Gin WaterHerz.
Roman in Originalbearbcitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
61) (Nachdruck verboten.)
„Sogleich — wenn nur diese verwünschten Glocken ihr Läuten einstellen würden, sagte Nord ,. sich unruhig hin« und herwerfend, „so hat eS keinen Zweck schlafen zu wolle«. Ich freue mich, daß sie meinen Wink verstanden haben — Sie sollten sofort abreisen und unterwegs neue Kräfte samneln. Es wird Tüchtiges geschehen an dem alten Orte; das Volk, von seinen Unterdrückern befreit, wird seinen früheren Irrtum einsehen und seine wahren Freunde, denen sein Wohl noch am Herzen liegt, freudig bewillkommnen. Mir ist, als hörte ich das Hurrahrufen auf dem Marktplätze, wo Manuel feine Fahne aufgepflanzt. Welcher Freudenlärm über die neuen Freiheitshoffnungcn l Arme Jungen, bis ein neuer Wahn sie erfaßt und ein neuer Großsprecher in den Vordergrund tritt. Wenn sie beständiger wären, stände es besser um Alsako."
„Mein lieber Freund, daS ist keine Ruhe," sagte Antonio besorgt.
„Ich bin so hellwach, wie nur je in meinem Leben, Junge. Wann reist Manuel ab?«
„Ich habe ihn nicht danach gefragt.«
„Ja, aber das müssen Sie. Gehen Sie mit ihm Tony. Er ist der Mann, Sic zum Heldenmut zu begeistern, und Sie habe» das Zeug zu einem tüchtigen Soldaten.«
„Was soll aus Ihnen werden, wenn ich fort gehe?"
„Ueberlasten Sic mich der Möre Chara- mante — eine vortreffliche Frau mit knarrenden Schuhen.«
„Over dem Fräulein Dering, Oberst?«
„Gott bewahre mich vor dieser! Das ist aber zu schlecht von Ihnen, Antonio, mich an meine Peinigerin zu erinnern — an die Frau, dir so viele Versehen im Leben gemacht hat und mich nun zu pflegen wünscht. Frank Nord gehätschelt und bevormundet von dem Derings Frauenzimmer — ein hübscher Spaß!«
„Ich denke, mich jetzt auf mein Zimmer zu begeben," sagte Antonio. Er sah kein anderes Mittel, Frank Nord Redseligkeit Einhalt zu thun oder ihn zu bewegen, die großen glänzenden Augen zu schließen, in denen ein unruhiges Feuer brannte.
„Wie Sie wollen, Tony.«
Antonio erhob sich und wünschte dem Kranken „Gute Nacht.« Dieser reichte ihm die Hand, eine heiße fieberglühende Hand, und Antonio erschrack über den jagenden Puls, das dunkelgerötete Gesicht seines Freundes. „Mein lieber Oberst, mein teurer einziger Freund,« rief er erschreckt; „ich muß den Doktor holen, er muß sie heute Abend noch sehen.«
„Bringen Sie mir keine fremden Menschen mehr hierher," sagte Nord ärgerlich, „ich möchte jetzt schlafen. Stellen Eie den Gerstenschleim auf mein kleines Tischchen, und dann gehen auch Sie zur Ruhe. Morgen werde ich ein anderer Mensch sein.
„Wollen Sie aber auch wirklich zn schlafen versuchen, wenn ich mich entferne?"
„Ich will mir alle Mühe geben, war die Erwiederung. Aber als Antonio zurückge.
treten war, lachte Nord vor sich hin: „Schlaf für mich! Was sonst noch?«
31. Kapitel.
Antonio verließ das Krankenzimmer nicht, sondern setzte sich, von dem Kranken ungesehen, auf einen Stuhl und wartete dort still und geduldig. Er hoffte, bei der ihn umgebenden ungestörten Ruhe, wo nichts seine Aufmerksamkeit erregte, werde Frank Nord endlich in Schlummer staken; sollte aber das Fieber zunehmen und Delirium sich einstellen, so war er zur Hand, um ärztliche Hülfe herbeizuholen. Allein der Kranke kam nicht zur Ruhe. In Ermangelung eines Gefährten fing er an mit sich selbst zu sprechen, und Antonio hörte, wie er sich beständig auf seinem Lager umherwarf, Pläne schmiedend oder über die Gründe nachgrübelnd, welche seine Tochter zur Flucht getrieben hatten. „Ich glaube nicht, daß sie irrsinnig ist, das arme Kind,« sagte er mit leiser Simme, obgleich jedes Wort Antonio'S Ohr erreichte. „ES war ein Ausbruch der Verzweiflung, wie auch ich deren hatte, obschon er bei Elsie länger andauerte und sie zu seltsamen Handlungen verleitete. Sie hat entdeckt, daß Fräulein Dering sehr wankelmütig und ihres Vertrauens unwert ist, und ist weggelaufcn, um an irgend einem Orte auf mein Kommen zu warten. Elfte war stolz, und Antonios Mitleid und die Art, wie er sie gewinnen wollte, beleidigten sie, und sie war mit vollem Rechte gegen Helene erbittert, die Böses zum Guten wenden wollte, sich aber gewaltig verrechnete. Ja, ich werde mein Kind wohl und gesund wiederfinden. Ein Wort von mir, ein Aufruf in den Blättern mit meiner Unterschrift, und sie wird zn mir eilen, als die gute treue Tochter, welche ich bei meiner Rückkehr nach Wolston in ihr zu finden gehofft hatte. Ach, das war eine Enttäuschung, Frank, die Du schwer überwinden konntest. Du warst ein Narr, mein Freund, ein unglaublicher Narr, zu denken, daß sie in all'diesen Jahren nicht gelernt habe, Dich zu vergessen oder zu Haffen, und nicht zu denken, daß jene geschäftigen Derings nichts Eiligeres zu thun gehabt hätten, als Dich zu verdrängen — jene schlauen, durchtriebenen, pläneschmiedenden Derings.« So ging eS weiter, wohl eine Stunde lang. Antonio verhielt sich regungslos und ließ selbst daS Feuer Herabbrennen, um seine Anwesenheit im Zimmer nicht zu verraten.
Endlich, endlich verkündeten die tiefen Atemzüge deS Kranken, daß er eingeschlafen sei, und Antonio stahl sich leise aus seinen früheren Platz zurück, fachte das noch schwach glimmende Feuer zu neuer Glut an und bewegte sich so ruhig und geräuschlos wie eine geübte Krankenwärterin. Daß er selbst noch sehr wenig Kräfte besaß und dringend der Ruhe bedurft hätte, um sich diese wenigstens zu erhalten, wäre jedem Unbeteiligten aufgefallen, wenn auch er selbst mit großer Energie die Wahrheit geleugnet hätte. Die beiden Männer hatten ein gewaltiges Ankämpfcn gegen die Krankheit nötig gehabt, aber beide hatten eö mit Erfolg gethan bis zur heutigen Nacht. Jetzt glaubte Antonio Alles verloren, als der kranke Oberst nach einer Stunde wieder erwachte, aber diesmal ganz ohne Bewußtsein. ES war das frühere Delirium, der frühere Rückfall, vor welchem der Doktor sie so ernstlich gewarnt hatte; es schien, als habe Antonio die ganze Nacht hierauf gewartet. Der Oberst phantasierte von Alsako, glaubte sich
wieder in seiner alten Machtstellung und nannte Antonio mit dem Namen Manuel, dem Namen des Freundes, der ihm bis zum Ende teru geblieben, der Kerker und Verbannung mit ihm geteilt hatte.
„Kennen Sie mich nicht," fragte Antonio, ihm scharf in die Augen blickend.
Der Kranke fuhr zurück. „Wieder zurück? — Ihr, Paul Barett, gedungener Mörder der Verschwörer, der mich in meinem Gartenbause durchbohrt hätte, wäre ich nicht zu rasch gewesen, für Euer blutiges Vorhaben — wie seit Ihr hierhergekommen?«
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Vom Oberland, 20. Juni. Eine Neuerung, die in den beteiligten Kreisen freudig berühren wird, tritt vom April n. I. hinsichtlich der UmzugSkostenvergütung der unständigen Lehrer in Kraft. Eine Umzugskostenvergütung wird den unständigen Lehrern sowohl bet ihrer erstmaligen Verwendung als bei jeder späteren Versetzung gewährt. Die Vergütung beträgt für jeden zurückgelegten Kilometer der Eisenbahnlinie und der fahrbaren Straße 20 ^f.>
— Die Rettung des Grasen Waldersee. DaS Verdienst, den Grafen Waldersee bei dem Brande deS Kaiserpalastrs in Peking gerettet zu haben, schreibt die in Port Arthur erscheinende Zeitung „Nowosti Kraja« in einer Korrespondenz aus Peking einem russischem Offizier zu. Der Bericht lautet: „DaS Feuer hatte augenblicklich sechs Flügel ergriffen, darunter auch den Thronsaal und das Schlafzimmer der Kaiserin und sprang auf das Asbesthaus des Grafen Waldersee über, welcher in seinem Schlafzimmer allein mit seinem Burschen war. Auf den ersten Alarm hin eilten deutsche Offiziere auö der Offiziersmeffe herbei und mit ihnen auch unser Stobskopitän des Wyworger Regiments Krickmayer, welcher dem Grafen Waldersee aitachiert war. Derselbe stürzte als Erster an das Fenster des Schlafzimmers des Frld- marschalls — zur Thür zu gelangen, war es bereits unmöglich — und begann dem Grafen zuzurufen, er möchte auf das Fensterbrett steigen. Aber das Fenster war hoch und der greise General konnte das Fensterbrett nicht erklettern. Da kroch! Krickmayer selbst in das Zimmer und brachte mit Hilfe des Burschen den Grafen auf das Fensterbrett und von dort erst brachten ihn die deutschen Offiziere in Sicherheit.
— Attentat auf den deutschen Kronprinzen. Bochum, 20. Juni. Ein unlteb- jamer Vorfall ereignete sich gestern auf dem hiesigen Bahnhofe gelegentlich deS kurzen Aufenthaltes des deutschen Kronprinzen auf seiner Fahrt von Minden nach Bonn. Ein Mann sprang plötzlich auf daö Trittbrett deS Wagenabteils, in dem der Kronprinz saß und zerschlug mit seinem Spazterstock die Fensterscheibe. Der offenbar Betrunkene (eS soll ein Schreiber sein) gab bei seiner Verhaftung an, daß er lediglich den Wunsch ge» habt habe, einmal den deutschen Kronprinzen ZU sehen.
(In der Zerstreutheit.) Professor: „Bist du von Karlsruhe?" — Schüler: „Nein, von Constanz, bin aber in Karlsruhe in die Schule gegangen.« — Professor: „So? Da hast du aber einen weiten Schulweg gehabt I«
«edaktiou. Druck und vertag »yu Beruh. Hofmann in WUdbad.