintrifft.

Ihre getreue Elisabeth.

Bleich und mit zitternden Lippen lief Hellmuth Jensen ratlos in dem Garten um­her, als er den herzzerreißenden Brief der Geliebten gelesen hatte. Er, er sollte ihr und sich selbst in diesem schwer drohenden Unheil Helsen.?!

Wodurch konnte dies geschehen? Vielleicht war eine Entführung Elisabeths nach der Art romantischer Glücksritter daS Beste. Aber der offene ehrliche Charakter Hellmuths kam bald von diesem Plane ab.

Dann wollte er Elisabeth, um in der schlimmen Sache nur einen Aufschub zu er« zielen und Zeit zu gewinnen, anraten, sie solle sich krank stellen und dem unerwünschten Freier Mitteilen lassen, daß er seinen Besuch um vierzehn Tage verschieben müsse. Aber dieses Projekt bot ja auch keine wirkliche Errettung aus der bösen Lage. Und so arbeitete sich nach langem, qualvollen Ueber- legen aus Hellmuths Brust nur der eine große Gedanke als zwar kühn und wagen­mutig, aber auch entscheidend und vielleicht zur siegreichen Thal werdend empor, mann­haft schon morgen Vormittag dem Herrn Kommerzienrat Gronau unter die Auge» zu treten, und um die Hand Elisabeths frank und frei zu werben, da ihre Herzen schon längst einander gehörten und nur deS Segens der Ellern harrten.

(Fortsetzung folgt.)-

Merk's.

* Selbst das NichtSthun wird uns all­mählich süß, und die Unlhäligkeit, anfangs Ver­haßt, wird zuletzt eine liebe Gewohnheit.

Redaktwn, Druck u. Verlag vou Bernh. Hosmann in Wildbad.