Gin WcrterHerz.
Roman in Origtnalbkarbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
43) (Nachdruck verboten.)
Als sie durch Barstoft fuhren, bemcikte er wieder: „Ich habe Auftrag gegeben, D-'inc sämtlichen Sachen aus dem Gasthaus in Wolston hierher in den „Adler" zu bringen — Deine Rechnungen dort und im Dorfe zu begleichen. Sieh', wie besorgt ich für Dich bin; den kleinsten Deiner Wünsche studiere und befriedige ich — wenn möglich."
„Ich wollte, ich wäre tot!" seufzte Antonio.
„Gott bewahre mich, Junge!" rief sein Vater schaudernd, „wie kannst Du so sprechen, wenn ein schönes langes Leben vor Dir liegt? Was gäbe ich für Deine Kraft und Jugend, Deine Schönheit und Talente? Dein Leben ist des GenteßenS wert ; folglich beneide Ich Dich darum."
Antonio erwiederte nichts auf diese Rede; er war zu einer Unterhaltung mit seinem Vater nicht aufgelegt.
Unter der Thüre des „Adler" trat ihnen ein diensteifriger Wirt entgegen, sehr erfreut über diese unvorhergesehenen winterlichen Gäste. Jetzt zeigte sich Paulo Baretti in seinem wahren Lichte, wie dies bei einer passenden Gelegenheit stets seine höchste Freude war. Er zeigte seine Wichtigkeit und be- mühte sich, auf seine Umgebung einen imponierenden Eindruck zu machen. In herrischem Tone befahl er dem Wirt, das beste Mahl zu bereiten, welches man in 2 Stunden haben könne, den besten Wein aufzutragen, den sein Keller berge, und ihnen das beste und wärmste Privatzimmer anzuweisrn. Doch nun stellte sich heraus, daß nur im Koffeezimmer ein Feuer brenne, und wohl oder übel mußte Paulo, dem vor Frost die Zähne aufeinander klapperten, sich entschließen, einstweilen dort sich niederzulassen.
Es befand sich nur eine einzige Person in dem langen geräumigen Gemach, ein Handlungsreisender, eifrig mit Brief- schreiven an seine Firma beschäftigt. Als die beiden Herrn eintraten, blickte er auf und grüßte höflich, fuhr aber sog leich in seiner Beschäftigung fort. Vater und Sohn legten ihre Mäntel ab und zogen ihre Stühle dicht an das Feuer. „Wieder die verwünschte See," murmelte Paulo mit einem bösen Blick durch das Fenster, „wild und stürmisch, ein verhaßter Anblick l"
„Hast Du mir nichts Besseres zu sagen, als dies?" fragte der Sohn in spöttischem Tone.
„O, ein« Menge habe ich Dir zu sagen, wenn Du geneigt bist, mich anzuhören. Ich kann nicht ernsthaft und vernünftig sprechen, wenn Du wie ein Stock dasttzest.
„Nach dem Essen, wenn ich mehr getrunken habe, werde ich ein besserer Gesellschafter sein, oder es wenigstens zu sein Versuchen. Eine Gunst aber könntest Du mir aber jetzt erzeigen."
„Und die wäre?"
„Lasse mich ungestört."
„Schon gut. Du bist noch aufgeregt; nimm Dir Zeit mein Sohn, Dich zu beruhigen."
Antonio ergriff eine auf dem Tische liegende Zeitung von der vorigen Woche und schien bald ganz in deren Inhalt vertieft, während sein Vater, beide Hände in die Taschen versteckt, ihn befriedigt beobachtete, bis ihm ein guter Gedanke zu kommen schien.
„Eine Cigarre, Tony?" sagte er, dem Sohn ein geöffnetes Etui darbietend, welches er aus der Tiefe seiner Tasche herauSgefischt hatte.
„Jetzt nicht; nach dem Essen."
„Ein Gläschen Brandy? Du möchtest vielleicht ein Gläschen Brandy? Es wird Farbe in Dein Gesicht und Wärme in Deinen Körper bringen. Ich bin wie ein Eisberg."
„Brandy, meinetwegen," stimmte Antonio bei.
Paul Baretti setzte den Klingelzug neben dem KaminstmS in heftige Bewegung, und als der Befehl gegeben und ausgeführt, der Brandy getrunken war, da sank er wie eine unförmige Masse in seinen Stuhl zurück, eine Cigarre zwischen den dicken, roten Lippen, mit den Händen die Geldstücke in seinen Taschen klimpernd. Wie lange er rauchte und bewundernd seinen Sohn Antonio betrachtete, wußte er später selbst nicht zu sogen, denn allmählich legte es sich wie ein Nebel über seine Augen und über seine ganze Umgebung. Langsam senkten sich seine Lider und erhoben sich wieder; das Zimmer war warm und behaglich, das Kratzen der Feder, das leise Ticken der Standuhr und das dumpfe Rollen der sich am Ufer brechenden mächtigen Wogen unterbrachen allein die tiefe Stille. Dir Cigarre entfiel seinem Munde, er war endlich eingc- schlafen und träumte von einem glücklichen Zusammenleben mit Tony, während sein schwerer Kopf über die Stuhllehne herad- hing und seinem geöffneten Munde rasselnde Töne entströmten.
Plötzlich erwachte er; der eine Fuß hatte sich in dem Feuergitter festgeklemmt und in dem Bemühen, sich frei zu machen, warf Paulo mit einem furchtbaren Gerassel das eiserne Feuergestell um, so daß der nervöse Handlungsreisende vor Schrecken fast den Tod gehabt hätte. Paulo Baretti stand auf dem Kaminleppich und blickte mit leidenschaftlicher Erregung auf Tonys leeren Stuhl.
„Wo ist der Junge? Was ist aus ihm geworden? Hören Sie, mein Herr, wohin ist er gegangen?"
„Wer? — Der junge Herr, der mit Ihnen kam? O, er hat vor ungefähr zehn Minuten das Zimmer verlassen."
„Weg! sich weggestohlen vielleicht!" schrie Paulo. „Helfen Sie mir in meinen Rock, Herr, dies darf nicht sein. Er darf mir nicht weglaufen."
Der Fremde war dem Wütenden behilflich, seinen kostbaren Pelzmantel anzuziehen, und dann hinkte Paulo hinaus, den Hut über die Schläfen hereingezogen, den zerrissenen Pelzkragen unordentlich über den Rücken hängend. In der Halle fand er den Hausmeister, bereit, ihm Aufklärung zu geben. Der junge Herr war vor etwa sechs oder sieben Minuten in der Richtung des Hafens gegangen, und dorthin lenkte nun auch Paulo in möglichster Eile seine Schritte.
(Fortsetzung folgt.)
Himmelfahrt.
Alles Leben muß ein Ziel haben, dem es zustrebt. Jeder muß wissen, warum er wirkt, weshalb er arbeitet, wozu er kämpft. Ein zielloses Leben ist ein verlorenes Leben, ein zweckloses Arbeiten befriedigt nicht, ein sinnnloses Kämpfen ermattet bald. Der Wert des Lebens richtet sich nach dem Ziel, das erstrebt wird, der Wert der Arbeit bemißt sich nicht bloß nach dem materiellen, sondern vor allem nach dem idealen Zweck, daS Kämpfen und Ringen wird um so anhaltender sein, je höher der Preis ist, den es zu erringen gilt. Nun sind ja der Lebensziele und Lebenszwecke mancherlei. Man wird die nicht schelten dürfen, denen in Dürftigkeit und Armut zunächst ein Ziel der Arbeit und des Kampfes wert ist: aus ihrer Dürftigkeit und Armut herauszukommmen und ein auskömmliches Leben zu haben. Man wird ihnen aber sagen dürfen; das letzte Ziel eures Lebens kann es nicht sein, denn der Mensch lebt nicht vom Brod allein. Auch das kann nicht als letztes Lebensziel gelten, die Welt zn beherrschen durch Wissen und Können. Wissen ist Macht, aber nicht die größte Macht, Machtbesitz erhöht, aber erhebt nicht über alles. Ein Leben, der Wissenschaft geweiht, der Erforschung des Lebens und seiner Kräfte, der Natur und ihrer Gewalten, führt auf erstaunliche Höhen. Auf solchen Höhen giebt eS auf Augenblicke Glückseligkeit und freudiges Genießen. Aber je höher das Wissen steigt, je größer die Macht, die daS Wissen verleiht, um so mehr erweitert sich das dunkle Gebiet des Unerkannten, dem Wissenden erscheint gering, was er kann, gegenüber dem, was er nicht kann. So kann Wissen nicht der höchste Lebenszweck sein, der höchste Lebenszweck verträgt keine Beschränkung. Das allein kann nur als der höchste Lebenszweck erscheinen, was dem Leben den ewigen Bestand garantiert. Das ist aber der Glaube. Der Glaube führt den Menschen dem höchsten Lebensziel zu: dem Aufgehobenwerden von der Erde in den Himmel, der ewigen Vereinigung mit Gott, der letzten und höchsten Vollendung. DaS Himmelfahrtsfest erinnert an diese letzte und höchste Vollendung. Darum betet die Christenheit den erhöhten Christus an, daß er sie auch erhebe zu seiner Herrlichkeit. Das Fest des himmlischen Königs ist heute. Er verleiht das höchste Wissen: Gott wissen und kennen, und die höchste Macht: die Macht über Sünde und Tod. Wer zu dieser höchsten Stufe kommen will, der beuge sich vor ihm und bete an I
Verschiedenes.
— Ein wahrhaft praktischer Arzt. Auf einem in Amerika nicht mehr ungewöhnlichen Wege hält zur Zeit ein Newyorker Arzt seine Person auf dem Heiratsmarkt feil. Er läßt an Frauen jeden Standes und Alters, mit Ausnahme von Krüppeln und Farbigen Lose zu 20 ^ verkaufen. Die Gewinnerin in der Lotterie wird des genialen Mediziners Gattin und — teilt mit ihm den Gewinn der abgesetzten Lose. Seine Hoffnung, 2—3000 davon zu verkaufen, dürfte sich erfüllen. Jede Newyorker Köchin ist enjchlvssen, Frau Doktor zu werden.
.. (Zeitgemäß.) „Ihre Tochter ist jetzt bald heiratsfähig?" — „Ja, sie wird auch bald anfangen, sich zu zu verloben."
Aedakiton, Druck mW Verlag von Beruh. Hofmauuin Wildbai».