ungewöhnliche Weise, eine zahlreiche Gemeinde um sich zu sammeln. Er ließ eine Anzeige folgenden Inhalts erscheinen: „Fünfhundert junge Mädchen werden gebeten, am nächsten Sonntage die Kirche zu besuchen, in der Reverend A. . . über das Thema: „Wenn ich ein Mädchen wäre" zu predigen beabsichtigt." Das Resultat war glänzend. Eine nach Tausend zählende Menge fand sich ein, die mit unverkennbarem Interesse den Ausführungen des Pastors lauschte, der mit warmen Worten die vielen guten Werke schilderte, denen er sich mit ganzer Seele weihen würde und die bösen Dinge aufzählte, die er unterlassen würde, wenn er ein bescheidenes, wohlerzogenes Mädchen wäre. Am darauffolgenden Sonntag füllte sich dieselbe Kirche wieder bis aus den letzten Platz. Der Prediger hatte nämlich annonciert, daß er fünfhundert jungen Männern erklären werde, wie man es anstellen müsse, um mit einer Mark pro Tag nicht nur anständig zu leben, sondern auch noch Gutes zu thun. Jetzt ist der Name des weisen Kanzelrednerö so berühmt geworden, daß man schon eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes kommen muß, um noch einen Sitzplatz zu erhaschen.
— Die Laternenanzünder werden überflüssig. Es war schon lange das Streben der Gastechniker, die der öffentlichen Beleuchtung dienenden Straßen-Laternen so einzu- richten, daß sie von der Gasanstalt aus alle gemeinsam und zu gleicher Zeit reguliert werden könnten. Eine diesbezügliche Erfindung ist nunmehr, wie aus Duisburg gemeldet wird, dem GaSmeister der dortigen städtischen Gasanstalt geglückt. Nach langen mühsamen Versuchen erfand er eine an den Brennern (welche natürlich die jetzt auch zumeist eingeführten Dauerbrenner sein müssen) angebrachte sinnreiche Vorrichtung, die es er- mäglicht, sämtliche Laternen zu gleicher Zeit zu entflammen und wieder zu reduziere» und zwar von der Gasanstalt aus. Mit der Einführung dieser Erfindung verschwindet, wiederum von den Erfolgen der Technik verdrängt, eine volkstümliche Persönlichkeit aus dem Straßenbild: der Laternenanzünder.
— Bauernregeln für den Monat Januar. Januar warm, daß Gott erbarm! — Wenn Gras wächst im Januar, wächst es schlecht. — Nebel im Januar macht ein nasses Frühjahr. — Sind die Flüsse klein, giebt es guten Wein. — Am 10. Januar Sonnen
schein, bring! viel Korn und Wein. — Wie das Wetter an St. Vincent war, wird eS sein daS ganze Jahr. — Schönes Wetter bringt Gewinn, merk dir das in deinem Sinn. — St. Paul schön mit Sonnenschein, bringt Fruchtbarkeit an Getreid' und Wein.
— Ist der Januar naß, bleibt leer das Faß- — Januar muß vor Kälte knacken, wenn die Ernte soll gut sacken. — An Vin- c-nci Sonnenschein, bringt viel Korn und Wein. — Morgenrot am 1. Januar, bringt viel Gewitter. — Ist der Januar warm und naß, bleibt leer das Faß. — Ein gelinder Januar bringt Kälte im Februar. — Morgenrot am ersten Tag, Unwetter bringt und große Plag'. — Wie das Wetter an Mecarius war, so wird im September trüb oder klar. — An Fabian und Sebastian soll auch der Saft in die Höhe gähn. — Ist Pauli Bekehrung hell und klar, so hofft man auf ein gutes Jahr. — Wenn die Tage langen, kommt der Januar gegangen.
— Tanzen im Januar die Mucken, so muß der Bauer nach dem Futter gucken. Ist der Januar nicht naß, füllt sich des Winzers Faß.
Entdeckt.
Kriminal-Erzählung von C. v. Wolfshagen. 2) (Nachdruck verboten.)
Mixin ging unwirsch in die Werkstatt; in einer gesonderten Abteilung stand am Arbeitstische ein junger schöner Mann und bearbeitete eine Goldeinfassung durch die Lupe.
Das war Mixinö's Wrrkführer, Herr Robert Kempin. Der Juwelier sah ihm zu. Nach einer Weile fragte er:
„Wann beginnt der Mummenschanz, Kempin?"
„Uebermorgen I"
„Kennen Sie die Palette?"
„Die Malcrkneipe, Herr Mixin?"
„Dieselbe!".
„Alle Gelaffe?"
Kempin sah ihn verwundert an, und nickte:
„Ja, jedes Wtnkelchen!"
„Wie kommt das?"
„Ich habe einen Freund, gleich mir aus Norwegen der ein Maler ist!"
„So I — Haben Sie Lust mit mir insgeheim — er betonte das Wort — einen CarnevalsauSflug zu machen?"
»Jst's Ihr Ernst, Herr?"
Ganz und gar I Besorgen Sie uns zwei mittelalterliche Anzüge. Bei Ihnen kleiden wir uns AbendS 6 Uhr um! Die Ausgaben für mich, selbstverständlich, aber keine Menschenseele darf davon wissen."
Robert Kempin verbeugte sich, Mixin ging. Der junge Mann sah ihm nach und murmelte:
„Was hat das zu bedeuten?"
Er dachte vergeblich nach, schüttelte dann den Kopf und wandte sich dann wieder feiner Arbeit zu, die er dann plötzlich unterbrach, indem er murmelte:
„Sollte es mit Frau Senta zusammen- hängen? — Eifersucht? — Senta, Du schönes Weib, welche Wonne müßte es sein, von Dir geliebt zu werden l"
Am Carnevalsmorgen scherzte Herr Mixin mit seiner Gattin:
„Wie ist's, Senta, hast Du nicht Neigung, Dich auch in's CarnevalStretben zu stürzen?"
Senta sah ihren Gatten verwundert an. Er war diese Tage so seltsam, so launisch gewesen.
„Ich habe," entgegnete sie spitz, „vom Carneval deS Lebens genug und übergenug!"
„Es war auch nur Scherz l" lachte er. „Beth meinen Jahren Carnevalslust, bah! DaS überlaffe ich gern der Jugend!"
Senta nickte. Wie sie blaß aussah I
„Wie ist eS, Fräulein Jllona," setzte sie nach einer Weile zur Gesellschafterin gewendet hinzu, „gehen wir heute Abend zur Messe?«
Das Fräulein nickte.
„Das ist mein Carneval, Alex," sagte daraus die Hausfrau, sprach's und stand auf, ihren Bcrufsgeschäften nachzustreben.
„Schlange!" murmelte ihr Mixin nach. Senta sah ihn erst zu Tische wieder. Er war sehr heiter und — arbeitete, denn die Leute mußten heute des Carnervals wegen um 5 Uhr entlassen werden. Dann setzte sich Mixin mit dem Werkmeister an die Lohnbücher.
So sagte ihm Senta, um 5'/- Uhr Adieu. Sie und Jllona trugen Gebetbücher in den Händen. „Schlange!" dachte Mixin; bald darauf sagte er zu Robert Kemptn:
„Würden Sie meine Gattin im MaSken- anzng wohl erkennen?"
„Ich glaube I" gab jener zürück. Bei sich dachte er:
„Es ist also doch wegen Frau Senta!" Um 6 Uhr gingen die beiden Herren fort nach Kempins Wohnung, wo die Anzüge und Masken bereit lagen. Sie kleideten sich rasch an. Herr Mixin stellte einen alten Patrizier im langen Sammetrock mit Sammetbarrett, langen weißen Locken und Sil- berbart dar, Kemptn einen jüngeren Mann in violetter Kleidung und Barett. Die Gesichter waren durch Halbmasken von schwarzem Lasst unkenntlich gemacht.
Senta war mit Jllona unterdeß bei Ba- bette Häubchen angelangt. Die alte Dame räumte ihnen gegen Bezahlung eine Stube ein. Hier kleidete sich Senta als Veneciorurin um, wobei Jllona half. Dann blieb sie bet Sentas Kleidern als Wache zurück. Sie hatte den Anzug besorgt, Senta hatte ihr aber gesagt:
„Ich will ehrlich sein, Jllona! Sprechen muß ich ihn! Er heißt Paul, er ist wagehalsig , er würde mich bei meinem Gatten sonst komprmiottieren, da er meine Spur einmal gefunden! Aber ich schwöre Dir, daß ich ihn nur sprechen will, um ihm zu sagen, daß eS nie wieder werden kann, wie cs einst gewesen!"
„Ja, das thue! Sonstiges, liebste Senta ist gefährlich! Dein Gatte ist in seiner Eifersucht fürchterlich I"
„In der „Palette" war alles carneva- listisch geschmückt. Kurz vor 7 Uhr durchstreiften die beiden Patrizier, die wir schon kennen, alle Räume. Sie nehmen schließlich in der großen Eingangshalle hinter zwei großen Humpen Wein Platz. Vor der „Palette" wandelte indes die Venezianerin mit einem schwedischen Reitersmann auf ab.
„So ist es, Paul!" sagte die Vene- cianerin. Um meinen Vater zu retten, mußte ich meiner Liebe entsagen, wenn auch mit schwerem Herzen I Laß meinem armen Herzen Ruhe, die es so schwer erkämpft Hst!"
Senta atmete schwer dabei.
Der Reitersmann entgegnete eindringlich:
„Die halbe Welt habe ich fast durchstreift , Dich aufzuspüren, Senta Patschin, und ich sollte Dich wieder freigeben? Weißt Du auch, Senta, daß Deine Liebe mein Leben, ihr Verlust mein Tot ist? Erst mit meinem Dasein erlischt diese Neigung!"
„Armer Paul Domoveff, Du thust mir leid, ober ich muß so handeln!"
„Du hast kein Herz, Du tötest mich! Soll ich mir vor Deinen Augen eine Kugel durch den Kopf jagen?"
„Halte ein, das sollst Du nicht I"
„So giebst Du mir Hoffnung?"
(Fortsetzung folgt.)
Uebaktton, Dr?,ck »nb Verlag von Bernh. Hotmau» i» Mlbbgb.