Und Frieden auf Erden.
Weinnachts-Erzählung von Heleue Voigt. 2) (Nachdruck verboten.)
„DaS müssen wir alle einmal, gute Frau," gab ich finster zurück, „meine Braut wird wohl vernünftiger sein als Ihr und sich nicht an die Schlange kehren."
Wir heirateten und lebten im Hause des Schwiegervaters mit demselben, aber daS erhoffte Glück blieb aus I Juana war entsetzlich leidensaftlich und launisch, sie quälte mich mit ihrer Liebe und Eifersucht, sie fürchtete täglich und stündlich, mich zu verlieren und machte mir dadurch dos Leben zur Hölle. Ein Söhnchen wurde unS »ach Jahresfrist geschenkt, und es schien, als ob die junge Mutter etwas ruhiger und glücklicher geworden sei.
Als das Kind zwei Monate alt war, sollte eS getauft werden und strahlend vor Stolz und Freude trug es die alte Mestizin auf den Armen bis zum Altar, wo der Priester den Knaben in den Schoß der Christenheit aufnahm. Juana hatte unserem kleinen Manuel ihren Brautschleier auf das Veilchen drapiert, weil daS Glück bringen sollte. — Die Taufe war vorüber, die junge Mutter hatte sich nach beentizlem Festmahl noch einmal zu dem kleinen schlummernden Weltbürger begeben: der Brautschleier lag neben der Wiege und Juana schlang ihn lächelnd, strahlend um sein Haupt. Da fiel eine brennende Kerze vom Tisch herab — sie ergriff das duftige Gewebe — ein herzzerreißender Aufschrei, dos junge Weib stand in Flammen gehüllt und zerrte mit bebenden Fingern aber vergeblich an den Tüllwolken, um sie hcrabzureißen. Die Mestizin und ich stürzten zu gleicher Zeit herbei, ich hüllte Juana in einen Mantel, die Flammen waren gelöscht — doch zu spät! Sie hatte bereits entsetzliche Brandwunden am Hals und an der Brust und noch am selben Abend verschied sie in meinen Armen. Der arme kleine Manuel weinte in seiner Wiege und niemand dachte an ihn, der ja am meisten verlor in jener Stunde, die Mutter I Ich selbst war wie irr sinnig vor Schmerz, denn denn ich folterte mein Gemüt mit den schwersten Vorwürfen, das arme junge Wesen welches so leidenschaftlich an mir gehangen, nicht besser geliebt und gehegt zu haben. Ich habe es nie gekonnt und vermag auch heute wohl voll tiefer Wehmut aber nicht mit Liebe an die unglückliche Juana zu denken."
Und der Knabe? Manuel lebt doch noch?"
Möllers Antlitz klärte sich auf; es war als glitt ein Sonnenstrahl darüber hin.
»Ja, mein Liebling ist mir erhalten geblieben, ist nun vier Jahre alt, und ich hänge an ihm wie ich nie geglaubt, daß eS möglich sei. Du wirst ihn ja sehen, Hans, er soll mir ganz ähnlich sehen."
„Und nun will ich Dir von mir erzählen, aller Freund. Bertha und ich haben ein Söhnchen und ein Töchterchen, beide zwei Jahre auseinander; somit ist mein Familienleben ein heileres, glückliches und hat j-tzt in Berthas Schwester noch einen fröhlichen Gast erhalten."
„Hatte deine Frau eine Schwester?"
„Ja, damals war dieselbe in einem Schweizer ErziehungSinstitute; sie heißt Julie und steht genau wie Bertha aus.'«
»Sie lebt jetzt bei Euch
«Ja. Ihr Vater ist tot, und da war das Haus der Schwester ihr natürlichstes Heim. Nun, Ich denke, Ihr werdet gute Freunde werden," fügte Belling mit eigentümlichem Lächeln hinzu, „jedenfalls bist Du morgen zum heiligen Abend wieder unser Gast, natürlich mit Deinem Söhnchen, welches mit meinen Kindern hoffentlich Freundschaft schließen soll. Nun, Richard, schlage ein, Du kommst doch?"
„Wenn es — Deiner Frau nicht fatal sein sollte, mich wiederzusehen?"
„Nein," entgegnete ruhig und zuversichtlich Hans, „sie hat mich geliebt damals so wie heute, und Dein Anblick vermag ihren Frieden keinesfalls zu stören, daS weiß ich ganz genau. Aber Du, Richard, liebst Du sie etwa noch?"
„Belling, und dos vermagst Du mich zu fragen ? Hältst Du mich für einen Ehrlosen ?"
„Vergieb mir, Freund," und mit einem ehrlichen Blick bot ihm Belling die Rechte. Hast Recht, meine Frage war ein Unrecht gegen Dich, aber ich hoffe, dasselbe zu sühnen. Ich habe einen herzlichen Wunsch — alles andere liegt in Gottes Hand. Und nun lebe wohl, ich muß heim. Komm morgen nicht zu spät und grüße Deinen kleinen Manuel von seinem neuen Onkel."
„Adieu, alter Knabe, hast mich wieder aufgesrischt wie eS seit Jahren nie der Fall gewesen. Nun wohl, fangen wir das Leben nochmals von vorne an," rief Möller mit heiterem Antlitz und schüttelte warm deS Freundes Rechte.
Am nächsten Abend strahlte der Christbaum bei BcüingS wie immer in märchenhaftem Glanze. Frau Belling und ihre Schwester waren noch beschäftigt, all die Gaben der Liebe auf den weißgedeckten Tischen zu ordnen ; der Hausherr schritt, seine Gäste erwartend, drin im Wohnzimmer auf und ab.
„Wie glücklich bin ich, Ihr Lieben, heute bei Euch daS WcihnachtSfrst zu erleben," meinte Julie, ein schönes lebhaftes Mädchen und blickte lächelnd zu den flimmernden Weihnachtslichtchen auf, deren kräftiger Geruch sich mit dem würzigen der Tanne vermischte.
„Ja, wie lange werden wir dich bei uns behalten dürfen," lachte Frau Bertha, „dann kommt irgend ein kühner Freiersmann und entführt unS mein schönes Schwesterchen —"
„Aber Beriha, wer denkt daran," wehrte Julie unbefangen," kenne ich doch überhaupt noch keinen Mann, der mir irgendwie Interesse eingeflößt hätte."
„Hm — das kann bald einmal kommen," meinte die junge Frau ruhig, „aber hörst Du! Da sind unsere Gäste gekommen!"
Die beiden Frauen traten in das Nebenzimmer und man begrüßte sich unbefangen, als sei nichts zwischen einst und jetzt getreten. Der kleine Manuel mit den langen schwarzen Locken, dem spanisch gelblichen Teint und den träumerischen Augen eilte enthusiastisch an Juliens Seite und erklärte nach Kinderart freimütig: „Die Tante werde ich sehr lieb haben, genau so wie den Papa, denn sie sieht so schön und lieb aus."
„Ach, eine Liebeserklärung in aller Form, Julie," lachte Hans Belling, was sagst Du
dazu? Wirst Du diesen stolz-n Spanier als Kavallier annehmen?"
„Natürlich und mit tausend Freuden," lächelte das reizende Mädchen, sich zu dem Knaben niederbeugend, „wie heißt Du denn, mein kleiner Liebling?"
Richard Möller fuhr sich schwer atmend mit der Hand über die Stirn, auch ihm erschien Julie wie eine Mädchengestalt, die seine klaren Sinne gefangen zu nehmen drohte. So, genau so hatte damals Frau Bertha als Mädchen ausgesehen, und er liebte jene Erinnerungen ebenso leidenschaftlich heute wie einst. Freilich, die heutige rundliche, hausmütterliche, prosaische Frau Belling stand seinem damaligen Ideal himmelfern l Und seine Begrüßung, als er ihr freundschaftlich die Hand schüttelte, war völlig harmlos und ohne tiefere Seelenerschütterung.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
.'. (Lnkant tsiribls.) Tante (die eben im Begriff ist, abzureisen): Kinder, wenn ich nur nicht den Zug versäume I" Der kleine Hans: „O nein, Papa hat soeben die Uhr schon eine Halde Stunde vorgesteüt!"
.'. (Aus der Logik-Stunde) (Eine Katheder-Blüte.) Professor: „Wenn wir einmal mit dem „Verstände" zu Ende sind, dann werden wir bald zur „Vernunft" kommen."
.'. (Genau befolgt.) A.: „Nun, lieber Freund, wie hast Du in der letzten Nacht geschlafen? Hast du meinen Rat befolgt und gezählt? « — B. „Jawohl! Ich habe bis 18 000 gezählt!«« — A.: „Und dann bist Du etngeschlafen, wir? — „Keineswegs, denn da war es bereits Zeit, wieder aufzustehen I'«
.'. (Eiugeseift.) Gast (nachdem er dir Hotelrechnung empfangen, zum Wirt boShafi): „So, nun können Sie mich auch gleich noch rasteren!"
Unteroffizier (beim Gewehrreinigungs« Unterricht): „ . . Und dann hat der Soldat hauptsächlich darauf zu sehen, daß er im Lause deS Gewehres keine fremden Erteile entdeckt!'«
.'. (Bezeichnend.) „Der alten Dame kann wohl keiner etwas recht machen? — „Na, ich sage Ihnen, die hat ihr eigenes Beschwerdebuch auf dem Bahnhof!"
Ueber 1700 fallsüchtige Kranke und eine nicht viel kleinere Zahl anderer armer Weihnachtsgäste: Geisteskranke, Schwindsüchtige, Blöde, Heimatlose, Alte, Sieche und sehr viele kleine kranke oder verwaiste Kindlein in unseren Anstalten Bethel, Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf, di« meist Niemand haben, der ihrer zu Weihnachten in Li-be gedenkt, hoffen auch in diesem Jahre auf eine Weihnachtsfreude.
Zu unseren bisherigen Anstalten der Bamherzigkrit kommen in diesem Jahre noch die beiden Häuser „Freistatt" und „Moor- statt" im WietingSmoor für gefährdete Jünglinge und schiffbrüchige Männer aller Art hinzu, dmcn Wilhelmödorf keine genügende Arbeit mehr bieten konnte.
Jede kleinste Gabe in Geld oder iu natura nimmt mit innigem Dank entgegen.
Bethel, bei Bielefeld, Weihnachten 1900.
F. v. Bodelschwingh,
Pastor.
RebaMou, Druck und Verlag von Ver nh. Hofmaun iu Mlbbad,